Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 7 AS 874/07

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage darüber, ob die vom Beklagten während eines Verwaltungsverfahrens abgelehnte Übersendung der Verwaltungsakte an den Kanzleisitz des Klägerbevollmächtigten rechtswidrig war.
Der Beklagte hatte der Klägerin, die zuletzt Arbeitslosenhilfe bezogen hatte, unter Berücksichtigung ihres berufstätigen Partners als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft ab 1. Januar befristet bis 31. Dezember 2005 Arbeitslosengeld II in Höhe des befristeten Zuschlages nach § 24 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bewilligt (Bescheide vom 25. Dezember 2004 und 19. Juli 2005). Durch Bescheid vom 8. Februar 2006 wurden die Leistungen rückwirkend ab 1. Januar 2005 „eingestellt“ und die Bewilligungsbescheide ab diesem Zeitpunkt wieder aufgehoben, weil der Zuschlag nicht hätte ausgezahlt werden dürfen; gleichzeitig teilte der Beklagte mit, dass eine Überzahlung in Höhe von 1.898,67 Euro entstanden sei, wobei beabsichtigt sei, diesen Betrag in monatlichen Raten zurückzufordern, und insoweit Gelegenheit zur Äußerung gegeben werde.
Gegen den letztgenannten Bescheid legte die Klägerin über ihren Bevollmächtigten mit Fax vom 13. Februar 2006 Widerspruch ein; dieser beantragte zugleich unter Hinweis auf die §§ 25 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), 84a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Akteneinsicht unter Überlassung der Akte zur Einsicht in seinem Büro. Unter dem 14. Februar 2006 teilte der Beklagte dem Klägerbevollmächtigten mit, dass auf die Rückforderung verzichtet werde; hinsichtlich der Akteneinsicht werde gebeten, einen Termin für Bad Säckingen zu vereinbaren, damit die Akte in der dortigen Zweigstelle verfügbar sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin erklärte darauf in deren Namen mit Schriftsatz vom 16. Februar 2006, er nehme den Verzicht auf die Rückforderung des im Bescheid vom 8. Februar 2006 genannten Betrages an, jedoch sei dem Widerspruch wegen der im Bescheid verfügten Einstellung für die Zukunft nicht abgeholfen. Er bitte deshalb nochmals um Übersendung der Akte zur Akteneinsicht in seinen Büroräumen; sollte der Beklagte ihn weiterhin auf eine Einsichtnahme in den Behördenräumen verweisen, werde um einen begründeten und rechtsbehelfsfähigen Bescheid gebeten. Über den fortgeführten Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 8. Februar 2006 ist noch nicht entschieden.
Mit - dem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen - Bescheid vom 28. Februar 2006 lehnte der Beklagte den Antrag auf Übersendung der Verwaltungsakte ab; gemäß § 25 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 84a SGG stehe es im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, ob Akten an Rechtsanwälte und Bevollmächtigte übersandt würden. Im vorliegenden Fall sprächen gegen die Übersendung der Verwaltungsakte, dass es sich bei der vorliegenden Akte um eine nicht besonders umfangreiche Akte handele und das Studium der Akte in den Räumen der nur 14 km von der Kanzlei des Bevollmächtigten der Klägerin entfernten Geschäftsstelle B.-S. zumutbar erscheine, während dem verhältnismäßig geringen Aufwand des Bevollmächtigten ein erheblicher Verwaltungsaufwand im Falle der Übersendung gegenüberstehe, weil die Akte komplett durchnummeriert und die wesentlichen Elemente der Akte kopiert werden müssten. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2006 aus den Gründen des angefochtenen Bescheids zurückgewiesen; der Widerspruchsbescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen ihn und den ihm zugrunde liegenden Verwaltungsakt innerhalb eines Monats Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben werden könne.
Am 17. Mai 2006 hat die Klägerin mit dem Begehren um Einsicht in die Verwaltungsakte durch Übersendung der Akte in das Büro ihres Prozessbevollmächtigten Klage zum SG erhoben. Nach den Bestimmungen der §§ 25, 84a SGG sei die zu gewährende Akteneinsicht im Regelfall einem bevollmächtigten Rechtsanwalt im Wege der Übersendung der Akte in dessen Büro zu ermöglichen; hinreichende Gründe, vorliegend von dieser Regel eine Ausnahme zu machen, seien vom Beklagten nicht dargetan. Während des Klageverfahrens hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 21. Juni 2006 über das SG mittels Aktenübersendung in seine Kanzlei Einsicht in die Verwaltungsakte erhalten. Mit Urteil vom 20. Dezember 2006 hat das SG die - von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom selben Tage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellte - Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Dezember 2006 - 11 RAr 71/91 - sowie auf weitere Nachweise in Rechtsprechung und Literatur im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unzulässig, weil Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden könnten.
Gegen dieses dem Bevollmächtigten der Klägerin am 22. Januar 2007 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 20. Februar 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung. Sie hält die vom SG zitierte Rechtsprechung des BSG auf den vorliegenden Fall nicht für übertragbar. Hinsichtlich des Feststellungsinteresses hat sie eine Wiederholungsgefahr geltend gemacht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 28. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2006 rechtswidrig ist und der Beklagte verpflichtet war, ihr Akteneinsicht im Wege der Übersendung der Akte an den Bevollmächtigten zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
12 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
13 
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
15 
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufungsbeschränkungen des § 144 Abs. 1 SGG nicht eingreifen. Die Berufung ist jedoch nicht begründet; denn die Klage ist - wie vom SG zutreffend erkannt - bereits unzulässig.
16 
Das SG hat als einzig hier noch in Betracht kommende Klageart die Fortsetzungsfeststellungsklage geprüft; den entsprechenden Antrag hatte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2006 auch ausdrücklich gestellt. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn er sich durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Die Zulassung dieser Klageart, die nicht den Voraussetzungen der Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG unterliegt (vgl. BSG SozR 4100 § 19 Nr. 5; SozR 3-1500 § 116 Nr. 6), dient der Prozessökonomie; damit soll verhindert werden, dass ein Kläger, der infolge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen, den Streitgegenstand kennzeichnenden Antrag nicht weiterverfolgen kann, um die Früchte der bisherigen Prozessführung gebracht wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 81, 226, 228; 89, 354, 355). In diesem Rahmen geht es demnach um die (deklaratorische) Klärung der Frage, ob der nicht mehr wirksame und auch nicht mehr rückgängig zu machende Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig war (vgl. BVerwGE 26, 161, 166). Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Fortsetzungsfeststellungsklage sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
17 
Ausgehend vom oben dargestellten Zweck der Fortsetzungsfeststellungsklage erscheint es zweifelhaft, ob die Vorschrift des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG vorliegend überhaupt anwendbar und die genannte Klageart hier statthaft ist; jedenfalls war diese Klage aber aus anderen Gründen unzulässig. Zwar hat der Beklagte das Aktenübersendungsgesuch der Klägerin in der Handlungsform des Verwaltungsakts (§ 31 SGB X) abgelehnt (vgl. hierzu BSG SozR 3900 § 35 Nr. 1 S. 2); dieser Verfahrens-Verwaltungsakt war indessen nicht selbständig anfechtbar und erwuchs deshalb - ungeachtet der der Klägerin erteilten unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrungen - auch nicht in Bestandskraft (vgl. hierzu Ziekow in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung , 2. Auflage, § 44a Rdnr. 39); das wird im Folgenden noch auszuführen sein. Damit fehlt es jedoch auch an der weiteren Voraussetzung für den Übergang von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage, nämlich der Erledigung des ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakts. Denn im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG liegt eine Erledigung allgemein dann vor, wenn ein Ereignis den prozessualen Anspruch gegenstandslos gemacht hat oder eine Lage eingetreten ist, die eine Entscheidung erübrigt oder ausschließt; sie ist mit dem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses bzw. der sich aus einem Verwaltungsakt ergebenden Beschwer gleichzusetzen (vgl. BSGE 42, 212, 216 = SozR 1500 § 131 Nr. 3). Die vorliegend angegriffenen Verwaltungsentscheidungen haben indes, da nicht gesondert anfechtbar, keine eigenständige Beschwer enthalten, sodass auch von der Überholung eines prozessualen Anspruchs nicht gesprochen werden kann. Darauf, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Klageverfahren vom SG die beigezogene Verwaltungsakte an seine Kanzlei übermittelt erhalten hat (vgl. hierzu § 120 SGG), war deshalb nicht weiter einzugehen.
18 
Bereits die von der Klägerin am 17. Mai 2006 sinngemäß erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) war - wie vom SG zutreffend erkannt - unzulässig, weil es sich bei der Entscheidung des Beklagten über das Aktenübersendungsgesuch um eine bloße behördliche Verfahrenshandlung innerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens gehandelt hat, die nicht isoliert angegriffen, sondern hinsichtlich etwaiger Verfahrensmängel nur inzident im Rahmen eines gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens geprüft werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. SozR 1500 § 144 Nr. 39; SozR 3-1500 § 144 Nr. 3 S. 9 f.; Urteil vom 10. Dezember 1992 - 11 RAr 71/91 - ; ferner BSG SozR 3900 § 35 Nr. 1 S. 1 f.; Bayer. LSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - L 3 U 429/05 - ) können behördliche Verfahrenshandlungen gegenüber einem Verfahrensbeteiligten - wie die hier umstrittene Begrenzung der Akteneinsicht - während eines schwebenden Verfahrens nicht isoliert mit Rechtsbehelfen angefochten werden. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz (vgl. hierzu bereits BVerwG Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 1) hat seinen Ausdruck in der Bestimmung des § 44a Satz 1 VwGO gefunden, welche deshalb auch im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend herangezogen werden kann (vgl. nochmals BSG SozR 1500 § 144 Nr. 39; BSG, Urteil vom 10. Dezember 1992 a.a.O.). Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden; der gleiche Rechtsgedanke liegt im Übrigen auch der für das gerichtliche Verfahren geltenden Vorschrift des § 172 Abs. 2 SGG zugrunde. Zu den im Sinne des § 44a Satz 1 SGG ausgeschlossenen Rechtsbehelfen gehören nicht nur Widerspruch und Anfechtungsklage, sondern auch Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 44a Nr. 7; Kuntze in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, § 44a Rdnr. 5; Stelkens in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 44a Rdnr. 20); unerheblich ist ferner, ob der behördlichen Verfahrenshandlung Verwaltungsaktsqualität zukommt oder nicht (vgl. Kuntze in Bader u.a., a.a.O., § 44a Rdnr. 3; Ziekow in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 44a Rdnr. 39; Stelkens in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O.; im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 10. Dezember 1992 a.a.O.; BVerwG Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 1). Maßgeblich für die grundsätzlich ausgeschlossene isolierte Anfechtbarkeit von behördlichen Verfahrenshandlungen sind Gründe der Prozessökonomie; der Abschluss von noch anhängigen Verfahren soll nicht durch die Anfechtung von Verfahrenshandlungen verzögert oder erschwert werden, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, das Verfahrensergebnis abzuwarten und Rechtsschutz erst dagegen in Anspruch zu nehmen (vgl. BSG SozR 1500 § 144 Nr. 39; BVerwG Buchholz 310 § 44a VwGO Nrn. 1 und 2; ferner Bundesverfassungsgericht SozR 3-1300 § 25 Nr. 1).
19 
So liegt der Fall auch hier. Die Klägerin hat über ihren Prozessbevollmächtigten gegen den Bescheid vom 8. Februar 2006 am 13. Februar 2006 Widerspruch eingelegt und im Rahmen dieses Verfahrens Akteneinsicht im Wege der Übersendung der Akte in dessen Büro begehrt. Dieses Widerspruchsverfahren ist bis jetzt nicht abgeschlossen, nachdem die Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 16. Februar 2006) zum Ausdruck gebracht hat, dass mit dem „Verzicht“ des Beklagten auf die Rückforderung des im Bescheid vom 8. Februar 2006 genannten Betrages von 1.898,97 Euro ihrem Widerspruch im Übrigen nicht abgeholfen worden sei. Aufgrund des noch schwebenden Widerspruchsverfahrens war mithin die gesonderte Anfechtung der Entscheidung des Beklagten über das Gesuch der Klägerin um Akteneinsicht mittels Aktenversendung nicht zulässig. Dafür, dass Gründe effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) hier ausnahmsweise eine selbständige gerichtliche Überprüfung des Aktenübersendungsgesuchs geboten hätten, um die Klägerin vor unzumutbaren, in einem späteren Prozess nicht mehr vollständig zu beseitigenden Nachteilen zu bewahren (vgl. hierzu BVerfG SozR 1300 § 25 Nr. 1; ferner BSG SozR 1500 § 144 Nr. 39; BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2004 - 6 B 30/04 - ), ist nichts ersichtlich; hierzu hat sie im Übrigen auch nichts vorgetragen. Der Rechtsschutz der Klägerin wäre vielmehr schneller und wirkungsvoller herbeizuführen gewesen, wenn sie ihre Angriffe gegen die Verfahrensbehandlung des Beklagten im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens über die Sachentscheidung vorgebracht hätte. Dass aber gerade dieses Verfahren durch die Anfechtung der behördlichen Ablehnung des Aktenübersendungsgesuchs deutlich verzögert worden ist, bestätigt der vorliegende Fall eindrucksvoll, in welchem bis heute eine das Vorverfahren abschließende Entscheidung nicht ergangen ist.
20 
Schon aus den vorgenannten Gründen war die Fortsetzungsfeststellungsklage nach allem unzulässig. Auf das von der Klägerin behauptete berechtigte Interesse an der beantragten Feststellung unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr war deshalb nicht mehr einzugehen, obgleich auch ein derartiges schützenswertes Interesse schon mangels einer zulässigen Klage nicht gegeben ist (vgl. im Übrigen zur Wiederholungsgefahr BSG, Urteil vom 7. September 1988 - 10 RAr 8/87 - ; BSG SozR 3-1500 § 55 Nr. 12). Auf das Vorbringen der Klägerin zum begehrten Gesuch um Aktenversendung im Rahmen der §§ 25 SGB X und 84a SGG kommt es ebenfalls nicht mehr an (vgl. hierzu BSG SozR 1500 § 120 Nr. 1; SozR 3900 § 35 Nr. 1; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 84a Rdnr. 2; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 120 Rdnr. 4; Kuntze in Bader u.a., a.a.O., § 100 Rdnr. 11).
21 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass das Verfahren - trotz der unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrungen in den vorliegend angegriffenen Verwaltungsentscheidungen - letztlich von der Klägerin in Gang gesetzt worden ist, welche vom Beklagten einen begründeten und rechtsbehelfsfähigen Bescheid über ihr Aktenversendungsgesuch verlangt hatte (vgl. zum sog. „provozierten Verwaltungsakt“ BSG, Urteil vom 21. März 1991 - 4/1 RA 35/90 -, Umdruck S. 9 ).
22 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
14 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
15 
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufungsbeschränkungen des § 144 Abs. 1 SGG nicht eingreifen. Die Berufung ist jedoch nicht begründet; denn die Klage ist - wie vom SG zutreffend erkannt - bereits unzulässig.
16 
Das SG hat als einzig hier noch in Betracht kommende Klageart die Fortsetzungsfeststellungsklage geprüft; den entsprechenden Antrag hatte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2006 auch ausdrücklich gestellt. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn er sich durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Die Zulassung dieser Klageart, die nicht den Voraussetzungen der Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG unterliegt (vgl. BSG SozR 4100 § 19 Nr. 5; SozR 3-1500 § 116 Nr. 6), dient der Prozessökonomie; damit soll verhindert werden, dass ein Kläger, der infolge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen, den Streitgegenstand kennzeichnenden Antrag nicht weiterverfolgen kann, um die Früchte der bisherigen Prozessführung gebracht wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 81, 226, 228; 89, 354, 355). In diesem Rahmen geht es demnach um die (deklaratorische) Klärung der Frage, ob der nicht mehr wirksame und auch nicht mehr rückgängig zu machende Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig war (vgl. BVerwGE 26, 161, 166). Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Fortsetzungsfeststellungsklage sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
17 
Ausgehend vom oben dargestellten Zweck der Fortsetzungsfeststellungsklage erscheint es zweifelhaft, ob die Vorschrift des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG vorliegend überhaupt anwendbar und die genannte Klageart hier statthaft ist; jedenfalls war diese Klage aber aus anderen Gründen unzulässig. Zwar hat der Beklagte das Aktenübersendungsgesuch der Klägerin in der Handlungsform des Verwaltungsakts (§ 31 SGB X) abgelehnt (vgl. hierzu BSG SozR 3900 § 35 Nr. 1 S. 2); dieser Verfahrens-Verwaltungsakt war indessen nicht selbständig anfechtbar und erwuchs deshalb - ungeachtet der der Klägerin erteilten unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrungen - auch nicht in Bestandskraft (vgl. hierzu Ziekow in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung , 2. Auflage, § 44a Rdnr. 39); das wird im Folgenden noch auszuführen sein. Damit fehlt es jedoch auch an der weiteren Voraussetzung für den Übergang von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage, nämlich der Erledigung des ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakts. Denn im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG liegt eine Erledigung allgemein dann vor, wenn ein Ereignis den prozessualen Anspruch gegenstandslos gemacht hat oder eine Lage eingetreten ist, die eine Entscheidung erübrigt oder ausschließt; sie ist mit dem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses bzw. der sich aus einem Verwaltungsakt ergebenden Beschwer gleichzusetzen (vgl. BSGE 42, 212, 216 = SozR 1500 § 131 Nr. 3). Die vorliegend angegriffenen Verwaltungsentscheidungen haben indes, da nicht gesondert anfechtbar, keine eigenständige Beschwer enthalten, sodass auch von der Überholung eines prozessualen Anspruchs nicht gesprochen werden kann. Darauf, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Klageverfahren vom SG die beigezogene Verwaltungsakte an seine Kanzlei übermittelt erhalten hat (vgl. hierzu § 120 SGG), war deshalb nicht weiter einzugehen.
18 
Bereits die von der Klägerin am 17. Mai 2006 sinngemäß erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) war - wie vom SG zutreffend erkannt - unzulässig, weil es sich bei der Entscheidung des Beklagten über das Aktenübersendungsgesuch um eine bloße behördliche Verfahrenshandlung innerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens gehandelt hat, die nicht isoliert angegriffen, sondern hinsichtlich etwaiger Verfahrensmängel nur inzident im Rahmen eines gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens geprüft werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. SozR 1500 § 144 Nr. 39; SozR 3-1500 § 144 Nr. 3 S. 9 f.; Urteil vom 10. Dezember 1992 - 11 RAr 71/91 - ; ferner BSG SozR 3900 § 35 Nr. 1 S. 1 f.; Bayer. LSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - L 3 U 429/05 - ) können behördliche Verfahrenshandlungen gegenüber einem Verfahrensbeteiligten - wie die hier umstrittene Begrenzung der Akteneinsicht - während eines schwebenden Verfahrens nicht isoliert mit Rechtsbehelfen angefochten werden. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz (vgl. hierzu bereits BVerwG Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 1) hat seinen Ausdruck in der Bestimmung des § 44a Satz 1 VwGO gefunden, welche deshalb auch im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend herangezogen werden kann (vgl. nochmals BSG SozR 1500 § 144 Nr. 39; BSG, Urteil vom 10. Dezember 1992 a.a.O.). Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden; der gleiche Rechtsgedanke liegt im Übrigen auch der für das gerichtliche Verfahren geltenden Vorschrift des § 172 Abs. 2 SGG zugrunde. Zu den im Sinne des § 44a Satz 1 SGG ausgeschlossenen Rechtsbehelfen gehören nicht nur Widerspruch und Anfechtungsklage, sondern auch Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 44a Nr. 7; Kuntze in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, § 44a Rdnr. 5; Stelkens in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 44a Rdnr. 20); unerheblich ist ferner, ob der behördlichen Verfahrenshandlung Verwaltungsaktsqualität zukommt oder nicht (vgl. Kuntze in Bader u.a., a.a.O., § 44a Rdnr. 3; Ziekow in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 44a Rdnr. 39; Stelkens in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O.; im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 10. Dezember 1992 a.a.O.; BVerwG Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 1). Maßgeblich für die grundsätzlich ausgeschlossene isolierte Anfechtbarkeit von behördlichen Verfahrenshandlungen sind Gründe der Prozessökonomie; der Abschluss von noch anhängigen Verfahren soll nicht durch die Anfechtung von Verfahrenshandlungen verzögert oder erschwert werden, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, das Verfahrensergebnis abzuwarten und Rechtsschutz erst dagegen in Anspruch zu nehmen (vgl. BSG SozR 1500 § 144 Nr. 39; BVerwG Buchholz 310 § 44a VwGO Nrn. 1 und 2; ferner Bundesverfassungsgericht SozR 3-1300 § 25 Nr. 1).
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So liegt der Fall auch hier. Die Klägerin hat über ihren Prozessbevollmächtigten gegen den Bescheid vom 8. Februar 2006 am 13. Februar 2006 Widerspruch eingelegt und im Rahmen dieses Verfahrens Akteneinsicht im Wege der Übersendung der Akte in dessen Büro begehrt. Dieses Widerspruchsverfahren ist bis jetzt nicht abgeschlossen, nachdem die Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 16. Februar 2006) zum Ausdruck gebracht hat, dass mit dem „Verzicht“ des Beklagten auf die Rückforderung des im Bescheid vom 8. Februar 2006 genannten Betrages von 1.898,97 Euro ihrem Widerspruch im Übrigen nicht abgeholfen worden sei. Aufgrund des noch schwebenden Widerspruchsverfahrens war mithin die gesonderte Anfechtung der Entscheidung des Beklagten über das Gesuch der Klägerin um Akteneinsicht mittels Aktenversendung nicht zulässig. Dafür, dass Gründe effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) hier ausnahmsweise eine selbständige gerichtliche Überprüfung des Aktenübersendungsgesuchs geboten hätten, um die Klägerin vor unzumutbaren, in einem späteren Prozess nicht mehr vollständig zu beseitigenden Nachteilen zu bewahren (vgl. hierzu BVerfG SozR 1300 § 25 Nr. 1; ferner BSG SozR 1500 § 144 Nr. 39; BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2004 - 6 B 30/04 - ), ist nichts ersichtlich; hierzu hat sie im Übrigen auch nichts vorgetragen. Der Rechtsschutz der Klägerin wäre vielmehr schneller und wirkungsvoller herbeizuführen gewesen, wenn sie ihre Angriffe gegen die Verfahrensbehandlung des Beklagten im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens über die Sachentscheidung vorgebracht hätte. Dass aber gerade dieses Verfahren durch die Anfechtung der behördlichen Ablehnung des Aktenübersendungsgesuchs deutlich verzögert worden ist, bestätigt der vorliegende Fall eindrucksvoll, in welchem bis heute eine das Vorverfahren abschließende Entscheidung nicht ergangen ist.
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Schon aus den vorgenannten Gründen war die Fortsetzungsfeststellungsklage nach allem unzulässig. Auf das von der Klägerin behauptete berechtigte Interesse an der beantragten Feststellung unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr war deshalb nicht mehr einzugehen, obgleich auch ein derartiges schützenswertes Interesse schon mangels einer zulässigen Klage nicht gegeben ist (vgl. im Übrigen zur Wiederholungsgefahr BSG, Urteil vom 7. September 1988 - 10 RAr 8/87 - ; BSG SozR 3-1500 § 55 Nr. 12). Auf das Vorbringen der Klägerin zum begehrten Gesuch um Aktenversendung im Rahmen der §§ 25 SGB X und 84a SGG kommt es ebenfalls nicht mehr an (vgl. hierzu BSG SozR 1500 § 120 Nr. 1; SozR 3900 § 35 Nr. 1; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 84a Rdnr. 2; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 120 Rdnr. 4; Kuntze in Bader u.a., a.a.O., § 100 Rdnr. 11).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass das Verfahren - trotz der unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrungen in den vorliegend angegriffenen Verwaltungsentscheidungen - letztlich von der Klägerin in Gang gesetzt worden ist, welche vom Beklagten einen begründeten und rechtsbehelfsfähigen Bescheid über ihr Aktenversendungsgesuch verlangt hatte (vgl. zum sog. „provozierten Verwaltungsakt“ BSG, Urteil vom 21. März 1991 - 4/1 RA 35/90 -, Umdruck S. 9 ).
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

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