Beschluss vom Landgericht Stendal - 509 StVK 861/14

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Durchsuchung der Handakten des Antragstellers durch ein Durchblättern am 2.12.2014 in der JVA BB rechtswidrig war.

Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Landeskasse zur Last.

Der Streitwert wird auf bis 500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

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Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Kontrolle seiner Akte bei Einlass in die Justizvollzugsanstalt BB.

2

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er vertritt mehrere bei der Antragsgegnerin inhaftierte Gefangene. Am 2.12.2014 beabsichtigte er, als Verteidiger einen Termin in der JVA BB sowie eine Vorbesprechung mit seinem Mandanten durchzuführen. Nachdem er sich an der Pforte der Anstalt angemeldet hatte, wurde er vom Wachpersonal unter anderem aufgefordert, seine mitgeführten Handakten zur Kontrolle auf einen Tisch zu legen. Als der Antragsteller die Kontrolle seiner Handakte durch das Wachpersonal verweigerte, teilte der Bedienstete CC ihm mit, dass seine Akte lediglich auf die Einbringung nicht genehmigter Gegenstände kontrolliert werden solle. Daraufhin blätterte der Antragsteller vor den Augen des Bediensteten CC seine Handakte selbst durch, woraufhin ihm der Zutritt gewährt wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme des Bediensteten CC vom 16.12.2014, Bl. 10 d.A., Bezug genommen.

3

Der Antragsteller ist der Ansicht, das Durchblättern seiner Akte zu Kontrollzwecken sei rechtswidrig gewesen. Vielmehr dürfe die Handakte lediglich in Anwesenheit des Verteidigers mittels eines Röntgenapparates überprüft werden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 4.12.2014, vom 20.1.2015 und vom 17.2.2015, Bl. 1-2 d.A., Bl. 12 d.A. und Bl. 16-17 d.A., Bezug genommen.

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Der Antragsteller beantragt wörtlich,

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festzustellen, dass die Durchsuchung bzw. das Durchblättern seiner Handakten in der JVA BB am 2.12.2014 rechtswidrig war und ihn in seinen Rechten verletzt hat,

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

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Sie führt an, es sei zwar unzulässig, eine inhaltliche Überprüfung der vom Verteidiger mitgeführten Unterlagen und Schriftstücke durch ein Durchblättern vorzunehmen. Dem Antragsteller hätte es jedoch freigestanden, lediglich durch ein Schütteln seiner Unterlagen der Kontrollanweisung zu entsprechen. Es habe in der Hand des Antragstellers gelegen, jeglichen Sichtkontakt der Antragsgegnerin auf Schriftstücke des Antragstellers zu vermeiden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 29.12.2014, Bl. 8-9 d.A., Bezug genommen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten in der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

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Der Feststellungsantrag ist gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an dem Feststellungsinteresse, da der Antragsteller trotz der eingetretenen Erledigung als Verteidiger mehrerer Gefangener in der JVA BB künftig weitere Termine als Verteidiger wahrnehmen könnte und insofern eine Wiederholungsgefahr droht.

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Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Durchblätterns sowie der Handakten des Antragstellers ist auch begründet. Die am 2.12.2014 erfolgte Maßnahme war rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.

12

Der Antragsteller war bei seinem Besuch am 2.12.2014 unstreitig Verteidiger eines bei der Antragsgegnerin inhaftierten Gefangenen. Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 17.2.2015 angeführt hatte, sich nicht mehr daran erinnern zu können, ob er seine Handakte vor den Augen des Bediensteten durchgeblättert oder diese geschüttelt habe, gab die Antragstellerin in der Stellungnahme vom 29.12.2014 und der Bedienstete CC in seiner Stellungnahme vom 16.12.2014 an, dass die Akte vom Rechtsanwalt durchgeblättert worden war. Da keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Angabe des Bediensteten CC vorlagen, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsteller seine Handakte vor den Augen des Bediensteten bei der Einlasskontrolle selbst durchgeblättert hatte.

13

Gemäß § 26 S.3 StVollzG ist eine inhaltliche Überprüfung der vom Verteidiger mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen jedoch nicht zulässig. Die Vorschrift sieht ein umfassendes Verbot einer Inhaltskontrolle von Verteidigerakten vor und räumt dem Verteidiger – nicht hingegen Rechtsanwälten ohne konkrete Verteidigereigenschaft – ausdrücklich eine Sonderstellung gegenüber anderen Besuchern von Gefangenen ein. Dabei verbietet die Vorschrift des § 26 S.3 StVollzG nicht nur die zielgerichtete Kontrolle auf den Akteninhalt, sondern auch die Kontrolle zur Überprüfung auf eingebrachte Gegenstände. Auch eine Überprüfung der Schriftstücke auf das Mitführen verbotener Gegenstände ist angesichts der Stellung des Verteidigers nicht zulässig (vgl. Feest, StVollzG, 5. Aufl., § 26, Rn. 9). Denn auch das Durchblättern von Verteidigerakten zur Überprüfung auf eingebrachte Gegenstände birgt die Gefahr in sich, dass die Anstalt jedenfalls bruchstückhaft Kenntnis vom Akteninhalt nimmt (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v 13.1.2004, NStZ-RR 2004, 187f.). Sofern die Antraggegnerin die Kontrolle dadurch vorgenommen hatte, dass sie die Akten durch den Verteidiger hat durchblättern lassen, ist auch eine solche Vorgehensweise nicht mit § 26 S.3 StVollzG vereinbar. Denn auch hierdurch besteht die Gefahr, dass das kontrollierende Wachpersonal teilweise Kenntnis vom Akteninhalt erlangt und damit bereits eine unzulässige Überprüfung der Akte auf ihren Inhalt vornimmt, mag dies auch einen bloß unbeabsichtigten Nebeneffekt der Kontrolle bilden. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass es sich vorliegend um ein Hochsicherheitsgefängnis handelt, da § 26 S.2 StVollzG insoweit keine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Arten von Gefängnissen vorsieht. Einzig für den Schriftverkehr bei Vollzug wegen einer Straftat gemäß § 129a StGB, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 StGB, sieht § 26 S.3 i.V.m. § 29 Abs. 2 S.2 und 3 StVollzG eine Einschränkung von diesem Grundsatz vor, wobei jedoch vorliegend keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich sind, dass die Kontrolle der Akten im konkreten Fall einem Schriftverkehr mit einem wegen §§ 129a (i.V.m. § 129b) StGB verurteilten Gefangenen dienen sollte. Vielmehr sollte es sich dabei um eine pauschale Kontrolle der Akte auf unzulässige eingebrachte Gegenstände handeln, die wegen § 26 S.3 StVollzG nicht zulässig ist.

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Die Kontrolle von Schriftstücken, welche der Verteidiger vorbehaltlich der Regelung des § 29 S.3 i.V.m. 3 29 Abs. 2 und 3 StVollzG einbringt, kann damit nur durch Hilfsmittel erfolgen, mit denen eine auch lediglich beiläufige Einsichtnahme in den Inhalt vermieden wird. Dabei erscheint es nicht zwingend erforderlich, die Akten durch ein Röntgengerät untersuchen zu lassen. Vielmehr ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass durch ein "Schütteln" der Akten keine Einsicht in den Inhalt genommen wird, so dass hierdurch die Vorschrift des § 26 S.3 StVollzG nicht verletzt wäre. Sofern die Antragstellerin in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 29.12.2014 eingewandt hatte, der Antragsteller hätte nach einem Wortwechsel mit dem Wachmann die Akte selbst durchgeblättert, obwohl es ihm freigestanden habe, die Akte vor den Augen des Bediensteten zu "schütteln", um die Feststellung der Ordnungsgemäßheit des Inhalts zu ermöglichen, findet sich die Einräumung dieser Möglichkeit jedoch gerade nicht in der vorlegten Stellungnahme des Bediensteten vom 16.12.2014 wieder. Vielmehr hatte dieser lediglich angegeben: "Nach erfolgter Durchsicht der Mandatsakten, die der Herr Rechtsanwalt eigenhändig durch Blättern durchführte, wurde der Weg zum Besuchsbereich fortgesetzt." Dass dem Antragsteller stattdessen auch die Möglichkeit eingeräumt worden wäre, die Akte vor den Augen des Bediensteten zu "schütteln", ist dessen eigenen Ausführungen nicht zu entnehmen. Vielmehr zeigt das fehlende Aufzeigen dieser Möglichkeit, dass der Antragsteller sich in der konkreten Situation dazu veranlasst sehen musste, die Akte vor den Augen des Bediensteten durchzublättern, um den gewünschten Zutritt zum Besuchsbereich zu erlangen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 StVollzG. Der Streitwert war gemäß §§ 52, 60 GKG festzusetzen.


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