Beschluss vom Landgericht Stuttgart - 19 T 240/10

Tenor

Die sofortige Beschwerde des vorläufigen Insolvenzverwalters gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 17.05.2010 - 1 (5) IN 411/00-b - wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: EUR 23.518,73

Gründe

 
I.
Auf den Antrag des alleinvertretungsberechtigten geschäftsführenden Gesellschafters der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 28.12.2000 der weiter Beteiligte als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und er gleichzeitig als Sachverständiger beauftragt, den Eröffnungsgrund sowie die Fortführungsaussichten des schuldne-rischen Unternehmens zu prüfen, ferner, ob das schuldnerische Vermögen die Kosten des Verfahrens decken wird. Des weiteren wurde ein Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO angeordnet.
Aufgrund des Gutachtens vom 26.02.2001 (Bl. 51ff), das eine Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bescheinigte, ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 01.03.2001 (Bl. 65) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin an und ernannte den weiter Beteiligten auch zum Insolvenzverwalter.
Gegenstand des Unternehmens der Schuldnerin, das überwiegend als Bauträger arbeitete, war der Kauf und Verkauf von Grundstücken, die Bebauung solcher Grundstücke, der Kauf, Verkauf und die Verwaltung von bebauten Grundstücken und Wohnungseigentum. Zuletzt wurden von der Schuldnerin, bei der noch 10 Arbeitnehmer beschäftigt waren, acht Bauvorhaben betrieben. Des weiteren standen drei beplante Baugrundstücke zur Verwertung an. 11 Rechtsstreitigkeiten unter Beteiligung der Schuldnerin waren anhängig.
Das Insolvenzverfahren dauert an. Angemeldet sind über 135 Forderungen. 3 Banken haben Forderungen und Sicherheiten geltend gemacht. Auf den letzten Bericht des Insolvenzverwalters vom 01.02.2010 (Bl. 361ff) wird Bezug genommen. Vorschüsse auf Kosten des Insolvenzverwalters sind bisher der Masse nicht entnommen worden.
Mit Schriftsatz vom 05.02.2010 (Bl. 366/371), eingegangen beim Amtsgericht am 10.02.2010, beantragte der weiter Beteiligte, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter gem. § 11 Abs. 1 InsVV, 25 % der Regelvergütung des Insolvenzverwalters auf der Berechnungsgrundlage von DM 4.855.801,90, in Höhe von EUR 19.507,83 zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von EUR 3.121,25 sowie Auslagen in Höhe von brutto EUR 889,65 festzusetzen. Hierbei nahm er Bezug auf die Vermögensübersicht in Anlage 7 zum Gutachten vom 26.02.2001.
Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 17.05.2010 (Bl. 389/391) wurde der Vergütungsfestsetzungsantrag des vorläufigen Insolvenzverwalters zurückgewiesen. Gegen diese der Schuldnerin sowie dem weiter beteiligten (vorläufigen) Insolvenzverwalter am 20.05.2010 zugestellte Entscheidung wendet sich der weiter Beteiligte mit seiner am 02.06.2010 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde (Bl. 398/399), die er mit Schriftsatz vom 05.07.2010 (Bl. 403/405) begründet hat. Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Akte zur Entscheidung dem Beschwerdegericht am 07.07.2010 vorgelegt.
Die Einzelrichterin hat das Beschwerdeverfahren am 01.10.2010 der Kammer zur Entscheidung übertragen.
II.
Die gemäß § 64 Abs. 3 InsO zulässige sofortige Beschwerde des weiter Beteiligten in seiner Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter ist in der Sache nicht begründet.
Mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den Vergütungsfestsetzungsantrag des vorläufigen Insolvenzverwalters zurückgewiesen. Auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.
10 
Auch die Kammer schließt sich der Meinung des Amtsgerichts an, dass der Anspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters verjährt ist, die Verjährungseinrede hier das Amtsgericht von Amts wegen zu beachten hat und deshalb eine Festsetzung der Vergütung nicht in Betracht kommt, zumal Hemmungstatbestände nicht vorliegen.
11 
Entstanden und fällig geworden ist der Anspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters jedenfalls mit Beendigung seines Auftrages, also mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.03.2001 (allgemeine Meinung, so u.a. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, 4. Aufl. 2007, vor § 1 Rn. 50; MüKo-Nowak zur InsO, 2. Aufl. 2007 § 63 Rn. 7; Uhlenbruck, Inso, 13. Aufl., § 63 Rn. 45).
12 
Während für den gerichtlich festgesetzten Vergütungsanspruch die Verjährungsfrist gem. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F. dreißig Jahre beträgt, sind für den noch nicht festgesetzten Vergütungsanspruch die seit 1. Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften anzuwenden (Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB), so dass nach der dreijährigen Regelverjährung der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB n.F. (Haarmeyer/Wutzke/Förster aaO, vor § 1 Rn. 50, 51 § 8 Rn. 45; MüKo aaO § 63 Rn. 8, 9; Lorenz in FK-InsO, vor § 1 InsVV Rn. 20) die Verjährungsfrist für den bereits entstandenen und fälligen Anspruch mithin am 31.12.2004, lange vor Eingang des Festsetzungsantrages am 10.02.2010, abgelaufen ist.
13 
Für einen Hemmungstatbestand bestehen hier keine Anhaltspunkte. Die Kammer folgt nicht der Meinung des Landgerichts Heilbronn mit Beschluss vom 23.06.2006 - 1 T 85/06 St, 1 T 85/06 - (wie alle nachfolgenden Entscheidungen zitiert nach juris), das analog § 8 Abs. 2 S. 1 RVG eine Hemmung bis zur Beendigung des Gesamtverfahrens annimmt, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter mit Eröffnungsbeschluss auch zum endgültigen Insolvenzverwalter bestellt worden ist (a.A. auch Landgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 14.09.2009 - 11 T 458/08 -, das eine Analogiefähigkeit verneint). Diese Ansicht verkennt, dass sich das Insolvenzantragsverfahren und das sich unter Umständen anschließende Verfahren als eigenständige und klar zu unterscheidende Verfahren darstellen mit jeweils eigenen Vergütungsregelungen, wenngleich in aller Regel Personenidentität zwischen dem vorläufigen und dem endgültigen Insolvenzverwalter besteht. Der Kammer ist auch keine - wie das Landgericht Heilbronn annimmt - weit verbreitete gerichtliche Insolvenzpraxis bekannt, die eine Abrechnung der vorläufigen Verwaltervergütung am Ende des Gesamtverfahrens gestattet, zumal im konkret zu entscheidenden Fall kein Grund ersichtlich ist, der es erforderlich hätte erscheinen lassen, mit einer Antragstellung so lange zuzuwarten.
14 
Ob der Ablauf der Verjährungsfrist von dem Insolvenzgericht von Amts wegen berücksichtigt werden kann, wenn kein dazu Berechtigter die erforderliche Einrede erhebt, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig.
15 
Das Landgericht Heilbronn (aaO), Landgericht Karlsruhe (aaO), Landgericht Gießen (Beschluss v. 23.06.2009 - 7 T 34/09 -) und das Amtsgericht Göttingen (Beschluss vom 18.12.2009 - 71 IN 51/04 -) vertreten die Meinung, da es sich bei dem Einwand der Verjährung um eine materiell-rechtliche Einrede handele, müsse auch der dazu Berechtigte, wozu die Insolvenzgläubiger und der Insolvenzschuldner zählten, die erforderliche Einrede erheben. Aus dem im Insolvenzverfahren geltenden Grundsatz der Amtsermittlung (§ 5 Abs. 1 InsO) lasse sich eine Berücksichtigung von Amts wegen hingegen nicht herleiten (hierzu auch MüKo-Nowak zur InsO, aaO § 63 Rn. 10; Uhlenbruck aaO § 63 Rn. 46)
16 
Demgegenüber wird vom Landgericht Hannover (Beschluss vom 03.08.2009 - 11 T 35/09 -) vertreten, dass das Insolvenzgericht auch von Amts wegen verpflichtet ist, die objektiv eingetretene Verjährung zu berücksichtigen. Zwar sei richtig, dass Verjährung grundsätzlich nur das Recht einer Einrede gebe. Mit dieser Bewertung alleine werde jedoch den Besonderheiten des Insolvenzrechts nicht Genüge getan.
17 
Die Kammer schließt sich der letztgenannten Ansicht unter Bezugnahme auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Hannover (so auch Eickmann in Kübler/Prütting InsO, Vergütungsrecht, Sonderband 5, 2. Aufl. 2001, vor § 1 InsVV Rn. 9; Haarmeyer/Wutzke/Förster aaO vor § 1 Rn. 52), auf die auch das Amtsgericht hier verweist, an. Grundsätzlich ist ein Insolvenzverwalter verpflichtet, verjährten Ansprüchen, die gegen die Masse geltend gemacht werden, die entsprechende Einrede entgegen zu setzen. Aus dem Sinn und Zweck dieser Verpflichtung zum Masseschutz und nach Treu und Glauben ergibt sich, dass der Insolvenzverwalter auch verpflichtet ist - anders handelt er pflichtwidrig -, objektiv bereits verjährte Vergütungsansprüche aus seiner eigenen Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter nicht mehr zur Festsetzung beim Insolvenzgericht anzumelden bzw. zu beantragen. Anders würde dies zu nicht hinnehmbaren Wertungswidersprüchen führen. Ein Insolvenzverwalter darf nicht daraus Vorteile ziehen können, dass er selbst Inhaber des entsprechenden Anspruchs gegen die Masse ist.
18 
Die Bestellung eines Sonderverwalters nur zur Geltendmachung der Einrede der Verjährung stellt sich vor diesem Hintergrund als bloße Förmelei dar und ist kaum sinnvoll (zu einer solchen Konstellation LG Hamburg Beschluss v. 28.02.2010 - 326 T 109/09 -).
19 
Mithin hat das Insolvenzgericht eine Verjährung des Vergütungsanspruchs im Festsetzungsverfahren im Rahmen seiner Prüfungspflicht von Amts wegen zu beachten.
20 
In einem Beschwerdeverfahren über die Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung ist nach Meinung der Kammer wie auch bei einem Rechtsmittel betreffend die Höhe einer Zwangsverwaltervergütung eine Kostenentscheidung regelmäßig nicht veranlasst, weil das Verfahren nicht kontradiktorisch ausgestaltet ist (BGH Beschl. v. 22. Oktober 2009, V ZB 77/09, Beschl. v. 23. September 2009, V ZB 90/09, Rz. 33 m.w.N.).
21 
Gegen diese Entscheidung findet nach § 7 InsO unter den Voraussetzungen der §§ 574 ZPO die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statt.

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