Urteil vom Landgericht Siegen - 2 O 375/12
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.922,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.01.2013 zu zahlen aufgrund der Beteiligung des Klägers an der O mbH & Co. N3 KG/N Schiffsbetriebsgesellschaft mbh &Co. N2 KG.
2. Die Verurteilung zu Ziffer 1 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der von dem Kläger am 11.07.#####/####.10.2007 gezeichneten Beteiligung an der O mbH & Co. N3 KG/N Schiffsbetriebsgesellschaft mbh &Co. N2 KG im Nennwert von 34.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der von dem Kläger am 11.07.#####/####.10.2007 gezeichneten Beteiligung an der O mbH & Co. N3 KG/N Schiffsbetriebsgesellschaft mbh &Co. N2 KG im Nennwert von 34.000,00 US-$ sowie der Annahme der Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung im Verzug befindet.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von dem Kläger am 11.07.#####/####.10.2007 gezeichneten Beteiligung an der O mbH & Co. N3 KG/N Schiffsbetriebsgesellschaft mbh &Co. N2 KG im Nennwert von 34.000,00 US-$ resultieren und die ohne Zeichnung dieses Fondsanteils nicht eingetreten wären.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.934,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.01.2013 zu zahlen aufgrund der Beteiligung des Klägers an der L GmbH & Co./Kommanditgesellschaft N GmbH & Co.
6. Die Verurteilung zu Ziffer 1 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der von dem Kläger am 10.07.#####/####.07.2008 gezeichneten Beteiligung an der L GmbH & Co./Kommanditgesellschaft N GmbH & Co im Nennwert von 30.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.
7. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der von dem Kläger am 10.07.#####/####.07.2008 gezeichneten Beteiligung an der L GmbH & Co./Kommanditgesellschaft N GmbH & Co im Nennwert von 30.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte im Verzug befindet.
8. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von dem Kläger am 10.07.#####/####.07.2008 gezeichneten Beteiligung an der L GmbH & Co./Kommanditgesellschaft N GmbH & Co im Nennwert von 30.000,00 US-$ resultieren und die ohne Zeichnung dieses Fondsanteils nicht eingetreten wären.
9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.097,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.01.2013 zu zahlen aufgrund der Beteiligung des Klägers an der E GmbH & Co. Flugzeugfonds 1 KG.
10. Die Verurteilung zu Ziffer 9 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der von dem Kläger am 18.12.2008 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. Flugzeugfonds 1 KG im Nennwert von 20.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.
11. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der von dem Kläger am 18.12.2008 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. Flugzeugfonds 1 KG im Nennwert von 20.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte im Verzug befindet.
12. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von dem Kläger am 18.12.2008 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. Flugzeugfonds 1 KG im Nennwert von 20.000,00 US-$ resultieren und die ohne Zeichnung dieses Fondsanteils nicht eingetreten wären.
13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.026,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.01.2013 zu zahlen.
14. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
15. Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 12% der Kläger und zu 88% die Beklagte.
16. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 110% des gegen den Kläger aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger zeichnete nach Beratung durch Mitarbeiter der Beklagten folgende drei geschlossene Fondsbeteiligungen (jeweils umgerechnet in EUR einschl. 5% Agio):
31) CFB 161: 24.360,29 €Datum der Beteiligung: 11.07.#####/####.10.2007Ausschüttungen: 5.437,62 €Bestandteil der Klage: 18.922,67 €
42) CFB 167:22.761,08 €Datum der Beteiligung: 10.07.#####/####.07.2008Ausschüttungen: 826,15 € (streitig)Bestandteil der Klage: 21.934,93 €
53) E:16.246,33 €Datum der Beteiligung: 18.12.2008Ausschüttungen: 3.148,69 €Bestandteil der Klage: 13.097,64 €.
6Die Beklagte vereinnahmte für die Vermittlung eine über 5% des Anlagebetrages gelegene Provision, deren Höhe sie im vorliegenden Rechtsstreit nicht mitgeteilt hat. In den Beratungsgesprächen wurde nicht über die Provision gesprochen.
7Der Kläger fordert Schadensersatz in Gestalt der Rückabwicklung mit der Begründung, die Provision sei ihm verschwiegen worden. Zudem behauptet er, über die Risiken der Beteiligung nicht aufgeklärt worden zu sein. Der Kläger beantragt,
8-
9
17. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.922,67 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 13.12.2007 bis Rechtshängigkeit und weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen aufgrund der Beteiligung des Klägers an der O mbH & Co. N3 KG/Navibola Schiffsbetriebsgesellschaft mbh &Co. N2 KG.
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18. Die Verurteilung zu Ziffer 1 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der von dem Kläger am 11.07.#####/####.10.2007 gezeichneten Beteiligung an der O mbH & Co. N3 KG/Navibola Schiffsbetriebsgesellschaft mbh &Co. N2 KG im Nennwert von 34.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte,hilfsweise,die Verurteilung zu Ziffer 1 Zug um Zug gegen Übertragung der von dem Kläger am 11.07.#####/####.10.2007 gezeichneten Beteiligung an der O mbH & Co. N3 KG/Navibola Schiffsbetriebsgesellschaft mbh &Co. N2 KG im Nennwert von 34.000,00 US-$ an die Beklagte erfolgen zu lassen.
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19. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der von dem Kläger am 11.07.#####/####.10.2007 gezeichneten Beteiligung an der O mbH & Co. N3 KG/Navibola Schiffsbetriebsgesellschaft mbh &Co. N2 KG im Nennwert von 34.000,00 US-$ sowie der Annahme der Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung im Verzug befindet,hilfsweise,es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der von dem Kläger am 11.07.#####/####.10.2007 gezeichneten Beteiligung an der O mbH & Co. N3 KG/Navibola Schiffsbetriebsgesellschaft mbh &Co. N2 KG im Nennwert von 34.000,00 US-$ im Verzug befindet,
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20. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von dem Kläger am 11.07.#####/####.10.2007 gezeichneten Beteiligung an der O mbH & Co. N3 KG/Navibola Schiffsbetriebsgesellschaft mbh &Co. N2 KG im Nennwert von 34.000,00 US-$ resultieren und die ohne Zeichnung dieses Fondsanteils nicht eingetreten wären.
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21. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.934,93 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 15.12.2010 bis Rechtshängigkeit und weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen aufgrund der Beteiligung des Klägers an der L GmbH & Co./Kommanditgesellschaft N GmbH & Co.
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22. Die Verurteilung zu Ziffer 1 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der von dem Kläger am 10.07.#####/####.07.2008 gezeichneten Beteiligung an der L GmbH & Co./Kommanditgesellschaft N GmbH & Co im Nennwert von 30.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte,hilfsweise,die Verurteilung zu Ziffer 1 Zug um Zug gegen Übertragung der von dem Kläger am 10.07.#####/####.07.2008 gezeichneten Beteiligung an der L GmbH & Co./Kommanditgesellschaft N GmbH & Co im Nennwert von 30.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte erfolgen zu lassen.
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23. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der von dem Kläger am 10.07.#####/####.07.2008 gezeichneten Beteiligung an der L GmbH & Co./Kommanditgesellschaft N GmbH & Co im Nennwert von 30.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte im Verzug befindet,hilfsweise,es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der von dem Kläger am 10.07.#####/####.07.2008 gezeichneten Beteiligung an der L GmbH & Co./Kommanditgesellschaft N GmbH & Co im Nennwert von 30.000,00 US-$ im Verzug befindet,
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24. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von dem Kläger am 10.07.#####/####.07.2008 gezeichneten Beteiligung an der L GmbH & Co./Kommanditgesellschaft N GmbH & Co im Nennwert von 30.000,00 US-$ resultieren und die ohne Zeichnung dieses Fondsanteils nicht eingetreten wären.
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25. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.097,64 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 20.01.2009 bis Rechtshängigkeit und weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen aufgrund der Beteiligung des Klägers an der E GmbH & Co. Flugzeugfonds 1 KG.
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26. Die Verurteilung zu Ziffer 9 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der von dem Kläger am 18.12.2008 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. Flugzeugfonds 1 KG im Nennwert von 20.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte,hilfsweise,die Verurteilung zu Ziffer 9 erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung der von dem Kläger am 18.12.2008 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. Flugzeugfonds 1 KG im Nennwert von 20.000,00 US-$ an die Beklagte.
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27. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der von dem Kläger am 18.12.2008 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. Flugzeugfonds 1 KG im Nennwert von 20.000,00 US-$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte im Verzug befindet,hilfsweise,es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der von dem Kläger am 18.12.2008 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. Flugzeugfonds 1 KG im Nennwert von 20.000,00 US-$ im Verzug befindet.
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28. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von dem Kläger am 18.12.2008 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. Flugzeugfonds 1 KG im Nennwert von 20.000,00 US-$ resultieren und die ohne Zeichnung dieses Fondsanteils nicht eingetreten wären.
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29. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.522,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
23Die Klage abzuweisen.
24Sie hält Beratungspflichtverstöße nicht für gegeben, erhebt die Einrede der Verjährung und behauptet, der Kläger habe nach dem Inhalt der Prospekte gewusst, dass die Beklagte eine Vergütung erhalte, und hätte die Anlage auch gezeichnet, wenn er von der Vergütung gewusst hätte.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung als Partei vernommen worden.
26Entscheidungsgründe:
27Die Klage ist im erkannten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
281)
29Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag und nicht lediglich ein Anlagevermittlungs- oder Auskunftsvertrag zustande gekommen ist.
30Der Anlageberatungsvertrag ist von einem Anlagevermittlungs- bzw. Auskunftsvertrag abzugrenzen. Bei einem Auskunftsvertrag vertreibt ein Anlagevermittler ein Anlageprodukt ohne Beratung aber mit dem Wissen, dass der Anlageinteressent erkennbar die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse des Vermittlers in Anspruch nehmen will (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2008 – XI ZR 89/07; BGH, Urteil vom 11.09.2003 – III ZR 382/02). Bei einer reinen Anlagevermittlung hingegen geht es dem Anlageinteressenten nicht um den Erhalt einer verbindlichen, richtigen und vollständigen Antwort. Vielmehr ist erkennbar, dass der Vermittler nicht unabhängiger Berater ist, sondern werbend für die zu vermittelnde Anlage in anpreisender Weise tätig wird (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2004 - III ZR 359/02). Ein Anlageberatungsvertrag hat zum Inhalt, dass tatsächlich eine Beratung des Anlageinteressenten stattfindet im Wege einer fachmännischen Bewertung und Empfehlung einer Anlage (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2004 – XI ZR 355/02; BGH, Urteil vom 18.11.2003, XI ZR 322/01). Er kann bereits dann zustande kommen, wenn ein Interessent für eine Anlage an eine Bank herantritt, um über eine Anlage beraten zu werden. In dem Herantreten liegt ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines Beratungsvertrages. Durch die Aufnahme eines Beratungsgespräches wird sodann stillschweigend ein Beratungsvertrag abgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.1993 - XI ZR 12/93, BGH, Urteil vom 14.07.2009 - XI ZR 152/08).
312)
32Die Beklagte hat in zurechenbarer Weise ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt, indem ihre Mitarbeiter den Kläger nicht über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aufgeklärt haben.
33Aus dem Beratungsvertrag ergab sich die Pflicht der Beklagten, den Kläger über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände zu informieren (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.1993 - XI ZR 12/93, sog. Bond-Urteil). Diese Informationspflicht beinhaltet auch die Aufklärung über an die Beklagte geflossene Rückvergütungen (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2006 - XI ZR 56/05, sog. Kick-Back-Urteil).
34Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 9. März 2011 - Az: XI ZR 191/10 -, Beschluss vom 24.08.2011 - XI ZR 191/10) sind aufklärungspflichtige Rückvergütungen - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Positionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, so dass beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen kann, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt, so dass dieser das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen kann.
35Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass die Beklagte für die Vermittlung der Anlage eine Provision erhalten hat, die aus den im Prospekt ausgewiesenen Vermittlungs- und Garantiegebühren stammt, ohne dass aus dem Prospekt ersichtlich wäre, dass diese Gebühren ganz oder teilweise an die Beklagte fließen.
36Über den Rückfluss dieser Provision ist der Kläger unstreitig nicht aufgeklärt worden. Da die Vertriebskosten im Prospekt offen ausgewiesen sind, handelt es sich bei an die Beklagte geflossenen Positionen nach der Rechtsprechung des BGH aber um aufklärungspflichtige Rückvergütungen. Aufgrund der Vergütung bestand bei der Beklagten und deren Mitarbeitern auch ein erhebliches Interesse an der Empfehlung des streitgegenständlichen Fonds. Dem Verkaufsprospekt ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte Empfängerin der Provisionen sein sollte. Ob dem Kläger klar sein musste, dass die Beklagte entgeltlich arbeitet oder dass es sich um die Vermittlung konzerneigener Produkte handelt, ist entgegen der Auffassung der Beklagten in diesem Zusammenhang unerheblich.
37Ein Verschulden der Beklagten in Bezug auf den Verstoß gegen ihre Aufklärungspflichten ist gegeben. Das Verschulden der Beklagten wird gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. bzw. §§ 282, 285 BGB a.F. vermutet. Die Voraussetzungen für eine Exkulpation muss die Beklagte darlegen und beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2009 – XI 586/07). Dazu hat sie nichts erhebliches vorgetragen.
383)
39Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme war der Beratungsfehler kausal für die vom Kläger getroffene Anlageentscheidung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte. Diese sogenannte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offen gelegt werden (BGH,Urteil v. 12.05.2009, XI ZR 586/07; Urteil v. 08.05.2012, XI ZR 262/10). Hierbei handelt es sich nicht um eine tatsächliche Vermutung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung, die auch dann eingreift, wenn sich der Anleger bei gehöriger Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte (BGH a.a.O.). Zur Widerlegung dieser Vermutung kann sich der Beklagte, wenn ihm keine anderen Beweismittel zur Verfügung stehen, auf eine Parteivernehmung des Anlegers gem. § 445 ZPO berufen. Zudem können sich relevante Indizien für die fehlende Kausalität sowohl aus dem vorangegangenen wie aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben. Sollte ein Anleger in Bezug auf eine vergleichbare Anlage, die er vor oder nach der streitgegenständlichen erworben hat, erst nach dem Erwerb der jeweiligen Beteiligung Kenntnis von Rückvergütungen erhalten, so kann sich ein Indiz für die fehlende Kausalität der unterlassenen Mitteilung auch daraus ergeben, dass der Anleger an den vergleichbaren – möglicherweise gewinnbringenden – Kapitalanlagen festhält und nicht unverzüglich Rückabwicklung wegen eines Beratungsfehlers begehrt (BGH, Urteil v. 08.05.2012, XI ZR 262/10).
40Den ihr obliegenden Beweis des Gegenteils hat die Beklagte nach dem Ergebnis der auf ihren Antrag hin durchgeführten Beweisaufnahme nicht geführt. Vielmehr hat der Kläger absolut plausibel und trotz kritischer gerichtlicher Nachfragen standfest und überzeugend erklärt, warum er die fraglichen Anlagen bei gehöriger Aufklärung nicht gezeichnet hätte. Hiergegen sprechende Indizien liegen nicht vor. Soweit die Beklagte erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung – unsubstantiiert - angedeutet hat, der Kläger habe bei dem Erwerb offener Fondsanteile von einer Vergütung gewusst, fehlt jeglicher Vortrag dazu, die nach der Rechtsprechung des BGH erforderliche Abgrenzung zwischen der Generierung von nichtaufklärungspflichtigen Gewinnmargen bzw. Provisionen, die aus dem Anlagevermögen fließen, und aufklärungspflichtigen Rückvergütungen vorzunehmen.
414)
42Schadensersatzansprüche wegen Verschweigens der Rückvergütung sind nicht verjährt. Der Verjährungsbeginn des Schadensersatzanspruchs wegen verschwiegener Rückvergütungen erfordert nicht die Kenntnis des Anlegers von deren konkreter Höhe. Die beratende Bank muss den Anleger zwar über Grund und Höhe einer Rückvergütung ungefragt aufklären, so dass die unterlassene Mitteilung über die Höhe der Rückvergütung ein anspruchsbegründender Umstand ist. Von diesem Umstand hat ein Anleger aber denknotwendig bereits dann positive Kenntnis, wenn er weiß, dass die beratende Bank Provisionen für das von ihm getätigte Anlagegeschäft erhält, deren Höhe ihm die Bank nicht mitteilt. Die fehlende Kenntnis des Anlegers von der Rückvergütung steht allenfalls in solchen Fällen dem Verjährungsbeginn entgegen, in denen die beratende Bank konkrete, jedoch fehlerhafte Angaben zur Höhe der Rückvergütung macht. Denn in diesen Fällen meint der Anleger, über die Höhe der Rückvergütung konkret aufgeklärt worden zu sein, weshalb es an der Kenntnis der tatsächlichen Umstände fehlt, aus denen sich die Verletzung der Aufklärungspflicht durch die beratende Bank ergibt (BGH, Urteil v. 26.02.2013, XI ZR 498/11). Der Kläger ist auf Antrag der Beklagten als Partei zur vermeintlichen Kenntnis vernommen worden. Er hat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass und aus welchen Gründen er aus den Prospekten nicht hergeleitet habe, dass die Beklagte eine Vergütung erhielt. Dies erscheint dem Gericht überzeugend, weil sich auch bei ausführlicher und sorgfältiger Lektüre der vollständigen Prospekte ein derartiger Rückschluss nicht aufdrängen muss.
435)
44Auf die übrigen vom Kläger geltend gemachten Beratungsfehler kommt es nicht an.
456)
46Soweit die Beklagte hinsichtlich des zweiten Fonds höhere Ausschüttungen behauptet, bleibt ihr Vortrag unkonkret und damit unbeachtlich.
477)
48Die Zulässigkeit und Begründetheit der Feststellungsanträge folgt aus den vorstehenden Ausführungen.
498)
50Entgangener Gewinn in Gestalt von 4% Zinsen bis Rechtshängigkeit steht dem Kläger nicht zu. Das Gericht kann aufgrund der fehlenden Darlegung einer Alternativanlage nicht davon ausgehen, dass dem Kläger eine Rendite in Form eines bestimmten festen Zinssatzes zugeflossen wäre, mit der Folge, dass auch der Anknüpfungspunkt für eine Schadensschätzung gem. § 287 ZPO fehlt (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 03.03.2010, 31 U 106/08; BGH v. 24.04.2012, XI ZR 360/11).
519)
52Streitwert und Kostenentscheidung:
53Antrag Wert in EUR
54
1 |
18.922 |
2 |
0 |
3 |
0 |
4 |
1000 |
5 |
21.934 |
6 |
0 |
7 |
0 |
8 |
1000 |
9 |
13.097,54 |
10 |
0 |
11 |
0 |
12 |
1000 |
13 |
0 |
56.953,54
56Wert der als entgangener Gewinn geltend gemachten Zinsen von 4%: rd. 7.600,00 €.
57Da die Zinsforderung auf Basis eines fiktiven Streitwertes rd. 12% ausmacht, sind die Kosten zu quoteln (§ 92 ZPO).
5810)
59Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren sind nach einem Streitwert von 56.953,54 € gerechtfertigt, allerdings nur in Höhe einer 1,5-Gebühr abzüglich des (vom Kläger im vorliegenden Fall selbst vorgenommenen) Abzugs von 0,75. In Ansehung des Umstandes, dass es sich um Massenverfahren handelt und die Kanzlei der Klägervertreter hierauf spezialisiert ist, kommt ein Gebührenansatz von 2,5 nicht in Betracht. Begründet sind:
60VV 2300 1.684,50
61-0,75 - 842,25
62842,25
63VV 7001-7002 20,00
64862,25
65VV 7008 163,83
661.026,08
6711)
68Vorl. Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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