Urteil vom Landgericht Trier (5. Zivilkammer) - 5 O 139/16
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung auf Rückzahlung von Geldbeträgen in Anspruch, die er in deren Spielhalle für das Spiel mit Glücksspielautomaten ausgegeben hat.
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Die Beklagte betreibt in der ... Straße in ... eine Spielhalle. Der Kläger suchte dieses Lokal regelmäßig auf und verspielte dort Geldbeträge an den aufgestellten Automaten.
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In der Spielhalle war ein Geldautomat der Postbank AG aufgestellt. Die Beklagte befüllte diesen Geldautomaten bei Bedarf mit Bargeld. Den entsprechenden Gegenwert erstattete ihr die Postbank. Den Kunden, die an diesem Automaten Geldauszahlungen vornahmen, wurden dafür keine Gebühren in Rechnung gestellt.
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Gegen den Geschäftsführer der Beklagten wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen der verbotswidrigen Erbringung von Zahlungsdiensten ohne Genehmigung geführt. Dieses Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße gemäß § 153 a StPO eingestellt.
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Der Kläger trägt vor, er sei spielsüchtig. Er habe sich in den Jahren 2013 und 2014 insgesamt 12.750 € von diesen Geldautomaten auszahlen lassen und vollständig in der Spielhalle der Beklagten verspielt.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe mit der Aufstellung des Geldautomaten in der Spielbank gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und müsse ihm in Höhe der abgehobenen Geldbeträge Schadensersatz leisten. Die Beklagte habe ihn auch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Sie habe den durch seine Spielsucht verursachten Kontrollverlust ausgenutzt. Hätte er, Kläger, sich außerhalb des Spiellokals Bargeld beschaffen müssen, so hätte er die Möglichkeit gehabt, zur Besinnung zu kommen und sich gegen eine Fortsetzung des Glücksspiels zu entscheiden.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.750 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Februar 2016 zu zahlen, sowie ihn von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 958,19 € freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, sie habe nicht gegen die Vorschriften des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) verstoßen. Insbesondere habe sie Zahlungsdienste nicht gewerbsmäßig erbracht.
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Das in Betracht kommende Schutzgesetz der §§ 31 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit 8 Abs. 1 S. 1 ZAG sei auch nicht dazu bestimmt, die Ausgestaltung von Spielstätten zu regulieren und Spieler wie den Kläger vor den möglichen Folgen einer Spielsucht zu schützen.
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Sofern der Kläger spielsüchtig sei, sei dies für die Beklagte bzw. deren Mitarbeitern nicht erkennbar gewesen. Der Kläger habe die Spielhalle zwar häufig, aber nicht in einem Umfang aufgesucht, der auf eine Spielsucht hindeuten könne. Abgesehen von einer Verärgerung über Spielverluste sei sein Verhalten im Wesentlichen unauffällig gewesen.
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Die Beklagte bestreitet den Schaden auch der Höhe nach. Der Kläger könne die an dem Geldautomaten ausgezahlten Beträge auch anderweitig verwendet haben. Viele Kunden der Spielhalle hätten dort ihren Bargeldbedarf gedeckt, da die Auszahlungen gebührenfrei waren. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass die Automaten entsprechend gesetzlicher Vorschriften mindestens 70 % der Einsätze als Gewinne ausschütten müssten.
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Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche zu.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit 31 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 S. 1 ZAG. Danach bedarf der Erlaubnis, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Zahlungsdienste als Zahlungsinstitut erbringen will. Eine solche Erlaubnis hatte die Beklagte nicht.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte im Sinne dieser Vorschrift gewerbsmäßig Zahlungsdienste erbrachte. Denn auch wenn die Beklagte gegen diese Vorschrift gehandelt und ihr Geschäftsführer sich deswegen strafbar gemacht haben sollte, könnte der Kläger daraus keine Schadensersatzansprüche stellen. Seine Rechte als Kunde einer Spielhalle werden von diesen Vorschriften nicht geschützt.
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Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Verbotsgesetz bestehe nur dann, wenn im konkreten Einzelfall der Geschädigte persönlich zu dem Kreis gehört, den das Gesetz schützen soll. Davon kann hier ausgegangen werden, da der Kläger jedenfalls die Zahlungsdienste in Anspruch genommen hat.
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Sachlich muss er in einem Rechtsgut oder Interesse verletzt worden sein, dessen Schutz die Vorschrift dient. Funktional muss sich in dem Schädigungsvorgang eine Gefahr verwirklicht haben, die durch das Gesetz gerade abgewendet werden soll (BGH NJW 1975, 257). Daran fehlt es hier.
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Das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) regelt die Voraussetzungen, unter denen Zahlungsdienste angeboten werden dürfen. Geschützt werden soll damit einerseits der volkswirtschaftlich unverzichtbare Sektor des Zahlungsverkehrs. Andererseits dient das Gesetz dem Schutz der Personen, die Zahlungsdienste in Anspruch nehmen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Anbieters. Das Gesetz trifft dagegen keine Regelungen darüber, an welchen Orten Zahlungsdienste in welcher Form angeboten werden dürfen und wo nicht.
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Die Rechte und Interessen des Klägers als Verbraucher, der Zahlungsdienste in Anspruch nimmt, sind durch die Aufstellung des Geldautomaten in der Spielhalle der Beklagten nicht beeinträchtigt worden. Der Geldautomat wurde von der Postbank AG betrieben, die über die erforderliche Genehmigung verfügt.
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Zwar kann auch die Beklagte im Sinne des §§ 1 Abs. 1 Nr. 5 ZAG als Zahlungsdienstleister in Betracht kommen. Die Auszahlungsvorgänge an den Kläger verliefen jedoch beanstandungsfrei. Dem Kläger ist kein Schaden allein dadurch entstanden, dass die Beklagte die (möglicherweise) erforderliche Genehmigung für das Erbringen von Zahlungsdienste nicht hatte.
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Was der Kläger beanstandet, ist das Aufstellen des Geldautomaten in denselben Geschäftsräumen, in denen sich auch die Spielautomaten befanden. Dazu enthält das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz aber keine Regelung.
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Die Kammer verkennt nicht, dass ein öffentliches Interesse daran besteht, Regeln für Anbieter von Glücksspielen aufzustellen. Solche Gesetze gibt es. Sie dienen auch und gerade der Prävention der Spielsucht und dem Schutz der davon Betroffenen. Diese Gesetze, die auch die räumliche Ausgestaltung von Spielstätten regeln, enthalten jedoch nichts über die Aufstellung von Geldautomaten. Hätte der Gesetzgeber die Spieler vor den von dem Kläger betonten Gefahren schützen wollen, die sich aus der unmittelbaren räumlichen Nähe eines Geldautomaten zu den Glücksspielautomaten ergeben können, so wäre dies in den Glücksspielgesetzen und den dazu getroffenen Ausführungsbestimmungen geschehen.
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Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB zu. Nach dieser Vorschrift ist derjenige einem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem anderen vorsätzlich Schaden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zufügt.
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Das Anbieten von Glücksspielen verstößt nicht allein deshalb gegen die guten Sitten, weil damit ein Suchtverhalten gefördert und ausgenutzt werden kann. Die Gefahr, die rationale Kontrolle über bestimmte Handlungen im Sinne eines Suchtverhaltens zu verlieren, gehört zur menschlichen Natur. Das betrifft nicht nur das Glücksspiel, sondern erfasst nahezu jeden Bereich menschlichen Verhaltens. Die Grenzen sind fließend.
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Der Gesetzgeber hat eine Vielzahl von Verhaltensweisen entweder vollständig verboten (zum Beispiel im Betäubungsmittelrecht) oder aber Beschränkungen unterworfen. In anderen europäischen Ländern gelten zum Teil restriktivere Glücksspielgesetze. Die deutschen Gerichte haben die dazu getroffenen Entscheidungen des deutschen Gesetzgebers zu respektieren.
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Wer innerhalb dieser gesetzlichen Grenzen handelt, bewegt sich grundsätzlich auch dann im Rahmen des Erlaubten, wenn seine angebotenen Waren oder Leistungen auch von Süchtigen in Anspruch genommen werden. Als in der Öffentlichkeit immer wieder diskutierte Beispiele können hier die Herstellung und der Vertrieb alkoholischer Getränke oder von Tabakwaren oder auch der Bereich der Prostitution und ähnlicher sexueller Dienstleistungen („Rotlichtmilieu“) genannt werden.
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Der Gesetzgeber hat durch die Ausgestaltung der Glücksspielgesetze Regeln darüber aufgestellt, was in diesem Bereich erlaubt ist und was nicht. Wie oben ausgeführt, gehört das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz nicht zu diesen Regeln, sodass ein möglicher Verstoß dagegen auch im Zusammenhang mit § 826 BGB grundsätzlich unbeachtlich ist.
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Sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB wäre es dennoch, wenn die Beklagte einen Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche des Klägers ausgebeutet hätte, um sich daran zu bereichern. Das kann die Kammer aber nicht feststellen.
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Sie verkennt dabei nicht, dass das Aufstellen des Geldautomaten in den Räumen der Spielhalle durchaus ein Instrument zur Absatzförderung der von der Beklagten dort angebotenen Leistungen sein kann. Denn in der Tat wurde es dadurch den Spielern erleichtert, sich mit Bargeld zu versorgen, um nach kurzer Unterbrechung und ohne Verlassen des Spiellokals weiterspielen zu können.
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Nicht jede Maßnahme der Absatzförderung ist aber sittenwidrig. Die Beklagte müsste dadurch vorsätzlich gerade die Willensschwäche von Spielsüchtigen ausgenutzt haben. Das kann die Kammer nicht feststellen. Das Aufstellen des Geldautomaten war nicht auf die Gruppe der Spielsüchtigen ausgerichtet.
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Da es bereits dem Grunde nach an einem Schadensersatzanspruch des Klägers fehlt, bedarf es keiner näheren Auseinandersetzung mit der Höhe des Schadens. Die Kammer hat jedoch auch hier Zweifel, da der Kläger einerseits sich das zur Befriedigung seiner Spielsucht erforderliche Geld auch auf andere Weise relativ leicht beschaffen konnte. Es lässt sich nicht feststellen, in welchem Ausmaß er weniger Geld verspielt hätte, wenn es den Geldautomaten in den Räumen der Beklagten nicht gegeben hätte. Andererseits steht auch nicht fest, dass der Kläger sämtliche über diesen Geldautomaten bezogenen Bargeldbeträge für das Glücksspiel an den von der Beklagten aufgestellten Automaten verwendet hat. Es bestehen auch kaum greifbare Anhaltspunkte für eine Schätzung des Schadens nach § 287 Abs. 1 ZPO.
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Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Beschluss
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Der Streitwert wird auf 12.750,00 € festgesetzt.
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Referenzen
- BGB § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher 1x
- BGB § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung 2x
- ZAG § 1 Begriffsbestimmungen; Ausnahmen für bestimmte Zahlungsinstitute 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- StPO § 153a Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen 1x
- ZPO § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung 1x
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 2x
- ZAG § 31 Strafvorschriften 1x