Beschluss vom Oberlandesgericht Oldenburg (Senat für Bußgeldsachen) - 2 Ss (OWi) 240/21
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Aurich vom 09.07.2021 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Betroffene zu tragen.
Gründe
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Gegen den Betroffenen -von Beruf Rechtsanwalt- ist in einem gegen ihn anhängigen Ordnungswidrigkeitenverfahren, in dem er sich selbst verteidigt hat, ein Ordnungsgeld von 150 € ersatzweise 3 Tage Ordnungshaft festgesetzt worden, weil er sich trotz Aufforderung durch den Vorsitzenden geweigert hat, in der Hauptverhandlung eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen.
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Gegen den entsprechenden Gerichtsbeschluss wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen (hM: Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, StPO 64. Aufl., § 181 GVG RN 1) Beschwerde.
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Über die Beschwerde hat der Senat in der Besetzung mit 3 Richtern zu entscheiden.
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Dabei kann dahinstehen, ob dies generell so ist (vergleiche OLG Stuttgart, Beschluss vom 7.12.2015, 1 Ws 202/15) oder ob grundsätzlich im Hinblick auf § 80a OWiG der Einzelrichter zu entscheiden hat (vergleiche OLG Köln, NJW 2006, 3298). Im vorliegenden Fall sieht sich die Dreierbesetzung des Senats deshalb als zur Entscheidung berufen an, weil bereits die zugrundeliegende Bußgeldsache vom Einzelrichter zur Fortbildung des materiellen Rechts auf den Senat übertragen worden war, die Zuständigkeit des Einzelrichters aber mit dem inneren Zusammenhang mit der Bußgeldsache –für die grundsätzlich § 80a Abs. 1 OWiG (Einzelrichter) gilt- begründet wird (Löwe-Rosenberg/Wickern, StPO 26. Auflage, § 181 GVG RN 9). Dann ist hier wegen des Zusammenhanges der Senat zuständig.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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Das Ordnungsgeld ist zunächst formal ordnungsgemäß gegen den Betroffenen festgesetzt worden:
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Der entsprechende Gerichtsbeschluss ist ergangen und dem Betroffenen ist zuvor rechtliches Gehör durch Androhung des Ordnungsgeldes gewährt worden. Auch ist der Beschluss mit einer Begründung versehen worden.
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Auch in der Sache selbst lässt das festgesetzte Ordnungsgeld weder dem Grund noch der Höhe nach Rechtsfehler erkennen.
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Das Ordnungsgeld konnte zunächst gegen den Betroffenen, auch wenn er von Beruf Rechtsanwalt ist und sich selbst verteidigt hat, festgesetzt werden.
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Das Bundesverfassungsgericht hat zur Rechtsstellung eines sich selbst verteidigenden Rechtsanwaltes folgendes ausgeführt:
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„Dagegen ist es nach übereinstimmender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum nicht zulässig, dass der Rechtsanwalt in dem von der Strafprozessordnung und dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gebrauchten Sinne sein eigener Verteidiger sein kann. Der Status des Verteidigers und die Stellung des Beschuldigten oder Betroffenen sind offensichtlich miteinander unvereinbar: Der Verteidiger nimmt nicht nur ein durch privatrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag erteiltes Mandat wahr, sondern wird als unabhängiges - mit eigenen Rechten und Pflichten versehenes - Organ der Rechtspflege grundsätzlich gleichberechtigt mit der Staatsanwaltschaft im Strafprozess tätig. Seine Position ist deshalb mit einer spürbaren Distanz zum Beschuldigten hin ausgestattet (vgl Kurzka, MDR 1974 S 817). Ihm sind Beschränkungen auferlegt, die die Strafprozessordnung einem Beschuldigten aus guten Gründen nicht abverlangt (vgl BGHSt 9, 71 (73); 14, 172 (174); Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 4. Aufl 1977, S 29f; § 68 der Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts, abgedruckt bei Kleinknecht, aaO, § 137 vor Rdnr 1). Daraus folgt beispielsweise: Der im Strafgeldverfahren oder Bußgeldverfahren beschuldigte Rechtsanwalt kann in eigener Sache weder sein Wahlverteidiger sein, noch kann er in Fällen notwendiger Verteidigung zu seinem eigenen Pflichtverteidiger bestellt werden (vgl BGH, NJW 1954, S 1415; Kurzka, MDR 1974, S 817; Kleinknecht, aaO, § 138 Rdnr 3, § 140 Rdnr 1; Löwe-Rosenberg, aaO, § 140 Rdnr 2). Er hat kein Recht auf Akteneinsicht (Löwe-Rosenberg, aaO, § 147 Rdnr 3; Kleinknecht, aaO, § 147 Rdnr 8; Klussmann, NJW 1973 S 1965). Er ist weder zum Kreuzverhör nach § 239 StPO berechtigt (Löwe-Rosenberg, aaO, vor § 137 Rdnr 8; Löwe-Rosenberg, aaO, § 239 Rdnr 6) noch zur Befragung von Mitangeklagten nach § 240 Abs 2 Satz StPO befugt (Löwe-Rosenberg, aaO, vor § 137 Rdnr 8). In den Anwendungsbereichen des § 176 GVG und der §§ 168c Abs 3, 231 Abs 2, 231a, 231b und 247 StPO hat seine berufliche Qualifikation als Rechtsanwalt keine Bedeutung.
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(BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1980 – 2 BvR 752/78 –, BVerfGE 53, 207-218, Rn. 22)“.
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Obwohl in dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes § 178 GVG nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist auch die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt zulässig (vergleiche Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl., RN 2727; OLG Köln, Beschluss vom 3.3.2010, 2 Ws 62/10, juris).
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Die beharrliche Weigerung des Betroffenen der Aufforderung des Vorsitzenden zu folgen, eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen, stellt eine Ungebühr dar:
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Eine Ungebühr im Sinne von § 178 Abs. 1 GVG ist ein erheblicher Angriff auf die Ordnung in der Sitzung, auf deren justizgemäßen Ablauf, auf den Gerichtsfrieden und damit auf die Ehre und Würde des Gerichts (OLG Stuttgart, a.a.O.)
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Das Gericht war zunächst berechtigt, vom Betroffenen das Aufsetzen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu verlangen (vergleiche Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 9.8.2021, 202 ObOWi 860/21, juris; OLG Celle, NdsRpfl 2021, 251). Soweit der Betroffene argumentiert, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung widerspräche § 176 Abs. 2 GVG, haben sich die beiden vorgenannten Oberlandesgerichte mit diesem Einwand in überzeugender Weise auseinandergesetzt. Hierauf kann verwiesen werden.
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Durch die Weigerung des Betroffenen, trotz mehrfacher Aufforderung die dem eigenen auch als dem Schutz der übrigen Beteiligten dienende Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen, hat der Betroffene den Ablauf der Sitzung nachhaltig gestört. Letztlich ist die Sitzung erst dann zur Sache fortgesetzt worden, als der Betroffene des Saales verwiesen worden war und in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.
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Auch der Höhe nach unterliegt das festgesetzte Ordnungsgeld keinen rechtlichen Bedenken.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Betroffene zu tragen, § 473 StPO, § 46 OWiG.
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Referenzen
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