Beschluss vom Landgericht Wuppertal - 9 T 195/15
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen
1
G r ü n d e :
2I.
3Mit Beschluss vom 15.12.2014 bestellte das Amtsgericht die Beschwerdeführerin zur Verfahrenspflegerin für die Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen im Verfahren zur Genehmigung der Auflösung der Wohnung und der Veräußerung des im Grundbuch von Velbert, B xxxx verzeichneten Grundbesitzes und ordnete die berufsmäßige Führung der Verfahrenspflegschaft an (Bl. 37 der Akten). Die Betreuerin reichte am 3.2.2015 einen diesbezüglichen notariellen Kaufvertragsentwurf (Bl. 21ff des Sonderheftes) bei Gericht ein. Am selben Tag erließ das Amtsgericht einen weiteren Beschluss, durch den es die Beschwerdeführerin zur Verfahrenspflegerin hinsichtlich der Genehmigung der Veräußerung des im Grundbuch von Velbert, xxx verzeichneten Grundbesitzes bestellte und die berufsmäßige Führung der Verfahrenspflegschaft anordnete (Bl. 35 des Sonderheftes). Die Beschwerdeführerin nahm am 6.2.2015 insoweit Stellung, als sie den Kaufpreis als marktgerecht bezeichnete, jedoch Bedenken dagegen erhob, dass der komplette Kaufpreis auf ein Notaranderkonto gezahlt werden sollte und Renovierungsarbeiten vor Besitzübergang zugelassen werden sollten (Bl. 41 der Sonderheftes). Zu dem sodann vom Notariat überarbeiteten Entwurf (Bl. 44ff der Sonderheftes) nahm die Beschwerdeführerin unter dem 9.2.2015 Stellung. Es sei nun ein früherer Fälligkeitstermin für die Kaufpreiszahlung vorgesehen, wobei die Abwicklung über ein Notaranderkonto entfalle. Die nunmehr vorgesehene Beleihung des Kaufobjektes bis 60.000 EUR sei ohne Bedenken (Bl. 42 der Sonderheftes). Die notarielle Beurkundung des Kaufvertrages fand am 24.2.2015 statt (Bl. 67ff der Sonderheftes). Die Beschwerdeführerin nahm abschließend unter dem 3.3.2015 dahingehend Stellung, dass sie gegen die Erteilung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung keine Einwände habe. Die beurkundete Fassung entspreche im wesentlichen der mit Schreiben vom 9.2.2015 übermittelten Fassung. Es seien noch die Übergabe der Löschungsunterlagen aufgenommen und die Fälligkeitsvoraussetzungen ergänzt worden. Von der Abwicklung über Notaranderkonto einerseits und der vorzeitigen Überlassung zur Durchführung von Renovierungen andererseits sei abgewichen worden. Dafür sei der Fälligkeitstermin vorverlegt und im Gegenzug die Verpflichtung zur Räumung und Besitzübergabe mit Unterwerfungsklausel aufgenommen worden. Die Grundschuldbestellungsurkunde sei unbedenklich (Bl. 97f des Sonderheftes). Mit Beschluss vom 5.3.2015 erteilte das Amtsgericht die betreuungsgerichtliche Genehmigung bezüglich des Kaufvertrages (Bl. 99 der Sonderheftes).Mit Schreiben vom 22.4.2015 beantragte die Beschwerdeführerin die Kostenfestsetzung auf der Basis des RVG (Bl. 107 der Sonderheftes) und begründete dies mit Schreiben vom 9.6.2015, sie sei anwaltsspezifisch tätig geworden (Bl. 110 des Sonderheftes).Das Amtsgericht wies diesen Antrag mit der angefochtenen Entscheidung vom 12.8.2015 zurück (Bl. 159f des Sonderheftes). Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 29.9.2015 Erinnerung/Beschwerde eingelegt. Ein nicht anwaltlicher Verfahrenspfleger hätte zwingend einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen müssen (Bl. 163 des Sonderheftes). Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 12.10.2015 nicht abgeholfen und die Sache der Kammer als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt (Akte insoweit nicht foliiert).
4II.
5Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 I, 61 I, 63 I FamFG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Antrag der Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht zurück gewiesen.Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, XII ZB 444/13, bei juris), der sich die Kammer anschließt, bestimmt sich die Vergütung eines anwaltlichen Verfahrenspflegers nach folgenden Grundsätzen:Nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG erhält der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 bis 2 BGB. Gemäß § 277 Abs. 2 Satz 2 FamFG erhält er neben den Aufwendungen nach Absatz 1 eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG), wenn die Verfahrenspflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt wird. Auf § 1835 Abs. 3 BGB, wonach als Aufwendungen auch solche Dienste des Vormunds oder des Gegenvormunds gelten, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, verweist § 277 FamFG zwar nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist diese Vorschrift jedoch auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anzuwenden. Dieser kann daher eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hat, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (Senatsbeschlüsse vom 23. Juli 2014 - XII ZB 111/14 - FamRZ 2014, 1629 Rn. 10; vom 27. Juni 2012 - XII ZB 685/11 - FamRZ 2012, 1377 Rn. 7 und vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 12 ff.).Hat das Amtsgericht bereits bei der Bestellung des Verfahrenspflegers die Feststellung getroffen, dass der Verfahrenspfleger eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt, ist diese Feststellung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindend (Senatsbeschlüsse vom 12. September 2012 - XII ZB 543/11 - FamRZ 2012, 1866 Rn. 9 und vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 17). Andernfalls ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren auf entsprechenden Antrag des Verfahrenspflegers anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob dieser im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hatte, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (Senatsbeschlüsse vom 23. Juli 2014 - XII ZB 111/14 - FamRZ 2014, 1629 Rn. 12 f.; vom 27. Juni 2012 - XII ZB 685/11 - FamRZ 2012, 1377 Rn. 7 und vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 13).
6Die Frage, unter welchen Umständen ein Verfahrenspfleger im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu bewilligen ist, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat, von ihm Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt wurden und er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 312/11 - FamRZ 2012, 113 Rn. 10 mwN zur Betreuervergütung).Das Amtsgericht hat im Beschluss vom 3.2.2015 angeordnet, dass die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt wird. Mithin ist die Verfahrenspflegerin nicht auf Aufwendungsersatz beschränkt.Bei der Bestellung der Beschwerdeführerin ist die Erforderlichkeit anwaltlicher Tätigkeit nicht festgestellt worden. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts im angefochtenen Beschluss kann die Tätigkeit der Verfahrenspflegerin jedoch nicht allein deshalb nicht nach dem RVG vergütet werden. Vielmehr ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hatte, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde.Das ist vorliegend zu verneinen. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Bedenken der Verfahrenspflegerin gegen den ursprünglichen notariellen Entwurf des Kaufvertrages sinnhaft waren. Allerdings hat der Notar im schließlich beurkundeten Vertrag auf Seite 6f (= Bl. 73f der Akten) ausdrücklich auf Bedenken hinsichtlich der Frage der Hinterlegung des Kaufpreises auf einem Notaranderkonto hingewiesen. Entscheidend ist, dass der Verkauf eines Eigenheims kein so ungewöhnliches Geschäft ist, dass es durch einen geeigneten Verfahrenspfleger der höchsten Vergütungsstufe nicht sachgerecht, insbesondere – wie in erster Linie geboten – nach seiner wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit beurteilt werden könnte, zumal der betreffende Verfahrenspfleger die Beratung durch den beurkundenden Notar und damit dessen Sachverstand in Anspruch nehmen kann. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall besondere Schwierigkeiten juristischer Art im Vordergrund der Tätigkeit gestanden hätten, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich (vergleiche Bayerisches Oberstes Landesgericht, 3Z BR 125/04, bei juris: Kauf eines Grundstücks und die Bestellung eines Nießbrauchs; der BGH, a.a.O, hat die Wertung des Beschwerdegerichts, die Voraussetzungen für eine Vergütung nach dem RVG zu bejahen, aus Rechtsgründen im konkreten Fall aufgrund etwaiger Gewährleistungsansprüche nicht beanstandet, in dem sich das beabsichtigte Grundstücksgeschäft „nicht nur auf ein von der Betroffenen allein genutztes Eigenheim, sondern auf ein teilweise vermietetes Mehrparteienwohnhaus, das sich in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand befand“).
7III.
8Von einer Kostenerhebung wird abgesehen, § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Eine weitere Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
9Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass (§ 70 I, II 1 FamFG).
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Referenzen
- FamFG § 277 Vergütung und Aufwendungsersatz des Verfahrenspflegers 3x
- FamFG § 58 Statthaftigkeit der Beschwerde 1x
- BGB § 1835 Aufwendungsersatz 2x
- FamFG § 81 Grundsatz der Kostenpflicht 1x
- FamFG § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde 1x
- XII ZB 444/13 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 111/14 2x
- XII ZB 685/11 2x (nicht zugeordnet)
- XII ZB 244/10 3x (nicht zugeordnet)
- XII ZB 543/11 1x (nicht zugeordnet)
- XII ZB 312/11 1x (nicht zugeordnet)