Beschluss vom Landgericht Neubrandenburg (2. Beschwerdekammer) - 2 T 142/19

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Waren (Müritz) vom 23.05.2019 – Az. 101 C 534/18 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die von den Beklagten als Gesamtschuldner an die Kläger als Gesamtgläubiger gem. § 104 ZPO nach dem rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Waren (Müritz) vom 30.01.2019 zu erstattenden Kosten werden auf

1038,71 €

nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit dem 04.03.2019 festgesetzt.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 360,57 €.

Gründe

I.

1

Die Beklagten waren Mieter einer Wohnung, die im Eigentum der Kläger stehen.

2

Mit Schriftsatz vom 28.09.2017 haben die Kläger das Mietverhältnis mit den Beklagten über die von ihnen bewohnte Wohnung in ... ordentlich zum 31.10.2018 gekündigt. Im folgenden Schriftverkehr haben die Beklagten der Kündigung mit der Begründung widersprochen, dass vergleichbarer Wohnraum in der Gemeinde, der den Ansprüchen der Beklagten zu 1) aufgrund ihrer Behinderung gerecht werde, schwer zu finden sei. Ergänzend wiesen sie darauf hin, dass sie sich bemühen würden, einen neuen Wohnraum zu finden.

3

Die Kläger haben mit ihrer vor dem Amtsgericht Waren erhobenen Klage am 21.09.2018 beantragt, festzustellen, dass das Vertragsverhältnis der Parteien über die von den Beklagten bewohnte Wohnung in in ... aufgrund der Kündigung der Kläger vom 28.09.2017 mit Ablauf des 31.10.2018 ende.

4

In der Klageerwiderung vom 18.10.2018 haben die Beklagten den geltend gemachten Anspruch anerkannt. Sie wiesen darauf hin, dass es ihn stets darum gegangen sei, dass kein Räumungsverfahren gegen sie betrieben werde. Nunmehr hätten sie zum 1. November 2018 eine passende Wohnung gefunden. Die streitige Wohnung werde zum 31.10.2018 an die Kläger übergeben.

5

Die Kläger haben den Rechtsstreit in der Hauptsache mit Schreiben vom 07.11.2018 für erledigt erklärt und beantragt, durch Beschluss den Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Die Übergabe habe am 29.10.2018 stattgefunden, sodass der Erlass eines Anerkenntnisurteils obsolet geworden sei.

6

Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung der Kläger mit Schriftsatz vom 10.12.2018 angeschlossen und beantragt, den Klägern die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

7

Das Amtsgericht Waren hat mit Beschluss vom 30.01.2019 den Beklagten als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

8

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 01.03.2019 beim Amtsgericht gegen die Beklagten Festsetzung von Kosten in Höhe von 1.399,28 € (einschließlich einer Einigungsgebühr in Höhe von 303,00 € nebst MwSt.) beantragt.

9

Dem sind die Beklagten mit Schriftsatz vom 09.04.2019 entgegen getreten. Sie sind der Ansicht, dass die in Ansatz gebrachte Einigungsgebühr nicht festzusetzen sei, da sie nicht entstanden sei.

10

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 20.05.2019 dargelegt, dass sich die Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit den Klägern in Verbindung gesetzt und mitgeteilt habe, diese hätten die Möglichkeit zur Anmietung einer behindertengerechten Wohnung und würden die streitgegenständliche Wohnung an die Kläger übergeben. Die Übergabe habe dann auch tatsächlich stattgefunden. Nach Übergabe der Wohnung sei der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Sie sind der Ansicht, dass dies – auch ohne Einigung über die Kostenverteilung – unter Verweis auf den Beschluss des OLG Köln vom 09.03.2016 (17 W 287/15) eine Einigung im rechtstechnischen und gebührenrechtlichen Sinne darstelle.

11

Mit Beschluss vom 23.05.2019 – der Bevollmächtigten der Beklagten am 17.07.2019 zugestellt – hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die von den Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten auf 1.399,28 € festgesetzt.

12

Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 01.07.2019 – Eingang bei Gericht am selben Tage – sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss erhoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Erklärung der Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache lediglich eine bloße Prozesshandlung darstelle. Allein das vorliegende Nachgeben der Beklagten im Hinblick auf das Klagebegehren stelle keine Einigung dar. Die Übergabe der Wohnung sei aufgrund der Tatsache erfolgt, dass die Beklagten doch noch eine behindertengerechte Wohnung gefunden hätten.

13

Mit Beschluss vom 23.05.2019 hat das Amtsgericht Waren der sofortigen Beschwerde unter Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Köln (Beschluss vom 09.03.2016 – 17 W 287/15 –) nicht abgeholfen.

II.

14

Das gem. §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO als sofortige Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

1.

15

Eine Einigungsgebühr ist nicht angefallen. Gem. Nr. 1000 VV Abs. 1 RVG entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung am Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Dieser Gebührentatbestand ist hier nicht erfüllt.

16

Voraussetzung ist ein wirksamer Einigungsvertrag. Dieser kann auch stillschweigend geschlossen werden. Auch eine außergerichtliche Vereinbarung genügt. Bloße Erfüllungshandlungen allein führen noch nicht zu einem Vertrag. Erbringt der Gegner de facto die Leistung, zu der dieser aufgefordert worden ist, so fehlt es an einem Vertrag.Eine einseitige prozessuale Gestaltungserklärung enthält als solche keine Vereinbarung und zwar auch dann nicht, wenn sie eine Mitwirkung des Prozessgegners erfordert. Die Parteien können aber eine Vereinbarung treffen, dass der Kläger die Klage zurücknimmt und der Beklagte zustimmt oder der Beklagte die Klageforderung anerkennt. Damit sind die Umstände des Einzelfalls zu würdigen, ob ein Vertrag vorliegt (vgl. Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Auflage 2017, VV 1000 Rn. 34, 37, 41 ff.).

17

Vorliegend kann daher weder in der Übergabe der Wohnung an die Kläger noch in dem Anerkenntnis der Beklagten mit Schriftsatz vom 18.10.2018 ein Einigungsvertrag gesehen werden, da sich die Parteien mit ihren Prozessvertretern nach deren Vortrag nicht darauf geeinigt haben. Vielmehr ist es lediglich zu der Prozesserklärung der Beklagten und der Übergabe der Wohnung aufgrund tatsächlicher Umstände in Bezug auf die Anmietung einer neuen Wohnung durch die Beklagten gekommen.

18

Des Weiteren stellen übereinstimmende wirksame Erledigungserklärungen beider Parteien als solche bloße Parteiprozesshandlungen dar. Sie beenden lediglich die Rechtshängigkeit des bisher streitigen Anspruchs unmittelbar und besagen nur, dass die Parteien an einer Sachentscheidung durch das Gericht kein Interesse mehr haben. Sofern die Parteien also nicht gleichzeitig in einem sachlich rechtlichen Streitpunkt eine Einigung erzielen, liegt nach einer unstreitigen Erledigung in den bloßen übereinstimmenden Erledigungserklärungen keine Einigung nach VV 1000 (OLG Celle, Beschluss vom 08. April 2013 – 10 WF 105/13 –, juris Rn. 6; OLG Hamm, Beschluss vom 30.12.2013 – 6 WF 129/13 –, MDR 2014, 839 OLG Rostock, Beschluss vom 10. Juli 2012 – 5 W 35/12 –, juris Rn. 8; Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage 2015, VV 1000 Rn. 27).

19

Es kann offen bleiben, welcher Sachverhalt der Entscheidung des OLG Köln im Beschluss vom 09.03.2016 – Az.: 17 W 287/15 – (juris) zugrunde lag. Richtig ist, dass eine Einigungsgebühr auch entstehen kann, wenn sich nur über die Hauptsache geeinigt wurde, jedoch nicht über die Kosten (Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Auflage 2017, VV 1000 Rn. 142 f.).

20

Vorliegend haben sich die Parteien jedoch nicht in einem Streitpunkt über die reinen Erledigungserklärungen hinaus geeinigt. Die verfahrensbeendenden Erklärungen waren vielmehr dem Umstand geschuldet, dass die Beklagten einen neuen Wohnraum für sich gefunden hatten, der deren Auszug ermöglicht hat.

2.

21

Der Erstattungsanspruch der Kläger gegen die Beklagten errechnet sich danach wie folgt:

22
        

 Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV RVG (1,6)

        

 484,80 €

 Pauschale Post und Telekomm., Nr. 7002 VV RVG

        

  20,00 €

 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

        

  95,91 €

 Zwischensumme

        

 600,71 €

 zzgl. verauslagte Gerichtskosten

        

 438,00 €

 gesamt:

        

 1038,71 €

III.

23

Da die sofortige Beschwerde der Beklagten Erfolg hat, werden Gerichtskosten nicht erhoben (Nr. 1812 KV GKG). Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 91 ZPO.

24

Der Wert des Beschwerdeverfahrens war nach § 3 ZPO festzusetzen und entspricht der streitigen Einigungsgebühr nebst Umsatzsteuer.

25

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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