Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (4. Senat) - L 4 AS 140/16 B

Tenor

Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. März 2016 sowie der Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Sozialgerichts Dessau-Roßlau in dem Verfahren S 14 AS 1339/12 vom 28. Oktober 2014 abgeändert.

Die aus der Prozesskostenhilfe an die Erinnerungsführerin zu erstattende Vergütung wird auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 619,40 EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau (Aktenzeichen: S 14 AS 1339/12), in welchem die Erinnerungsführerin, Erinnerungsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) die Kläger vertreten und das SG Prozesskostenhilfe erst ab einem bestimmten Stichtag bewilligt hatte.

2

Die beiden Kläger standen beim Jobcenter Dessau-Roßlau (Beklagter des vor dem SG geführten Ausgangsverfahrens) im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Im Hinblick auf eine von der Klägerin zu 1) aufgenommene schulische Ausbildung zur Ergotherapeutin hob das Jobcenter mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Dezember 2011 die zuvor mit Bescheid vom 19. Juli 2011 erfolgte Leistungsbewilligung für den Zeitraum von August bis November 2011 unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gegenüber der Klägerin zu 1) in Höhe von monatlich 464,73 EUR (Regelbedarf und Mehrbedarf) und gegenüber dem Kläger zu 2) in Höhe von monatlich 49,27 EUR (Sozialgeld) teilweise auf und forderte Beträge in Höhe von insgesamt 2.056,00 EUR zurück. Die Klägerin zu 1) habe dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), so dass ein Leistungsausschluss gegeben sei. Mit Änderungsbescheid vom 4. Januar 2012 reduzierte der Beklagte die Rückforderung auf insgesamt 1.780,00 EUR, wobei nunmehr Beträge in Höhe von viermal 92,00 EUR sowie viermal 81,00 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) zurückgefordert wurden. Gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2011 legten die Kläger am 30. Januar 2012 Widerspruch ein. Auf Nachfrage teilten sie mit, der Widerspruch sei als gegen den Bescheid vom 4. Januar 2012 gerichtet auszulegen. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2012 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig.

3

Am 4. Juni 2012 erhoben die Kläger, anwaltlich vertreten durch die Beschwerdegegnerin, Klage vor dem SG. Gleichzeitig beantragten sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin. Mit Schreiben vom 7. August 2012 gewährte das SG der Beschwerdegegnerin Einsicht in die Verwaltungsakte des Beklagten. Nach einer Betreibensaufforderung trugen die Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 10. Juli 2013 zur Begründung der Klage vor, sie hätten gegen den Bescheid vom 4. Januar 2012 ordnungsgemäß Widerspruch eingelegt. Außerdem habe der Beklagte den nach dem SGB II maßgeblichen Bedarf im Hinblick auf einen Abzug von Kosten für die Warmwasserzubereitung von den Heizkosten unzutreffend ermittelt. Im Übrigen wäre als Rechtsgrundlage nur § 45 SGB X in Betracht gekommen. Die Kläger hätten auf die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Bewilligung vertrauen dürfen. Außerdem seien die Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nicht gegeben gewesen.

4

Am 20. Februar 2014 reichten die Kläger eine "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe" nebst Anlagen beim SG ein.

5

Mit Beschluss vom 14. April 2014 bewilligte das SG den Klägern für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung ab dem 20. Februar 2014 und ordnete die Beschwerdegegnerin zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei.

6

Am 3. September 2014 fand vor dem SG ein Erörterungstermin statt, welcher 1:07 Stunden dauerte und in welchem auch ein weiteres zwischen denselben Beteiligten geführtes Verfahren (S 14 AS 1403/12) erörtert wurde. In diesem Termin wies das SG daraufhin, dass es sich bei der Rückforderung von Leistungen für KdU um eine Verböserung gehandelt haben dürfte und die Voraussetzungen des § 45 SGB X dafür nicht vorgelegen hätten. Es schlug eine Reduzierung des Rückforderungsbetrags auf 1.088,00 EUR vor. Daraufhin erklärte der Vertreter des Beklagten: "Der Rückforderungsbetrag aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Dezember 2011 in der Fassung des Korrekturbescheides vom 4. Januar 2012 wird von 1.780,00 EUR auf 1.088,00 EUR reduziert. Anderweitige Forderungen wird der Beklagte gegenüber den Klägern für den Zeitraum August 2011 bis November 2011 nicht geltend machen. Des Weiteren erstattet der Beklagte den Klägern 30 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens S 14 AS 1339/12." Die Beschwerdegegnerin erklärte als Prozessbevollmächtigte der Kläger: "Das Teilanerkenntnis sowie das Kostengrundteilanerkenntnis in dem Verfahren S 14 AS 1339/12 werden zwecks Erledigung des Rechtstreits angenommen."

7

Am 25. September 2014 beantragte die Erinnerungsführerin die Festsetzung der Gebühren und Auslagen nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) wie folgt:

8

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103, 3102 VV RVG:

170,00 EUR

Erhöhung um 0,3 gemäß Nr. 1008 VV RVG:

 51,00 EUR

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG:

200,00 EUR

Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG:

 190,00 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG:

 20,00 EUR

Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG:

25,00 EUR

        

656,00 EUR

19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG:

124,64 EUR

                 

Gesamtbetrag:

780,64 EUR

9

Abzüglich eines bereits gewährten Vorschusses (37,13 EUR) machte die Beschwerdegegnerin die Auszahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 743,51 EUR geltend.

10

Mit dem der Beschwerdegegnerin am 3. November 2014 zugestellten Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 28. Oktober 2014 setzte der Urkundsbeamte des SG die aus der Landeskasse zu erstattenden Kosten auf 701,74 EUR fest, woraus sich unter Berücksichtigung des Vorschusses ein weiterer Auszahlungsbetrag in Höhe von 664,61 EUR ergab. Der Festsetzung lag folgende Berechnung zu Grunde:

11

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103, 3102 VV RVG:

 119,00 EUR

Gebührenerhöhung um 0,3 nach Nr. 1008 VV RVG:

35,70 EUR

        

(insgesamt: 154,70 EUR)

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG:

200,00 EUR

Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1005, 1006, 1002 VV RVG:

 190,00 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG:

 20,00 EUR

Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 VV RVG:

25,00 EUR

589,70 EUR

        

19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG:

112,04 EUR

                 

Gesamtbetrag:

701,74 EUR

12

Die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Verfahrensgebühr sei unbillig gewesen: Der Umfang der Sache sei auch unter Berücksichtigung der gefertigten Schriftsätze als unterdurchschnittlich zu bewerten, ebenso die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeber. Die Schwierigkeiten der Sache, die Bedeutung der Angelegenheit für die Auftraggeber sowie das Haftungsrisiko würden als durchschnittlich bewertet.

13

Der unter Berücksichtigung des Vorschusses verbleibende Differenzbetrag von 664,61 EUR wurde an die Beschwerdegegnerin ausgezahlt.

14

Am 1. Dezember 2014 hat die Beschwerdegegnerin gegen den Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 28. Oktober 2014 Erinnerung eingelegt: Bei der Verfahrensgebühr sei kein Abschlag von 30 % vorzunehmen. Die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr könne nur auf einen Missbrauch überprüft werden. Die anwaltliche Tätigkeit habe in der Erhebung und Begründung der Klage, einer weiteren Stellungnahme und Einsichtnahme in die umfangreiche Verwaltungsakte bestanden. Auch habe eine Besprechung mit der Klägerin stattgefunden. Der Umfang sei als durchschnittlich anzusehen.

15

Am 26. Februar 2015 hat auch der Beschwerdeführer Erinnerung gegen den Beschluss vom 28. Oktober 2014 eingelegt: Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin sei erst ab dem 20. Februar 2014 bewilligt worden. Mithin wirke der Beschluss ausschließlich für die ab diesem Zeitpunkt erbrachten Tätigkeiten der beigeordneten Beschwerdegegnerin. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass nicht unerhebliche Synergie-Effekte in Bezug auf ein parallel geführtes und inhaltlich gleich gelagertes Verfahren (Aktenzeichen des SG: S 14 AS 1403/12; hiesiges Aktenzeichen des Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des SG im Erinnerungsverfahren: L 4 AS 141/16 B) gegeben gewesen seien. Überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit und unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse der Kläger würden sich praktisch aufheben. Es werde lediglich die Hälfte der Mittelgebühr als angemessene Verfahrensgebühr (zuzüglich der Erhöhung für einen weiteren Streitgenossen) für angemessen gehalten. Wegen der zusätzlichen Erörterung eines weiteren Verfahrens (Synergieeffekt) seien hinsichtlich der Terminsgebühr 3/4 der Mittelgebühr und bezüglich der Erledigungsgebühr die Hälfte der Mittelgebühr anzusetzen. Wegen der Dokumentenpauschale sei die Notwendigkeit der Erstellung von Kopien nicht substantiiert vorgetragen worden. Außerdem seien diese Kosten vor dem im Beschluss genannten Zeitpunkt entstanden. Es ergebe sich mithin folgende Berechnung:

16

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103, 3102 VV RVG:

85,00 EUR

Gebührenerhöhung um 0,3 nach Nr. 1008:

25,50 EUR

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG:

150,00 EUR

Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1005, 1006, 1002 VV RVG:

 95,00 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale:

20,00 EUR

        

375,50 EUR

19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG:

71,35 EUR

                 

Gesamtbetrag:

446,85 EUR

17

Die Beschwerdegegnerin hat auf die Erinnerung des Beschwerdeführers geltend gemacht, dass beide Verfahren zwar in einem Termin, aber getrennt voneinander besprochen worden seien.

18

Mit Beschluss vom 4. März 2016 hat das SG den PKH-Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 28. Oktober 2014 abgeändert und die aus der PKH zu erstattende Vergütung auf insgesamt 750,89 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Vergütungsanspruch bestimme sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach dem Beschluss, durch den PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden sei. Der Rechtsanwalt könne daher nur für solche Tätigkeiten eine Vergütung fordern, die er nach dem Wirksamwerden der Beiordnung geleistet habe. Dies beziehe sich indes nur auf die Frage, ob überhaupt eine Gebühr dem Grunde nach angefallen sei. Bei "Dauergebühren", die fortlaufende oder wiederholte Tätigkeiten abgelten sollen (wie die Verfahrensgebühr), sei dann jedoch die gesamte Tätigkeit bei der Bestimmung der konkreten Gebühr innerhalb des Rahmens zu berücksichtigen, wenn zumindest auch nach dem Wirksamwerden der Beiordnung eine gebührenauslösende Tätigkeit gegeben sei. Dafür spreche auch ein Vergleich mit den streitwertgebundenen Wertgebühren in Verfahren nach § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG), die in voller Höhe erstattungsfähig seien, wenn nach dem Wirksamwerden der Beiordnung – unabhängig von der vorangegangenen Tätigkeit des Rechtsanwalts – noch eine gebührenauslösende Maßnahme erfolge. Sei eine Gebühr dem Grunde nach ab der Beiordnung entstanden, komme es für die Höhe also auch hier auf die gesamte Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts im Verfahren an.

19

Die Bestimmung der Verfahrensgebühr in Höhe von 221,00 EUR (Mittelgebühr von 170,00 EUR + Erhöhung um 51,00 EUR für einen weiteren Auftraggeber) sei auch im Übrigen unter Beachtung des Toleranzrahmens nicht als unbillig zu bewerten. Der Umfang der Tätigkeit der Beschwerdegegnerin sei als durchschnittlich anzusehen. Die Schwierigkeit der Angelegenheit sei im Hinblick auf die konkreten verfahrensrechtlichen (u. a. Auslegung und Verfristung des Widerspruchs) und materiell-rechtlichen Fragen zur Leistungshöhe keinesfalls als unterdurchschnittlich zu bewerten. Angesichts der in Rede stehenden Rückforderung in Höhe von (zuletzt) 1.780,00 EUR seien auch das Haftungsrisiko und die Bedeutung der Angelegenheit höher einzuschätzen. Die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger könnten insgesamt keine Reduzierung der Mittelgebühr begründen. Ein Synergieeffekt mit dem zeitlich späteren Klageverfahren S 14 AS 1403/12 sei bei letzterem Verfahren zu berücksichtigen. Die Befassung im Widerspruchsverfahren schlage sich bereits in der reduzierten Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG nieder.

20

Auch die Bestimmung der Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr (200,00 EUR) sei nicht unbillig. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien insoweit im durchschnittlichen Bereich einzuordnen. Im etwa einstündigen Termin seien zwar zwei Verfahren erörtert worden, allerdings ausweislich der Sitzungsniederschrift nacheinander. Wegen der abweichenden sachlichen und rechtlichen Problematik sei ein Synergieeffekt als gering einzuschätzen, der sich im Hinblick auf den Toleranzrahmen bei der Bestimmung der Gebühr durch die Beschwerdegegnerin nicht gebührenmindernd auswirke.

21

Weiterhin sei eine Erledigungsgebühr entstanden. Denn der Rechtsstreit habe sich durch anwaltliche Mitwirkung mit dem Ergebnis der Abänderung des belastenden Verwaltungsakts im Sinne von Nr. 1002 VV RVG erledigt. Die erforderliche qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung liege zum Beispiel in der Einwirkung des Rechtsanwalts auf den Mandanten, sich mit einem Teilanerkenntnis (der Gegenseite) zufrieden zu geben. Ohne eine entsprechende Kommunikation der Beschwerdegegnerin mit den Klägern wäre es auch in Anbetracht der Höhe der Rückforderung nicht zur unstreitigen Erledigung gekommen. Wegen des abweichenden Sach- und Streitstandes zum Verfahren S 14 AS 1403/12 sei auch keine Kürzung gerechtfertigt. Beide Verfahren seien getrennt voneinander einer Erledigung zugeführt worden.

22

Eine Dokumentenpauschale könne die Beschwerdegegnerin hingegen nicht beanspruchen. Denn etwaige gebührenauslösende Tätigkeiten seien jedenfalls vor Wirksamwerden der Beiordnung erfolgt. Unter Berücksichtigung der Post- und Telekommunikationspauschale sowie der Umsatzsteuer ergebe sich nach alldem ein Vergütungsanspruch in Höhe von 750,89 EUR. Abzüglich des Vorschusses (37,13 EUR) und der Zahlung (664,61 EUR) verbleibe ein weiterer Erstattungsanspruch von 49,15 EUR.

23

Gegen den ihm am 11. März 2016 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 16. März 2016 Beschwerde eingelegt: Mit Beschluss des SG vom 14. April 2014 sei PKH unter Beiordnung der Erinnerungsführerin ab dem 20. Februar 2014 bewilligt und damit ein konkreter Bewilligungszeitraum festgelegt worden. Mit dieser Datumsangabe sei im Beschluss der Umfang der PKH-Bewilligung konstitutiv in einer Weise festgelegt worden, dass der Urkundsbeamte bei der Entscheidung über die Vergütungsfestsetzung hieran gebunden sei und der Beschluss ausschließlich für in der Zukunft liegende Tätigkeiten wirke. Dies folge auch aus § 48 Abs. 1 RVG. Ob die Bewilligung mit Wirkung ab einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen können, obliege der Beurteilung des Gerichts im Bewilligungsverfahren und sei der Beurteilung im Verfahren der Vergütungsfestsetzung entzogen (vgl. auch § 48 Abs. 4 letzter Halbsatz RVG). Darüber hinaus sei der Gebührenanspruch eines beigeordneten Rechtsanwalts im Verfahren nach §§ 183, 184 SGG nicht mit dem eines beigeordneten Rechtsanwalts im Verfahren nach § 197a SGG vergleichbar. In Verfahren, in denen Rahmengebühren entstehen, richteten sich diese gerade nicht am Streitwert aus, sondern an den in § 14 RVG genannten Kriterien. Zur Beurteilung der angemessenen Gebühren seien vorliegend nach § 14 RVG u. a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommensverhältnisse der Mandanten innerhalb des Bewilligungszeitraumes zu bewerten. Diese stellten sich in der Gesamtheit "sehr unterdurchschnittlich" dar. Nach alldem ergebe sich die durch den Beschwerdeführer im Erinnerungsverfahren vor dem SG angestellte Berechnung (Gesamtbetrag: 446,85 EUR).

24

Der Beschwerdeführer beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

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den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. Oktober 2014 und den PKH-Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Sozialgerichts Dessau-Roßlau am 28. Oktober 2014 abzuändern und die aus der Prozesskostenhilfe an die Beschwerdegegnerin zu erstattende Vergütung auf einen Betrag von insgesamt 446,85 EUR festzusetzen.

26

Die Beschwerdegegnerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

27

die Beschwerde zurückzuweisen.

28

Zur Begründung trägt sie vor, die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr dürfe nur auf einen Missbrauch überprüft werden. Eine Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt sei immer dann billig, wenn sie nicht grob vom Üblichen abweiche. Im Hinblick auf die Verfahrensgebühr seien Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als durchschnittlich anzusehen. Die Bedeutung für die Kläger sei wegen einer Rückforderung von 1.780,00 EUR überdurchschnittlich gewesen. Die deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger würden durch diese überdurchschnittliche Bedeutung kompensiert. Die vom SG in Ansatz gebrachte Verfahrensgebühr sei demnach angemessen. Im Übrigen sei die Verfahrensgebühr nach dem 20. Februar 2014 durch die Wahrnehmung des Termins am 3. September 2014 und der Mitwirkung bei der Verfahrensbeendigung ausgelöst worden. Es sei unerheblich, dass der Anspruch auf die Verfahrensgebühr auch schon mehrfach vor dem Wirksamwerden der Beiordnung am 20. Februar 2014 entstanden sei, nachdem die Beschwerdegegnerin das Klageverfahren zunächst als Wahlanwältin geführt und dabei verschiedene anwaltliche Tätigkeiten entfaltet habe. Denn gemäß §§ 45, 48 RVG entstehe der Vergütungsanspruch ebenso bei erneuter gebührenauslösender Tätigkeit.

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Wegen der Terminsgebühr sei zu berücksichtigen, dass die beiden für den 3. September 2014 anberaumten Erörterungstermine nacheinander stattgefunden hätten. Die Terminsgebühr in Höhe von 200,00 EUR sei angemessen. Auch die in Ansatz gebrachte Erledigungsgebühr sei in Höhe von 190,00 EUR erstattungsfähig. Die Einwirkung auf die Klägerin zu 1) erfülle die Voraussetzungen der erforderlichen Mitwirkung.

30

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

31

Die Beschwerde ist zulässig und insoweit begründet, als sie sich gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr – und dabei insbesondere gegen die Berücksichtigung von vor dem Zeitpunkt der Beiordnung liegenden anwaltlichen Tätigkeiten – wendet. Im Übrigen ist sie (hinsichtlich der beanstandeten Höhe von Termins- und Erledigungsgebühr) unbegründet.

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Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist zwar prinzipiell der Berichterstatter als Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Aufgrund der hier in Rede stehenden Frage, ob sich eine zeitliche Begrenzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Verfahrensgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren auswirkt, hat der Berichterstatter die Sache jedoch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf den Senat als Gesamtspruchkörper übertragen.

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1. Die Beschwerde ist zulässig. Dem steht insbesondere die Vorschrift des § 178 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht entgegen. Durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 (Bundesgesetzblatt 2013 Teil I Nr. 55 S. 3533) hat der Gesetzgeber in § 73a Abs. 1 SGG durch Anfügen des Satzes 4 geregelt, dass sich die Vergütung für den beigeordneten Rechtsanwalt nach den Vorschriften des RVG richtet. Daraus folgt, dass das RVG und damit insbesondere die dort geregelten Beschwerdemöglichkeiten innerhalb des SGG für die Vergütung im Rahmen der Prozesskostenhilfe anwendbar sind. Die Beschwerdemöglichkeit nach dem RVG in sozialgerichtlichen Verfahren wird auch im RVG nochmals bestätigt. Nach § 1 Abs. 3 RVG in der Fassung vom 23. Juli 2013 gehen die Vorschriften des RVG über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen spezialgesetzlicher Verfahrensvorschriften (z.B. des SGG) vor. Aufgrund der Rechtsänderung ist die frühere Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 30. Oktober 2009 – L 4 P 8/09 B, juris) nicht mehr anwendbar (vgl. hierzu schon Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. November 2015 – L 4 AS 427/15 B).

34

Die Beschwerde ist auch im konkreten Fall statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Nach den mit der Beschwerde geltend gemachten Auffassungen und Berechnungen des Beschwerdeführers würde sich durch die Beschwerde die Kostenfestsetzung gegenüber dem angefochtenen Beschluss des SG um 304,04 EUR (750,89 EUR - 446,85 EUR) zum Nachteil der Beschwerdegegnerin verringern. Auch ist die Beschwerde fristgerecht eingelegt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).

35

2. Die Beschwerde ist insoweit begründet, als sich der Beschwerdeführer gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr durch das SG – und dabei insbesondere gegen die Berücksichtigung von vor dem Wirksamwerden der PKH-Bewilligung liegenden anwaltlichen Tätigkeiten – wendet.

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a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hatte den Klägern mit Beschluss vom 14. April 2014 (mit Wirkung ab 20. Februar 2014) PKH bewilligt. Die Kläger waren im Ausgangsverfahren S 14 AS 1339/12 kostenprivilegierte Beteiligte im Sinne des § 183 Satz 1 SGG. Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG).

37

Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühren bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); außerdem ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht abschließend, so dass weitere (unbenannte) Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander. Für jede Rahmengebühr ist dabei eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sog. "Toleranzgrenze") von 20 % zusteht (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 21/09, juris; Thüringer Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 27. Oktober 2016 – L 6 SF 1611/15 B, juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet hat; in diesem Falle erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren (Thüringer LSG, a. a. O.).

38

b) Bei der Verfahrensgebühr handelt es sich um eine Tätigkeitsgebühr, mit der jede prozessuale Tätigkeit eines Rechtsanwalts abgegolten wird, für die das RVG keine gesonderte Gebühr vorsieht. Sie entsteht für das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information und gilt u. a. für die Prüfung der Schlüssigkeit der Klage durch den Rechtsanwalt anhand von Rechtsprechung und Literatur, die im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Verfahren notwendigen Besprechungen des Rechtsanwalts mit dem Auftraggeber, Dritten, Gericht oder Sachverständigen sowie den Schriftwechsel mit dem Auftraggeber, Dritten, Behörden und dem Gericht, ferner die Mitwirkung bei der Auswahl und Beschaffung von Beweismitteln, die Sammlung und den Vortrag des aus der Sicht des Rechtsanwalts relevanten Stoffs sowie das Anbieten von Beweismitteln (Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 210). Der durchschnittliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hat sich dabei am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung und dem Ablauf des Verfahrens, hier des sozialgerichtlichen Verfahrens, zu orientieren. Von Bedeutung ist darüber hinaus auch, welchen Einsatz der Rechtsanwalt im Einzelnen erbringen muss. Zu berücksichtigen ist dabei zum Beispiel das Lesen der Verwaltungsentscheidung, die Beratung mit dem Mandanten, das Aktenstudium, das Anfertigen von Notizen, bei Geltendmachung eines Anspruchs die Darlegung, wie sich dieser rechnerisch ermittelt, und zwar unter Eingehung auf die streitigen Rechtsvorschriften sowie die Heranziehung von Kommentarliteratur und einschlägiger Rechtsprechung.

39

Es entspricht dabei allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden (BSG, a. a. O.).

40

c) Nach diesen Grundsätzen wäre der Ansatz der Mittelgebühr durch das SG für die Verfahrensgebühr grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wegen der diesbezüglichen Erwägungen, dass – soweit es auf sämtliche anwaltliche Tätigkeiten der Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden Klageverfahren ankäme – von einer Unbilligkeit prinzipiell nicht ausgegangen werden kann, wird entsprechend § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Erwägungen im Beschluss des SG Bezug genommen.

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Im Ergebnis ist dennoch von einer Unbilligkeit des Ansatzes der Mittelgebühr auszugehen. Denn – entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin und des SG – sind zur Überzeugung des Senats für die Bestimmung der Verfahrensgebühr nur die anwaltlichen Tätigkeiten der Beschwerdegegnerin zugrunde zu legen, die diese ab dem Wirksamwerden der PKH-Bewilligungsentscheidung entfaltet hat (so auch Hessisches LSG, Beschluss vom 10. Juli 2015 – L 2 SF 11/15 E; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 17. Juli 2008 – L 1 B 127/08 SK, juris). Dies bedeutet, dass die vor dem 20. Februar 2014 angefallenen Tätigkeiten für die Gebührenhöhe nicht relevant sind. Damit sind insbesondere die Erhebung der Klage mit Anwaltsschriftsatz vom 4. Juni 2012, die Akteneinsicht und die Klagebegründung mit Anwaltsschriftsatz vom 10. Juli 2013 keine für die Bestimmung der Verfahrensgebühr maßgebenden Tätigkeiten. Entsprechendes gilt für alle sonstigen vor dem 20. Februar 2014 erfolgten Maßnahmen, insbesondere den damaligen Besprechungen mit den Klägern in Vorbereitung von Klageerhebung und Klagebegründung.

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Der Senat verkennt dabei nicht, dass in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten wird, dass eine "Kürzung" der Verfahrensgebühr nicht mit dem Argument der zeitlich beschränkten Bewilligung in Betracht komme: Das RVG biete keine Grundlage für eine solche Betrachtungsweise, die auf eine "Quotelung" der Gebühren hinaus liefe, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit. Vielmehr sei stets der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand zu würdigen, nicht nur der Aufwand nach dem Wirksamwerden der Beiordnung. Dabei falle maßgeblich ins Gewicht, dass das RVG aus Gründen der Kostengerechtigkeit und Vereinfachung vom Grundsatz der Pauschgebühr beherrscht werde und die Gebühren nach § 15 Abs. 1 RVG die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit abgelten würden. Auch § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (in Verbindung mit § 73a SGG), wonach die Bewilligung von PKH bewirke, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen den Beteiligten nicht geltend machen könnten, spreche gegen eine Kürzung der Verfahrensgebühr in Abhängigkeit vom Beiordnungszeitpunkt. Die zugunsten des bedürftigen Beteiligten eingreifende Forderungssperre würde andernfalls bewirken, dass der Rechtsanwalt einen nicht gerechtfertigten Ausfall hinnehmen müsse (so ausdrücklich Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 – L 15 SF 303/09 B E, juris; s. hierzu im Ergebnis auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2008 – L 19 B 21/08 AS, juris; Thüringer LSG, Beschluss vom 6. März 2008 – L 6 B 198/07 SF, juris sowie 5. Senat des LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. August 2012 – L 5 SF 2/09 E, juris).

43

Zur Überzeugung des Senats berücksichtigt diese Auffassung indes nicht hinreichend, dass es nach § 45 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 1 RVG für den Vergütungsanspruch in erster Linie auf die konkrete Bestimmung in den Beschlüssen ankommt, durch die PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden sind. Wenn das zuständige Gericht (hier das SG) in seinem Beschluss ausdrücklich eine bestimmte zeitliche Beschränkung aufnimmt, bei der Kostenfestsetzung gleichwohl auch die vor diesem Zeitpunkt angefallenen Tätigkeiten berücksichtigt würden, bedeutete dies faktisch eine "Korrektur" bzw. "Aushebelung" des nach § 48 Abs. 1 RVG maßgebenden Bewilligungs- unter Beiordnungsbeschlusses. Mit der zeitlichen Beschränkung im Rahmen der Bewilligung und Beiordnung hat das SG insoweit die ihm zu diesem Zeitpunkt obliegende Entscheidung darüber getroffen, in welchem (zeitlichen) Umfang die anwaltlichen Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. Folgte man der oben dargestellten Auffassung einer nicht in Betracht kommenden "Kürzung" unter dem Gesichtspunkt des Zeitpunkts der Beiordnung wäre dies daher nach der Systematik des RVG zur Überzeugung des Senats bereits bei Abfassung des Bewilligungs- und Beiordnungsbeschlusses umzusetzen, nicht aber bei der späteren Kostenfestsetzung. Letzteres würde – wie bereits ausgeführt – faktisch auf eine inhaltliche "Änderung" der Bewilligung und Beiordnung hinauslaufen, wofür jedoch keine Zuständigkeit im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens mehr gegeben ist. Insbesondere hat der für die Festsetzung zuständige Spruchkörper nicht die inhaltliche Berechtigung einer erfolgten zeitlichen Begrenzung zu prüfen (Hessisches LSG, a. a. O.).

44

Vorliegend hat das SG offenbar darauf abgestellt, dass zwar bereits mit dem Schriftsatz vom 4. Juni 2012 PKH beantragt worden, die Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen zur Glaubhaftmachung allerdings erst am 20. Februar 2014 bei Gericht eingegangen ist. Das SG ist deshalb davon ausgegangen, dass erst zu diesem Zeitpunkt ein vollständiger Antrag vorgelegen hat (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 73a SGG). Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob aus § 48 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 RVG abzuleiten sein könnte, dass bereits die bloße Beantragung als solche (also ohne Einreichung der erforderlichen "PKH-Unterlagen") für den Beginn der Bewilligung und Beiordnung ausreichend sein soll. Die Vorschrift stellt im Grundsatz auf den "Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe" ab. Der letzte Halbsatz des § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG enthält jedoch die Einschränkung "wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist". In dem Abstellen auf den Zeitpunkt des Eingangs der vollständigen Unterlagen wäre jedenfalls eine solche abweichende Bestimmung durch das SG zu sehen (s. hierzu auch Hessisches LSG, a. a. O.).

45

Zur Überzeugung des Senats greift darüber hinaus der Vergleich mit den streitwertabhängigen Wertgebühren in Verfahren, in denen das GKG anwendbar ist, nicht durch (so aber der 5. des Senat des LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O.). Denn dort ist gerade eine sich allein nach dem Streitwert richtende Pauschalierung des Anspruchs gegeben, der in keiner Weise auf den Umfang der konkreten Tätigkeit des Rechtsanwalts abstellt. Der Gesichtspunkt der Pauschalierung ist demgegenüber in § 14 Abs. 1 RVG deutlich eingeschränkt, indem – neben anderen Kriterien – gerade auch dem Umfang der Tätigkeit ausdrücklich eine wesentliche Bedeutung zuerkannt wird. Aus den oben dargestellten Erwägungen der Maßgeblichkeit der Bewilligungs- und Beiordnungsentscheidung des SG kann es dann in diesem Zusammenhang konsequenterweise nur auf den Umfang ab der Beiordnung ankommen.

46

Soweit darüber hinaus mit der "Sperrwirkung" des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO argumentiert wird, ist nicht über die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Umständen möglicherweise ergänzende Ansprüche gegen den Beteiligten selbst bestehen könnten. Denn die Entscheidung des in der Sache zuständigen Spruchkörpers über den Umfang der Bewilligung von PKH ist jedenfalls für das Festsetzungsverfahren vorgreiflich und bindend (Hessisches LSG, a. a. O.). Soweit sich aus der Vorschrift eine vollständige "Sperre" ergeben sollte, wäre dies als gesetzgeberische Wertungsentscheidung hinzunehmen.

47

d) Da nach den Ausführungen unter lit. b) die Mittelgebühr allein unter der Prämisse angemessen und billig gewesen wäre, dass auch die Tätigkeiten der Beschwerdegegnerin vor dem Zeitpunkt der Beiordnung Berücksichtigung zu finden hätten, muss nach den Erwägungen unter lit. c) nunmehr – auch unter Berücksichtigung der "Toleranzgrenze" von 20 % – von der Unbilligkeit des Ansatzes der Mittelgebühr für die Verfahrensgebühr ausgegangen werden. Denn – wie bereits dargelegt – fand der Großteil der anwaltlichen Maßnahmen (insbesondere Erhebung und Begründung der Klage, Akteneinsicht) vor dem Beiordnungszeitpunkt statt.

48

Mithin ist nicht auf die Bestimmung durch die Beschwerdegegnerin abzustellen, sondern auf die nach Auffassung des Senats angemessene Verfahrensgebühr. Der Senat hält aus den vorgenannten Erwägungen insoweit den vom Beschwerdeführer in Ansatz gebrachten Betrag von 85,00 EUR (Hälfte der Mittelgebühr) für angemessen. Demgemäß beträgt die Erhöhung um 0,3 für einen weiteren Streitgenossen nach Nr. 1008 VV RVG lediglich noch 25,50 EUR.

49

3. Soweit der Beschwerdeführer auch einen geringeren Ansatz der Terminsgebühr (150,00 EUR statt der Mittelgebühr von 200,00 EUR) sowie der Erledigungsgebühr (95,00 EUR statt der Mittelgebühr von 190,00 EUR) begehrt, ist die Beschwerde nicht begründet. Das Gericht folgt hinsichtlich des Anfallens und der Höhe dieser Gebühren den zutreffenden Ausführungen des SG und macht sich diese nach eigener Prüfung entsprechend § 153 Abs. 2 SGG zu Eigen. Darüber hinaus hatte bereits im Beschluss des SG die ursprünglich von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Dokumentenpauschale aus den dort ausgeführten zutreffenden Erwägungen keine Berücksichtigung gefunden.

50

4. Damit ergibt sich – unter Berücksichtigung der Post- und Telekommunikationspauschale sowie der Umsatzsteuer – für die aus der Prozesskostenhilfe an die Beschwerdegegnerin zu erstattende Vergütung folgende Berechnung:

51

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103, 3102 VV RVG:

85,00 EUR

Erhöhung um 0,3 gemäß Nr. 1008 VV RVG:

25,50 EUR

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG:

200,00 EUR

Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG:

 190,00 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG:

 20,00 EUR

        

520,50 EUR

19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG:

98,90 EUR

                 

Gesamtbetrag:

619,40 EUR

52

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 56 Abs. 2 RVG).

53

Dieser Beschluss ist endgültig (§ 178 Abs. 1 SGG).


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