Urteil vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (13. Senat) - L 13 AS 18/20
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 3. Dezember 2019 und der Bescheid des Beklagten vom 22. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2015 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 3.824,81 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach § 34a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 3.824,81 € umstritten.
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Der 1949 geborene Kläger wurde im August 2012 zum Betreuer des J. (künftig S.) bestellt. Sein Aufgabenkreis umfasste die Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Geltendmachung von Ansprüchen auf Hilfe zum Lebensunterhalt sowie die Entgegennahme und das Öffnen der Post sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten.
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Der von ihm betreute S. beantragte am 5. September 2012 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten. Die am 17. September 2012 ausgefüllten Antragsformulare waren sowohl von S. als auch vom Kläger unterschrieben. Einkommen oder Vermögen wurden hierbei nicht angegeben. Im Hauptvordruck wurde im Abschnitt 6 angegeben, dass S. in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, und zwar von September 2010 bis August 2012 bei der Fa. K. als Auszubildender. In der Anlage EK (Einkommenserklärung) wurde der Bezug von Arbeitslosengeld (Alg I) ebenso verneint wie die Frage, ob andere Leistungen beantragt seien oder beabsichtigt sei, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Vorgelegten Kontoauszügen waren Lohnzahlungen der Fa. K. GbR im Juni, Juli und August 2012 zu entnehmen.
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Aus den Verwaltungsakten des Beklagten ergibt sich eine persönliche Vorsprache in Begleitung des Betreuers am 17. September 2012. Arbeitslosengeld wurde bereits am 5. September 2012 beantragt.
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Mit an den Kläger adressiertem Bescheid vom 17. September 2012 gewährte der Beklagte dem S. Leistungen für den Zeitraum 1. September 2012 bis 28. Februar 2013 in Höhe von 628,36 € monatlich, Einkommen wurde hierbei nicht berücksichtigt. Es wurde darauf hingewiesen, dass u.a. die Beantragung/Bewilligung von Arbeitslosengeld I mitzuteilen sei.
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Mit – ebenfalls an den Kläger adressierten – Bescheid vom 19. September 2012 gewährte die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit L. (BA) dem S. Arbeitslosengeld I für den Zeitraum 8. August 2012 bis 29. Juli 2013 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 11,77 €. Der Kläger bestreitet den Zugang des Bescheides. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld I teilten weder S noch der Kläger dem Beklagten mit. Am 4. Oktober 2012 stellte die Raiffeisen-Volksbank eG M. auf Veranlassung des Klägers die Erstellung der Kontoauszüge auf einen monatlichen Postversand um. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Kontoauszüge sowohl an den S. als auch an den Kläger versandt, wobei der Kläger den Erhalt der Kontoauszüge bestreitet.
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Auf den Fortzahlungsantrag des S. vom 28. Januar 2013, der erneut von S. und dem Kläger unterschrieben war und keine Angaben bezüglich eventueller Einkünfte enthielt, gewährte der Beklagte dem S. mit Bescheid vom 14. Februar 2013 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. März bis 31 August 2013 in Höhe von 662 € monatlich. Auch hierbei wurde keinerlei einsetzbares Einkommen berücksichtigt.
- 8
Mit Bescheid vom 17. Juni 2013 führte die BA mit an den Kläger adressierten Bescheid aus, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld des S. voraussichtlich am 29. Juli 2013 ende.
- 9
Laut Vermerk in der Verwaltungsakte informierte der Kläger den Beklagten am 15. Juli 2013 telefonisch darüber, dass die Agentur für Arbeit Leistungen an den S. erbringe. Auf Anforderung des Beklagten übersandte der Kläger die Entgeltbescheinigung der BA und reichte zudem die Kontoauszüge des S. ein, welche als Adressaten den S. z. Hd. des Klägers auswiesen. Hieraus ergaben sich insbesondere die folgenden Gutschriften der BA:
- 10
- 24. September 2012 für den Zeitraum 8. August bis 31. August 2012
282,48 €
- 28. September 2012 für September 2012
353,10 €
- 31. Oktober 2012 für Oktober 2012
353,10 €
- 30.11.2012 für November 2012
353,10 €
- 28. Dezember 2012 für Dezember 2012
353,10 €
- 11
Die Kontoauszüge waren in der Zeit vom 5. Oktober 2012 bis 4. Januar 2013 erstellt.
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Mit Schreiben vom 29. August 2013 hörte der Beklagte den S. zu einer Überzahlung an. Dieser teilte hierauf, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit, dass er und der Kläger wegen einer Reha-Beratung Kontakt mit dem Arbeitsamt N. aufgenommen hätten. Er sei vollkommen mittellos gewesen. Der doppelte Leistungsbezug sei keinesfalls beabsichtigt gewesen. Es habe dem Beklagten auffallen müssen, dass er aufgrund der vorangegangenen Ausbildung bezugsberechtigt hinsichtlich des Arbeitslosengeld I gewesen sei. Mit Bescheid vom 6. Juni 2014 hob der Beklagte gegenüber S. den Bescheid vom 17. September 2012 für den Zeitraum 1. September 2012 bis 28. Februar 2013 teilweise auf und forderte 2.221,08 Euro von diesem zurück. Mit weiterem Bescheid vom 6. Juni 2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 14. Februar 2013 bezüglich des Zeitraums vom 1. März bis 31. Juli 2013 in Höhe von 1.603,73 € auf.
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Im Rahmen des durch den Beklagten durchgeführten Anhörungsverfahrens führte der Kläger aus, dass er einen Bescheid der BA vom 19. September 2012 nie erhalten habe. Weder die Antragstellung noch die Leistungsbewilligung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) seien ihm bekannt gewesen. Es liege ein eindeutiger Fehler des Beklagten bzw. der BA vor. Zwischen der Beantragung einer Postnachsendung und der Einrichtung lägen in der Regel zwei bis drei Wochen. Der Kläger wies darauf hin, dass es sich um eine Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt gehandelt habe. Er habe zudem darauf vertrauen können, dass eine ordnungsgemäße Koordination des Leistungsbezugs durch den Beklagten und die BA stattfinde. Es hätten sich ihm auch zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte dafür aufgedrängt, dass hier zu viel bewilligt worden sei.
- 14
Eine Nachfrage des Beklagten bei der BA ergab, dass von dort aus nicht mehr nachvollzogen werden konnte, ob der Kläger bei der Arbeitslosmeldung am 2. August 2012 anwesend war. Vermerkt sei dort lediglich, dass eine persönliche Vorsprache mit dem Kläger beim Arbeitsvermittler am 17. September 2012 stattgefunden habe und in diesem Kontext der Antrag auf Arbeitslosengeld abgegeben worden sei. Ein Postrücklauf der Bescheide ergab sich aus den Akten nicht.
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Mit Bescheid vom 22. Juli 2015 verpflichtete der Beklagte den Kläger zur Zahlung von 3.824,81 € und führte aus, dass der von ihm betreute S. im Zeitraum 1. September 2012 bis 31. Juli 2013 Leistungen nach dem SGB II zu Unrecht bezogen habe. Dieser habe Arbeitslosengeld I bezogen. Der hieraus folgende Ersatzanspruch betrage insgesamt 3.824,81 €. Diese seien von dem Kläger zu ersetzen. Die Leistungen nach dem SGB III seien auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen. Zum Ersatz rechtswidrig erbrachter Leistungen sei derjenige verpflichtet, der diese Leistung durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten an Dritte herbeigeführt habe. Nach den vorliegenden Unterlagen habe der Kläger gemeinsam mit S. am 17. September 2012 den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt. In der „Anlage EK“, die der Kläger und S. unterzeichnet hätten, sei hinsichtlich des Arbeitslosengeld I-Bezuges „Nein“ angekreuzt worden. Auch hinsichtlich der Antragstellung sei „Nein“ angekreuzt worden. Tatsächlich jedoch habe die BA am 19. September 2012 einen Bewilligungsbescheid erlassen, mit welchem Leistungen nach dem SGB III bewilligt worden seien. Der Bescheid sei auch an den Kläger adressiert. Es seien insoweit vorsätzlich falsche Angaben gemacht und hierdurch Leistungen herbeigeführt worden. Daneben bestehe die Verpflichtung, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich seien. Diese Verpflichtung betreffe nicht nur den Leistungsempfänger selbst, sondern auch Personen, die für diesen handelten, wie etwa gesetzliche Vertreter. Das Arbeitslosengeld I sei erstmalig am 24. September 2012 ausgezahlt worden. Ausweislich seines Aufgabenkreises sei der Kläger verpflichtet gewesen, die Auszahlung des Arbeitslosengeldes dem Beklagten mitzuteilen.
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Der Beklagte meldete zudem die Forderung im Rahmen des über das Vermögen des S. eröffneten Insolvenzverfahrens an.
- 17
Zur Begründung des eingelegten Widerspruchs wiederholte der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ihm sei der Doppelbezug von Leistungen zunächst nicht aufgefallen. Er legte eine eidesstattliche Versicherung des S. vor, wonach dieser im September 2012 nicht gemeinsam mit ihm beim Arbeitsamt zur Antragstellung gewesen sei. Er sei vor der erstmaligen Kontaktaufnahme durch den Kläger beim Arbeitsamt gewesen, wisse aber nicht, ob er dort einen Arbeitslosengeldantrag unterschrieben habe. Da er kein Geld bekommen habe, sei der Kläger mit ihm zum Beklagten gegangen und dort habe er Geld bekommen. Er habe nicht gewusst, wieviel Geld man bekomme. Er habe nicht mit dem Kläger darüber gesprochen, dass er so viel Geld bekomme.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt. Er sei bei dem Termin am 17. September 2012 beim Arbeitsamt anwesend gewesen, bei dem auch der Arbeitslosengeldantrag übergeben worden sei. Die eidesstattliche Versicherung sei insofern nicht richtig. Es liege daher nahe, dass der Kläger auch mitbekommen habe, dass der Antrag überreicht worden sei. Nicht nachvollziehbar sei, dass der Kläger den Bewilligungsbescheid der BA nicht erhalten haben wolle. Selbst wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung nach dem SGB II eine Antragstellung nach dem SGB III noch nicht geplant gewesen sei, habe nach dem Besuch des Arbeitsamtes der Beklagte informiert werden müssen. Im Übrigen habe der Kläger spätestens bis zum 5. Oktober 2012 Kontoauszüge vorliegen gehabt, aus denen sich Überweisungen der BA ergäben. Dennoch seien im Fortzahlungsantrag erneut keine Leistungen nach dem SGB III mitgeteilt worden. Von einem Betreuer könne erwartet werden, dass er sich Abläufe und Angaben bei Behördengängen, die er am selben Tag durchführe, merke, insbesondere wenn bei beiden Behördenbesuchen Anträge gestellt würden und er sogar einen mit unterschreibe. Es könne auch erwartet werden, dass er falsche bzw. nicht mehr zutreffende Angaben umgehend richtigstelle. Das Unterlassen dieses Verhaltens stelle eine grobe Fahrlässigkeit dar. Daran ändere auch nichts, dass der Kläger kein Interesse an einem doppelten Leistungsbezug gehabt habe. Die Fahrlässigkeit sei kausal dafür, dass S. zu Unrecht Leistungen nach dem SGB II erhalten habe.
- 19
Der Kläger hat am 4. Dezember 2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Aurich erhoben. Er sei bei der Vorsprache bei der BA am 7. September 2012 nicht anwesend gewesen. Der diesbezügliche Vortrag des Beklagten werde bestritten. Er habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Bei der Übernahme der Betreuung habe S. ihm gesagt, dass er nichts mehr zu essen habe. Er habe S. dann aus eigener Tasche zunächst Geld gegeben und sei am nächsten Morgen mit ihm zum Beklagten gefahren. Dort sei S. ein Gutschein ausgestellt worden. Da er nichts von der Beantragung von Arbeitslosengeld I gewusst habe, habe er sich darum auch nicht kümmern können. Da er keine Kenntnis von der Beantragung gehabt habe, habe er auch keine grob fahrlässig falschen Angaben gemacht. Auch habe er aus den Kontoauszügen nicht Kenntnis nehmen können von der Überzahlung, da S. die Kontoauszüge weiterhin selber gezogen habe. Erst nach drei bis vier Monaten seien die Bankauszüge durchgesehen worden. Die Doppelzahlung sei dann sofort dem Beklagten mitgeteilt worden. S. habe alle Rechtsgeschäfte, auch Bankgeschäfte, weiterhin allein tätigen können. Ein Einwilligungsvorbehalt habe nicht bestanden. Eine Verpflichtung, die Geldausgaben des Betreuten zu kontrollieren, habe nicht bestanden. Es bestehe keine Kontrollpflicht hinsichtlich der Kontoführung des Betreuten. Auch die Rechnungslegungspflicht des Betreuers sei bei den Betreuungen ohne Einwilligungsvorbehalt eingeschränkt. Bei einem Betreuten ohne Einwilligungsvorbehalt prüfe der Betreuer einmal jährlich die Kontoführung. Erst aufgrund der angeforderten Kontoauszugsduplikate sei die Zahlung des Arbeitslosengeld I aufgefallen. Er habe auf die Angaben des S. vertraut. Dieser sei auch primär in Anspruch zu nehmen. Die Übersendung der Kontoauszüge habe über Monate nicht funktioniert.
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Der Beklagte hat zur Klageerwiderung ausgeführt, dass die BA mitgeteilt habe, der Kläger sei bei dem Termin am 17. September 2012 anwesend gewesen. Es liege daher nahe, dass er die Übergabe des Antrages mitbekommen habe. Im Übrigen sei aus den Kontoauszügen vom 5. Oktober 2012 der Bezug von Leistungen durch die BA für September hervorgegangen. Es habe zudem eine anlassbezogene Prüfpflicht hinsichtlich der Kontoauszüge durch den Kläger gegeben. Anlässe seien insbesondere die erst vor kurzem eingerichtete Betreuung sowie die im September 2012 erfolgte Beantragung von SGB II-Leistungen gewesen.
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Das SG hat im Rahmen eines Erörterungstermins am 24. Mai 2018 den Kläger umfangreich angehört. Auf das Sitzungsprotokoll Bl. 57 ff. der Gerichtsakte wird verwiesen. Auf Nachfrage des SG hat die Raiffeisen-Volksbank eG mit Schreiben vom 20. Januar 2019 mitgeteilt, dass der Kläger am 18. September 2012 per Fax die Umsätze des Kontos des S. für den Zeitraum 1. Juni 2012 bis 15. September 2012 erhalten habe. Darüber hinaus sei am 23. Mai 2013 eine Umsatzübersicht für den Zeitraum 8. Oktober bis 23. November 2012 erstellt worden. Es sei aber nicht mehr nachzuvollziehen, wer die Umsatzübersicht erhalten habe. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2019 ist ferner mitgeteilt worden, dass bei einer Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt der Betreute die Kontoauszüge selber erhalte. Ein Duplikat werde nicht automatisch an den Betreuer übermittelt. Wünsche der Betreuer ein Duplikat, sei dies nach vorheriger Absprache technisch einstellbar. Im hiesigen Fall sei die Betreuung am 4. Oktober 2012 im System angelegt worden und die Erstellung der Kontoauszüge auf einen monatlichen Postversand umgestellt worden. Es sei eingestellt worden, dass der Betreuer ein Duplikat der Auszüge erhalte. Die Kontoauszüge seien mithin sowohl an den Kunden als auch an den Kläger verschickt worden. Die BA hat auf Nachfrage des SG mitgeteilt, dass Leistungsunterlagen nicht vorlägen bzw. bereits vernichtet worden seien.
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Das SG hat in der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2019 als Zeugen den S., den Mitarbeiter der BA O., welcher keine Erinnerung mehr an den Kläger oder S. hatte, sowie Frau P., Bankkauffrau bei der Raiffeisen-Volksbank, als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 3. Dezember 2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 SGB II lägen vor. Der Beklagte habe an S. aufgrund des parallelen Bezugs von Leistungen nach dem SGB III Leistungen nach dem SGB II in rechtswidriger Höhe erbracht. Es bedürfe keiner gerichtlichen Entscheidung, ob vorrangig die Leistungen gegenüber dem begünstigten Dritten, hier also dem S., zurückgefordert werden müssten. Dieses sei mit Bescheiden vom 6. Juni 2014 erfolgt. Der Kläger habe durch sein Verhalten bzw. sein Unterlassen einer gebotenen Handlung die Leistung an den Dritten herbeigeführt. Eine Zurechenbarkeit scheide hier hinsichtlich des vom Beklagten zunächst angenommenen Fehlverhaltens der fehlenden Angabe des Arbeitslosengeldantrages aus. Auch nach der Beweisaufnahme sei das Fehlverhalten nicht nachgewiesen. Es habe kein Beweis geführt werden können, dass der Kläger bei der Antragstellung nach dem SGB III anwesend gewesen sei. Auch eine gemeinsame Vorsprache bei der BA hätten die Zeugen nicht bestätigen können. Der Beklagte könne jedoch die Entscheidung auf die fehlende Angabe der Arbeitslosengeldzahlungen stützen. Dies folge daraus, dass es sich bei den fehlenden Angaben der Zahlungseingänge auf dem Konto des Betreuten durch den Kläger um ein ursächliches Unterlassen in Bezug auf die gewährte Leistung handele. Beim Unterlassen einer Handlung sei der erforderliche Kausalzusammenhang dann gegeben, wenn die Vornahme einer gebotenen Handlung die Zahlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte. Die fehlende Angabe der Zahlung der BA sei ursächlich für die Zahlung ohne Anrechnung der Einkünfte. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, diese Zahlung zu kennen bzw. sich Kenntnis hiervon zu verschaffen. Diese Verpflichtung bestehe zum einen gegenüber dem Betreuten. In Anbetracht des erweiterten Aufgabenkreises bestehe die Verpflichtung zur Prüfung der Kontoauszüge auch gegenüber dem Beklagten. Alleine bei Erfüllung der Verpflichtung auch gegenüber dem Beklagten sei der Verpflichtung gegenüber dem Betreuten Rechnung getragen. Nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bestehe eine Mitteilungspflicht bezüglich anderweitiger Sozialleistungen. Hierüber seien der Kläger sowie der Betreute informiert worden. Der Kläger habe unstreitig Kenntnis vom Inhalt des Antragsformulars gehabt und sei über die Mitteilungspflicht informiert gewesen. Nach der tatsächlichen Zahlung des Arbeitslosengeld I bestehe entweder Kenntnis des Klägers aufgrund des Erhalts der Kontoauszüge oder in jedem Falle grob fahrlässige Unkenntnis von diesen Zahlungen. Sowohl die Angaben der Mitarbeiterin der Bank als auch der Akteninhalt deuteten darauf hin, dass die Kontoauszüge dem Kläger vorgelegen hätten. Bezüglich des Zeitraumes bis Ende 2012 gelte dies bereits aufgrund des Vortrages des Klägers im Verwaltungsverfahren, wonach er drei bis vier Monate nach Beginn der Betreuung die Kontoauszüge durchgesehen habe. Dies könne aber dahinstehen, da auch das Nichtvorliegen von Kontoauszügen hier eine schwerwiegende, grob fahrlässige Verletzung der Pflichten des Klägers darstelle. Aus dem Betreuerausweis folge ausdrücklich eine Verpflichtung bzw. Berechtigung zur Vermögenssorge. In Anbetracht der Konstitution des Betreuten sei der Kläger daher verpflichtet gewesen, sich Kenntnis von den Kontobewegungen zu verschaffen. Hierbei handele es sich um einen Kernbereich der Betreuung. Wenn es zutreffe, dass der Kläger fast ein Jahr keine Kontoauszüge erhalten habe, stelle es eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar, sich nicht vorher um den Erhalt der Kontoauszüge bei der Bank bemüht zu haben. Eine Pflichtverletzung liege sowohl bei einem Erhalt der Kontoauszüge als auch beim Nichterhalt der Kontoauszüge vor. Der Betreuer sei verpflichtet, zum Wohle des Betreuten zu handeln. Diese Verpflichtung des Betreuers umfasse insbesondere, den Betreuten davor zu schützen, vermeidbaren Forderungen ausgesetzt zu sein. Der Kläger habe die Kontosituation überprüfen müssen und dabei feststellen können, dass eine Überzahlung vorliege. Hätte er dies getan, habe er kurzfristig - spätestens nach einem Monat - bzw. nach Erhalt der Kontoauszüge wenige Wochen später die Überzahlung dem Beklagten mitteilen müssen. Dann wäre es nicht zu der im Streit stehenden Rückforderung von über 3.800 € gekommen. Bei der vom Kläger in Bezug genommenen Verpflichtung zur Rechnungslegung handele es sich um eine abweichende Verpflichtung, die zu der hier entscheidungserheblichen Pflicht zur Mitteilung und zur Prüfung der Vermögenssituation hinzutrete. Diese Pflicht bestehe gegenüber dem Vormundschaftsgericht, nicht gegenüber dem Beklagten. Aufgrund des § 1901 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestünden weitere Verpflichtungen auch gegenüber dem Beklagten. Die vom Kläger aufgeführte Verpflichtung des Beklagten zur Einholung einer Negativbescheinigung der BA habe in Anbetracht der eindeutigen Angaben im Antrag nicht bestanden. Es sei die Pflicht des Betreuten und des Betreuers gewesen, den Bezug anderweitiger Leistungen gegenüber dem Beklagten mitzuteilen. Es komme daher nicht darauf an, dass ein etwaiges Fehlverhalten des Leistungsträgers den Schuldvorwurf nicht entfallen lasse. Es habe kein Anhaltspunkt bestanden, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I bestanden habe und geltend gemacht worden sei. Auch eine vorrangige Verpflichtung der Geltendmachung des Erstattungsbetrages gegenüber dem S. habe nicht bestanden, dies folge bereits aus § 34 a Abs. 4 SGB II, wonach die Verpflichteten als Gesamtschuldner hafteten. Eine Vorrangregelung sei nicht festgelegt. Die maßgeblichen Fristen seien eingehalten worden.
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Der Kläger hat am 13. Januar 2020 Berufung gegen das ihm am 17. Dezember 2019 zugestellte Urteil eingelegt. Unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens weist er darauf hin, dass die Leistungen entgegen den Ausführungen des SG vom Betreuten nicht zurückgefordert worden seien. Ohne den Hinweis des Klägers wäre der Doppelbezug der Leistungen gar nicht aufgefallen. Zutreffend habe das SG darauf hingewiesen, dass der Kläger bei Antragstellung keine Kenntnis vom Antrag des Betreuten auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB III gehabt habe. Er habe erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt Einsicht in die Kontounterlagen genommen und hiernach den Beklagten informiert. Der Betreute, mit welchem der Kläger in regelmäßigen Abständen Kontakt aufgenommen habe, habe nicht mitgeteilt, dass es Probleme mit den finanziellen Angelegenheiten gegeben habe. Bei ordnungsgemäßer Prüfung habe zudem der Beklagte erkennen müssen, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB III bestanden habe. Darüber hinaus liege auch keine grobe Fahrlässigkeit vor. Eine Pflicht, die Bankunterlagen auf Richtigkeit im Zusammenhang mit dem Erschleichen einer Leistung durch den Betreuten zu prüfen, habe nicht bestanden. Auch eine Garantenpflicht gegenüber Dritten bestehe nicht. Aufgrund des Antrages auf Leistungen nach dem SGB II habe er darauf vertrauen können, dass die Leistungen gezahlt würden. Die Haftung des Betreuers gegenüber Dritten beurteile sich ausschließlich nach Deliktsrecht. § 34 SGB II sei nicht lex specialis zu § § 823 ff. BGB. Dies folge auch aus dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 13. März 2019 zum Aktenzeichen L 4 SO 193/17.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 3. Dezember 2019 und den Bescheid des Beklagten vom 22. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2015 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Unter Wiederholung seines bisherigen Vortrages führt er insbesondere aus, dass der Kläger nach der Beweisaufnahme ab dem 4. Oktober 2012 die Kontoauszüge erhalten habe. Ab diesem Zeitpunkt habe er unter Durchführung der ihm obliegenden Vermögenssorge die Möglichkeit gehabt, Kenntnis von der Zahlung des Arbeitslosengeldes zu erlangen. Die behaupteten Probleme beim Postversand der Kontoauszüge hätten sich nicht bestätigt. Im Übrigen habe dann eine Klärung mit dem Kreditinstitut stattfinden müssen. Die Ausführungen, dass eine Unterlagenprüfung nicht gegenüber dem Beklagten habe erfolgen müssen, könnten nicht durchgreifen. Zum Wohle des Betreuten sei es auch aus dem Betreuungsrecht heraus die Pflicht des Klägers gewesen, den zeitnahen korrekten Eingang der unstreitig vom Kläger und dem Betreuten gemeinsam beantragten SGB II-Leistungen zu überprüfen. Im Rahmen einer solchen anlassbezogenen Prüfung wäre der Doppelbezug der Leistungen nach dem SGB II und dem SGB III aufgefallen und habe somit zeitnah, zur Vermeidung von auf den Betreuten entfallenden Erstattungsforderungen, beim Beklagten angezeigt werden müssen. Die Bescheide vom 6. Juni 2014 seien bestandskräftig. Auch der Umstand, dass der Kläger durch die Überreichung des Einstellungsbescheides zur Aufklärung der Doppelleistung beigetragen habe, könne nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Ausweislich der vorliegenden Verbis-Vermerke sei der Kläger mit dem Betreuten bei der BA vorstellig geworden. Das vom Kläger zitierte Urteil betreffe einen Fall nach § 34 SGB II, während vorliegend § 34 a SGB II einschlägig sei. Sozialwidrigkeit sei hierbei gerade keine Voraussetzung. Es komme mithin auf die Sozialwidrigkeit des Verhaltens des Ersatzpflichtigen gerade nicht an. Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 34 a SGB II bestünden nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand von Beratung und Entscheidung geworden sind.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
- 31
Das Urteil des SG Aurich sowie der Bescheid des Beklagten vom 22. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger ist zum Ersatz der dem S. rechtswidrig erbrachten Leistungen nicht verpflichtet.
- 32
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Ersatzanspruch ist § 34 a Abs. 1 S. 1 SGB II. Hiernach ist zum Ersatz rechtswidrig erbrachter Geld- und Sachleistungen nach diesem Buch verpflichtet, wer diese durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten an Dritte herbeigeführt hat.
- 33
Unstrittig hat der S., mithin ein Dritter, aufgrund des nicht mitgeteilten Einkommens aus Arbeitslosengeld I-Bezug Leistungen nach dem SGB II in der vom Beklagten mitgeteilten und auch von S. mit Bescheiden vom 6. Juni 2014 zurückgeforderten Höhe zu Unrecht erhalten, da das Arbeitslosengeld I Einkommen im Sinne des SGB II darstellt und insoweit bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen ist. Der Kläger als gesetzlicher Betreuer des S. und als vom Leistungsbezug nicht Betroffener kommt grundsätzlich als ersatzpflichtige Person im Sinne des § 34 a SGB II in Betracht (vgl. Merold in GK-SGB II, § 34 a Rn. 21 m.w.N.).
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Entgegen den Ausführungen des Klägers war der Anspruch nicht primär gegenüber S. geltend zu machen. Denn der Ersatzanspruch aus § 34 a SGB II steht ergänzend neben den Rückforderungsverfahren nach §§ 44 ff. SGB X (vgl. auch Schwitzky in LPK-SGB II, § 34 a Rn. 5). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, folgt dies insbesondere auch aus § 34 a Abs. 4 SGB II, d.h. der gesamtschuldnerischen Haftung hier des S. und des Klägers.
- 35
Ein schuldhaftes Verhalten des Klägers lag vor. Ein vorsätzliches Verhalten des Klägers vermag der Senat insoweit jedoch nicht zu erkennen. Hierfür wäre Voraussetzung, dass der Kläger durch sein Verhalten den rechtswidrigen Leistungsbezug zumindest als möglich erachtet und billigend in Kauf genommen hätte. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei Antragstellung oder später einen Doppelbezug von Leistungen für möglich gehalten und in Kauf genommen hätte, sind nicht ersichtlich. In Betracht kommt mithin lediglich eine Herbeiführung des Leistungsbezuges in unrechtmäßiger Höhe aufgrund grob fahrlässigen Verhaltens. Grob fahrlässig handelt, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Dies kann regelmäßig unterstellt werden, wenn selbst einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Es muss also vorhersehbar gewesen sein, dass das Verhalten zur Leistungsgewährung führt. Der Kläger hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Als Betreuer des S., der u.a. für die Bereiche Vermögenssorge, Öffnen der Post, Behördenangelegenheiten sowie die Beantragung von Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes berufen war, hat der Kläger grob fahrlässig gehandelt, indem er die Kontoauszüge des S. nicht zeitnah gesichtet und den Bezug von weiterem Einkommen dem Beklagten mitgeteilt oder zumindest den S. hierauf aufmerksam gemacht hat. Zwar bestehen die Betreuerpflichten in aller Regel nur im Verhältnis zum Betreuten und es erwachsen aus dem Betreuerverhältnis nur ausnahmsweise Pflichten gegenüber Dritten (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 13. März 2019 – L 4 SO 193/17 – juris Rn. 36 m. w. N.). Anders als bei § 104 SGB XII, welcher eine Sozialwidrigkeit des Verhaltens voraussetzt, führt dies im Rahmen des schuldhaften Verhaltens nach § 34 a SGB II jedoch nicht regelhaft zum Ausschluss einer Haftung des Betreuers. Nach § 1901 BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Hiervon ausgehend, hat der Kläger seine Pflichten gegenüber dem Betreutem in erheblichen Maße verletzt. Unerheblich ist insoweit, ob der Kläger gegenüber dem Betreuungsgericht nur zu einer jährlichen Rechnungslegung und Prüfung der Kontoauszüge verpflichtet war. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, war der Kläger – zur Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt – gehalten, jedenfalls nach der Beantragung der Leistungen nach dem SGB II sicherzustellen, dass der Betreute diese in gesetzlicher Höhe erhält. Hierfür war eine Sichtung der Kontoauszüge erforderlich. Der Umfang der Betreuerbestellung, die zum Zeitpunkt der Leistungsbeantragung aktuell erfolgt war, macht zudem deutlich, dass das Gericht davon ausgegangen ist, dass der Betreute nicht nur im Bereich der Beantragung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, sondern insbesondere bei allen Behördenangelegenheiten sowie beim Öffnen der Post und der Vermögenssorge der Hilfestellung bedarf. Es ist nicht ersichtlich, wie dem Kläger eine Unterstützung des Betreuten in diesen Bereichen ohne eine regelmäßige Prüfung der Kontoauszüge möglich gewesen sein soll. Eine solche regelmäßige Sichtung war nicht nur zur finanziellen Absicherung des S. bezogen auf den Erhalt von Sozialleistungen geboten, sondern auch um bei evtl. erfolgten fehlerhaften Abbuchungen Rücksprache nehmen zu können und evtl. Rücklastschriften zu veranlassen. Darüber hinaus war dies auch im Hinblick auf den hier vorliegenden Fall des unrechtmäßigen Leistungsbezuges geboten, da hiermit eine dem Betreuten gegenüber erhobene erhebliche spätere Rückforderung (Bescheide vom 6. Juni 2014) hätte vermieden werden können.
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Die Annahme eines schuldhaften Verhaltens scheitert auch nicht an einer evtl. fehlenden Sozialwidrigkeit des Verhaltens des Klägers. Eine solche wird anders als in den Fällen einer Ersatzpflicht nach § 104 SGB XII in § 34 a SGB II nicht vorausgesetzt. Nach der Gesetzesbegründung sollen für die Person, die die rechtswidrige Leistungsgewährung an Dritte verursacht hat, dieselben verfahrensrechtlichen Bedingungen gelten wie für die Person, die rechtswidrig begünstigt wurde und deren Leistung nach dem SGB X zurückgefordert wird (BT-Drucksache 17/3404 S. 113). Eine Sozialwidrigkeit ist anders als in § 34 SGB II, der allerdings auch die Erstattung rechtmäßiger Leistungen ermöglicht, im Rahmen der Aufhebung und Rückforderung von Leistungen aufgrund Einkommenszuflusses nach §§ 44 ff. SGB X nicht Voraussetzung. Auch der Vergleich zu § 34 SGB II macht deutlich, dass eine Sozialwidrigkeit in § 34 a SGB II gerade nicht Voraussetzung ist (vgl. hierzu auch Merold a.a.O. Rn. 39 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat sich hier bewusst für eine von § 104 SGB XII und § 103 SGB XII abweichende Regelung entschieden.
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Zwar liegt ein schuldhaftes Verhalten des Klägers nicht bereits bei Antragstellung im September 2012 vor. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ist die Behauptung des Klägers nicht widerlegt, dass er erst durch den Bescheid der BA vom
17. Juni 2013 positive Kenntnis von dem Arbeitslosengeld I-Bezug des S. erhalten hat. Der Kläger hätte indes sehr viel früher Kenntnis erhalten, wenn er – entsprechend der ihm als Betreuer obliegenden Pflicht – die Kontoauszüge des S zeitnah gesichtet hätte. Soweit er die Kontoauszüge nicht erhielt, obwohl er einen Postversand von Duplikaten Anfang Oktober 2012 veranlasst hätte, wäre eine umgehende Rücksprache mit der Bank oder dem Betreuten erforderlich gewesen. Die Notwendigkeit der Kontrolle ergab sich insoweit bereits aus dem Umfang der Betreuerbestellung, die offensichtlich macht, dass der Betreute diese Angelegenheiten allein nicht bewältigen konnte.
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Ein Ersatzanspruch des Beklagten scheitert jedoch am Fehlen des erforderlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem schuldhaften Verhalten des Klägers und dem eingetretenen Erfolg (Erhalt von rechtswidrigen SGB II-Leistungen), d.h. dem Herbeiführen i.S.d. § 34 a SGB II. Ausreichend ist jedes objektiv pflichtwidrige Tun oder Unterlassen des Ersatzpflichtigen, das die rechtswidrige Leistungserbringung (mit-)verursacht hat (Stotz in Gagel, SGB II/SGB III, 77. EL März 2020, § 34 a SGB II Rn. 26 m. w. N.). Für den erforderlichen Kausalzusammenhang ist dabei an den haftungsbegründenden Kausalitätsbegriff bei zivilrechtlicher deliktischer Haftung anzuknüpfen, weil es im Sozialleistungsrecht insoweit keinen eigenständigen Kausalitätsbegriff gibt. Die Leistungserbringung muss demnach adäquate Folge des Tuns oder Unterlassens des Ersatzpflichtigen sein. Das Verhalten des Ersatzpflichtigen muss also im Allgemeinen und nicht nur unter ganz eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet gewesen sein, die Leistungserbringung herbeizuführen (Stotz a. a. O.). Bereits hiervon vermochte sich der Senat nicht zu überzeugen. Dem Leistungsantrag, der dem Beklagten bei der Erstbewilligung von Arbeitslosengeld II, vorlag, war zu entnehmen, dass S. unmittelbar vor der Antragstellung über einen Zeitraum von zwei Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftig gewesen war, aber Arbeitslosengeld I weder bezog, noch beantragt hatte oder zu beantragen beabsichtigte. Es handelte sich damit um einen Antragsteller, welcher ganz offensichtlich einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I hatte und gemäß § 12 a S. 1 SGB II verpflichtet war, diese Leistung in Anspruch zu nehmen und den dafür erforderlichen Antrag zu stellen, da dies zur Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich war. S. war bei dieser Sachlage gemäß § 12a i. V. m. § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II aufzufordern, den erforderlichen Antrag auf Arbeitslosengeld I bei der Arbeitsagentur zu stellen. Von einer derartigen Aufforderung durfte der Beklagte nur bei Vorliegen eines atypischen Falls absehen, welcher hier nicht ersichtlich war (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 R – Rn. 26). Zugleich war gegenüber der BA ein Erstattungsanspruch geltend zu machen. Bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln wäre es mithin zu einem Doppelbezug der Leistungen nicht gekommen. Die hier tatsächlich erfolgte Leistungsbewilligung unter Außerachtlassung des offensichtlich bestehenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld I stellt sich nach alledem als ganz eigenartiges, unwahrscheinliches und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht zu erwartendes Geschehen dar.
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Jedenfalls scheitert ein Ersatzanspruch auch daran, dass, sofern mehrere adäquate Ursachen für die Leistungserbringung vorliegen, nur auf die wesentliche, d.h. die überwiegende Mitursache für den Erhalt der Leistungen abzustellen ist; es muss also eine wesentliche Mitverursachung durch den Ersatzpflichtigen vorliegen. Eine etwaige Mitverursachung der rechtswidrigen Leistungserbringung durch das Jobcenter, z.B. durch die fehlerhafte Beurteilung der Leistungsvoraussetzungen, kann insofern dazu führen, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Ersatzpflichtigen und der rechtswidrigen Leistungserbringung nicht mehr angenommen werden kann, wenn sich der Verursachungsbeitrag des Jobcenters als die allein wesentliche Ursache für die Leistungserbringung erweist (Stotz a. a. O.). Hier tritt der Verursachungsbeitrag des Klägers – durch dessen grob fahrlässige Unkenntnis vom Doppelbezug und die hierauf gründende unterlassene Mitteilung des Leistungsbezugs – hinter den Verursachungsbeiträgen des S. (falsche Angaben bzgl. des Leistungsbezuges/der Beantragung der Leistungen) sowie des Beklagten (fehlerhafte Sachbearbeitung) zurück. Ein kausales Herbeiführen des Doppelbezuges durch den Kläger liegt mithin nicht vor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Für den vorliegenden Rechtsstreit gilt § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG, wonach in den Fällen, in denen weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben werden und für die Kostenentscheidung die §§ 154 bis 162 VwGO entsprechend anzuwenden sind. Eine Kostenfreiheit nach § 183 S. 1 SGG besteht nicht. Nach dieser Vorschrift ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Ersatzpflichtige nach § 34a SGB II bzw. als solche in Anspruch genommene Personen – wie der Kläger – gehören nicht zum privilegierten Personenkreis des § 183 SGG (vgl. Böttiger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 34a Rn. 66; Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand: Juni 2017, § 34a SGB II Rn. 91).
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Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 3 S. 1 GKG.
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Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Auslegung des § 34 a SGB II, namentlich die hier entscheidungserheblichen Kausalitätsfragen, waren bislang, soweit ersichtlich, noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidung.
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