Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 KR 1554/16

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.03.2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2012 als Selbstständiger oder abhängig Beschäftigter tätig war und ob er der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.
Die Klägerin und die Q. Bau- und Transport GmbH (im Folgenden Firma Q.), deren Geschäftsführerinnen Schwestern sind, erbringen Transportdienstleistungen. Einer ihrer Hauptkunden ist die H. Logistik Gruppe Deutschland (im Folgenden: H.). Maßgeblich für die Zusammenarbeit der Klägerin mit H. ist ein Satellitendepot-Vertrag. Die Einhaltung der dortigen Prozessrichtlinien muss die Klägerin auch gegenüber ihren Auftragnehmern sicherstellen. Die Klägerin und die Firma Q. haben in der B.-Straße ... in D. Büroräume und betreiben dort ein Auslieferungslager für H..
Der 1980 geborene Beigeladene zu 1), rumänischer Staatsangehöriger, meldete zum 26.10.2009 ein Gewerbe an für Transporte mit Kfz bis 3,5 t. Er war ab Ende 2009 als Kurierdienstfahrer für eine Subunternehmerin der Klägerin und der Firma Q. tätig mit einer eigenen Tour. Als die Subunternehmerin (Frau B.) Ende 2010 ihre Tätigkeit aufgab, übernahm der Beigeladene zu 1) quasi deren Rolle. Er übernahm etwa die Hälfte der Fahrer seiner bisherigen Auftraggeberin, mit denen er sog Vermittlungsverträge schloss. Mit der Klägerin (und der Firma Q.) schloss er am 15.12.2010 mit Wirkung ab 03.01.2011 einen Unternehmervertrag mit der Klägerin als Auftraggeber und ihm als Unternehmer. Dieser Vertrag lautete auszugsweise wie folgt:
§ 1 Gegenstand, Tätigkeit, Probezeit, Kündigung
1. Der Unternehmer wird ab 03.01.2011 Aufträge im Namen verschiedener Auftraggeber erhalten.
4. Die Gültigkeit dieses Unternehmervertrages ist davon abhängig, dass spätestens bei Antritt des ersten Auftrags durch den Unternehmer ordnungsgemäße und vollständige Geschäftsunterlagen (Gewerbeanmeldung, Führungszeugnis, Steuer-Nr, Bankverbindung, Führerschein, evtl ADR-Schein, Passkopie) übergeben werden.
5. Der Unternehmer ist selbst für die Einholung weiterer Aufträge verantwortlich.
7. Der Auftragnehmer übt seine Tätigkeit selbstständig aus. Er handelt im Namen und auf eigene Rechnung.
8. Der Auftragnehmer sichert zu, dass sowohl er als auch die etwa von ihm eingesetzten Subunternehmer keine Arbeitskräfte ohne erforderliche Arbeitserlaubnisse einsetzen. Diese Verpflichtung besteht auch im Hinblick auf das Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung im gewerblichen Güterkraftverkehr.
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9. Der Auftragnehmer wird Transporte selbst oder durch etwa von ihm eingesetzte Subunternehmer nur mit Fahrzeugen und Fahrern durchführen bzw durchführen lassen, für die alle erforderlichen Erlaubnisse vorliegen. Dies umfasst insbesondere die notwendige Berechtigung bei Transporten > 3,5 t (Lizenz oder Erlaubnis) sowie die notwendigen Berechtigungen beim Einsatz von Drittstaatenkraftfahrern (Pass/Ausweis und Aufenthaltstitel oder inländische gültige Fahrerbescheinigung) nach dem Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) und sonstigen Vorschriften.
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10. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, seine Mitarbeiter und die etwa von ihm als Fahrpersonal eingesetzten Subunternehmer darauf hinzuweisen, die Unterlagen während aller Fahren für die Fa Q. mitzuführen und sowohl behördlichen Kontrollberechtigten als auch der Fa Q. auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen.
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11. Der Auftragnehmer verpflichtet sich auch selbst, bei seinen Subunternehmern regelmäßig entsprechende Kontrollen durchzuführen.
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12. Der Auftragnehmer verpflichtet sich bei Verstößen zur Übernahme des der Fa Q. hieraus entstehenden Schadens und stellt die Fa Q. diesbezüglich von jeglichen Nachteilen frei.
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13. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, der Fa Q. Änderungen in der Zusammensetzung der Fuhrparks (zB Reduzierung des Fuhrparks) und seiner sonstigen Auftraggeber (zB Wegfall weiterer Auftraggeber) unverzüglich mitzuteilen. Über den Umfang einer anderweitigen Tätigkeit ist der Auftragnehmer zur Auskunft verpflichtet. Die Verpflichtung zur Mitteilung besteht auch für den Fall, dass der Auftragnehmer nur noch Familienangehörige als Arbeitnehmer einsetzt.
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14. Bei Verletzung dieser Verpflichtung sowie beim Vorliegen sonstiger Kriterien, die gegen die Unternehmereigenschaft sprechen, ist der Auftragnehmer der Fa Q. zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
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§ 2 Einsatzzeit, Einsatzplan, Einsatzbedingungen
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1. Ein Anspruch auf Vollauslastung durch den Auftraggeber besteht nicht.
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2. Der Auftraggeber wird dem Unternehmer keinerlei Vorgaben zu seinen Einsatzzeiten, Einsatzorten, Arbeitskleidung machen.
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3. Der Unternehmer garantiert dem Auftraggeber alle ihm übermittelten Angebote zur vollsten Zufriedenheit des Auftraggebers und dessen Auftraggebers zu erfüllen.
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4. Zeiten, in denen der Unternehmer nicht zum Einsatz kommen kann sind dem Auftraggeber unverzüglich mitzuteilen. Bei angenommenen festen Touren hat der Unternehmer bei Ausfall selbst für eine Ersatzkraft zu sorgen, sollte der Unternehmer nicht in der Lage sein, eine Ersatzkraft einzusetzen, so wird dies der Auftraggeber tun und in voller Höhe dem Unternehmer weiterbelasten.
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§ 3 Vergütung
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1. Zusatzvereinbarung Anlage Vergütung
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2. abzüglich der Kosten pro Tour (Scanner, …usw), und Sondervereinbarung Anlage Maßnahmenkatalog
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3. Der Unternehmer erhält für seine erfüllten Aufträge eine Gutschriftabrechnung, abzüglich der Kosten pro Tour (Scanner, Fahrzeug, …usw).
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4. Bei fehlenden Geschäftsunterlagen kann keine Zahlung erfolgen. Führungszeugnisse sind jedes Jahr zu aktualisieren.
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5. Auszahlungen folgen zwischen dem 15. – 20. des Folgemonats. Bei Sonn- und Feiertagen am darauffolgenden Werktag.
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6. Einlerntage durch den Auftraggeber werden nicht vergütet.
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7. Ein Anspruch auf Vorauszahlungen und Vorschüsse besteht nicht.
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8. Abzüge durch Auftraggeber des Auftraggebers, welche im Verschulden des Unternehmers liegen werden uneingeschränkt dem Unternehmer weiterbelastet.
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9. An- und Abfahrt zum Einsatzort werden nicht vergütet.
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10. Die erbrachten Leistungen sind anhand von Scannerdaten, Rollkarten, Tagesberichten und/oder Lieferscheinen zu erbringen.
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11. Fehlmengen und Beschädigungen an Arbeitsmaterialien, Fahrzeugen und Waren werden dem Unternehmer weiterbelastet.
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….
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Die Vergütung der Leistung erfolgte ausschließlich über Gutschriften der Klägerin an den Beigeladenen zu 1) anhand der Auswertung der Scannerdaten. Die Preisliste (zB für eine Standardlieferung 1,30 EUR) war von der Klägerin vorgegeben. Der Beigeladene zu 1) erhielt Gutschriften für die von ihm selbst und seinen Fahrern durchgeführten Fahrten. Bei den monatlichen Gutschriften erfolgten Abzüge ua für die Scannermiete (pro Scanner 20 EUR) und Abzüge nach dem Strafmaßnahmenkatalog der Firma H., der im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) aufgrund mündlicher Vereinbarung ebenfalls Anwendung fand. Der Kläger (und seine Fahrer) mussten Kleidung mit dem Logo der Firma H. tragen, auch die Fahrzeuge mussten entsprechend beschriftet sein. Als Strafen waren vorgesehen zB 10 EUR bei fehlendem Tragen der H.-Kleidung oder wenn die Scanner-Tasche nicht umgeschnallt war und 50 EUR, wenn eine Premium- oder Eilsendung außerhalb des Zeitfensters zugestellt wurde. Weitere Strafen waren vorgesehen zB bei fehlender Fahrzeugsauberkeit, fehlender oder ungültiger Vollmacht, IDENT-Service nicht an Berechtigten zugestellt oder Materialkiste nicht vollständig mitgenommen. Über die Tätigkeit bei der Klägerin erzielte der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum folgende Umsätze: Januar 2011 – 11.953 EUR; Februar 2011 – 2.576 EUR; März 2011 – 4.736 EUR; November 2011 – 476 EUR. Die erzielten Erlöse aus der Tätigkeit für die Firma Q. lagen ganz erheblich darüber. Der Beigeladene zu 1) war ausschließlich mit H.-Sendungen betraut. Hierbei liefen die Sonderfahrten über die Klägerin und die normalen Sendungen über die Firma Q.. Der Beigeladene zu 1) nutzte für seine Kurierdienstfahrten für die Klägerin und die Firma Q. zunächst ein geleastes Fahrzeug (VW Passat) und mietete auch weitere Fahrzeuge an; Ende August 2011 kaufte er einen Ford Mondeo für 550 EUR; eine eigene Betriebsstätte unterhielt er nicht.
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Der Beigeladene zu 1) beantragte am 16.05.2011 bei der DRV Bund (Beigeladene zu 2) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der ab 01.01.2011 ausgeübten Tätigkeit als Fahrer bei der Klägerin. Nachdem er angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt hatte, stellte die Beigeladene zu 2) mit bestandskräftigem Bescheid vom 09.11.2011 das Verfahren ein.
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Mit Schreiben vom 15.03.2013 wandte sich die DRV Baden-Württemberg an die Beklagte als Einzugsstelle. Der Beigeladene zu 1) habe am 14.10.2010 einen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Selbstständige mit einem Auftraggeber gestellt. Bei Zweifeln am Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sei die Einzugsstelle nach § 28h Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zuständig. Beigefügt war eine Stellungnahme der Clearingstelle vom 11.02.2013, welche die Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1) als Kurierdienstfahrer für die Klägerin, die Firma Q. und die Firma B. Kleintransporte (Subunternehmerin der Klägerin und der Firma Q.) ab 01.11.2009 als abhängige Beschäftigungen einordnete.
37 
Die Klägerin teilte auf Anfrage der Beklagten unter dem 27.01.2014 mit, der Tätigkeit liege ein Rahmenvertrag zugrunde. Die Entlohnung habe sich nach Preislisten für Sendungen gerichtet; der Preis sei je nach Menge der erbrachten Leistungen multipliziert und per Gutschrift bezahlt worden. Die Prozessrichtlinien von H. seien einzuhalten gewesen. Es sei im Namen und auf Rechnung der Firma H. gearbeitet worden. Die Kontrolle sei anhand von Rollkarten/Orientierungslisten und EDV (Scanner) erfolgt. Bei Verhinderung habe sich der Beigeladene zu 1) um Ersatz kümmern müssen. Es habe kurzfristig abgesagte Aufträge gegeben. Es sei kein zeitlicher Rahmen und kein Ort für die Tätigkeit festgelegt worden. Der Beigeladene zu 1) habe mehrere Mitarbeiter gehabt. Die zu verteilenden Sendungen habe der Beigeladene zu 1) zwischen 6:00 und 9:00 Uhr im Umschlagszentrum D. erhalten. Es habe keine Verpflichtung zur Annahme bestimmter Aufträge bestanden.
38 
Mit Bescheid vom 28.04.2014 stellte die Beklagte das Bestehen von Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung fest für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ab 01.01.2011. Unter Berücksichtigung des Gesamtbildes liege ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor, da der Beigeladene zu 1) weisungsgebunden sei und kein eigenes Unternehmerrisiko trage.
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Mit ihrem Widerspruch vom 08.05.2014 machte die Klägerin geltend, der Beigeladene zu 1) habe mehrere sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter gehabt. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2014 zurück. Nach Würdigung aller Gesamtumstände überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Aufgrund der zentralen Vorgaben und Verpflichtungen für die Tätigkeit als Fahrer ergebe sich eine Weisungsgebundenheit. Auch die Freiheit, Einfluss auf die Planung der Touren zu nehmen und diese mit dem Privat-Pkw zu fahren, ändere nichts an den vorgegebenen Rahmenbedingungen. Als Entlohnung sei ein Sendungspreis vereinbart worden. Der Beigeladene zu 1) könne Aufträge ablehnen. Dadurch ergebe sich jedoch kein unternehmerisches Risiko.
40 
Hiergegen richtet sich die am 13.10.2014 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Der Beigeladene zu 1) sei als selbstständiger Frachtunternehmer tätig geworden. Insbesondere im Rahmen von Kurierdienstleistungen sei branchenüblich, dass selbstständige Frachtführer nach Stopp und Sendung abrechneten. Dies spreche nicht für abhängige Beschäftigung. Der Beigeladene zu 1) habe die Kosten für den Unterhalt eines Lkw selbst tragen müssen. Seine Fahrdienste habe er in Dienstkleidung der Firma H. und nicht in solcher der Klägerin erbracht. Dass sich der Beigeladene zu 1) bei der Disposition im Umschlagszentrum habe melden müssen, entspreche lediglich den haftungsrechtlichen Kriterien obergerichtlicher Rechtsprechung zur Schnittstellenkontrolle. Die Prozessrichtlinien von H. hätten selbstverständlich sowohl von der Klägerin als auch dem Beigeladenen zu 1) eingehalten werden müssen.
41 
Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat ausgeführt, die überwiegenden Merkmale sprächen für abhängige Beschäftigung. Der Beigeladene zu 1) fahre nicht im eigenen Namen und sei zur Einhaltung von Prozessrichtlinien verpflichtet. Er bekomme Aufträge zugewiesen, habe sich entsprechend bei der Disposition zu melden und werde kontrolliert. Die Sendungen erhalte er zu festen, vorgegebenen Zeiten im Umschlagzentrum. Haftung gegenüber dem Kunden und damit das wirtschaftliche Risiko lägen nicht beim Beigeladenen zu 1).
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Mit Urteil vom 17.03.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Beigeladene zu 1) habe die Tätigkeit für die Klägerin vom 01.01.2011 bis 30.01.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt, es bestehe Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung. Als Kurierdienstfahrer nach den über die Klägerin weitergeleiteten engen Vorgaben der Firma H. sei er abhängig beschäftigt. Nach dem Unternehmervertrag habe der Beigeladene zu 1) als Selbstständiger Transportdienstleistungen erbringen sollen. Für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung sei jedoch weder die gewünschte Rechtsfolge noch die von den Parteien gewählte Bezeichnung maßgeblich. Nach eigenen Angaben habe der Beigeladene zu 1) die Transportdienstleistungen nicht mit einem Fahrzeug der Klägerin, sondern diversen angemieteten Fahrzeugen und später mit einem eigenen Fahrzeug erbracht. Die Benutzung eines eigenen Kfz könne in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Bei Kurierdienstfahrern könne die Selbstständigkeit nicht vornehmlich am Merkmal des eigenen Fahrzeugs festgemacht werden, da der wirtschaftliche Aufwand hierfür nicht so hoch sei, dass darin ein erhebliches wirtschaftliches Risiko gesehen werden könne. Insgesamt fehle es bei dem Beigeladenen zu 1) an einer risikobehafteten Unternehmensstruktur. Abgesehen von Fahrzeugkosten und einer Sachmittelpauschale für den Scanner von H. habe der Beigeladene zu 1) keine Investitionen getätigt und habe auch keine Betriebsstätte vorgehalten. Einem möglichen Verlust des Fahrzeugs hätten keine unternehmerischen Chancen gegenüber gestanden. Möglichkeiten, den Verdienst zu beeinflussen, habe der Beigeladene zu 1) nicht gehabt. Die von H. der Klägerin vorgegebene Preisgestaltung sei nicht verhandelbar gewesen und dem Beigeladenen zu 1) von der Klägerin vorgegeben worden. Unter Berücksichtigung der Vielzahl von Vorgaben zur Arbeitsweise sei dem Beigeladenen zu 1) kein Spielraum geblieben, der ihm ermöglicht hätte, etwa durch schnelleres, rationelleres Arbeiten oder preisgünstigeren Mitteleinsatz seine Verdienstchancen zu erhöhen. Der Beigeladene zu 1) sei wesentlich stärker in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingegliedert gewesen als ein nur den sich aus §§ 407 ff Handelsgesetzbuch (HGB) ergebenden Pflichten unterliegender selbstständiger Frachtführer. Es sei während der gefahrenen Touren nicht möglich gewesen, für andere Auftraggeber aus eigener Initiative ein höheres Einkommen zu erzielen bzw mehr Frachtaufkommen zu erlangen als das bereits vor Beginn der jeweiligen Tour eingescannte und vom Disponenten der Klägerin freigegebene. Im Übrigen verfüge der Beigeladene zu 1) auch über keine Erlaubnis nach § 3 GüKG oder eine Lizenz nach Art 3 VO EWG 881/92, die ihm erlauben würde, als selbstständiger Frachtführer iSv §§ 407 HGB tätig zu werden. Der Beigeladene zu 1) habe sein Fahrzeug mit Werbung für H. versehen und Berufskleidung mit der vorgegebenen Kennzeichnung der Firma H. tragen müssen. Ein Tätigwerden als Selbstständiger sei nach außen nicht erkennbar gewesen. Ohne Erfolg mache die Klägerin geltend, die eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeit des Beigeladenen zu 1) und seine strikte Bindung an vertragliche Arbeitsanweisungen beruhe auf branchenimmanenten Zwängen. Eine bestehende Eingliederung in den Betrieb trete nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurück, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet sei. Der Beigeladene zu 1) sei weisungsabhängig gewesen. Sein Zustellgebiet sei festgelegt, ebenso die Touren. Die Anzahl der Sendungen pro Tour habe nicht beeinflusst werden können. Die Auslieferung habe taggleich erfolgen müssen; bei Premium- und Eilsendungen innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen könne zwar ein Indiz für selbstständige Tätigkeit sein, es sei jedoch auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse nicht unüblich, dass es weitestgehend dem Arbeitnehmer überlassen bleibe, ob er tätig werde. In Anbetracht der festen zeitlichen Vorgaben und daran anknüpfender Strafen habe sich faktisch zwingend eine besonders enge Einbindung in die Betriebsorganisation ergeben. Trotz Nutzung eines eigenen Fahrzeugs überwögen nach alledem die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale.
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Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 29.03.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.04.2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG verweise zur Begründung auf die Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 15.07.2016 (L 6 R 23/14) und des Bayerischen LSG vom 23.11.2015 (L 7 R 1008/14), verkenne aber, dass die Fälle nur in Ansätzen vergleichbar seien. So habe der Unternehmer-Partnerschaftsvertrag in der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vorgesehen, dass die Leistung nicht ohne schriftliche Zustimmung des Auftraggebers an Dritte übertragen werden durfte, Berufskleidung mit der vorgegebenen Kennzeichnung zu tragen sei und die Fahrzeuge mit einem Hinweis („im Auftrag der H Logistikgruppe“) zu versehen gewesen sei und anderweitige Werbung nicht zulässig gewesen sei. Derartige Festlegungen enthalte der Unternehmervertrag hier gerade nicht. Der Beigeladene zu 1) habe einen nicht unerheblichen Teil seines Transportvolumens durch Fremdvergabe erledigt. Der Beigeladene zu 1) habe in der mündlichen Verhandlung vor dem SG darauf hingewiesen, dass er ein Schild von H. in seinem Ford Mondeo ausgehängt habe, um einem Paketempfänger zu signalisieren, dass er eine erwartete Paketsendung erhalten werde; eine Werbemaßnahme für H. stelle dies nicht dar. Das SG verkenne, dass es dem Beigeladenen zu 1) freigestanden habe, weitere Transportaufträge anzunehmen und im Rahmen seiner Tourenabfolge zu erledigen, unabhängig von der Klägerin. Er habe auch Touren von anderen Auftragnehmern der Klägerin übernehmen können, was gelegentlich geschehen sei. Eine Erlaubnis nach § 3 GüKG habe nichts mit der Eigenschaft eines selbstständigen Frachtführers zu tun. Für Kurier-Express-Paket-Dienste sei die Erlaubnispflicht nicht maßgeblich, da die Auslieferfahrzeuge kein zulässiges Gesamtgewicht von 3,5 t hätten. Der Beigeladene zu 1) sei auch nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Schon aus haftungsrechtlichen Gründen sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die Prozessrichtlinien der Firma H. einzuhalten, um sich nicht selbst im Falle eines Sendungsverlustes dem Vorwurf qualifizierten Verschuldens auszusetzen; sie habe diese Schnittstellenkontrollen ihren Unterfrachtführern ebenfalls auferlegen müssen. Es stelle eine transportrechtliche Selbstverständlichkeit dar, dass die Klägerin in ihrem Distributionszentrum den Paketumschlag zu strukturieren, organisieren und überwachen habe, um nicht die Haftungsbegrenzung in § 431 HGB auszuschließen. Die vom SG angenommenen Weisungsrechte erschöpften sich letztlich in der Einhaltung der Gewährleistung einer rechtssicheren, dem Frachtrecht geschuldeten Schnittstellenkontrolle.
44 
Die Klägerin beantragt,
45 
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.03.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 28.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2014 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin in der Zeit vom 01.01.2011 bis 31.01.2012 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
48 
Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und die Ausführungen des SG.
49 
Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
50 
Betreffend die Tätigkeit der Kurierdienstfahrer für die Klägerin und die Firma Q. werden mehrere, inzwischen verbundene Ermittlungsverfahren geführt ua wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gegen mehrere Personen, ua die Geschäftsführerinnen der Klägerin und der Firma Q. sowie den Beigeladenen zu 1). Die Ermittlungsverfahren laufen noch. Auf die Vernehmung des Beigeladenen zu 1) vom 27.08.2013 (Blatt 251 ff Band XII Ermittlungsakte) wird Bezug genommen.
51 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die beigezogenen Akten des Hauptzollamts S. (EV 1273/12 – E 1150) und der Staatsanwaltschaft S. (184 Js 21795/12) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
53 
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ) ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 28.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 1) war bei der Klägerin ab 01.01.2011 abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung.
54 
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 28h SGB IV. Der angefochtene Bescheid ist zwar ohne die erforderliche vorherige Anhörung der Klägerin ergangen (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ), dieser Verfahrensfehler ist jedoch durch die Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs Nr 3 SGB X; vgl Bundessozialgericht 19.10.2011, B 13 R 9/11 R, SozR 4-2600 § 77 Nr 10). Die Beklagte war als Einzugsstelle auch zuständig für den Erlass des Bescheids. Gemäß § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV in der seit 01.04.2003 geltenden Fassung des Art 2 Nr 13 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl I 2002, 4621) stellt die Beklagte als Einzugsstelle ua personenbezogen die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest. Ein vorrangiges Statusfeststellungsverfahren (§ 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV) war nicht anhängig, da das 2011 eingeleitete Verfahren bereits mit Bescheid vom 09.11.2011 ohne inhaltliche Prüfung bestandskräftig abgeschlossen war.
55 
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch , § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch , § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch , § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch ). Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).
56 
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel“ handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
57 
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin ab 01.01.2011 abhängig sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, weshalb Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Der Senat stützt sich insoweit auf die Ergebnisse des vom Hauptzollamt S. bzw der Staatsanwaltschaft S. durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Verhandlungstermine vor dem SG und dem Senat.
58 
Nach den Feststellungen des Senats war der Beigeladene zu 1) im Prüfzeitraum auf der Grundlage von teilweise schriftlichen, teilweise mündlichen Abreden für die Klägerin tätig. Entgegen der Absicht in § 1 Nr 1 Unternehmervertrag hat der Beigeladene zu 1) allein Aufträge im Namen von H. erhalten. Er durfte die Fahrten selbst oder durch Subunternehmer ausführen, also Dritte zur Erfüllung seiner Aufgaben einsetzen. Weitgehend abbedungen durch mündliche Abreden war allerdings die Regelung in § 2 Nr 2 Unternehmervertrag, wonach keinerlei Vorgaben zu Einsatzzeiten, Einsatzorten und Arbeitskleidung gemacht würden. Der Beigeladene zu 1), sowie sämtliche Kurierdienstfahrer mussten die Image-Kleidung von H. tragen. Dies hat die Klägerin im Termin vor dem SG über ihren anwesenden Disponenten, B. P., selbst vorgetragen. Dieser hat auch die Einhaltung der Kleidervorschriften kontrolliert. Auch durch Mitarbeiter von H. erfolgte eine monatliche Kontrolle, ob die Fahrer Scanner mit Tasche und Stift, Maßband und Namensschild dabei hatten. Dies hat der Beigeladene zu 1) in seiner Aussage beim Hauptzollamt am 27.08.2013 ausgesagt. Die Kleidung wurde vom Beigeladenen zu 1) über die Klägerin bzw die Firma Q. bestellt; die Abzüge für die Kosten erfolgten im Rahmen der Gutschriften. Darüber hinaus hatte sich der Beigeladene zu 1) morgens um 6.00 Uhr im Verteilzentrum in D. einzufinden. Dies hat er übereinstimmend im Rahmen der Angaben zur „Checkliste Selbstständigkeit“ bereits am 18.07.2011 (Seite 3 Akte des Hauptzollamts: dort angekreuzt keine regelmäßigen Arbeitszeiten einzuhalten aber zugleich angegeben, 6 Tage pro Woche ab 6:00 Uhr) und im Rahmen seiner Vernehmung am 27.08.2013 angegeben. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln, zumal auch die für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anwesenden Herren S. und P. bestätigt haben, dass der Beigeladene zu 1) täglich um 6:00 Uhr im Verteilzentrum D. anwesend war. Damit gab es sehr wohl konkrete Vorgaben hinsichtlich Arbeitszeit und –ort.
59 
Der mündlichen Abbedingung der Regelung in § 2 Nr 2 Unternehmervertrag steht die Schriftformklausel in § 7 dieses Vertrags schon deshalb nicht entgegen, da es sich nur um eine einfache Schriftformklausel handelt, die ohne Weiteres mündlich abbedungen werden kann (vgl Bundesgerichtshof 26.11.1980, VIII ZR 298/79, WM 1981, 121; zur qualifizierten Schriftformklausel BGH 02.06.1976, VIII ZR 97/74, BGHZ 66, 378). Im Übrigen sieht auch der Unternehmervertrag in § 2 Nr 4 vor, dass Zeiten, in denen der Beigeladene zu 1) nicht zum Einsatz kommen kann, unverzüglich mitzuteilen sind. Die Beteiligten sind somit nach der Überzeugung des Senats ohne Weiteres davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) täglich im Verteilzentrum in D. zu erscheinen hat. Der Senat geht daher nicht davon aus, dass es ihm völlig freigestanden habe, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Es wäre dann auch nicht klar, wie die Klägerin selbst ihre Verpflichtungen gegenüber H. zur taggleichen Auslieferung der Sendungen bewirken wollte. Wie aus Gutschriften an andere Fahrer zu entnehmen ist – der Beigeladene zu 1) war insoweit wohl sehr zuverlässig – sind auch tatsächlich Abzüge erfolgt, wenn eine Tour nicht gefahren wurde bzw die Klägerin einen Ersatzfahrer stellen musste (zB Gutschrift Nr 1870: Abzug iHv 130 EUR 22.03. „Tour von uns gefahren“, Blatt 360 Beweismittelordner Band III).
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Letztlich kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob der Beigeladene zu 1) berechtigt war, nach freiem Gutdünken Aufträge auch abzulehnen, denn die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann zwar als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Beigeladene zu 1) über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmte. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Eine derartige Vereinbarung kann auch arbeitsrechtlich zulässig sein. Dabei handelt es sich dann idR nicht um eine Arbeit auf Abruf iSd § 12 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG), sondern um auf den jeweiligen Einsatz bezogene Einzelarbeitsverträge (Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse). Nach der Rspr des BAG sind die Arbeitsvertragsparteien nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (BAG 16.05.2012, 5 AZR 268/11, BAGE 141, 348). Derartige Einzelarbeitsverträge können auch in Kombination mit einem Rahmenvertrag vereinbart werden (vgl Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 R363/15).
61 
Eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die betrieblichen Abläufe der Klägerin liegt hier vor. Weder hinsichtlich Arbeitszeit und –ort, noch hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1) maßgebliche Spielräume zur eigenen Gestaltung der Tätigkeit. Die Pakete mussten taggleich ausgeliefert werden, bei Premium- oder Eilsendungen innerhalb eines festgelegten Zeitfensters. Auch auf die Zahl der zugeteilten Sendungen hatte der Beigeladene zu 1) keinen maßgeblichen Einfluss, sie erfolgte durch den Disponenten P.. Soweit dieser vor dem SG ausgeführt hat, der Beigeladene zu 1) habe insoweit Einfluss gehabt, als er hätte mehr Pakete abholen können, passt dies nicht zu den festen Bezirken, welche die einzelnen Fahrer haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beigeladene zu 1) insoweit hinsichtlich eines typischen Arbeitstages erläutert, er hole zunächst die Pakete vom Band, scanne alle ein und verlade sie ins Auto. Anschließend bekomme er vom Disponenten eine Liste und eine Freigabe, dass alle Pakete da seien. Er fahre dann los. Er habe einen festen Zustellbezirk, welchen er anhand der Liste des Disponenten abarbeite; wenn alle Pakete ausgefahren seien, mache er Feierabend. Wie insoweit höhere Gewinnchancen durch schnelleres Arbeiten oder die Akquise weiterer Aufträge für den gleichen Bezirk möglich sein sollen, erschließt sich dem Senat nicht. Dass der Beigeladene zu 1) gelegentlich eine Tour von einem anderen (ausgefallenen) Fahrer übernommen hat, wie Herr S., Vater der Geschäftsführerinnen der Klägerin und der Firma Q., vor dem SG erläutert hat, steht dem nicht entgegen. Der Beigeladene zu 1) war ab Januar 2011 allein für die Klägerin und die Firma Q. tätig, zeitweise anfangs nach seinen Angaben vor dem SG auch noch für deren Subunternehmerin B..
62 
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin gehen die von der Klägerin gemachten Vorgaben deutlich hinaus über die gesetzlichen Verpflichtungen eines Frachtführers iSv §§ 407 ff HGB. Dabei verkennt der Senat nicht, dass etwa die Haftungshöchstbeträge nach § 431 HGB nicht gelten, wenn der Schaden auf einer Handlung beruht, die vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen worden ist (§ 435 HGB). Da der Umschlag von Transportgütern besonders schadensanfällig ist, verlangt die Rechtsprechung insoweit, dass in der Regel der Eingang und der Ausgang der Güter kontrolliert wird, was im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- oder EDV-mäßig erfassten Ware erfordert, damit Fehlbestände frühzeitig festgestellt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind (vgl BGH 25.03.2004, I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 330 f; BGH 22.05.2014, I ZR 109/13, WM 2014, 2331; BGH 04.02.2016, I ZR 216/14, juris). Insoweit ist die Erfassung sämtlicher Pakete mittels Scanner vor dem Einladen schon deshalb erforderlich, damit sich die Klägerin nicht dem Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens wegen mangelhafter Betriebsorganisation ohne durchgängige Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag der Transportgüter aussetzt. Die daneben bestehenden Kontrollen hinsichtlich der Arbeitskleidung, der Beschriftung von Fahrzeugen, Tragen der Namensschilder, der Scannertasche und die hiermit verbundenen erheblichen Sanktionen bei Verstößen – bei einmaliger Verspätung bei Eil- und Premiumsendungen bereits 50 EUR - haben mit den Vorgaben des Transportrechts allerdings nichts zu tun. Insoweit hat das BSG bereits darauf hingewiesen, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb, wie sie auch hier vorliegt, nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (BSG 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, juris zu Transportfahrer).
63 
Ein wichtiger Gesichtspunkt ist vorliegend die (vertraglich erlaubte) Erbringung von Transportleistungen für die Klägerin nicht nur höchstpersönlich durch den Beigeladenen zu 1), sondern auch durch weitere Fahrer, mit denen er Vermittlungsverträge geschlossen hatte. Grundsätzlich ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird, denn Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, juris). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, juris). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25). Insoweit stellt sich die Frage, ob der Beigeladene zu 1) als Subunternehmer mit mehreren Sub-Subunternehmern selbst eher als Arbeitgeber zu betrachten und im Verhältnis zur Klägerin daher als selbstständig anzusehen sein müsste. Der Beigeladene zu 1) war insoweit nicht „das letzte Glied in der Kette“ (hierzu bei nahezu identischen Fallkonstellationen LSG Rheinland-Pfalz 15.07.2015, L 6 R 23/14, juris; Bayerisches LSG 23.11.2015, L 7 R 1008/14, juris), sondern Teil einer mittleren Ebene.
64 
Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass es deutliche Anzeichen dafür gibt, dass die Konstruktion der verschiedenen Ebenen von Subunternehmern, von denen der Beigeladene zu 1) nur einer ist, und deren Sub-Subunternehmern letztlich auf das Betreiben von Herrn S. zurückzuführen ist, der von den Ermittlungsbehörden als faktischer Geschäftsführer der Klägerin und der Firma Q. angesehen wird. Der Beigeladene zu 1) hatte ausgesagt, ihm sei von Herrn S. vorgegeben worden, welche Vergütung er an „seine“ Fahrer zahlen solle. Er selbst bekomme 1,30 EUR pro Standardpaket und solle 1,20 EUR an die Fahrer weitergeben, so die Angaben in der Vernehmung des Beigeladenen zu 1) am 27.08.2013. Herr S. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestritten, seinen Subunternehmern insoweit irgendwelche Vorgaben gemacht zu haben. Da es im Rahmen der Gesamtabwägung hierauf jedoch nicht entscheidend ankommt, bedarf diese Frage keiner weiteren Aufklärung im Rahmen des Berufungsverfahrens.
65 
Fest steht allerdings, dass der Beigeladene zu 1) über die Anzahl der transportierten Pakete keinerlei Überblick hatte. Er selbst hätte gar keine Rechnungen schreiben können, da allein die Klägerin über die Scannerdaten verfügte und damit (nach den Vorgaben von H.) ihre Gutschriften fertigte. Hierbei stellte ihm die Klägerin auch die Abrechnungsdaten „seiner“ Fahrer zur Verfügung, die er anhand der Tour-Nummern identifizieren konnte, damit er die von ihnen erbrachten Leistungen, die in der an ihn erfolgenden Gutschrift enthalten waren, sodann abrechnen konnte. Den Abrechnungen der Klägerin musste der Beigeladene zu 1) vertrauen, er hatte keine Möglichkeit zur Kontrolle. Den Wortlaut der Verträge mit den Fahrern und die Vordrucke für die Gutschriften hat der Beigeladene zu 1) von der Subunternehmerin B., sozusagen seiner Vorgängerin, übernommen. Insgesamt spricht nach alledem die Delegationsbefugnis als Indiz im Rahmen der Abwägung für eine selbstständige Tätigkeit, wenn auch das Abrechnungssystem über Gutschriften ohne Kontrollmöglichkeit für eine selbstständige Tätigkeit eher ungewöhnlich erscheint.
66 
Ein relevantes Unternehmerrisiko als ein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit ist bei dem Beigeladenen zu 1) allerdings nicht ersichtlich. Das Vorhandensein eines eigenen Fahrzeugs von hier nur geringem Wert (550 EUR) stellt keine relevante betriebliche Investition dar, die „brachliegen“ könnte, wenn nicht gearbeitet wird. Auch die Sub-Subunternehmer haben nur bei entsprechender Leistung eine Vergütung erhalten; Fixkosten unabhängig vom Umsatz fielen daher nicht an. Der Beigeladene zu 1) wurde letztlich bei von der Klägerin vorgegebenen Preisen nur für seinen Arbeitseinsatz bezahlt. Das bloße Zurverfügungstellen der eigenen Arbeitskraft und die Chance, hiervon das Überleben zu sichern ist kein unternehmerisches Risiko, dem iS der ständigen BSG-Rechtsprechung eine entsprechende unternehmerische Chance gegenübersteht, indem durch Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Arbeitseinsatzes die Verdienstchancen erhöht werden können (BSG 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, juris, unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; vgl auch BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris RdNr 25 und 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris RdNr 27). Der Senat verkennt dabei nicht, dass nach den Angaben von Herrn S. vor dem Senat die fest angestellten Mitarbeiter der Klägerin nicht nach Sendungen, sondern mit einem festen Monatslohn entlohnt werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein relevantes unternehmerisches Risiko für den Beigeladenen zu 1) auch im Rahmen der insoweit abweichenden Vereinbarungen nicht bestand.
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Die Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 1) ist für die Beurteilung der Tätigkeit ohne Aussagekraft. Eine Gewerbeanmeldung kann nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass jemand selbstständig tätig gewesen ist, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet nicht statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B, juris). Gleiches gilt dafür, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten (vgl Senatsurteil vom 15.12.2015, L 11 R 2083/15).
68 
In der Gesamtabwägung kommt den für eine abhängige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkten (deutliche Eingliederung in die betriebliche Organisation der Klägerin, Vorhandensein eines Weisungsrechts hinsichtlich Ort und Zeit der Tätigkeit, fehlende im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende eigene Betriebsstätte) nach alledem stärkeres Gewicht zu als der Möglichkeit, auch Dritte für die Ausübung der Tätigkeit einzusetzen. Angesichts dessen kommt es auf den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, nicht mehr an. Diesem Willen kommt nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung nur zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Dies ist hier jedoch nicht der Fall angesichts des Überwiegens der für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Kriterien.
69 
Vorliegend steht der Wertung als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schließlich nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 1) als rumänischer Staatsangehöriger nach § 284 Abs 1 Satz 1 SGB III zum damaligen Zeitpunkt eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit hätte ausüben dürfen. Die Missachtung des sich aus § 284 SGB III ergebenden Beschäftigungsverbots stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 404 Abs 2 Nr 4 SGB III), führt aber nicht dazu, dass die ohne Genehmigung ausgeübte Beschäftigung als strafrechtlich verbotene Tätigkeit betrachtet werden muss. Vielmehr wird im Rahmen einer grundsätzlich erlaubten Tätigkeit (zB als Bauarbeiter) gegen ein Verbot (Beschäftigungsverbot nach § 284 Abs 1 SGB III) verstoßen (vgl Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 1862/12 mwN). Wird - wie hier – eine Arbeitsleistung tatsächlich erbracht, schuldet der Arbeitgeber auch die Vergütung mit der Folge, dass auch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorgelegen hat.
70 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
71 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
72 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a SGG iVm § 52 Abs 3 GKG.

Gründe

52 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
53 
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ) ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 28.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 1) war bei der Klägerin ab 01.01.2011 abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung.
54 
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 28h SGB IV. Der angefochtene Bescheid ist zwar ohne die erforderliche vorherige Anhörung der Klägerin ergangen (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ), dieser Verfahrensfehler ist jedoch durch die Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs Nr 3 SGB X; vgl Bundessozialgericht 19.10.2011, B 13 R 9/11 R, SozR 4-2600 § 77 Nr 10). Die Beklagte war als Einzugsstelle auch zuständig für den Erlass des Bescheids. Gemäß § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV in der seit 01.04.2003 geltenden Fassung des Art 2 Nr 13 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl I 2002, 4621) stellt die Beklagte als Einzugsstelle ua personenbezogen die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest. Ein vorrangiges Statusfeststellungsverfahren (§ 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV) war nicht anhängig, da das 2011 eingeleitete Verfahren bereits mit Bescheid vom 09.11.2011 ohne inhaltliche Prüfung bestandskräftig abgeschlossen war.
55 
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch , § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch , § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch , § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch ). Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).
56 
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel“ handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
57 
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin ab 01.01.2011 abhängig sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, weshalb Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Der Senat stützt sich insoweit auf die Ergebnisse des vom Hauptzollamt S. bzw der Staatsanwaltschaft S. durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Verhandlungstermine vor dem SG und dem Senat.
58 
Nach den Feststellungen des Senats war der Beigeladene zu 1) im Prüfzeitraum auf der Grundlage von teilweise schriftlichen, teilweise mündlichen Abreden für die Klägerin tätig. Entgegen der Absicht in § 1 Nr 1 Unternehmervertrag hat der Beigeladene zu 1) allein Aufträge im Namen von H. erhalten. Er durfte die Fahrten selbst oder durch Subunternehmer ausführen, also Dritte zur Erfüllung seiner Aufgaben einsetzen. Weitgehend abbedungen durch mündliche Abreden war allerdings die Regelung in § 2 Nr 2 Unternehmervertrag, wonach keinerlei Vorgaben zu Einsatzzeiten, Einsatzorten und Arbeitskleidung gemacht würden. Der Beigeladene zu 1), sowie sämtliche Kurierdienstfahrer mussten die Image-Kleidung von H. tragen. Dies hat die Klägerin im Termin vor dem SG über ihren anwesenden Disponenten, B. P., selbst vorgetragen. Dieser hat auch die Einhaltung der Kleidervorschriften kontrolliert. Auch durch Mitarbeiter von H. erfolgte eine monatliche Kontrolle, ob die Fahrer Scanner mit Tasche und Stift, Maßband und Namensschild dabei hatten. Dies hat der Beigeladene zu 1) in seiner Aussage beim Hauptzollamt am 27.08.2013 ausgesagt. Die Kleidung wurde vom Beigeladenen zu 1) über die Klägerin bzw die Firma Q. bestellt; die Abzüge für die Kosten erfolgten im Rahmen der Gutschriften. Darüber hinaus hatte sich der Beigeladene zu 1) morgens um 6.00 Uhr im Verteilzentrum in D. einzufinden. Dies hat er übereinstimmend im Rahmen der Angaben zur „Checkliste Selbstständigkeit“ bereits am 18.07.2011 (Seite 3 Akte des Hauptzollamts: dort angekreuzt keine regelmäßigen Arbeitszeiten einzuhalten aber zugleich angegeben, 6 Tage pro Woche ab 6:00 Uhr) und im Rahmen seiner Vernehmung am 27.08.2013 angegeben. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln, zumal auch die für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anwesenden Herren S. und P. bestätigt haben, dass der Beigeladene zu 1) täglich um 6:00 Uhr im Verteilzentrum D. anwesend war. Damit gab es sehr wohl konkrete Vorgaben hinsichtlich Arbeitszeit und –ort.
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Der mündlichen Abbedingung der Regelung in § 2 Nr 2 Unternehmervertrag steht die Schriftformklausel in § 7 dieses Vertrags schon deshalb nicht entgegen, da es sich nur um eine einfache Schriftformklausel handelt, die ohne Weiteres mündlich abbedungen werden kann (vgl Bundesgerichtshof 26.11.1980, VIII ZR 298/79, WM 1981, 121; zur qualifizierten Schriftformklausel BGH 02.06.1976, VIII ZR 97/74, BGHZ 66, 378). Im Übrigen sieht auch der Unternehmervertrag in § 2 Nr 4 vor, dass Zeiten, in denen der Beigeladene zu 1) nicht zum Einsatz kommen kann, unverzüglich mitzuteilen sind. Die Beteiligten sind somit nach der Überzeugung des Senats ohne Weiteres davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) täglich im Verteilzentrum in D. zu erscheinen hat. Der Senat geht daher nicht davon aus, dass es ihm völlig freigestanden habe, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Es wäre dann auch nicht klar, wie die Klägerin selbst ihre Verpflichtungen gegenüber H. zur taggleichen Auslieferung der Sendungen bewirken wollte. Wie aus Gutschriften an andere Fahrer zu entnehmen ist – der Beigeladene zu 1) war insoweit wohl sehr zuverlässig – sind auch tatsächlich Abzüge erfolgt, wenn eine Tour nicht gefahren wurde bzw die Klägerin einen Ersatzfahrer stellen musste (zB Gutschrift Nr 1870: Abzug iHv 130 EUR 22.03. „Tour von uns gefahren“, Blatt 360 Beweismittelordner Band III).
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Letztlich kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob der Beigeladene zu 1) berechtigt war, nach freiem Gutdünken Aufträge auch abzulehnen, denn die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann zwar als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Beigeladene zu 1) über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmte. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Eine derartige Vereinbarung kann auch arbeitsrechtlich zulässig sein. Dabei handelt es sich dann idR nicht um eine Arbeit auf Abruf iSd § 12 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG), sondern um auf den jeweiligen Einsatz bezogene Einzelarbeitsverträge (Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse). Nach der Rspr des BAG sind die Arbeitsvertragsparteien nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (BAG 16.05.2012, 5 AZR 268/11, BAGE 141, 348). Derartige Einzelarbeitsverträge können auch in Kombination mit einem Rahmenvertrag vereinbart werden (vgl Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 R363/15).
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Eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die betrieblichen Abläufe der Klägerin liegt hier vor. Weder hinsichtlich Arbeitszeit und –ort, noch hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1) maßgebliche Spielräume zur eigenen Gestaltung der Tätigkeit. Die Pakete mussten taggleich ausgeliefert werden, bei Premium- oder Eilsendungen innerhalb eines festgelegten Zeitfensters. Auch auf die Zahl der zugeteilten Sendungen hatte der Beigeladene zu 1) keinen maßgeblichen Einfluss, sie erfolgte durch den Disponenten P.. Soweit dieser vor dem SG ausgeführt hat, der Beigeladene zu 1) habe insoweit Einfluss gehabt, als er hätte mehr Pakete abholen können, passt dies nicht zu den festen Bezirken, welche die einzelnen Fahrer haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beigeladene zu 1) insoweit hinsichtlich eines typischen Arbeitstages erläutert, er hole zunächst die Pakete vom Band, scanne alle ein und verlade sie ins Auto. Anschließend bekomme er vom Disponenten eine Liste und eine Freigabe, dass alle Pakete da seien. Er fahre dann los. Er habe einen festen Zustellbezirk, welchen er anhand der Liste des Disponenten abarbeite; wenn alle Pakete ausgefahren seien, mache er Feierabend. Wie insoweit höhere Gewinnchancen durch schnelleres Arbeiten oder die Akquise weiterer Aufträge für den gleichen Bezirk möglich sein sollen, erschließt sich dem Senat nicht. Dass der Beigeladene zu 1) gelegentlich eine Tour von einem anderen (ausgefallenen) Fahrer übernommen hat, wie Herr S., Vater der Geschäftsführerinnen der Klägerin und der Firma Q., vor dem SG erläutert hat, steht dem nicht entgegen. Der Beigeladene zu 1) war ab Januar 2011 allein für die Klägerin und die Firma Q. tätig, zeitweise anfangs nach seinen Angaben vor dem SG auch noch für deren Subunternehmerin B..
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Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin gehen die von der Klägerin gemachten Vorgaben deutlich hinaus über die gesetzlichen Verpflichtungen eines Frachtführers iSv §§ 407 ff HGB. Dabei verkennt der Senat nicht, dass etwa die Haftungshöchstbeträge nach § 431 HGB nicht gelten, wenn der Schaden auf einer Handlung beruht, die vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen worden ist (§ 435 HGB). Da der Umschlag von Transportgütern besonders schadensanfällig ist, verlangt die Rechtsprechung insoweit, dass in der Regel der Eingang und der Ausgang der Güter kontrolliert wird, was im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- oder EDV-mäßig erfassten Ware erfordert, damit Fehlbestände frühzeitig festgestellt werden können. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird noch verstärkt, wenn rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind (vgl BGH 25.03.2004, I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 330 f; BGH 22.05.2014, I ZR 109/13, WM 2014, 2331; BGH 04.02.2016, I ZR 216/14, juris). Insoweit ist die Erfassung sämtlicher Pakete mittels Scanner vor dem Einladen schon deshalb erforderlich, damit sich die Klägerin nicht dem Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens wegen mangelhafter Betriebsorganisation ohne durchgängige Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag der Transportgüter aussetzt. Die daneben bestehenden Kontrollen hinsichtlich der Arbeitskleidung, der Beschriftung von Fahrzeugen, Tragen der Namensschilder, der Scannertasche und die hiermit verbundenen erheblichen Sanktionen bei Verstößen – bei einmaliger Verspätung bei Eil- und Premiumsendungen bereits 50 EUR - haben mit den Vorgaben des Transportrechts allerdings nichts zu tun. Insoweit hat das BSG bereits darauf hingewiesen, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb, wie sie auch hier vorliegt, nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (BSG 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, juris zu Transportfahrer).
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Ein wichtiger Gesichtspunkt ist vorliegend die (vertraglich erlaubte) Erbringung von Transportleistungen für die Klägerin nicht nur höchstpersönlich durch den Beigeladenen zu 1), sondern auch durch weitere Fahrer, mit denen er Vermittlungsverträge geschlossen hatte. Grundsätzlich ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird, denn Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, juris). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, juris). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25). Insoweit stellt sich die Frage, ob der Beigeladene zu 1) als Subunternehmer mit mehreren Sub-Subunternehmern selbst eher als Arbeitgeber zu betrachten und im Verhältnis zur Klägerin daher als selbstständig anzusehen sein müsste. Der Beigeladene zu 1) war insoweit nicht „das letzte Glied in der Kette“ (hierzu bei nahezu identischen Fallkonstellationen LSG Rheinland-Pfalz 15.07.2015, L 6 R 23/14, juris; Bayerisches LSG 23.11.2015, L 7 R 1008/14, juris), sondern Teil einer mittleren Ebene.
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Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass es deutliche Anzeichen dafür gibt, dass die Konstruktion der verschiedenen Ebenen von Subunternehmern, von denen der Beigeladene zu 1) nur einer ist, und deren Sub-Subunternehmern letztlich auf das Betreiben von Herrn S. zurückzuführen ist, der von den Ermittlungsbehörden als faktischer Geschäftsführer der Klägerin und der Firma Q. angesehen wird. Der Beigeladene zu 1) hatte ausgesagt, ihm sei von Herrn S. vorgegeben worden, welche Vergütung er an „seine“ Fahrer zahlen solle. Er selbst bekomme 1,30 EUR pro Standardpaket und solle 1,20 EUR an die Fahrer weitergeben, so die Angaben in der Vernehmung des Beigeladenen zu 1) am 27.08.2013. Herr S. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestritten, seinen Subunternehmern insoweit irgendwelche Vorgaben gemacht zu haben. Da es im Rahmen der Gesamtabwägung hierauf jedoch nicht entscheidend ankommt, bedarf diese Frage keiner weiteren Aufklärung im Rahmen des Berufungsverfahrens.
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Fest steht allerdings, dass der Beigeladene zu 1) über die Anzahl der transportierten Pakete keinerlei Überblick hatte. Er selbst hätte gar keine Rechnungen schreiben können, da allein die Klägerin über die Scannerdaten verfügte und damit (nach den Vorgaben von H.) ihre Gutschriften fertigte. Hierbei stellte ihm die Klägerin auch die Abrechnungsdaten „seiner“ Fahrer zur Verfügung, die er anhand der Tour-Nummern identifizieren konnte, damit er die von ihnen erbrachten Leistungen, die in der an ihn erfolgenden Gutschrift enthalten waren, sodann abrechnen konnte. Den Abrechnungen der Klägerin musste der Beigeladene zu 1) vertrauen, er hatte keine Möglichkeit zur Kontrolle. Den Wortlaut der Verträge mit den Fahrern und die Vordrucke für die Gutschriften hat der Beigeladene zu 1) von der Subunternehmerin B., sozusagen seiner Vorgängerin, übernommen. Insgesamt spricht nach alledem die Delegationsbefugnis als Indiz im Rahmen der Abwägung für eine selbstständige Tätigkeit, wenn auch das Abrechnungssystem über Gutschriften ohne Kontrollmöglichkeit für eine selbstständige Tätigkeit eher ungewöhnlich erscheint.
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Ein relevantes Unternehmerrisiko als ein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit ist bei dem Beigeladenen zu 1) allerdings nicht ersichtlich. Das Vorhandensein eines eigenen Fahrzeugs von hier nur geringem Wert (550 EUR) stellt keine relevante betriebliche Investition dar, die „brachliegen“ könnte, wenn nicht gearbeitet wird. Auch die Sub-Subunternehmer haben nur bei entsprechender Leistung eine Vergütung erhalten; Fixkosten unabhängig vom Umsatz fielen daher nicht an. Der Beigeladene zu 1) wurde letztlich bei von der Klägerin vorgegebenen Preisen nur für seinen Arbeitseinsatz bezahlt. Das bloße Zurverfügungstellen der eigenen Arbeitskraft und die Chance, hiervon das Überleben zu sichern ist kein unternehmerisches Risiko, dem iS der ständigen BSG-Rechtsprechung eine entsprechende unternehmerische Chance gegenübersteht, indem durch Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Arbeitseinsatzes die Verdienstchancen erhöht werden können (BSG 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, juris, unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; vgl auch BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris RdNr 25 und 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris RdNr 27). Der Senat verkennt dabei nicht, dass nach den Angaben von Herrn S. vor dem Senat die fest angestellten Mitarbeiter der Klägerin nicht nach Sendungen, sondern mit einem festen Monatslohn entlohnt werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein relevantes unternehmerisches Risiko für den Beigeladenen zu 1) auch im Rahmen der insoweit abweichenden Vereinbarungen nicht bestand.
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Die Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 1) ist für die Beurteilung der Tätigkeit ohne Aussagekraft. Eine Gewerbeanmeldung kann nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass jemand selbstständig tätig gewesen ist, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet nicht statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B, juris). Gleiches gilt dafür, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten (vgl Senatsurteil vom 15.12.2015, L 11 R 2083/15).
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In der Gesamtabwägung kommt den für eine abhängige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkten (deutliche Eingliederung in die betriebliche Organisation der Klägerin, Vorhandensein eines Weisungsrechts hinsichtlich Ort und Zeit der Tätigkeit, fehlende im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit, fehlendes Unternehmerrisiko, fehlende eigene Betriebsstätte) nach alledem stärkeres Gewicht zu als der Möglichkeit, auch Dritte für die Ausübung der Tätigkeit einzusetzen. Angesichts dessen kommt es auf den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, nicht mehr an. Diesem Willen kommt nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung nur zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Dies ist hier jedoch nicht der Fall angesichts des Überwiegens der für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Kriterien.
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Vorliegend steht der Wertung als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schließlich nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 1) als rumänischer Staatsangehöriger nach § 284 Abs 1 Satz 1 SGB III zum damaligen Zeitpunkt eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit hätte ausüben dürfen. Die Missachtung des sich aus § 284 SGB III ergebenden Beschäftigungsverbots stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 404 Abs 2 Nr 4 SGB III), führt aber nicht dazu, dass die ohne Genehmigung ausgeübte Beschäftigung als strafrechtlich verbotene Tätigkeit betrachtet werden muss. Vielmehr wird im Rahmen einer grundsätzlich erlaubten Tätigkeit (zB als Bauarbeiter) gegen ein Verbot (Beschäftigungsverbot nach § 284 Abs 1 SGB III) verstoßen (vgl Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 1862/12 mwN). Wird - wie hier – eine Arbeitsleistung tatsächlich erbracht, schuldet der Arbeitgeber auch die Vergütung mit der Folge, dass auch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorgelegen hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a SGG iVm § 52 Abs 3 GKG.

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