Urteil vom Landgericht Wuppertal - 5 O 11/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 1.500,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2013 zu zahlen.
Die Beklagte wird des weiteren verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2013 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 85% und die Beklagte zu 15%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibendes Betrages abwenden, falls nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht materieller und nicht vorhersehbarer weiterer immaterieller Schäden im Zusammenhang mit einer ärztlichen Untersuchung, der sich die Klägerin am 09.11.2012 in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus unterzog.
3Ausweislich der beigezogenen Behandlungsunterlagen der Beklagten sowie der vor- und nachbehandelnden Krankenhäuser bzw. Ärzte gestaltete sich der Behandlungsverlauf wie folgt:
4In der Zeit vom 16.08.2012 bis zum 16.10.2012 befand sich die Klägerin wegen einer schweren depressiven Episode zur Behandlung in der psychosomatischen Klinik Bad Xxx. Vom 24.09.2012 bis zum 28.09.2012 wurde diese Behandlung unterbrochen durch eine Verlegung der Klägerin in die Neurologische Klinik Bad Xxx wegen bestehender Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich mit Ausstrahlung in beide Oberarme und einer schmerzbedingten Bewegungseinschränkung. In der neurologischen Klinik wurde eine steroidresponsive Polymyalgie als Ursache für die Beschwerden der Klägerin diagnostiziert. Die Klägerin erhielt daraufhin eine Steroidtherapie unter „Magenschutz“ sowie zur Schmerztherapie das Medikament Flupirtin (Katadolon). Vor der Entlassung der Klägerin aus der psychosomatischen Klinik in Bad Neustadt wurden am 15.10.2012 die Leberwerte der Klägerin kontrolliert, die unauffällig waren.
5Am 09.11.2012 stellte sich die Klägerin auf Anraten ihres Hausarztes in der Notaufnahme der Beklagten vor. Nach den Krankenunterlagen der Beklagten berichtete die Klägerin über eine seit neun Tagen bestehende Übelkeit, jedoch ohne Erbrechen oder Durchfall. Des weiteren äußerte die Klägerin, dass sie an Schüttelfrost und Hitzegefühlen leiden würde. Zwischenzeitlich sei es für zwei Tage zu einer spontanen Besserung der Beschwerden gekommen. Seit zwei bis drei Tagen vor der Vorstellung im Krankenhaus der Beklagten hätten die Beschwerden wieder zugenommen. Weiter gab die Klägerin ihre Medikation mit Prednisolon, Flupirtinmaleat, Cholecalciferol und Pantoprazol an. Bei der Klägerin wurden durch den Assistenzarzt Y die Vitalparameter abgenommen. Ferner erfolgte ein Eletrokardiogramm sowie eine Blutgasanalyse. Hierbei zeigte sich eine Erniedrigung des Ausatemgases CO 2 mit einer einhergehenden Erniedrigung des Blut-pH-Wertes, was dem laborchemischen Bild der auch klinisch dokumentierten Hyperventilation entsprach. Die Klägerin erhielt daraufhin eine Tablette des Beruhigungsmittels Tavor. Eine danach durchgeführte zweite Blutgasanalyse zeigte nahezu eine Normalisierung der CO 2 und pH-Werte. Die Beklagte nahm des weiteren eine Blutuntersuchung vor. Ausweislich der Behandlungsunterlagen hatte diese zum Ergebnis, dass eine Erhöhung des Leberwertes GOT auf 1317 IU/l, der LDH als unspezifischer Parameter eines Zelluntergangs auf 601 IU/l sowie einer erhöhter INR-Wert von 1,81 als Marker einer Störung der Blutgerinnung festzustellen war. Anschließend entließ die Beklagte die Klägerin unter der Diagnose Hyperventilation und unter Mitgabe der Laborbefunde für den Hausarzt.
6Am 10.11.2012 stellte sich die Klägerin mit fortbestehenden Beschwerden in der Notaufnahme des P Krankenhauses in S vor. Ausweislich der dortigen Behandlungsunterlagen wurde bei der Klägerin ein auffälliger Ikterus in beiden Skleren festgestellt. Die Vitalparameter waren im Vergleich zum Vortag unverändert. Laborchemisch fand sich eine deutliche Erhöhung der Leberwerte. Sonografisch wurde im Ser Krankenhaus der Verdacht auf eine Abflussbehinderung in den ableitenden Gallenwegen ermittelt, so dass die Klägerin in das SP Krankenhaus N zur weiteren Diagnostik und Therapie verlegt wurde. Dort erfolgt erneut eine Aufnahmeuntersuchung, bei der ebenfalls ein Sklerenikterus dokumentiert wurde. Ferner wurden dort gürtelförmige Oberbauchschmerzen sowie ein Druckschmerz im linken Oberbauch diagnostiziert. Eine erneute Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane wurde durchgeführt, wobei sich der Verdacht auf ein Abflusshindernis der Gallenwege nicht bestätigte. Noch am Abend des 10.11.2012 wurde eine Magenspiegelung sowie eine Endosonographie, eine Ultraschalluntersuchung über die Speiseröhre, bei welcher die Gallenwege und die Bauchspeicheldrüse besser beurteilbar sind, durchgeführt. Ein Abflusshindernis der Gallenwege konnte dabei ausgeschlossen werden. Die dortigen Ärzte diagnostizierten einen toxischen Leberschaden durch Flupirtin. Die Klägerin wurde gegen 23:00 Uhr auf der Intensivstation zur weiteren Überwachung aufgenommen, das Medikament Flupirtin wurde abgesetzt. Am nächsten Tag wurde die Klägerin bei stabilen Kreislaufverhältnissen auf die Normalstation verlegt. Nachdem die Leberwerte fallend waren und die Patientin im stationären Verlauf beschwerdefrei war, wurde sie am 27.11.2012 entlassen. Ausweislich der Patientenakte des Hausarztes normalisierten sich die Laborwerte der Klägerin bis zum 24.01.2013.
7Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 08.02.2013 forderte die Klägerin bei der Beklagten zunächst Einsicht in die Behandlungsunterlagen. Mit weiteren Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 26.09.2013 unter Fristsetzung bis zum 24.10.2013 wurde die Beklagte aufgefordert, ein Schmerzensgeld von mindestens 7.500,-- Euro zu zahlen.
8Die Klägerin behauptet, bei ihrer Untersuchung am 09.11.2012 seien ärztliche Versäumnisse durch die Ärzte der Beklagten festzustellen. Bei der Untersuchung am 09.11.2012 habe sie den behandelnden Arzt auf gelbliche Färbung ihrer Augen und der Fingernägel hingewiesen. Entgegen den Regeln der ärztlichen Kunst seien notwendige Befunde nicht erhoben worden. Die Laborwerte vom 09.11.2012 seien fehlerhaft nicht ausgewertet worden. Nach der Entlassung am 09.11.2012 habe sich ihr Zustand verschlechtert, nachdem sie eine weitere Tablette Katadolon genommen habe. Sie habe Todesangst gehabt. Sie ist der Meinung, für die Leidenszeit vom 09.11.2012 bis zur Besserung in der stationären Behandlung des SP Krankenhauses in N sei ein Schmerzensgeld von mindestens 7.500,-- Euro angemessen. Weiter sei es möglich, dass es aufgrund der ärztlichen Versäumnisse der Beklagten zu einem Spätschaden kommen könne.
9Die Klägerin beantragt,
101.
11die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichtes gestellte Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2013 zu zahlen.
122.
13festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus der Behandlung vom 09.11.2012 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind,
143.
15die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.180,48 Euro an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2013 zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagte bestreitet, dass es zu einer schuldhaften Fehlbehandlung der Klägerin gekommen sei. Im Übrigen sei ihr durch die Behandlung im Hause der Beklagten kein Schaden entstanden. Soweit sich nach der Behandlung am 09.11.2012 der Zustand der Klägerin verschlechtert habe, beruhe dies nach dem Vorbringen der Klägerin auf der Einnahme einer weiteren Tablette Katadolon; davon sei der Beklagten nichts bekannt gewesen. Es sei vertretbar gewesen, die Patientin unter Mitgabe der Laborbefunde für den Hausarzt zu entlassen. Bei alledem habe auch keine Veranlassung bestanden, die Klägerin stationär aufzunehmen. Schließlich sei die Schmerzensgeldforderung auch der Höhe nach überzogen. Die vorliegende Grunderkrankung der medikamentös bedingten Lebervergiftung sei von der nachbehandelnden Klinik zeitnah erkannt und das Medikament abgesetzt worden. Es sei nicht erkennbar, welche nachteiligen Folgen sich für die Klägerin durch die ambulante Behandlung bei der Beklagten zukünftig ergeben könnten
19Die Kammer hat Beweis erhoben nach Maßgabe der Beschlüsse vom 23. Mai 2014 (Bl. 78 ff. d. GA) sowie vom 27.02.2015 (Bl. 173 ff. d. GA) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und Vernehmung des Zeugen I. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. L vom 17.12.2014 (Bl. 115 ff. d. GA) sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 07.04.2015 (Bl. 192 ff. d. GA).
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen, zur Gerichtsakte gelangten Schriftsätze der Parteien nebst den beigezogenen Behandlungsunterlagen der Beklagten sowie insbesondere der nachbehandelnden Krankenhäuser in S und N Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22Die Klage hat im erkannten Umfang Erfolg.
23Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß den §§ 280 Abs. 1, 253 Abs. 2, 630a ff. BGB ein Schmerzensgeld im erkannten Umfang verlangen. Denn nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass den die Klägerin behandelnden Ärzten der Beklagten bei der Untersuchung der Klägerin am 09.11.2012 ein ärztlicher Fehler unterlaufen ist, wodurch es zu einer Behandlungsverzögerung von rund einem Tag gekommen ist.
24Bei der Beurteilung des Behandlungsgeschehens und seiner Folgen stützt sich die Kammer auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr. L, dessen Sachkunde als Chefarzt des Institutes für Notfallmedizin des G Klinikums in L, einem akademischen Lehrkrankenhaus der RWTH B, außer Frage steht. Die Parteien haben gegen die Expertise des Sachverständigen auch keine Einwendungen erhoben. Der Gutachter hat sich mit dem streitgegenständlichen Behandlungsfall unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vortrags der Parteien und unter Auswertung der beigezogenen Behandlungsunterlagen insbesondere der Beklagten als auch der nachbehandelnden Krankenhäuser in S und N eingehend auseinandergesetzt. Die Kammer hat die plausiblen Ausführungen des Sachverständigen nachvollzogen und sich zu eigen gemacht.
25Hiernach gilt folgendes:
26Ein Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst seitens der Ärzte der Beklagten ist darin zu sehen, dass diese in Anbetracht der erhöhten Leberwerte, wie sie sich aus der Laboruntersuchung ergaben, nicht sachgerecht reagiert haben. Nach den Feststellungen des Sachverständigen, die dieser im Rahmen seiner Anhörung nochmals überzeugend erläuterte, deuteten die erhöhten Leberwerte GOT, LDH und INR auf ein beginnendes Leberversagen hin. Hier waren nach der Einschätzung pathologische Ursachen denkbar wie etwa Steine, eine Erkrankung der Gallenblase etc., sogenannte reversible Ursachen. Nach der plausiblen Erklärung des Gutachters musste diesen möglichen Ursachen nachgegangen werden etwa durch eine Magenspiegelung oder eine Endosonographie. Dass dies unterlassen wurde, stellte nach der klaren Einschätzung des Sachverständigen ein Fehler dar. Die Klägerin hätte also nicht ohne weitere Abklärung der sich aus dem Labor ergebenden Blutwerte entlassen werden dürfen. Es hätten vielmehr weitere Untersuchungen in die Wege geleitet werden müssen, nämlich dieselben, die später in den Krankenhäusern in S bzw. N durchgeführt wurden. Soweit in diesem Zusammenhang die Klägerin behauptet hat, sie habe den sie behandelnden Arzt auf einen Sklerenikterus sowie eine Gelbfärbung der Fingernägel hingewiesen, ist dies nach der Einschätzung des Sachverständigen im Ergebnis ohne Belang. Dies ist für die Kammer nachvollziehbar, da ja ohnehin aufgrund der pathologischen Blutwerte die Ursache der Leberschädigung hätte abgeklärt werden müssen. Bei alledem war es aus Sicht der Kammer es auch nicht mehr erforderlich, den hierzu von der Beklagten gegenbeweislich benannten Zeugen Y zu der Frage anzuhören, ob die Klägerin bei ihrer Vorstellung am 09.11.2012 bereits einen Ikterus aufwies oder nicht.
27Hat die Beklagte bei alledem für ein ärztliches Versäumnis einzustehen, so muss sie der Klägerin ein Schmerzensgeld für die durch dieses Versäumnis entstandenen Beeinträchtigungen und Schmerzen zahlen.
28Nach dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme ist jedoch festzustellen, dass durch das Versäumnis der die Klägerin behandelnden Ärzte der Beklagten es lediglich – zum Glück – zu einer zeitlichen Behandlungsverzögerung von etwa einem Tag gekommen ist. Denn die Klägerin suchte von sich aus am nächsten Tag, dem 10.11.2012 das Krankenhaus in S und dann nachfolgend das Krankenhaus in N auf, wo nach den Ausführungen des Sachverständigen die Behandlungen und Untersuchungen in die Wege geleitet wurden, die bereits von der Beklagten einen Tag vorher hätten durchgeführt werden müssen. Insbesondere ist nach den Feststellungen des Gutachters davon auszugehen, dass die Behandlung in den nachfolgenden Krankenhäusern nicht wegen des Fehlers der Ärzte der Beklagten erforderlich wurden, sondern vielmehr ohnehin - aber zu einem früheren Zeitpunkt - hätten durchgeführt werden müssen. Bei alledem kann die Kammer im Ergebnis – lediglich – eine zeitliche Verzögerung als Folge des Fehlers der Beklagten feststellen.
29Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin nach ihrem Vorbringen nach der Entlassung eine weitere Tablette des Medikaments Katadolon genommen hat. Wie der Gutachter insoweit überaus nachvollziehbar darlegte, ist es bei toxisch medikamentös induzierten Leberschädigungen so, dass diese sehr träge entstehen und auch sehr träge abheilen. Daraus folgt, dass sowohl durch die zeitliche Verzögerung als auch durch die einmalige Einnahme einer Tablette Katadolon es nicht zu einer Verschlechterung der Erkrankung gekommen ist.
30Hinzu kommt, dass – zum Glück – es im Ergebnis auch nicht zu einem Dauerschaden bei der Klägerin gekommen ist. Denn nach den Befundberichten des Krankenhauses in N ist festzustellen, dass ein solcher nicht anzunehmen ist. Wie insoweit der Gutachter auf Nachfragen ausführte, ist die Leber nämlich ein Organ, welches sich durch Zellteilung selber wieder regeneriert. Von daher lässt es sich erklären, dass es zu einer Regenerierung kommt, wenn laborchemisch keine pathologischen Befunde mehr vorliegen. Damit ist ein Dauerschaden nicht anzunehmen unabhängig davon, ob dieser möglicherweise durch die von der Beklagten zu vertretene zeitliche Verzögerung hätte entstehen können oder Folge der Ursprungserkrankung, der toxischen Leberschädigung selber, war.
31Unter Berücksichtigung des Vortrages der Klägerin sowie der Vernehmung des Zeugen I bemisst die Kammer das Schmerzensgeld im Ergebnis auf 1.500,-- Euro.
32Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung gab die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2015 an, dass es ihr nach der Entlassung aus der ambulanten Vorstellung im Krankenhaus der Beklagten unverändert schlecht gegangen sei. Sie habe durchgehend Schmerzen im Oberbauchbereich gehabt, die explosionsartig bis in den Kopf gegangen seien. Ferner habe sie Todesangst gehabt. Das sei die ganze Zeit hinweg so gegangen, auch noch nach rund zehn Tagen, nachdem sie im N im Krankenhaus war.
33Dieses Vorbringen der Klägerin ist nur teilweise von dem von ihr benannten Zeugen I so bestätigt worden. Der Zeuge I erklärte, dass die Klägerin ihm gegenüber geäußert habe, sie habe das Gefühl, als würde jemand auf ihr sitzen. Weiter habe sie grippeähnliche Symptome wie zuvor ohne Husten und Schnupfen gehabt. Am Abend und in der Nacht auf den 10.11.2012 habe sie nicht viel mit ihm gesprochen. Ob sie geschlafen habe, konnte der Zeuge nicht angeben. Am nächsten Morgen habe jedoch die Klägerin gesagt, sie müsse auf jeden Fall ins Krankenhaus, sonst würde sie sterben. Nach alledem hält es die Kammer jedenfalls als hinreichend sicher nachgewiesen, dass die Klägerin als Folge der zeitlichen Verzögerung im gewissen Umfang bis zur Behandlung im Ner Krankenhaus unter Todesangst gelitten hat. Darüber hinaus geht die Kammer auch davon aus, dass die Klägerin in gewissem Umfang unter Schmerzen und weitere Beeinträchtigungen gelitten hat, so wie sie der Zeuge I geschildert hat.
34Nach Meinung der Kammer ist dagegen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht der weitere Behandlungsverlauf im Ser bzw. Ner Krankenhaus zu berücksichtigen. Denn nach der klaren Einschätzung des Gutachters wären diese Behandlungen ohnehin erforderlich geworden, auch wenn die Klägerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Krankenhaus der Beklagten mittels Magenspiegelung und Endosonographie untersucht worden wäre. Weiter ergibt sich aus den Feststellungen des Sachverständigen, dass eine toxisch induzierte Leberschädigung sehr träge abheilt. Damit ist davon auszugehen, dass die Beeinträchtigungen und Folgen, insbesondere der von der Klägerin vorgetragene Ikterus, nicht durch die durch den Fehler entstandene zeitliche Verzögerung verursacht wurde, sondern Folge der toxisch induzierten Leberschädigung selber ist. Diese haben aber wiederum die Ärzte der Beklagten nicht zu vertreten. Schließlich ist nach den Ausführungen des Gutachters festzustellen, dass ein Dauerschaden bei der Klägerin nicht eingetreten ist. Damit kann ein solcher nicht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden.
35Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Denn durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.09.2013 unter Fristsetzung bis zum 24.10.2013 befand sich die Beklagte seit dem 25.10.2013 in Verzug.
36Das Feststellungsbegehren ist unbegründet. Wie bereits oben dargelegt, ist gerade kein Dauerschaden bei der Klägerin eingetreten. Vielmehr ergaben die Laborwerte sowohl des entlassenden Krankenhauses in N als auch nachfolgend des Hausarztes der Klägerin, dass es zu einer vollkommenen Regenerierung gekommen ist. Unabhängig davon, ob dies ohnehin nicht auf die infolge des Fehlers eingetretene zeitliche Verzögerung bei der Behandlung zurückzuführen ist, ist bei alledem nicht davon auszugehen, dass materielle bzw. nicht vorhersehbare immaterielle Schäden bei der Klägerin eintreten werden.
37Dem Grunde nach kann die Klägerin nach Auffassung der Kammer auch gemäß §§ 280 Abs. 1, 630a ff. BGB Erstattung der vorgerichtlichen nichtanrechenbaren Rechtsanwaltskosten verlangen. Denn die durch die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten sind ein Schaden, der adäquat kausal auf die Fehlbehandlung seitens der Ärzte der Beklagten zurückzuführen ist.
38Der Höhe nach bemisst sich der Erstattungsanspruch aber nur bezogen auf einen Gegenstandswert von 1.500,-- Euro, nämlich in der Höhe, wie der Klägerin ein Schmerzensgeld zugesprochen worden ist. Weiter war zu berücksichtigen, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits im Frühjahr 2013 beauftragt wurden, da ein erstes Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Aufforderung zur Übersendung der Behandlungsunterlagen schon am 08.02.2013 verfasst wurde. Dann ist aber bezüglich der Höhe auch der Rechtstand für die Zeit bis zum 31.07.2013 zugrundezulegen.
39Unter Berücksichtigung einer 1,3-fachen Gebühr – für einer Erhöhung der Gebühr auf das 2,0-fache ist nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend konkret vorgetragen worden - ergibt sich bei einem Gegenstandswert von 1.500,‑‑ Euro ein Betrag von 136,50 Euro. Zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20,-- Euro sowie der Mehrwertsteuer von 29,74 Euro errechnet sich danach ein Betrag von 186,24 Euro, den die Klägerin von der Beklagten ersetzt verlangen kann.
40Mit er Erstattung dieses Betrages befindet sich die Beklagte ebenfalls seit dem 24.10.2013 in Verzug, da, wie bereits oben dargelegt wurde, die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.09.2013 unter Fristsetzung bis zum 24.10.2013 auch mit der Erstattung der außergerichtlichen Kosten vergeblich angemahnt hat.
41Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.
42Streitwert: 10.000,-- Euro.
43(Klageantrag zu 1.: 7.500,-- Euro,
44Klageantrag zu 2.: 2.500,-- Euro)
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Referenzen
- BGB § 253 Immaterieller Schaden 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
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- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- BGB § 630a Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag 2x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 2x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x