Beschluss vom Oberlandesgericht Braunschweig (1. Strafsenat) - Ws 199 - 201/12
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 7. Mai 2012 wird als unzulässig verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Verurteilten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Gründe
I.
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1. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist allein das Ablehnungsgesuch des Verurteilten gegen die Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer. Soweit gegen die damit zusammenhängende Entscheidung über die Bestellung eines Bewährungshelfers ebenfalls bereits Beschwerde eingelegt ist, ist über eine etwaige Abhilfe unter Nachholung des rechtlichen Gehörs noch nicht entschieden, so dass der Senat mit dem Rechtsmittel insoweit noch nicht befasst ist.
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2. Mit Beschluss vom 28.12.2011 hat das Landgericht Braunschweig die Vollstreckung der Reste der nach Verbüßung von zwei Dritteln noch nicht vollstreckten Freiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Braunschweig vom 06.11.2002 (6 Ds 402 Js 7662/01) und vom 08.03.2006 (4 Ds 909 Js 451/06) sowie aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 27.10.2004 (8 Ds 113 Js 1152/04) zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Außer der Weisung, einen etwaigen Wechsel der Wohnung oder Arbeitsstelle mitzuteilen, enthielt der die Bewährungszeit ausgestaltende Beschluss, der so rechtskräftig wurde, zunächst nichts. Am 28.02.2012 stellte die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Antrag, den Bewährungsbeschluss um die Beiordnung eines Bewährungshelfers (§ 56d StGB) zu ergänzen. Mit dem Antrag wies die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass der Verurteilte eine frühere Bewährungszeit nicht straffrei durchgestanden habe und deshalb auf den Beistand eines Bewährungshelfers angewiesen sei. Dem kam die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 09.03.2012 nach, unterließ es jedoch, obwohl § 453 Abs. 1 Satz 2 StPO dies ausdrücklich vorschreibt, den Verurteilten zuvor anzuhören. Zur Begründung der nachträglichen Bestellung des Bewährungshelfers führte die Strafvollstreckungskammer aus, dass „der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines noch zu bestellenden Bewährungshelfers unterstellt wird, weil dies als flankierende und stabilisierende Maßnahme erforderlich ist (§ 56d StGB)“.
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Daraufhin lehnte der Verurteilte die den vorgenannten Beschluss unterzeichnende Richterin mit Schreiben vom 21.03.2012 wegen der Besorgnis der Befangenheit ab und legte gleichzeitig gegen den Beschluss vom 09.03.2012 Beschwerde ein.
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Der Verurteilte, der bereits im Jahr 2011 ein Befangenheitsgesuch gegen dieselbe Richterin eingereicht hatte, begründete sein Gesuch im Wesentlichen damit, dass er nicht angehört worden sei, der Beschluss die gesetzlichen Voraussetzungen des § 56d StGB nicht erfülle und keine für ihn nachvollziehbare Begründung enthalte. Er fühle sich durch den Beschluss „bewusst benachteiligt und diskriminiert“ und schließe nicht aus, dass die Richterin den Beschluss vom 09.03.2012 nur gefasst habe, um sich wegen seines Befangenheitsgesuchs aus dem Jahre 2011 „subtil zu rächen“.
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Nach Einholung einer dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin hat das Landgericht den Befangenheitsantrag des Verurteilten mit Beschluss vom 07.05.2012 als unbegründet zurückgewiesen und hat den Verurteilten sogleich darüber belehrt, dass gegen diese Entscheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben sei.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 21.05.2012, die er mit einem Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs (§ 33a StPO) verbunden hat.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als bereits unzulässig zu verwerfen.
II.
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Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil die angefochtene Entscheidung eine erkennende Richterin betrifft und deshalb nur zusammen mit der Endentscheidung angefochten werden kann.
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Ob § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO im Vollstreckungsverfahren überhaupt - entsprechende - Anwendung findet, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung allerdings höchst umstritten.
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Während bspw. die Oberlandesgerichte Hamm (Beschluss vom 25.06.2009, 2 Ws 172/09; juris), Zweibrücken (Beschluss vom 26.11.2007, 1 Ws 479/07; juris) und Saarbrücken (Beschluss vom 06.02.2007, 1 Ws 18/07; juris) § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nur im Erkenntnisverfahren anwenden wollen und eine entsprechende Anwendung im Vollstreckungsverfahren ablehnen, sprechen sich u.a. das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 01.10.1986, 1 Ws 859/86; juris), das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 22.01.2003, 1 AR 63/03) und das Brandenburgische Oberlandesgericht (Beschluss vom 15.07.2004, 1 Ws 99/04; juris) für eine entsprechende Anwendung aus. Der Senat schließt sich dieser letztgenannten Ansicht, die in der Literatur nahezu einhellig vertreten wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 28, Rdnr. 6a; Fischer in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage, § 28, Rdnr. 5; Siolek in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 28, Rdnr. 16; Alexander in Radke/Hohmann, StPO, Rdnr. 6 zu § 28; a.A. aber: Temming in Heidelberger Kommentar, StPO 4. Aufl., Rdnr. 9 zu § 28), an.
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§ 28 Abs. 2 S. 2 StPO trägt dem Gedanken der Prozesswirtschaftlichkeit (Meyer-Goßner, a.a.O.) Rechnung und begrenzt im Interesse einer möglichst raschen Entscheidung deswegen die Möglichkeit, gegen eine auf ein Ablehnungsgesuch ergangene Entscheidung Rechtsmittel einlegen zu können. Auch wenn damit - schon nach dem Wortlaut der Vorschrift - die ungehinderte, störungsfreie und beschleunigte Hauptverhandlung, die nicht beliebig unterbrochen werden kann (Siolek, a. a. O.), also das Erkenntnisverfahren gemeint ist, besteht das in der Regelung zum Ausdruck gekommene Bedürfnis der eingeschränkten Nachprüfung einer Vorabentscheidung im Vollstreckungsverfahren gleichermaßen. Im Rahmen von nach § 305 StPO zu bewertenden Zwischenentscheidungen der Strafvollstreckungskammer ist dies unbestritten (vgl. OLG Hamm, NStZ 1987, 93; Appl in Karlsruher Kommentar, StPO 6. Aufl., Rdnr. 34 zu § 454).
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Eine Vielzahl der ihr obliegenden Entscheidungen trifft die Strafvollstreckungskammer aufgrund einer mündlichen Anhörung, bspw. bei Aussetzung eines Strafrestes (§ 454 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 StPO) oder Entscheidungen zur Fortdauer einer Maßregel (§§ 463 StPO, 67e StGB), wobei im Regelfall andere Beteiligte (Bewährungshelfer, Sachverständige, behandelnde Ärzte usw.) an der Anhörung teilnehmen. Häufig stehen die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer, bspw. bei der Frage, ob eine Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug erfolgen kann, ob eine bewilligte Straf- oder Maßregelaussetzung zum Schutz der Allgemeinheit zu widerrufen ist oder ob Maßnahmen der sog. Krisenintervention zu ergreifen sind, unter faktischem oder auf gesetzlicher Regelung beruhendem Zeitdruck. Überschreitet die Strafvollstreckungskammer bspw. die ihr durch § 67e Abs. 2 StPO gesetzten Überprüfungsfristen, kann das in besonderem Maße geschützte Freiheitsrecht des Betroffenen dadurch verletzt sein (BVerfG, Beschluss vom 29.11.2011, 2 BvR 1665/10; juris). Der Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit lässt sich daher in jeder Hinsicht auch auf das Vollstreckungsverfahren übertragen und rechtfertigt damit auch die entsprechende Anwendung des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zugleich ist dies mit dem Vorteil verbunden, dass diese Vorschrift dann gleichermaßen ausgelegt und angewendet wird, wie bei der Anfechtbarkeit von (sonstigen) Zwischenentscheidungen der Strafvollstreckungskammer die Vorschrift des § 305 StPO (siehe oben).
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Die insoweit hierzu teilweise in der Rechtsprechung abweichend vertretene Ansicht, die den Begriff des erkennenden Richters in § 305 StPO anders auslegt als in § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO und teilweise sogar noch nach der Verfahrensart differenziert, in der die Strafvollstreckungskammer tätig wird (vgl. HansOLG Hamburg, ZfStrVo 1995, 184; OLG München, Beschluss vom 18.03.1998, 2 Ws 87/88, juris), führt demgegenüber zu einer unübersichtlichen und damit - aus Sicht eines Beschwerdeführers - nicht praxistauglichen Zersplitterung der Rechtswege (vgl. dazu Brandenburgisches OLG, a. a. O., KG Berlin, a. a. O.).
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Der Senat schließt sich daher der zuletzt genannten Rechtsprechung an und behandelt die Strafvollstreckungskammer somit uneingeschränkt wie ein erkennendes Gericht, was im vorliegenden Fall dann aber die Unzulässigkeit des Rechtsmittels zur Folge hat.
III.
- 15
Eine Kostenentscheidung - die gem. § 473 Abs. 1 StPO zu treffen gewesen wäre - war im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer abweichend erteilte Rechtsmittelbelehrung nicht veranlasst (§ 21 GKG - vgl. Hartmann, Kostengesetze 41. Aufl., Rdnr. 31).
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