Beschluss vom Landgericht Münster - 5 T 249/20
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.207,50 EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Mit Beschluss vom 24.07.2018 wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der Beteiligte zu 2 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Gleichzeitig wurde der Beteiligte zu 2 zum Sachverständigen bestellt und aufgefordert, unter anderem zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und ob das schuldnerische Vermögen die Verfahrenskosten decken wird (Bl. 42). Mit Beschluss vom 01.09.2018 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung am 01.09.2018 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zwischenzeitlich wurden der Goodwill, die Betriebs- und Geschäftsausstattung, die Maschinen und technischen Anlagen, die Fahrzeuge sowie das Vorratsvermögen im Wege der übertragenden Sanierung auf die L4 zu einem Kaufpreis in Höhe von 30.500,00 EUR veräußert.
4Mit Schreiben vom 30.08.2020 beantragte der Beteiligte zu 2 die Festsetzung seiner Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter in Höhe von 38.255,28 EUR. Hierbei legte er eine Berechnungsgrundlage in Höhe von 143.332,86 EUR zugrunde sowie (hinzukommend zu der 25%igen Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters) folgende Zuschläge:
5 Betriebsfortführung: 18%
6 Arbeitnehmerangelegenheiten: 15%
7 Übertragende Sanierung: 60%
8 Ermittlung von Anfechtungsansprüchen: 10%
9 Risikobereitschaft des Vorläufigen Insolvenzverwalters: 10%
10= Summe Zuschläge: 113%.
11Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag Bezug genommen (Bl. 307 ff.).
12Mit Beschluss vom 05.03.2020 setzte das Amtsgericht die Vergütung auf insgesamt 19.170,67 EUR fest. Dabei legte es eine Berechnungsgrundlage in Höhe von 123.332,86 EUR zu Grunde und gewährte folgende Zuschläge neben der 25%igen Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters:
13 Betriebsfortführung: 18%
14 Arbeitnehmerangelegenheiten: --
15 Übertragende Sanierung: 30%
16 Ermittlung von Anfechtungsansprüchen: --
17 Risikobereitschaft des vorläufigen Insolvenzverwalters: --
18Summe Zuschläge: 48%.
19Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen (Bl. 406 ff.).
20Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2 vom 23.04.2020, mit der er sich gegen die Zurückweisung der Zuschläge für
21 Ermittlung von Anfechtungsansprüchen: 10%, und
22 Risikobereitschaft des vorläufigen Insolvenzverwalters: 10%
23wendet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift verwiesen (Bl. 414 ff.)
24Mit Beschluss vom 29.04.2020 half das Amtsgericht der Beschwerde teilweise ab und gewährte für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ermittlung von Anfechtungsansprüchen einen Zuschlag in Höhe von 5%. Für die „Risikobereitschaft“ versagte es auch weiterhin einen Zuschlag. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen (Bl. 419 ff.).
25II.
26Die nach § 64 Abs. 3 S. 1 InsO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 4 InsO, §§ 567, 569 ZPO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
271.
28Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als vorläufiger Insolvenzverwalter wird gesondert vergütet, § 63 Abs. 3 S. 1 InsO. Im Grundsatz erhält der vorläufige Insolvenzverwalter 25% der Vergütung des Insolvenzverwalters bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt hat, § 63 Abs. 3 S. 2 InsO.
292.
30Allerdings sind nach § 11 Abs. 3 InsVV Art, Dauer und der Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters bei der Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen. Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des vorläufigen Insolvenzverwalters im konkreten Einzelfall kann dabei durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH wird auch der vorläufige Verwalter als berechtigt angesehen, seine Vergütung unter Einbeziehung von Zu- und Abschlägen nach § 3 InsVV festsetzen zu lassen (Haarmeyer/Mock InsVV, 6. Aufl. 2019, InsVV § 11 Rn. 105 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).
31Nach Gesamtabwägung aller Umstände hält die Kammer vorliegend einen Zuschlag um 53% auf insgesamt 78% - wie vom Amtsgericht vorgenommen - für angemessen und ausreichend. Die Kammer ist der Auffassung, dass (weitere) Zuschläge für die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen sowie für die Risikobereitschaft des vorläufigen Insolvenzverwalters – wie vom Beteiligten zu 2 mit der Beschwerde gefordert - nicht zu gewähren sind.
32a.
33Einen höheren Zuschlag für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ermittlung von Anfechtungsansprüchen als die vom Amtsgericht zugesprochen 5% hält die Kammer für nicht geboten.
34Der Beteiligte zu 2 hat in seiner Beschwerdeschrift die Tätigkeiten näher benannt. Weiter hat er ausgeführt, dass diese Tätigkeiten mit seiner Vergütung als Sachverständiger nicht abgegolten seien. In seiner Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter habe er insoweit eine umfangreiche zusätzliche Tätigkeit erbracht. Er habe viele Unterlagen ausgewertet und feststellen können, dass Zahlungen in Höhe von 52.000,00 EUR der Anfechtung unterliegen würden. Weiter habe er sich umfassend mit möglichen Vorsatzanfechtungen befasst und nach Systematisierung und Auswertung zahlreicher Dokumente insgesamt 15 Anfechtungsgegner ermittelt. Den entsprechenden Zeitaufwand habe er nicht in seinem Vergütungsantrag für die Sachverständigentätigkeit angesetzt.
35Die Kammer geht davon aus, dass der wesentliche Aufwand in Bezug auf die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen bereits im Rahmen der Sachverständigentätigkeit angefallen ist. Denn die Ergebnisse seiner Ermittlungen, die der Beteiligte zu 2 in seiner Beschwerdeschrift nochmal darlegt, entsprechen exakt den Ergebnissen, die der Beteiligte zu 2 in seinem Sachverständigengutachten vom 28.08.2018, Blatt 27, dargelegt hat (anfechtbare Zahlungen in Höhe von 52.000,00 EUR; 15 (Vorsatz-)Anfechtungsgegner).
36Soweit der Beteiligte zu 2 nun erklärt, er habe diesen Aufwand nicht in seinem Sachverständigenvergütungsantrag erfasst, muss sich der Beteiligte zu 2 entgegen halten lassen, in seinem Sachverständigenvergütungsantrag 4,5 Stunden für „Auswertung von Unterlagen, Ermittlung/Prüfung Forderungen/Verbindlichkeiten“ abgerechnet zu haben. Inwieweit in diesen 4,5 Stunden nur Unterlagen gesichtet und Sachverhalte geprüft worden sein sollen, die nicht im Zusammenhang mit Anfechtungen stehen, erklärt sich nicht und ist auch nicht hinreichend dargetan. Der Kammer ist bewusst, dass eine strikte Abgrenzung der Tätigkeiten, die der Beteiligte zu 2 einerseits als Sachverständiger und andererseits als vorläufiger Insolvenzverwalter durchgeführt hat und abrechnen möchte, kaum möglich sein dürfte. Überzogene Anforderungen möchte die Kammer insoweit auch nicht stellen. Es kann nicht verlangt werden, dass der Beteiligte zu 2 im Einzelnen darlegt, welches Dokument er wann in welcher Funktion gesichtet hat und zu welchem Ergebnis dies führte. Aufgrund des Umstands, dass die Ergebnisse der Prüfung von Anfechtungsansprüchen aber bereits im Sachverständigengutachten ausgeführt wurden, geht die Kammer jedoch davon aus, dass der wesentliche Aufwand diesbezüglich auch im Rahmen der Sachverständigentätigkeit erbracht und von den abgerechneten Stunden erfasst wurde. Soweit der Beteiligte zu 2 diese Tätigkeiten als vorläufiger Insolvenzverwalter fortgesetzt oder vertieft hat, hält die Kammer den diesbezüglichen Aufwand mit dem vom Amtsgericht zugebilligten Zuschlag in Höhe von 5% jedenfalls für hinreichend berücksichtigt.
37b.
38Auch gegen die Versagung des Zuschlags für die Risikobereitschaft im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung hat die Kammer keine Einwände.
39In jedem Insolvenzverfahren bestehen allgemeine und spezifische Haftungsrisiken, so dass nur über den Normalfall hinausgehende Risiken zu einer Erhöhung führen können. Schlägt das abstrakte Risiko jedoch in konkrete Tätigkeiten um, z. B. im Rahmen der Prüfung der Fortführungseignung oder der Risiken der Massekostendeckung, können besondere Risiken in diesem Bereich die notwendige und angemessene Berücksichtigung durch Zuschläge finden (LG Münster Beschl. v. 27.9.2010 – 5 T 318/10, BeckRS 2011, 21030, beck-online, mit weiteren Nachweisen).
40Vorliegend kann die Kammer in der Aufnahme des Kredits durch den Beteiligten zu 2, womit er sein erhöhtes Risiko begründet, kein derart über den Normalfall hinausgehendes Risiko erkennen, welches über einen Zuschlag weiter zu vergüten wäre. Denn allein durch das Darlehen konnte vorliegend der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin aufrechterhalten werden. Durch die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs ist es aber wiederrum zu einer nicht unwesentlichen Erhöhung der Masse gekommen. Das „Betriebsergebnis der vorläufigen Verwaltung“ betrug immerhin über 40.000 EUR und ist in die Berechnungsgrundlage mit eingeflossen. Durch die Darlehensaufnahme erhöhte Haftungsrisiken sind aufgrund der höheren Berechnungsgrundlage aus Sicht der Kammer daher bereits hinreichend abgegolten und rechtfertigen keinen weiteren Zuschlag, zumal die Risikoerhöhung aufgrund der „bloßen“ Darlehensaufnahme nicht als allzu hoch eingeschätzt wird (anders denkbar etwa dann, wenn sich der (vorläufige) Insolvenzverwalter für das Darlehen persönlich verbürgt hat, wodurch sein Risiko naturgemäß steigt (vgl. hierzu LG Münster, Beschluss vom 27.09.2010, 5 T 318/10, zitiert über Beck Online).
41Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Amtsgerichts vom 29.04.2020 verwiesen, denen der Beteiligte zu 2 auch nicht mehr entgegen getreten ist.
42c.
43Die Kammer hat die vorstehenden sowie die weiteren vorgetragenen Umstände umfassend in einer Gesamtschau berücksichtigt und bewertet und dabei auch die weiteren geltend gemachten Zuschläge (die jedoch nicht im Einzelnen mit der Beschwerde angegriffen wurden) mit einbezogen. In der vorzunehmenden Gesamtabwägung hält die Kammer einen Zuschlag zur Regelvergütung (25%) in Höhe von 53% für angezeigt, aber auch für ausreichend, sodass sich eine Gesamtvergütung in Höhe von 78% der Staffelvergütung ergibt. Dieser Zuschlag gewährleistet, dass die im hiesigen Verfahren bestehenden Abweichungen vom Normalfall (betreffend die Tätigkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters) ausreichend abgegolten sind und kein Missverhältnis zwischen dem Aufwand des vorläufigen Insolvenzverwalters und seiner Vergütung besteht.
44Insgesamt ergibt sich daher ein Vergütungssatz in Höhe von 78%, woraus sich nebst den geltend gemachten Auslagen und der Umsatzsteuer die vom Amtsgericht festgesetzte Gesamtvergütung ergibt.
453.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO i.V.m. § 97 ZPO.
47Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht der Differenz zwischen der beantragten und der vom Amtsgericht festgesetzten Vergütung (festgesetzt wurden 78% der Staffelvergütung iHv. 21.383,30 EUR = 16.678,97 EUR), wobei als „beantragte“ Vergütung nur die im Rahmen der Beschwerde begehrte Vergütung durch Berücksichtigung weiterer Zuschläge in Höhe von 15% (mithin insgesamt 93% der Staffelvergütung iHv. 21.383,30 EUR = 19.886,47 EUR) berücksichtigt worden ist. Die Differenz beträgt 3.207,50 EUR.
484.
49Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
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Referenzen
- ZPO § 569 Frist und Form 1x
- InsO § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung 2x
- InsO § 63 Vergütung des Insolvenzverwalters 2x
- InsO § 64 Festsetzung durch das Gericht 1x
- § 3 InsVV 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde 1x
- 5 T 318/10 2x (nicht zugeordnet)
- § 11 Abs. 3 InsVV 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x