Urteil vom Landgericht Rottweil - 2 O 537/01

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 50.000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 03.08.2002 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen materiellen Schaden zu ersetzen, der diesem aus dem Eingriff vom 15.12.1994 bereits entstanden ist und künftig noch entsteht, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert:

Klagantrag Ziff. 1: 51.129,19 EUR Klagantrag Ziff. 2: 20.000,00 EUR

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt Schadensersatz mit der Behauptung eines durch die Beklagten im Zusammenhang mit seiner Geburt begangenen Behandlungsfehlers.
Die Beklagten praktizieren getrennt als Frauenärzte. Sie wirken außerdem als Belegärzte in der geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses ... Dabei nehmen sie den Nachtdienst abwechselnd wahr.
Bei der am 05.09.1968 geborenen Mutter des Klägers wurde am 21.04.1994 in der sechsten Schwangerschaftswoche die Schwangerschaft mit dem Kläger festgestellt. Die Mutter des Klägers hatte zuvor im April 1988 ein Mädchen mit 3.550 g Körpergewicht mit Vakuumextraktion und im Dezember 1989 ein Mädchen mit einem Körpergewicht von 3.900 g spontan geboren.
Das Gewicht der Mutter des Klägers steigerte sich während der Schwangerschaft mit dem Kläger bei einer Körpergröße von 167 cm von 104,1 kg am 02.05.1994 auf zuletzt 125,1 kg. Hinweise für eine Diabetes bestanden nicht.
Während der Schwangerschaft wurde die Mutter des Klägers ambulant durch den Beklagten Ziff. 2 betreut. In diesem Rahmen wurden fünf Ultraschalluntersuchungen durchgeführt, nämlich
- am 02.05.1994 in der 7+0. SSW
- am 09.05.1994 in der 8+0. SSW
- am 27.06.1994 in der 15+0. SSW
- am 01.08.1994 in der 20+0. SSW; gleichzeitig Biometrie mit einem BIP von 51 mm und einem Abdomenquerdurchmesser von 44 mm;
10 
- am 18.10.1994 in der 31+1. SSW; gleichzeitig Biometrie mit einem BIP von 87 mm und einem Abdomenquerdurchmesser von 86 mm.
11 
Der voraussichtliche Entbindungstermin wurde auf den 19.12.1994 bestimmt.
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Vom 01.11.1994 bis 03.11.1994 und vom 05.12.1994 bis 06.12.1994 wurde die Mutter des Klägers jeweils stationär im Krankenhaus --- wegen vorzeitiger Wehen behandelt, die letztgenannte Behandlung wurde durch die Beklagten Ziff. 1 und 2 durchgeführt. Dabei wurde am 01.11.1994 noch ein Ultraschall durchgeführt, eine Biometrie erfolgte aber bei beiden Krankenhausaufenthalten nicht.
13 
Am 15.12.1994 wurde die Mutter des Klägers gegen 0.00 Uhr stationär zur Geburt aufgenommen. Die Aufnahmeuntersuchung wurde durch den Beklagten Ziff. 2, der in der Nacht eigentlich keinen Dienst hatte, aber noch wegen einer anderen Geburt im Hause war, durchgeführt. Der Kopf des Klägers war im Beckeneingang, der Muttermund 2 cm. Um 1.00 Uhr wurde ein Blasensprung mit grünem Fruchtwasser festgestellt. Um 2.20 Uhr untersuchte der Beklagte Ziff. 2 mit dem Ergebnis Muttermund 3 cm, Kopf noch im Beckeneingang. Sodann verließ der Beklagte Ziff. 2 das Krankenhaus. Für den weiteren Geburtsverlauf ist dokumentiert:
14 
2.55 Uhr CTG an; Oxytocintropf
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3.10 Uhr Patientin möchte Schmerzmittel; 50 mg Dolantin
16 
4.30 Uhr Muttermund 8 cm; telefonische Info Dr. ---
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4.33 Uhr Presswehen
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4.40 Uhr Dezeleration i. AP
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4.55 Uhr Kopf steckt - Schulter lässt sich nicht entwickeln
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5.05 Uhr * med. Epi-Lösung des hinteren Armes vor Partus - da sonst keine Entb. möglich * Nabelschnurumlegung zweimal Hals
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Der Kläger wies ein Geburtsgewicht von 5.000 g, eine Länge von 55 cm und einen Kopfumfang von 35 cm auf. Er musste nach der Geburt reanimiert und sofort in eine Kinderklinik verlegt werden. Der Kläger erlitt im Geburtsverlauf eine Armplexusläsion rechts.
22 
Unter dem 11.01.1995 formulierte das Klinikum ... (Bl. 32 d.A.), dass der Kläger eine geburtstraumatische komplette Plexusparese rechtsseitig entwickelt hat. Vom sozialpädiatrischen Zentrum ... wurde am 12.05.1997 (Bl. 34 d.A.) bescheinigt, dass beim Kläger eine vollständige Lähmung des rechten Armes infolge einer Nervenzerrung bei der Geburt vorliegt. Durch intensive therapeutische Maßnahmen habe erreicht werden können, dass der rechte Arm jetzt begrenzt einsatzfähig sei. Besuche beim Therapeuten werden als dreimal wöchentlich notwendig eingestuft. Unter dem 06.08.2002 schreibt die Klinik ..., dass sich beim Kläger augenscheinlich eine deutliche Längendifferenz der rechten zur linken oberen Extremität von ca. 10 cm ergibt. Dr. ... schreibt unter dem 13.08.2002 (Bl. 60 d.A.), dass der rechte Arm seit der Geburt fast völlig gelähmt sei. Er berichtet von regelmäßiger Krankengymnastik über die Dauer der letzten sieben Jahre. Der rechte Arm kann in seiner Gebrauchsfähigkeit nur minimal unterstützend eingesetzt werden. Im Schreiben des Klinikums ...vom 02.10.2002 (Bl. 69) wird berichtet, dass die Hand als Helferhand eingesetzt werden kann.
23 
Ein Geschwisterkind des Klägers wurde in den Folgejahren nach der Geburt des Klägers durch die Beklagten per Schnittenbindung entbunden.
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Der Kläger behauptet,
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der Beklagte Ziff. 1 habe im Rahmen der stationären Aufnahme am 05.12.1994 im Beisein des Onkels des Klägers geäußert, dass ein sehr großes Kind zu erwarten und deshalb eine Schnittentbindung notwendig sei.
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Die Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 hätten durch Behandlungsfehler die Armplexusläsion des Klägers verursacht. Wegen der hohen Gewichtszunahme der Mutter des Klägers sei eine Biometrie vor der Geburt zwingend geboten gewesen. Die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung noch im Kreißsaal sei wegen des erheblichen zeitlichen Abstands zur letzten Ultraschalluntersuchung und wegen der starken Gewichtszunahme der Mutter des Klägers zwingend gewesen. Durch die gebotene Untersuchung hätte sich gezeigt, dass mit einem Geburtsgewicht von über 4.500 g zu rechnen war. Dies hätte der Anlass sein müssen für eine Schnittentbindung wegen der Gefahr einer Schulterdystokie.
27 
Der Kläger ist der Ansicht,
28 
die Dokumentation der Geburt sei unzureichend und deshalb sei eine Beweislastumkehr anzunehmen.
29 
Es sei fehlerhaft gewesen, dass der Wehentropf während der Geburt bei Erkennen der Schulterdystokie nicht abgestellt wurde.
30 
Mangels notwendiger Aufklärung zur Schnittentbindung als ernsthafte Alternative sei die Behandlung der Mutter des Klägers ohne wirksame Einwilligung erfolgt mit der Folge einer Haftung unabhängig vom Verschulden.
31 
Die Armplexusläsion stelle beim Kläger einen irreversiblen Gesundheitsschaden dar, der eine lebenslange Behinderung am rechten Arm einschließlich einer Beeinträchtigung in der beruflichen Entwicklung zur Folge habe. Der materielle Schaden sei noch in einer fortlaufenden Entwicklung begriffen.
32 
Der Kläger hält als Schmerzensgeld 100.000 DM bzw. 51.129,19 EUR für angemessen.
33 
Die Klage wurde den Beklagten am 02.08.2002 zugestellt.
34 
Der Kläger beantragt:
35 
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 51.129,19 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2001 zu bezahlen.
36 
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Beklagten allen materiellen Schaden zu ersetzen, der diesem aus dem Eingriff vom 15.12.1994 bereits entstanden ist und künftig noch entsteht, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
37 
Die Beklagten beantragen
38 
Klagabweisung.
39 
Die Beklagten behaupten,
40 
bei der Schwangerschaft der Mutter des Klägers hätten sich keine Hinweise ergeben auf Abweichungen zu einer normal verlaufenden Schwangerschaft.
41 
Aufgrund von Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft hätte eine Geburtsgröße von über 4.500 g wegen der Größen- und Gewichtsverhältnisse der Mutter nicht erkannt werden können.
42 
Auch bei der Eingangsuntersuchung am 15.12.1994 hätten keine Befunde gegen eine natürliche Entbindung gesprochen.
43 
Als der Beklagte Ziff. 1 zu der Geburt hinzugekommen sei, sei der Kopf bereits geboren gewesen und das CTG habe schlechte Werte gezeigt. Der Beklagte Ziff. 1 habe durch das Verfahren nach McRoberts versucht, die festgestellte Schulterverhakung zu lösen. Dies sei wegen des Gewichts der Mutter des Klägers und deren Apathie nicht möglich gewesen. Weil der Beklagte Ziff. 1 wegen des schlechten CTG's einen Hirnschaden für den Kläger befürchtet habe, habe er, um schnell handeln zu können, von einer Narkose abgesehen. Er habe die hintere Schulter gelöst durch Dehnung des hinteren Scheidengewölbes und einen Dammschnitt.
44 
Eine Schnittenbindung sei, weil sie für die Mutter des Klägers wegen deren Gewicht ein erhebliches Risiko bedeutet hätte, nicht primär angezeigt gewesen.
45 
Die Dokumentation sei nachträglich von der Hebamme gemacht worden. Sie sei teilweise nicht zutreffend. Die in der Dokumentation gespiegelte Zeit von ca. einer halben Stunde zwischen dem Eintreffen des Beklagten Ziff. 1 und der Geburt des Klägers könne nicht stimmen. Insoweit sei ein Zeitraum von ca. 10 Minuten korrekt.
46 
Der Schaden sei durch kräftigen Zug am Kopf des Klägers, der aber notwendig gewesen sei, entstanden.
47 
Das Gericht hat die Beklagten angehört. Es hat Beweis erhoben durch Vernehmung der ... als Zeugin. Der Arm des Klägers und dessen Beweglichkeit wurde in Augenschein genommen. Der Sachverständige Professor Dr. med. ... erstattete ein schriftliches Sachverständigengutachten und erläuterte dies mündlich. Wegen der schriftlichen Angaben des Sachverständigen wird auf Bl. 123 ff. d.A., wegen der mündlichen Erläuterungen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2003 (Bl. 153 ff. d.A.) Bezug genommen. Wegen der durchgeführten Behandlung wird auf die vorgelegten Behandlungsunterlagen einschließlich des Kinderuntersuchungshefts und des Mutterpasses Bezug genommen. Wegen des Gesundheitszustands des Klägers in der Zeit nach der Geburt bis heute wird auf die Schreiben Bl. 32, Bl. 60, Bl. 61, Bl. 69 und Bl. 88 d.A. Bezug genommen. Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
48 
Die Klage ist zulässig.
49 
Hinsichtlich des Klagantrags Ziff. 2 ist das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ausreichend dargelegt.
50 
Ohne den Feststellungsantrag würde dem Kläger die Verjährung der weitergehenden Ansprüche drohen. Die Beklagten haben die Haftung außergerichtlich abgelehnt.
51 
Die Leistungsklage ist für den materiellen Schaden nicht vorrangig, da in der Natur der Sache liegend sich dieser Schaden mit fortschreitendem Alter des Klägers noch erhöhen wird und sich insbesondere erst in späteren Jahren durch eine eingeschränkte Möglichkeit der Berufsauswahl und -ausübung manifestieren wird. Eine teilweise Bezifferung insbesondere hinsichtlich bereits entstandener Selbstbeteiligungen an Krankengymnastik oder sonstigen ärztlichen Behandlungen oder Beratungen ist nicht zu fordern (dazu Zöller, Kommentar zur ZPO, 23. Auflage, § 256 Rz. 7 a).
II.
52 
Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte Ziff. 1 (dazu nachfolgend Ziff. 1) und der Beklagte Ziff. 2 (dazu nachfolgend Ziff. 2) haften für die beim Kläger bestehende Armplexusläsion gesamtschuldnerisch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR (dazu nachfolgend Ziff. 3) und auf Feststellung des materiellen Schadens (dazu nachfolgend Ziff. 4).
53 
1. Der Beklagte Ziff. 1 haftet für die beim Kläger eingetretene Armplexusläsion nach den §§ 823, 847 BGB.
54 
1.1 Dem Kläger kann ein deliktischer Ersatzanspruch zustehen, obwohl er während der Tätigkeit des Beklagten Ziff. 1 noch nicht rechtsfähig war im Sinne des § 1 BGB, so weit er im Mutterleib verletzt wurde und die weiteren Haftungsvoraussetzungen vorliegen (BGHZ 106, 153/155).
55 
1.2 Unstreitig wurde die Läsion des klägerischen Armplexus gerade während des vom Beklagten Ziff. 1 begleiteten Geburtsvorganges verursacht (dazu eigene Angabe des Beklagten Ziff. 1, Bl. 81 d.A.).
56 
1.3 Das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1, das zu der Schädigung des Klägers führte, war fehlerhaft.
57 
1.3.1 Als nicht fachgerecht ist dem Beklagten Ziff. 1 in diesem Zusammenhang zunächst vorzuwerfen, dass er auch nach Erkennen der Schulterdystokie den die Wehen fördernden Tropf nicht abhängte. Verhakt sich die Schulter des Kindes während der Geburt an der Symphyse, ist es sachgerecht, die Wehentätigkeit medikamentös zu unterbrechen (OLG Düsseldorf, OLG-Report 2002, 349/350). Statt dessen wurde, indem der Wehentropf nicht abhängt wurde, die Wehentätigkeit forciert. Der Sachverständige bezeichnete dies als unlogisch.
1.3.2
58 
Außerdem ist im Ergebnis davon auszugehen, dass der Beklagte Ziff. 1 zum Lösen der Schulterdystokie kein anerkanntes Verfahren durchführte. Er versuchte keine Lösung der Dystokie mit dem so genannten McRoberts-Manöver. Es ist unklar, auf welche Weise konkret er die Schulter löste.
59 
Zwar hat der Kläger den Nachweis dieser Tatsachen nicht unmittelbar erbracht. Der Beklagte Ziff. 1 stellte in seiner Anhörung dar, wie er den Kläger entwickelt haben will. Der Kläger hat diese Darstellung bestritten.
60 
Aus der Tatsache des Eintritts der Läsion lässt sich nicht sicher auf einen durch den Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler schließen: wie der Sachverständige erläuterte, kann es zu einer Schädigung wie der des Klägers auch kommen, wenn das Vorgehen bei der Geburt ärztlichem Standard entspricht. Der Schaden kann also auch schicksalhaft eintreten.
61 
Dem Kläger kommen aber Beweiserleichterungen zugute wegen nicht ausreichender Dokumentation des Geburtsablaufs durch den Beklagten Ziff. 1.
62 
Das Gericht stuft, sowohl nach Bewertung der Angaben des Sachverständigen, der die Dokumentation als Katastrophe bezeichnete, als auch durch Vergleich mit dem ansonsten durch die Rechtsprechung geforderten Umfang der Dokumentation eines Geburtsablaufs bei eingetretener Komplikation die Dokumentation als sehr unzulänglich ein. In der Dokumentation ist nicht festgehalten, ob es sich um einen hohen Schultergeradstand oder um einen tiefen Schulterquerstand handelt, weshalb bereits nicht sicher einschätzbar ist, welche Handgriffe die richtigen sind (dazu OLG München OLGR 2000, 94). Das behauptete Manöver nach McRoberts ist ebenso wenig erwähnt wie das behauptete Kristellern nach Lösen der Dystokie. Der Dammschnitt ist dem Umfang nach nicht beschrieben. Die Art der Entwicklung des Klägers, also des Lösens der Dystokie, ist nicht genau beschrieben (dazu BGH VersR 1984, 354 ff.). Der Beklagte Ziff. 1 erläuterte, dass er die Dokumentation nicht selbst verfasst hätte und dass diese jedenfalls bezüglich der zeitlichen Abfolge nicht korrekt sei. Er müsse nämlich nach der Dokumentation bereits ca. um 4.32 Uhr im Kreißsaal gewesen sein, obwohl eine Verschlechterung des CTG erst für 4.40 Uhr dokumentiert ist und das Feststecken des Kopfes erst für 4.55 Uhr und er in Erinnerung hat, dass beide Komplikationen bereits eingetreten waren, als er den Kreißsaal betrat.
63 
Jedenfalls das Manöver nach McRoberts ist als Standardreaktion auf die eingetretene Geburtskomplikation ebenso dokumentationspflichtig wie die genaue Art der Entwicklung des Kindes.
64 
Unterbleibt die Dokumentation eines dokumentationspflichtigen Elements, wird vermutet, dass diese aus medizinischer Sicht erforderliche Maßnahme unterblieben ist (OLG Zweibrücken VersR 1997, 1103 ff.).
65 
Damit wird vorliegend jedenfalls vermutet, dass das Manöver nach McRoberts unterblieb.
1.3.3
66 
Das Unterlassen des anerkannten Verfahrens nach McRoberts wertet das Gericht als fehlerhaft. Es handelt sich insoweit, wie der Sachverständige darlegte, um das allgemein empfohlene, am wenigsten belastende, weil nicht invasive Verfahren. Im schriftlichen Gutachten bezeichnete der Sachverständige das Manöver ausdrücklich als "notwendig". Bei dieser nicht invasiven Methode besteht auch eine geringere Gefahr von Entzündungen (Bl. 156 d.A.). Unter Bewertung dieser Gesichtspunkte ist das Verfahren zur weitest möglichen Schonung und Gesunderhaltung von Mutter und Kind nach Überzeugung des Gerichts zuerst zu versuchen.
67 
Auch im Übrigen stuft das Gericht die Lösung der Dystokie durch den Beklagten Ziff. 1 als fehlerhaft ein. Wegen der fehlenden Dokumentation über die Art der tatsächlich stattgefundenen Entwicklung im Einzelnen besteht ein Aufklärungshindernis mit der Folge, dass die Beweissituation für den Kläger unbillig erschwert ist. Es ist ihm deshalb eine Beweiserleichterung zuzubilligen mit der Folge, dass der Behandlungsfehler als nachgewiesen gilt, wenn er nur ernsthaft in Betracht kommt (OLG Köln, VersR 1994, 1424, OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916 ff.). Wie der Sachverständige darlegte und sich auch aus der Rechtsprechung zur Schulterdystokie ergibt, kommt es bei dieser Geburtskomplikation gerade dann häufig zu einer Armplexusläsion, wenn überstürzte Extraktionsversuche, die als Behandlungsfehler einzustufen sind, durchgeführt werden.
68 
Offen bleiben kann, ob ein weiterer Fehler während der Entwicklung durch den vom Beklagten Ziff. 1 geschilderten Zug am Kopf des Klägers, der nach Lösen der Schulter erfolgt sein soll, begangen wurde. Der Sachverständige bezeichnete das Ziehen am Kopf als essentiellen Fehler jedenfalls für den Fall, dass er während der Dystokie erfolgt (Bl. 157 d.A.).
69 
1.4 Durch die vom Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler wurde die Armplexusläsion beim Kläger verursacht.
1.4.1
70 
Teilweise wird in der Rechtsprechung bei mangelhafter Dokumentation des Geburtsablaufs die Beweiserleichterung ohne weiteres auch auf die Frage der Kausalität ausgedehnt (OLG Koblenz, OLG-Report 2002, 303; OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916; OLG Köln, VersR 1994, 1424 ff.).
71 
Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an und geht bereits deshalb von einer Kausalität aus, nachdem der Sachverständige überzeugend darlegte, dass ärztliches Fehlverhalten wie das des Beklagten Ziff. 1 zur Verursachung der Läsion geeignet ist. Gerade weil die wesentlichen Schritte des Geburtsablaufs und die genaue Lage des Klägers nicht dokumentiert sind, ist es dem Gericht nicht möglich, im Einzelnen nachzuvollziehen, wie die Geburt ablief. Gerade deshalb ist auch nicht genau festzustellen, worin nun das Fehlverhalten des Beklagten Ziff. 1 lag. Würde man in dieser Situation die Kausalität ablehnen mit der Begründung, der Behandlungsfehler, von dem auszugehen sei, sei nicht nachweisbar grob, weshalb der Nachweis, dass gerade dieser den Schaden verursachte, nicht geführt sei, würde man den Kläger doch wieder in eine für ihn gerade wegen der unzureichenden Dokumentation billigerweise nicht mehr zumutbare Beweissituation bringen.
1.4.2
72 
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, würde man sich oben genannter Ansicht nicht anschließen, jedenfalls von der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und eingetretenem Schaden auszugehen wäre, weil das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1 auch als grob fehlerhaft mit der Folge der Beweislastumkehr einzustufen ist. Die Nichtursächlichkeit der fehlerhaften Behandlung für den eingetretenen Schaden vermochte der Beklagte Ziff. 1 nicht zu beweisen. Die Versäumnisse des Beklagten Ziff. 1 sind geeignet, den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsschaden hervorzurufen.
73 
Zwar wollte der Sachverständige die Einschätzung eines groben Behandlungsfehlers, also eines eindeutigen Verstoßes gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln und einen Fehler, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (so BGH u.a. in VersR 1999, 231), nicht treffen. Die abschließende Beurteilung des ärztlichen Verhaltens im Sinne eines groben Behandlungsfehlers obliegt aber dem Tatrichter, wobei seine juristische Gewichtung des ärztlichen Vorgehens durch die vom Sachverständigen mitgeteilten medizinischen Fakten getragen sein muss (BGH NJW 2000, 2737/2739). Die Kammer wertet unter Berücksichtigung dieser Kriterien die Behandlung durch den Beklagten Ziff. 1 als grob fehlerhaft. Es stellt bereits einen erheblichen Fehler dar, bei einer Schulterdystokie nicht auf anerkannte Manöver zur Schulterlösung zurückzugreifen. Darüber hinaus wurde vorliegend aber auch noch, geradezu kontraproduktiv, die Wehentätigkeit durch Weitergabe des Tropfes forciert. Der Sachverständige stufte dies nicht nur als fehlerhaft ein, er erläuterte auch, dass es sogar umgekehrt angezeigt gewesen wäre, Wehen hemmende Mittel zu verabreichen (dazu auch OLG Düsseldorf, OLGR 2002, 349/350). Insofern hat der Beklagte Ziff. 1 nicht nur durch ein Unterlassen die Situation weiter verschlechtert, sondern außerdem eine Möglichkeit der Entspannung der Situation und damit eine Möglichkeit, der Gesunderhaltung von Mutter und Kind zu dienen, nicht genutzt. Beide Fehler des Beklagten Ziff. 1, die fehlerhafte Entwicklung des Kindes und die fehlerhafte Wehenforcierung statt der Wehenhemmung sind als Gesamtheit zu betrachten (BGH NJW 2000, 2737/2739; OLG Stuttgart, VersR 1994, 1114 ff.).
74 
So weit der Sachverständige meinte, das Fehlverhalten sei aufgrund der hektischen Situation während der komplikationsbeladenen Geburt nachvollziehbar, stellt dies ein nicht medizinisches Argument dar, das für das Gericht nicht bindend und nicht einleuchtend ist.
75 
So weit der Sachverständige den groben Behandlungsfehler ablehnte unter Hinweis darauf, dass die Schulter ja gelöst worden sei, ist dies nicht stichhaltig. Die Lösung erfolgte gerade nicht nachweisbar ohne Schädigung des Klägers. Es ist gerade unklar geblieben, wie im Einzelnen die Schulterlösung erfolgte. Diese Unklarheit, die auch bedeuten kann, dass während des Vorgangs des Lösens der Schulter massiv fehlerhaft vorgegangen wurde, beruht auf der mangelhaften Dokumentation und geht deshalb zu Lasten des Beklagten Ziff. 1.
76 
2. Auch der Beklagte Ziff. 2 ist für den beim Kläger eingetretenen Schaden deliktisch verantwortlich.
77 
2.1 Es ist naheliegend, dass der Beklagte Ziff. 2 nach §§ 823, 847 BGB haftet unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Körperverletzung wegen Einleitung einer vaginalen Entbindung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr ohne hinreichende vorherige Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung und damit ohne wirksame Einwilligung (dazu OLG Hamm, VersR 1997, 1403 ff.). Die Frage kann letztlich aber offen bleiben.
78 
Es ist anerkannt, dass nicht vor jeder Geburt die Alternative der Sectio mit der werdenden Mutter angesprochen werden muss. Eine Aufklärung über diesen anderen Geburtsweg ist erst notwendig, wenn bei der vaginalen Geburt dem Kind ernst zu nehmende Gefahren drohen und daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine abdominale Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung der Konstitution der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt (OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 310/311 m. w. Nachw.; OLG München, VersR 1994, 1345).
79 
Zwar hat der Sachverständige im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens dargelegt, dass allein die sonographische Gewichtsschätzung im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen wäre zum Stellen der Indikation einer primären Schnittentbindung und zur Aufklärung über die Schnittentbindung als ernsthafte Alternative zur Vaginalentbindung. Er begründete dies maßgeblich damit, dass der Kläger zwar tatsächlich ein Geburtsgewicht aufwies, das Anlass gewesen wäre, eine Sectio in Betracht zu ziehen (bei Mutter ohne Diabetes ab 5.000 g Kindsgewicht), dass dieses Gewicht aber angesichts fehlender Schätzsicherheit nicht völlig zu-verlässig durch eine sonographische Gewichtsschätzung zu ermitteln gewesen wäre. Andererseits aber erläuterte der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung die Umstände des Einzelfalls näher. So legte er dar, dass die Messung bereits falsch erfolgte, weil entgegen den Vorgaben des Mutterpasses auf Außenmessung mittig gemessen wurde und damit Werte erzielt wurden, die zu niedrig waren. Außerdem ist das Entscheidende nicht die mit Ungenauigkeiten behaftete Gewichtsbestimmung, sondern die Messung von Kopf und Bauch und die Bewertung der dabei gewonnenen Ergebnisse. Diese Messung hatte bereits in der 32. Schwangerschaftswoche ergeben, dass der Kopf eine Woche, der Bauch aber drei Wochen weiter gewachsen war und sich also ein Missverhältnis von Kopf und Körper abzeichnete. Auch die tatsächliche Kopfgröße des Klägers bei der Geburt von 35 cm zeigt, dass es nicht möglich gewesen wäre, einen kleinen Bauch zu messen unter Berücksichtigung des Gesamtgewichts des Klägers. Außerdem erklärte der Sachverständige, dass das tatsächliche Geburtsgewicht mit 5.000 g enorm gewesen sei und dies hätte auffallen müssen. So hätte das Kind bei einer Ultraschallaufnahme vor der Geburt kaum auf den Bildschirm passen können. Nach alledem liegt, wie auch der Sachverständige mündlich bestätigte, nahe, dass man auch bei Betrachtung der körperlichen Konstitution der Mutter vorliegend nach Durchführung der gebotenen Untersuchungen an die Schnittenbindung als Alternative denken musste. Wegen des absehbar großen Bauches des Kindes war deutlich, dass es bei einer vaginalen Geburt zu Problemen kommen könnte. Auch der Sachverständige hätte vorliegend mit der Patientin die Situation besprochen, sie also über die Sectio aufgeklärt. Es wäre dann Entscheidung der Mutter des Klägers gewesen, welche Art der Geburt sie wählt (dazu auch OLG Frankfurt, OLGR 2003, 55).
80 
Die Mutter des Klägers legte unwidersprochen dar, dass sie sich nach der Aufklärung nicht nur in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, sondern auch, dass sie in eine Sectio eingewilligt hätte (Bl. 160 d.A.).
81 
2.2 Jedenfalls haftet der Beklagte Ziff. 2 nach § 831 BGB für die vom Beklagten Ziff. 1 begangenen Fehler.
82 
Der Beklagte Ziff. 2 war der Arzt, der die Mutter des Klägers auf vertraglicher Grundlage während der Schwangerschaft betreut hatte. Er war auch Belegarzt in dem Krankenhaus, in dem die Geburt durchgeführt wurde. Als sich die Klägerin dorthin begab, um bei der Geburt betreut zu werden und dort vom Beklagten Ziff. 2 zunächst behandelt wurde, wurde der aus der Zeit der Schwangerschaft bestehende Behandlungsvertrag fortgesetzt. Der Beklagte Ziff. 1 war während seiner späteren Betreuung der Mutter des Klägers als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 anzusehen: er war während der Zeit der Abwesenheit des Beklagten Ziff. 2 zeitweilig als dessen Vertreter beauftragt, dessen ärztliche Tätigkeiten wahrzunehmen. Dass er dabei eigenes ärztliches Ermessen walten ließ, schadet nicht, weil es für die Weisungsgebundenheit im Sinne des § 831 BGB genügt, dass, wie vorliegend aufgrund der vertraglichen Beziehung zur Mutter des Klägers, sich der Beklagte Ziff. 1 im Allgemeinen nach den Vorstellungen des Beklagten Ziff. 2 bei der Behandlung der Mutter des Klägers zu richten hatte (zur Zurechnung bei belegärztlicher Behandlung und Urlaubsvertretung allgemein BGH, NJW 2000, 2737; konkret zum zwischen dem Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 bestehenden Rechtsverhältnis OLG Stuttgart, VersR 2002, 235 ff.).
83 
Der Beklagte Ziff. 1 beging die oben geschilderten Behandlungsfehler zum Nachteil des Klägers in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung. Die Schadenszurechnung zum Beklagten Ziff. 2 entspricht der unter I 1 dargestellten.
84 
Der Beklagte Ziff. 2 vermochte sich nicht zu exkulpieren. Er hat hierzu nicht vorgetragen.
85 
2.3 Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte Ziff. 2 außerdem einen eigenen Behandlungsfehler beging, als er bei der Untersuchung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr, als die Mutter des Klägers das Krankenhaus aufsuchte, keine Ultraschalluntersuchung durchführte. Mit dem Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt eine solche Untersuchung angezeigt gewesen wäre. Die letzte Ultraschalluntersuchung mit Fetometrie hatte am 18.10.1994 stattgefunden und lag damit nahezu zwei Monate zurück. Bereits diese hatte Hinweise auf ein makrosomes Kind ergeben. Außerdem hatte die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft überdurchschnittlich an Gewicht zugelegt und bereits zwei Kinder mit einem erheblichen Geburtsgewicht zur Welt gebracht.
86 
Zwar ist bei diesem Fehler des nicht durchgeführten Ultraschalls durch den Beklagten Ziff. 2, betrachtet man ihn isoliert, nicht sicher, dass ein fehlerfreies Verhalten, also die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung, tatsächlich zu einem anderen Geburtsverlauf geführt und eine Schädigung des Klägers vermieden hätte. Dem Kläger kommt hier jedoch wiederum eine Beweislastumkehr zugute: zwar ist für das Gericht die Einschätzung des Sachverständigen, dass das Unterlassen der Ultraschalluntersuchung für sich betrachtet nicht grob fahrlässig war, noch nachvollziehbar: indes muss beim groben Behandlungsfehler auf den Gesamtverlauf der Geburt als einheitlichen Vorgang abgestellt werden. Für die Patientin stellt sich das Geschehen ab der Aufnahme in der Klinik in der Nacht des 15.12. bis zur Geburt des Klägers als einheitlicher Vorgang und damit als insgesamt zu bewertende Einheit dar. Dementsprechend müssen auch die späteren durch den Beklagten Ziff. 1 begangenen Behandlungsfehler in diese Gesamtschau einbezogen werden, da der Beklagte Ziff. 1 als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 auftrat und damit dem Beklagten Ziff. 2 dessen Handeln zuzurechnen ist. Die Gesamtbetrachtung ergibt, dass das sowieso bereits während des Endstadiums der Geburt grob fehlerhafte Vorgehen sich bei Berücksichtigung des weiteren Fehlers, der unterlassenen Ultraschalluntersuchung, im noch stärkeren Maße als grob fehlerhaft darstellt.
87 
Den Nachweis, dass die unterlassene Untersuchung nicht schadensursächlich war, vermochte der Beklagte Ziff. 2 nicht zu führen.
88 
3. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner (§ 840 BGB) verpflichtet, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR zu bezahlen.
89 
3.1 Auf den Rechtsstreit ist § 847 BGB anwendbar (Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB).
90 
3.2 Es erscheint ein Zahlbetrag von 50.000 EUR als angemessen (so auch OLG Frankfurt, OLGReport 2003, 55; OLG Hamm VersR 1997, 1403).
91 
Der Kläger ist seit seiner Geburt und lebenslang körperlich behindert. Sein rechter Arm ist um ca. 10 cm verkürzt. Er vermag den Arm, wie das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst feststellte, nicht anzuwinkeln. Er kann seine rechte Hand nur grobmotorisch nutzen - so demonstrierte er dem Gericht, dass er einen Stift zwar greifen, aber diesen dann nicht nutzen kann.
92 
Die Behinderung ist immer wieder Anlass für krankengymnastische oder ärztliche Behandlungen. Diese stören die Möglichkeit, zu einem möglichst normalen alltäglichen Leben zu finden.
93 
Wegen dieser körperlichen Beeinträchtigung ist der Kläger in seinem Alltag insgesamt sehr eingeschränkt. Für gesunde Menschen gängige Handreichungen sind ihm unmöglich. Er ist dauerhaft gehindert, zahlreiche Sportarten auszuüben und handwerklichen Hobbys oder Berufen nachzugehen, weil diese die Nutzung zweier Arme bzw. Hände erfordern. Die Behinderung ist optisch erkennbar. Sie wird ihn auch in der Berufsauswahl und -ausübung insgesamt und möglicherweise auch in den sozialen Beziehungen zu anderen Menschen beeinträchtigen.
94 
3.3 Der Betrag ist ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Ein Vortrag, der einen früheren Zinszeitpunkt schlüssig begründen würde, fehlt.
95 
4. Auch der Feststellungsantrag ist begründet.
96 
Bereits die unter 3. geschilderten offensichtlichen Gegebenheiten machen deutlich, dass dem Kläger in Vergangenheit und Zukunft Kosten entstehen und Erwerbsmöglichkeiten fehlen, von denen ein Mensch, der nicht von den Folgen des von den Beklagten zu verantwortenden Behandlungsfehlers betroffen ist, nicht berührt wäre.
III.
97 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
98 
Der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit liegt § 709 ZPO zugrunde.

Gründe

 
I.
48 
Die Klage ist zulässig.
49 
Hinsichtlich des Klagantrags Ziff. 2 ist das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ausreichend dargelegt.
50 
Ohne den Feststellungsantrag würde dem Kläger die Verjährung der weitergehenden Ansprüche drohen. Die Beklagten haben die Haftung außergerichtlich abgelehnt.
51 
Die Leistungsklage ist für den materiellen Schaden nicht vorrangig, da in der Natur der Sache liegend sich dieser Schaden mit fortschreitendem Alter des Klägers noch erhöhen wird und sich insbesondere erst in späteren Jahren durch eine eingeschränkte Möglichkeit der Berufsauswahl und -ausübung manifestieren wird. Eine teilweise Bezifferung insbesondere hinsichtlich bereits entstandener Selbstbeteiligungen an Krankengymnastik oder sonstigen ärztlichen Behandlungen oder Beratungen ist nicht zu fordern (dazu Zöller, Kommentar zur ZPO, 23. Auflage, § 256 Rz. 7 a).
II.
52 
Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte Ziff. 1 (dazu nachfolgend Ziff. 1) und der Beklagte Ziff. 2 (dazu nachfolgend Ziff. 2) haften für die beim Kläger bestehende Armplexusläsion gesamtschuldnerisch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR (dazu nachfolgend Ziff. 3) und auf Feststellung des materiellen Schadens (dazu nachfolgend Ziff. 4).
53 
1. Der Beklagte Ziff. 1 haftet für die beim Kläger eingetretene Armplexusläsion nach den §§ 823, 847 BGB.
54 
1.1 Dem Kläger kann ein deliktischer Ersatzanspruch zustehen, obwohl er während der Tätigkeit des Beklagten Ziff. 1 noch nicht rechtsfähig war im Sinne des § 1 BGB, so weit er im Mutterleib verletzt wurde und die weiteren Haftungsvoraussetzungen vorliegen (BGHZ 106, 153/155).
55 
1.2 Unstreitig wurde die Läsion des klägerischen Armplexus gerade während des vom Beklagten Ziff. 1 begleiteten Geburtsvorganges verursacht (dazu eigene Angabe des Beklagten Ziff. 1, Bl. 81 d.A.).
56 
1.3 Das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1, das zu der Schädigung des Klägers führte, war fehlerhaft.
57 
1.3.1 Als nicht fachgerecht ist dem Beklagten Ziff. 1 in diesem Zusammenhang zunächst vorzuwerfen, dass er auch nach Erkennen der Schulterdystokie den die Wehen fördernden Tropf nicht abhängte. Verhakt sich die Schulter des Kindes während der Geburt an der Symphyse, ist es sachgerecht, die Wehentätigkeit medikamentös zu unterbrechen (OLG Düsseldorf, OLG-Report 2002, 349/350). Statt dessen wurde, indem der Wehentropf nicht abhängt wurde, die Wehentätigkeit forciert. Der Sachverständige bezeichnete dies als unlogisch.
1.3.2
58 
Außerdem ist im Ergebnis davon auszugehen, dass der Beklagte Ziff. 1 zum Lösen der Schulterdystokie kein anerkanntes Verfahren durchführte. Er versuchte keine Lösung der Dystokie mit dem so genannten McRoberts-Manöver. Es ist unklar, auf welche Weise konkret er die Schulter löste.
59 
Zwar hat der Kläger den Nachweis dieser Tatsachen nicht unmittelbar erbracht. Der Beklagte Ziff. 1 stellte in seiner Anhörung dar, wie er den Kläger entwickelt haben will. Der Kläger hat diese Darstellung bestritten.
60 
Aus der Tatsache des Eintritts der Läsion lässt sich nicht sicher auf einen durch den Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler schließen: wie der Sachverständige erläuterte, kann es zu einer Schädigung wie der des Klägers auch kommen, wenn das Vorgehen bei der Geburt ärztlichem Standard entspricht. Der Schaden kann also auch schicksalhaft eintreten.
61 
Dem Kläger kommen aber Beweiserleichterungen zugute wegen nicht ausreichender Dokumentation des Geburtsablaufs durch den Beklagten Ziff. 1.
62 
Das Gericht stuft, sowohl nach Bewertung der Angaben des Sachverständigen, der die Dokumentation als Katastrophe bezeichnete, als auch durch Vergleich mit dem ansonsten durch die Rechtsprechung geforderten Umfang der Dokumentation eines Geburtsablaufs bei eingetretener Komplikation die Dokumentation als sehr unzulänglich ein. In der Dokumentation ist nicht festgehalten, ob es sich um einen hohen Schultergeradstand oder um einen tiefen Schulterquerstand handelt, weshalb bereits nicht sicher einschätzbar ist, welche Handgriffe die richtigen sind (dazu OLG München OLGR 2000, 94). Das behauptete Manöver nach McRoberts ist ebenso wenig erwähnt wie das behauptete Kristellern nach Lösen der Dystokie. Der Dammschnitt ist dem Umfang nach nicht beschrieben. Die Art der Entwicklung des Klägers, also des Lösens der Dystokie, ist nicht genau beschrieben (dazu BGH VersR 1984, 354 ff.). Der Beklagte Ziff. 1 erläuterte, dass er die Dokumentation nicht selbst verfasst hätte und dass diese jedenfalls bezüglich der zeitlichen Abfolge nicht korrekt sei. Er müsse nämlich nach der Dokumentation bereits ca. um 4.32 Uhr im Kreißsaal gewesen sein, obwohl eine Verschlechterung des CTG erst für 4.40 Uhr dokumentiert ist und das Feststecken des Kopfes erst für 4.55 Uhr und er in Erinnerung hat, dass beide Komplikationen bereits eingetreten waren, als er den Kreißsaal betrat.
63 
Jedenfalls das Manöver nach McRoberts ist als Standardreaktion auf die eingetretene Geburtskomplikation ebenso dokumentationspflichtig wie die genaue Art der Entwicklung des Kindes.
64 
Unterbleibt die Dokumentation eines dokumentationspflichtigen Elements, wird vermutet, dass diese aus medizinischer Sicht erforderliche Maßnahme unterblieben ist (OLG Zweibrücken VersR 1997, 1103 ff.).
65 
Damit wird vorliegend jedenfalls vermutet, dass das Manöver nach McRoberts unterblieb.
1.3.3
66 
Das Unterlassen des anerkannten Verfahrens nach McRoberts wertet das Gericht als fehlerhaft. Es handelt sich insoweit, wie der Sachverständige darlegte, um das allgemein empfohlene, am wenigsten belastende, weil nicht invasive Verfahren. Im schriftlichen Gutachten bezeichnete der Sachverständige das Manöver ausdrücklich als "notwendig". Bei dieser nicht invasiven Methode besteht auch eine geringere Gefahr von Entzündungen (Bl. 156 d.A.). Unter Bewertung dieser Gesichtspunkte ist das Verfahren zur weitest möglichen Schonung und Gesunderhaltung von Mutter und Kind nach Überzeugung des Gerichts zuerst zu versuchen.
67 
Auch im Übrigen stuft das Gericht die Lösung der Dystokie durch den Beklagten Ziff. 1 als fehlerhaft ein. Wegen der fehlenden Dokumentation über die Art der tatsächlich stattgefundenen Entwicklung im Einzelnen besteht ein Aufklärungshindernis mit der Folge, dass die Beweissituation für den Kläger unbillig erschwert ist. Es ist ihm deshalb eine Beweiserleichterung zuzubilligen mit der Folge, dass der Behandlungsfehler als nachgewiesen gilt, wenn er nur ernsthaft in Betracht kommt (OLG Köln, VersR 1994, 1424, OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916 ff.). Wie der Sachverständige darlegte und sich auch aus der Rechtsprechung zur Schulterdystokie ergibt, kommt es bei dieser Geburtskomplikation gerade dann häufig zu einer Armplexusläsion, wenn überstürzte Extraktionsversuche, die als Behandlungsfehler einzustufen sind, durchgeführt werden.
68 
Offen bleiben kann, ob ein weiterer Fehler während der Entwicklung durch den vom Beklagten Ziff. 1 geschilderten Zug am Kopf des Klägers, der nach Lösen der Schulter erfolgt sein soll, begangen wurde. Der Sachverständige bezeichnete das Ziehen am Kopf als essentiellen Fehler jedenfalls für den Fall, dass er während der Dystokie erfolgt (Bl. 157 d.A.).
69 
1.4 Durch die vom Beklagten Ziff. 1 zu verantwortenden Behandlungsfehler wurde die Armplexusläsion beim Kläger verursacht.
1.4.1
70 
Teilweise wird in der Rechtsprechung bei mangelhafter Dokumentation des Geburtsablaufs die Beweiserleichterung ohne weiteres auch auf die Frage der Kausalität ausgedehnt (OLG Koblenz, OLG-Report 2002, 303; OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916; OLG Köln, VersR 1994, 1424 ff.).
71 
Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an und geht bereits deshalb von einer Kausalität aus, nachdem der Sachverständige überzeugend darlegte, dass ärztliches Fehlverhalten wie das des Beklagten Ziff. 1 zur Verursachung der Läsion geeignet ist. Gerade weil die wesentlichen Schritte des Geburtsablaufs und die genaue Lage des Klägers nicht dokumentiert sind, ist es dem Gericht nicht möglich, im Einzelnen nachzuvollziehen, wie die Geburt ablief. Gerade deshalb ist auch nicht genau festzustellen, worin nun das Fehlverhalten des Beklagten Ziff. 1 lag. Würde man in dieser Situation die Kausalität ablehnen mit der Begründung, der Behandlungsfehler, von dem auszugehen sei, sei nicht nachweisbar grob, weshalb der Nachweis, dass gerade dieser den Schaden verursachte, nicht geführt sei, würde man den Kläger doch wieder in eine für ihn gerade wegen der unzureichenden Dokumentation billigerweise nicht mehr zumutbare Beweissituation bringen.
1.4.2
72 
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, würde man sich oben genannter Ansicht nicht anschließen, jedenfalls von der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und eingetretenem Schaden auszugehen wäre, weil das Vorgehen des Beklagten Ziff. 1 auch als grob fehlerhaft mit der Folge der Beweislastumkehr einzustufen ist. Die Nichtursächlichkeit der fehlerhaften Behandlung für den eingetretenen Schaden vermochte der Beklagte Ziff. 1 nicht zu beweisen. Die Versäumnisse des Beklagten Ziff. 1 sind geeignet, den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsschaden hervorzurufen.
73 
Zwar wollte der Sachverständige die Einschätzung eines groben Behandlungsfehlers, also eines eindeutigen Verstoßes gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln und einen Fehler, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (so BGH u.a. in VersR 1999, 231), nicht treffen. Die abschließende Beurteilung des ärztlichen Verhaltens im Sinne eines groben Behandlungsfehlers obliegt aber dem Tatrichter, wobei seine juristische Gewichtung des ärztlichen Vorgehens durch die vom Sachverständigen mitgeteilten medizinischen Fakten getragen sein muss (BGH NJW 2000, 2737/2739). Die Kammer wertet unter Berücksichtigung dieser Kriterien die Behandlung durch den Beklagten Ziff. 1 als grob fehlerhaft. Es stellt bereits einen erheblichen Fehler dar, bei einer Schulterdystokie nicht auf anerkannte Manöver zur Schulterlösung zurückzugreifen. Darüber hinaus wurde vorliegend aber auch noch, geradezu kontraproduktiv, die Wehentätigkeit durch Weitergabe des Tropfes forciert. Der Sachverständige stufte dies nicht nur als fehlerhaft ein, er erläuterte auch, dass es sogar umgekehrt angezeigt gewesen wäre, Wehen hemmende Mittel zu verabreichen (dazu auch OLG Düsseldorf, OLGR 2002, 349/350). Insofern hat der Beklagte Ziff. 1 nicht nur durch ein Unterlassen die Situation weiter verschlechtert, sondern außerdem eine Möglichkeit der Entspannung der Situation und damit eine Möglichkeit, der Gesunderhaltung von Mutter und Kind zu dienen, nicht genutzt. Beide Fehler des Beklagten Ziff. 1, die fehlerhafte Entwicklung des Kindes und die fehlerhafte Wehenforcierung statt der Wehenhemmung sind als Gesamtheit zu betrachten (BGH NJW 2000, 2737/2739; OLG Stuttgart, VersR 1994, 1114 ff.).
74 
So weit der Sachverständige meinte, das Fehlverhalten sei aufgrund der hektischen Situation während der komplikationsbeladenen Geburt nachvollziehbar, stellt dies ein nicht medizinisches Argument dar, das für das Gericht nicht bindend und nicht einleuchtend ist.
75 
So weit der Sachverständige den groben Behandlungsfehler ablehnte unter Hinweis darauf, dass die Schulter ja gelöst worden sei, ist dies nicht stichhaltig. Die Lösung erfolgte gerade nicht nachweisbar ohne Schädigung des Klägers. Es ist gerade unklar geblieben, wie im Einzelnen die Schulterlösung erfolgte. Diese Unklarheit, die auch bedeuten kann, dass während des Vorgangs des Lösens der Schulter massiv fehlerhaft vorgegangen wurde, beruht auf der mangelhaften Dokumentation und geht deshalb zu Lasten des Beklagten Ziff. 1.
76 
2. Auch der Beklagte Ziff. 2 ist für den beim Kläger eingetretenen Schaden deliktisch verantwortlich.
77 
2.1 Es ist naheliegend, dass der Beklagte Ziff. 2 nach §§ 823, 847 BGB haftet unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Körperverletzung wegen Einleitung einer vaginalen Entbindung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr ohne hinreichende vorherige Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung und damit ohne wirksame Einwilligung (dazu OLG Hamm, VersR 1997, 1403 ff.). Die Frage kann letztlich aber offen bleiben.
78 
Es ist anerkannt, dass nicht vor jeder Geburt die Alternative der Sectio mit der werdenden Mutter angesprochen werden muss. Eine Aufklärung über diesen anderen Geburtsweg ist erst notwendig, wenn bei der vaginalen Geburt dem Kind ernst zu nehmende Gefahren drohen und daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine abdominale Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung der Konstitution der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt (OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 310/311 m. w. Nachw.; OLG München, VersR 1994, 1345).
79 
Zwar hat der Sachverständige im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens dargelegt, dass allein die sonographische Gewichtsschätzung im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen wäre zum Stellen der Indikation einer primären Schnittentbindung und zur Aufklärung über die Schnittentbindung als ernsthafte Alternative zur Vaginalentbindung. Er begründete dies maßgeblich damit, dass der Kläger zwar tatsächlich ein Geburtsgewicht aufwies, das Anlass gewesen wäre, eine Sectio in Betracht zu ziehen (bei Mutter ohne Diabetes ab 5.000 g Kindsgewicht), dass dieses Gewicht aber angesichts fehlender Schätzsicherheit nicht völlig zu-verlässig durch eine sonographische Gewichtsschätzung zu ermitteln gewesen wäre. Andererseits aber erläuterte der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung die Umstände des Einzelfalls näher. So legte er dar, dass die Messung bereits falsch erfolgte, weil entgegen den Vorgaben des Mutterpasses auf Außenmessung mittig gemessen wurde und damit Werte erzielt wurden, die zu niedrig waren. Außerdem ist das Entscheidende nicht die mit Ungenauigkeiten behaftete Gewichtsbestimmung, sondern die Messung von Kopf und Bauch und die Bewertung der dabei gewonnenen Ergebnisse. Diese Messung hatte bereits in der 32. Schwangerschaftswoche ergeben, dass der Kopf eine Woche, der Bauch aber drei Wochen weiter gewachsen war und sich also ein Missverhältnis von Kopf und Körper abzeichnete. Auch die tatsächliche Kopfgröße des Klägers bei der Geburt von 35 cm zeigt, dass es nicht möglich gewesen wäre, einen kleinen Bauch zu messen unter Berücksichtigung des Gesamtgewichts des Klägers. Außerdem erklärte der Sachverständige, dass das tatsächliche Geburtsgewicht mit 5.000 g enorm gewesen sei und dies hätte auffallen müssen. So hätte das Kind bei einer Ultraschallaufnahme vor der Geburt kaum auf den Bildschirm passen können. Nach alledem liegt, wie auch der Sachverständige mündlich bestätigte, nahe, dass man auch bei Betrachtung der körperlichen Konstitution der Mutter vorliegend nach Durchführung der gebotenen Untersuchungen an die Schnittenbindung als Alternative denken musste. Wegen des absehbar großen Bauches des Kindes war deutlich, dass es bei einer vaginalen Geburt zu Problemen kommen könnte. Auch der Sachverständige hätte vorliegend mit der Patientin die Situation besprochen, sie also über die Sectio aufgeklärt. Es wäre dann Entscheidung der Mutter des Klägers gewesen, welche Art der Geburt sie wählt (dazu auch OLG Frankfurt, OLGR 2003, 55).
80 
Die Mutter des Klägers legte unwidersprochen dar, dass sie sich nach der Aufklärung nicht nur in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, sondern auch, dass sie in eine Sectio eingewilligt hätte (Bl. 160 d.A.).
81 
2.2 Jedenfalls haftet der Beklagte Ziff. 2 nach § 831 BGB für die vom Beklagten Ziff. 1 begangenen Fehler.
82 
Der Beklagte Ziff. 2 war der Arzt, der die Mutter des Klägers auf vertraglicher Grundlage während der Schwangerschaft betreut hatte. Er war auch Belegarzt in dem Krankenhaus, in dem die Geburt durchgeführt wurde. Als sich die Klägerin dorthin begab, um bei der Geburt betreut zu werden und dort vom Beklagten Ziff. 2 zunächst behandelt wurde, wurde der aus der Zeit der Schwangerschaft bestehende Behandlungsvertrag fortgesetzt. Der Beklagte Ziff. 1 war während seiner späteren Betreuung der Mutter des Klägers als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 anzusehen: er war während der Zeit der Abwesenheit des Beklagten Ziff. 2 zeitweilig als dessen Vertreter beauftragt, dessen ärztliche Tätigkeiten wahrzunehmen. Dass er dabei eigenes ärztliches Ermessen walten ließ, schadet nicht, weil es für die Weisungsgebundenheit im Sinne des § 831 BGB genügt, dass, wie vorliegend aufgrund der vertraglichen Beziehung zur Mutter des Klägers, sich der Beklagte Ziff. 1 im Allgemeinen nach den Vorstellungen des Beklagten Ziff. 2 bei der Behandlung der Mutter des Klägers zu richten hatte (zur Zurechnung bei belegärztlicher Behandlung und Urlaubsvertretung allgemein BGH, NJW 2000, 2737; konkret zum zwischen dem Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 bestehenden Rechtsverhältnis OLG Stuttgart, VersR 2002, 235 ff.).
83 
Der Beklagte Ziff. 1 beging die oben geschilderten Behandlungsfehler zum Nachteil des Klägers in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung. Die Schadenszurechnung zum Beklagten Ziff. 2 entspricht der unter I 1 dargestellten.
84 
Der Beklagte Ziff. 2 vermochte sich nicht zu exkulpieren. Er hat hierzu nicht vorgetragen.
85 
2.3 Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte Ziff. 2 außerdem einen eigenen Behandlungsfehler beging, als er bei der Untersuchung am 15.12.1994 um 0.00 Uhr, als die Mutter des Klägers das Krankenhaus aufsuchte, keine Ultraschalluntersuchung durchführte. Mit dem Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt eine solche Untersuchung angezeigt gewesen wäre. Die letzte Ultraschalluntersuchung mit Fetometrie hatte am 18.10.1994 stattgefunden und lag damit nahezu zwei Monate zurück. Bereits diese hatte Hinweise auf ein makrosomes Kind ergeben. Außerdem hatte die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft überdurchschnittlich an Gewicht zugelegt und bereits zwei Kinder mit einem erheblichen Geburtsgewicht zur Welt gebracht.
86 
Zwar ist bei diesem Fehler des nicht durchgeführten Ultraschalls durch den Beklagten Ziff. 2, betrachtet man ihn isoliert, nicht sicher, dass ein fehlerfreies Verhalten, also die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung, tatsächlich zu einem anderen Geburtsverlauf geführt und eine Schädigung des Klägers vermieden hätte. Dem Kläger kommt hier jedoch wiederum eine Beweislastumkehr zugute: zwar ist für das Gericht die Einschätzung des Sachverständigen, dass das Unterlassen der Ultraschalluntersuchung für sich betrachtet nicht grob fahrlässig war, noch nachvollziehbar: indes muss beim groben Behandlungsfehler auf den Gesamtverlauf der Geburt als einheitlichen Vorgang abgestellt werden. Für die Patientin stellt sich das Geschehen ab der Aufnahme in der Klinik in der Nacht des 15.12. bis zur Geburt des Klägers als einheitlicher Vorgang und damit als insgesamt zu bewertende Einheit dar. Dementsprechend müssen auch die späteren durch den Beklagten Ziff. 1 begangenen Behandlungsfehler in diese Gesamtschau einbezogen werden, da der Beklagte Ziff. 1 als Verrichtungsgehilfe des Beklagten Ziff. 2 auftrat und damit dem Beklagten Ziff. 2 dessen Handeln zuzurechnen ist. Die Gesamtbetrachtung ergibt, dass das sowieso bereits während des Endstadiums der Geburt grob fehlerhafte Vorgehen sich bei Berücksichtigung des weiteren Fehlers, der unterlassenen Ultraschalluntersuchung, im noch stärkeren Maße als grob fehlerhaft darstellt.
87 
Den Nachweis, dass die unterlassene Untersuchung nicht schadensursächlich war, vermochte der Beklagte Ziff. 2 nicht zu führen.
88 
3. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner (§ 840 BGB) verpflichtet, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR zu bezahlen.
89 
3.1 Auf den Rechtsstreit ist § 847 BGB anwendbar (Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB).
90 
3.2 Es erscheint ein Zahlbetrag von 50.000 EUR als angemessen (so auch OLG Frankfurt, OLGReport 2003, 55; OLG Hamm VersR 1997, 1403).
91 
Der Kläger ist seit seiner Geburt und lebenslang körperlich behindert. Sein rechter Arm ist um ca. 10 cm verkürzt. Er vermag den Arm, wie das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst feststellte, nicht anzuwinkeln. Er kann seine rechte Hand nur grobmotorisch nutzen - so demonstrierte er dem Gericht, dass er einen Stift zwar greifen, aber diesen dann nicht nutzen kann.
92 
Die Behinderung ist immer wieder Anlass für krankengymnastische oder ärztliche Behandlungen. Diese stören die Möglichkeit, zu einem möglichst normalen alltäglichen Leben zu finden.
93 
Wegen dieser körperlichen Beeinträchtigung ist der Kläger in seinem Alltag insgesamt sehr eingeschränkt. Für gesunde Menschen gängige Handreichungen sind ihm unmöglich. Er ist dauerhaft gehindert, zahlreiche Sportarten auszuüben und handwerklichen Hobbys oder Berufen nachzugehen, weil diese die Nutzung zweier Arme bzw. Hände erfordern. Die Behinderung ist optisch erkennbar. Sie wird ihn auch in der Berufsauswahl und -ausübung insgesamt und möglicherweise auch in den sozialen Beziehungen zu anderen Menschen beeinträchtigen.
94 
3.3 Der Betrag ist ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Ein Vortrag, der einen früheren Zinszeitpunkt schlüssig begründen würde, fehlt.
95 
4. Auch der Feststellungsantrag ist begründet.
96 
Bereits die unter 3. geschilderten offensichtlichen Gegebenheiten machen deutlich, dass dem Kläger in Vergangenheit und Zukunft Kosten entstehen und Erwerbsmöglichkeiten fehlen, von denen ein Mensch, der nicht von den Folgen des von den Beklagten zu verantwortenden Behandlungsfehlers betroffen ist, nicht berührt wäre.
III.
97 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
98 
Der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit liegt § 709 ZPO zugrunde.

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