Beschluss vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (5. Senat) - L 5 KR 81/18 B

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 15.2.2018 aufgehoben.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

I.

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Umstritten ist, ob das Sozialgericht (SG) den Rechtsstreit zu Recht wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit an das Arbeitsgericht (ArbG) Kaiserslautern verwiesen hat.

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Der Kläger nahm am 2.2.2016 bei der beklagten GmbH eine Tätigkeit als Kraftfahrer eines Müllfahrzeugs auf. Ab dem 12.2.2016 war er arbeitsunfähig krank. Am 19.2.2016 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger telefonisch mit, dass er nicht mehr zur Arbeit erscheinen müsse. Ein Rechtsstreit vor dem ArbG Kaiserslautern (8 Ca 342/16) über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses endete mit einem Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis zum 18.3.2016 geendet habe und Ansprüche aus ihm erledigt seien. Die Beklagte gab in einer Arbeitsbescheinigung nach § 312 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegenüber der Bundesagentur für Arbeit an, es habe sich um ein versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Die Beklagte, die die Tätigkeit des Klägers bei der Knappschaft-Bahn-See als Minijob angemeldet hatte, lehnte eine nachträgliche Meldung des Klägers als sozialversicherungspflichtig beschäftigt ab.

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Am 7.4.2017 hat der Kläger beim SG Speyer Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn für das zwischen den Beteiligten im Zeitraum vom 2.2.2016 bis zum 18.3.2016 bestehende Arbeitsverhältnis zur Sozialversicherung anzumelden, mit der Maßgabe, dass zwischen den Beteiligten ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, das über das Maß einer geringfügigen Beschäftigung hinausgegangen sei. Der Kläger hat beantragt, ihm für das Verfahren vor dem SG Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen.

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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ausgehend von dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 5.10.2005 (5 AZB 27/05) sei der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Falls dennoch eine Verweisung an ein Gericht der Arbeitsgerichtsbarkeit erfolgen müsste, sei der Rechtsstreit an das ArbG Kaiserslautern zu verweisen, da gemäß § 48 Abs 1a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) das Arbeitsgericht örtlich zuständig sei, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet habe. Die Beklagte hat vorgetragen, der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit sei gegeben; örtlich zuständig sei das ArbG Mainz, Außenstelle Bad Kreuznach, da sie, die Beklagte, ihren Sitz in B habe; von einem besonderen Gerichtsstand des Arbeitsortes nach § 48 Abs 1a ArbGG sei nicht auszugehen, da die Zuweisung des Klägers als Kraftfahrer eines Müllfahrzeugs für das Entsorgungsgebiet Kaiserslautern mehr oder weniger zufällig erfolgt sei.

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Durch Beschluss vom 15.2.2018 hat das SG Speyer den Rechtsstreit an das ArbG Kaiserslautern verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Für Klagen eines Arbeitnehmers gegen seinen (früheren) Arbeitgeber auf Anmeldung zur Sozialversicherung sei nicht gemäß § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit, sondern nach § 2 Abs 1 ArbGG der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet. Der vorliegende Rechtsstreit betreffe keine der in § 51 Abs 2 SGG aufgeführten Angelegenheiten, sondern eine privatrechtliche Streitigkeit, die aus dem Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten herrühre. Soweit das BAG den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit für Streitigkeiten wie die vorliegende bejaht habe (Hinweis auf BAG 5.10.2005 – 5 AZB 27/05), habe es den privatrechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses außer Acht gelassen. Gegenüber dem einzelnen Beschäftigten bestünden im konkreten Arbeitsverhältnis keine öffentlich-rechtlichen, sondern lediglich privatrechtliche Verpflichtungen. Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Meldung gegenüber der Einzugsstelle gemäß § 28a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bestehe nur im Verhältnis zu dieser, nicht aber im Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Das vorliegende Klagebegehren betreffe neben der Frage des Inhalts des mündlichen Arbeitsvertrags die Frage nach dem Bestehen einer arbeitsrechtlichen Nebenpflicht und damit ausschließlich die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Rechtsstreit sei an das ArbG Kaiserslautern zu verweisen, da der Kläger in dessen Zuständigkeitsbereich iSd § 48 Abs 1a ArbGG zuletzt seine Arbeit gewöhnlich verrichtet habe.

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Gegen diesen ihm am 3.3.2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 19.3.2018 eingelegte Beschwerde des Klägers, der vorträgt: Im vorliegenden Rechtsstreit gehe es um die Korrekturmeldung eines Arbeitgebers an die zuständige Krankenkasse als Einzugsstelle gemäß § 14 der Verordnung über die Erfassung und Ermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung (DEÜV). Ein solcher Anspruch sei öffentlich-rechtlicher Natur, weshalb der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit gegeben sei (Hinweis auf BAG 5.10.2005 aaO). Denn der Arbeitgeber sei nach den Vorschriften des § 28a SGB IV und nach den Regelungen der DEÜV, somit nach Regelungen des öffentlichen Rechts, meldeverpflichtet.

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Der Kläger beantragt,

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den Beschluss des SG Speyer vom 15.2.2018 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend; allenfalls möge man sich darüber streiten, ob die örtliche Zuständigkeit des ArbG Kaiserslautern gegeben sei.

II.

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Die nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das SG hat den Rechtsstreit zu Unrecht wegen fehlenden Rechtswegs zur Sozialgerichtsbarkeit an das ArbG Kaiserslautern verwiesen. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben.

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Für den vorliegenden Rechtsstreit ist die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden nach § 51 Abs 1 SGG über öffentlich-rechtliche Angelegenheiten ua der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr 1), der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung (Nr 2) und der Arbeitsförderung (Nr 4). Demgegenüber bestimmt § 2 ArbGG, in welchen Fällen die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit rechtswegzuständig sind. Voraussetzung des Rechtswegs zur Arbeitsgerichtsbarkeit ist nach dieser Vorschrift, dass es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt, während die Sozialgerichtsbarkeit für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten rechtswegzuständig ist. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes – GmS-OGB – 10.4.1986 – GmS-OGB 1/85, juris Rn 10; BAG 5.10.2005 – 5 AZB 27/05, juris Rn 13; BSG 25.10.2017 – B 7 SF 1/16 R, juris Rn 6). Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (allgemeine Auffassung, zB BAG 5.10.2005 aaO; BSG 25.10.2017 aaO). Vorliegend ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gegeben, weil der Kläger die Erfüllung einer sozialversicherungsrechtlichen und damit einer öffentlich-rechtlichen Pflicht der Beklagten begehrt.

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Der Arbeitgeber hat nach § 28a SGB IV iVm der gemäß § 28c SGB IV erlassenen Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV) für jeden kraft Gesetzes in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherten Beschäftigten (§§ 5 ff SGB V; §§ 1 ff SGB VI; §§ 20 ff SGB XI; §§ 24 ff SGB III) der Einzugsstelle Meldung zu erstatten. Er hat der Einzugsstelle ua Beginn und Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 28a Abs 1 Nr 1 und 2 SGB IV) sowie eine Unterbrechung der Entgeltzahlung (§ 28a Abs 1 Nr 8 SGB IV) mitzuteilen. Der Inhalt der Meldung bestimmt sich im Wesentlichen nach § 28a Abs 3 SGB IV. Die DEÜV regelt maßgeblich das formelle Meldeverfahren, wie Fristen, Änderung, Berichtigung und Stornierung der Meldung, und konkretisiert den Inhalt der Meldungen. Die Versicherungsträger können die Meldepflichten, soweit diese privaten Personen oder Institutionen obliegen und in Streit stehen, durch Verwaltungsakt feststellen und nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes oder des jeweiligen Landes vollstrecken. Die Nichtbeachtung der Meldepflichten kann nach § 111 Abs 1 SGB IV eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Ob der vom Kläger erhobene Anspruch besteht, kann allein unter Heranziehung der genannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften bestimmt werden, weshalb die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist (BAG 5.10.2005 aaO, juris Rn 16; Steppler/Denecke, NZA 2013, 482, 487; vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 51 Rn 39 „Beiträge“).

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Der Annahme einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Beklagten steht abweichend von der Auffassung des SG nicht entgegen, dass die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften eine auf § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beruhende Nebenpflicht begründen können (BAG 5.10.2005 aaO, juris Rn 17, auch zum Folgenden). Denn die arbeitsrechtliche Nebenpflicht wird inhaltlich durch Regelungen des SGB IV ausgestaltet. Es gibt keine konkrete arbeitsrechtliche Vorschrift, die bestimmt, wann und mit welchem Inhalt die Meldung zu erfolgen hat. Die vorliegend relevanten Pflichten folgen nicht aus dem Arbeitsverhältnis, sondern aus dem Beschäftigungsverhältnis (§ 7 Abs 1 SGB IV) und der sich daraus ergebenden Beitragspflicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer (vgl Koch in Erfurter Kommentar zum ArbGG, 18. Auflage 2018, § 2 Rn 5).

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Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch nicht nach § 2 Abs 1 Nr 3 Buchstabe e ArbGG rechtswegzuständig. Auch dem „Streit um Arbeitspapiere“ muss für die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit zugrunde liegen (BAG 5.10.2005 aaO, juris Rn 17). Hinzu kommt, dass es sich bei der begehrten Meldung nicht um Arbeitspapiere iS dieser Vorschrift handelt. Dies sind Papiere und Bescheinigungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu erteilen hat; hierzu gehören nicht die Meldungen, die nach § 28a Abs 1 bis 3 SGB IV gegenüber der Einzugstelle abzugeben sind (vgl. BAG 5.10.2005 aaO, juris Rn 18).

17

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG (zur Notwendigkeit einer Kostenentscheidung für das Verfahren der Rechtswegbeschwerde vgl Keller aaO, § 51 Rn 74a). Es handelt sich nicht um ein Verfahren nach § 197a SGG, da der Kläger ein Recht als Versicherter geltend macht (vgl § 183 Satz 1 SGG).

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Über den Antrag auf PKH für das Hauptsacheverfahren wird das SG zu entscheiden haben. Einen Antrag auf PKH für das Beschwerdeverfahren hat der Kläger nicht gestellt.

19

Diese Entscheidung kann nicht mit der weiteren Beschwerde beim BSG angegriffen werden. Diese ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe iSd § 17a Abs 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.

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