Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (6. Zivilsenat) - 6 W 197/12

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1 trägt die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu 3 bis 5.

Beschwerdewert: 20.000 €

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Die Tatsachen zur Begründung des Hauptantrags der Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Erbscheins, der sie - die Beteiligte zu 1 - zur Hälfte als Voll- und zur Hälfte als Vorerbin ausweist, über den allein das Amtsgericht entschieden hat, sind nicht für festgestellt zu erachten (§ 2359 BGB). Die Beteiligte zu 1 ist insgesamt nur befreite Vorerbin des Erblassers bei Nacherbfolge ihrer Tochter, der Beteiligten zu 2, zu ein Halb und ihrer Enkel, Kinder ihres vorverstorbenen Sohnes J., der Beteiligten zu 3 bis 5 zu je einem Sechstel aufgrund des Erbvertrages vom … 1989, den der Erblasser, die Beteiligten zu 1 und 2 sowie J. E. geschlossen haben. Die Bestimmung der Beteiligten zu 1 zur alleinigen Vollerbin durch den Erblasser in beider gemeinschaftlichem Testament vom … 2002 ist nicht nur insoweit unwirksam, als sie die vertragsmäßige Einsetzung der Beteiligten zu 2 als Nacherbin nach dem Erblasser zur Hälfte beeinträchtigt, sondern auch insoweit, als die vertragsmäßige Bestimmung der Beteiligten zu 3 bis 5 zu Ersatznacherben anstelle J. E. betroffen ist, den für die andere Hälfte in dem Erbvertrag vertragsmäßig vorgesehenen Nacherben (§ 2289 Abs. 1 Satz 1, 2 Halbs. 1 BGB).

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a) Aufgrund der Auslegungsregel des § 2069 BGB ist anzunehmen, dass die Beteiligten zu 3 bis 5 als die Abkömmlinge ihres durch seinen Tod nach dem Erbvertrag vom 11. Monatsname 1989 am 9. Monatsname 2001 als Nacherbe weggefallenen Vaters J. E. als vertragsmäßige Nacherben des Erblassers insoweit an jenes Stelle getreten sind, als sie den Erblasser anstelle ihres Vaters kraft Gesetzes beerbten.

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aa) Diese Auslegungsregel erfasst die vertragsmäßige Bindung des Erblassers gegenüber den Beteiligten zu 3 bis 5, obwohl diese an dem Erbvertrag nicht beteiligt sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof (Beschl. v. 16. Jan. 2002, IV ZB 20/01, zit. nach juris: Rn. 17) die Annahme der Bindungswirkung an eine nur mit Hilfe der Auslegungsregel des § 2069 BGB gewonnene Einsetzung von Verwandten des erstversterbenden Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament für den von diesem bedachten überlebenden Ehegatten und das Oberlandesgericht München (Beschl. v. 28. Sep. 2011, 31 Wx 216/11) für einen Erbvertrag dieses Inhalts zwischen Ehegatten ablehnen. Der Grund dafür, dass allein das Zusammenwirken zweier Auslegungsregeln, die des § 2069 BGB und die des § 2270 Abs. 2 Fall 2 BGB, nicht ohne Rücksicht auf die Ermittlung eines wenigstens hypothetischen Willens der Testierenden zur Bindung an die Erbfolge im gemeinschaftlichen Testament nicht erwähnter Personen führen darf, trifft auf die Bindung an eine einzelne vertragsmäßige Verfügung in einem Erbvertrag, wenn an die Stelle des durch diese Bedachten dessen Abkömmlinge treten, nicht zu. Diese Bindung ergibt sich nicht aus einer Auslegungsregel, sondern aus vertraglicher Vereinbarung zugunsten des Weggefallenen. Denn die Vorschrift des § 2279 Abs. 1 BGB verweist für vertragsmäßige Verfügungen einschränkungslos auf die Vorschriften, die für (einseitige) letztwillige Zuwendungen gelten und damit auf § 2069 BGB. Hätte die Verweisung nur klarstellende Bedeutung und keinen eigenständigen Regelungsgehalt, namentlich des Inhalts, dass sie die Vertragsmäßigkeit letztwilliger Verfügungen über die Auslegungsregel des § 2069 BGB auf Abkömmlinge des vertragsmäßig Bedachten erstreckt, wäre sie überflüssig. Die Überstellung der Frage, ob die Regelung als selbstverständlich zu streichen sei, an die Redaktionskommission (Prot. V S. 373), spricht nicht dafür, dass bei jener nur an Klarstellung gedacht war. Aus den Motiven (V S. 320) ergibt sich durch Verweisung auf diejenigen Mommsens (Mot. S. 267), dass die mit dem Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs Befassten den Inhalt des einseitig testamentarischen und des erbvertraglichen Rechtsgeschäfts als inhaltsgleich angesehen und nur bezüglich Bedingungen für die erbvertragliche Verfügung Ausnahmen für nötig befunden haben.

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bb) Der Nacherbteil des Vaters der Beteiligten zu 3 bis 5 ist nicht der Beteiligten zu 2 angewachsen (§ 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Recht der Beteiligten zu 3 bis 5 als Ersatznacherben des Erblassers für ihren Vater geht dem Anwachsungsrecht der Beteiligten zu 2 vor (§ 2099 BGB).

6

b) Der Auslegungsregel des § 2069 BGB gegenüber ist dem Erbvertrag nicht der vorrangige Wille des Erblassers zu entnehmen (§ 133 BGB), die Abkömmlinge seines Sohnes von der Erbfolge auszuschließen.

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aa) Kein Anzeichen dafür ist, dass der Erblasser Enkel zu Ersatznacherben nicht bestimmt hat, obwohl drei seiner sechs Enkel schon geboren waren, als er den Erbvertrag schloss. Zum einen war sein Sohn bei Abschluss des Erbvertrages noch kinderlos, zum anderen mit dessen Ableben vor ihm - dem Erblasser - aus seiner - des Erblassers - Sicht nicht zu rechnen. Der Erblasser war nahezu 32 Jahre älter als sein Sohn.

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bb) Der Wille des Erblassers am … 2002, als er zusammen mit seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 1, testierte, den Stamm seines Sohnes, der drei Mädchen hinterließ, nicht zu bedenken, lässt nicht auf den allein maßgeblichen Willen des Erblassers schließen, als er den Erbvertrag schloss. Sein Wille damals konnte sich bis zum … 2002 geändert haben, was sogar naheliegt. Erst der Tod seines Sohnes am … 2001 mag ihn auf den Gedanken gebracht haben, dessen Stamm bei der Erbfolge nach ihm - dem Erblasser - nicht mehr zu berücksichtigen.

9

cc) Das Vorbringen der Beteiligten zu 1, dass das Mehrfamilienhausgrundstück R. in A. ihrer und des Erblassers Altersversorgung habe dienen und ihrer beider Sohn in das auf eigenem weiteren Grundstück betriebene Architekturbüro des Erblassers habe hineinwachsen sollen, gibt für den Willen des Erblassers bei Abschluss des Erbvertrages, Kinder seines Sohnes von der Erbfolge auszuschließen auch vor dem Hintergrund nichts her, dass die Kinder des Erblassers als dessen Nacherben unter Einlage des Nachlasses eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Zweck der Verwaltung des geerbten Vermögens gründen sollten. Die Frage, wer dem Erblasser als Nacherbe folgte, stellte sich erst, nach dessen und der Beteiligten zu 1 Tode, wenn die Frage beider Altersversorgung keine Rolle mehr spielte. Auch wenn der Sohn des Erblassers als Unternehmensnachfolger ausschied und die Gründung einer Gesellschaft mit ihm nicht möglich war, folgte daraus nicht, dass allein die Tochter, die Beteiligte zu 2, Nacherbin wurde. Der dem Erbvertrag zu entnehmende Wille, dass nur die Kinder des Erblassers zur Verwaltung dessen Nachlasses als Nacherben vorgesehen waren und keine anderen Personen, bedeutet nicht, dass andere Personen, namentlich die Beteiligten zu 3 bis 5, als Ersatznacherben nicht in Betracht kamen. Die Verwaltung des Nachlasses und von dem Erblasser weiter gewünschte Erhaltung des Grundeigentums war, wenn die Beteiligte zu 2 ihn allein als Nacherbin beerbte, ebenso wenig gewährleistet wie bei Nacherbfolge der Beteiligten zu 2 und derjenigen zu 3 bis 5. Im ersten Fall gab es niemanden, der die Veräußerung der Nachlassgegenstände verhindern konnte, im zweiten Falle drohte deren Umsetzung in Geld im Wege der Erbauseinandersetzung, zumal der Erhalt des Grundeigentums schon in der Person der Beteiligten zu 1 nicht gesichert ist. Als befreite Vorerbin (§ 2113 Abs. 1, § 2136 BGB) kann sie sämtliches Grundeigentum entgeltlich veräußern, ohne dass die Veräußerungen bei Eintritt des Nacherbfalls unwirksam sind.

10

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 84 FamFG.

11

Die Entscheidung über den Beschwerdewert beruht auf § 30 Abs. 1 Halbs. 1, § 131 Abs. 4 KostO. Ausgehend von dem von der Beteiligten zu 1 angegebenen Wert des reinen Nachlasses von 300.000 € war ihr Interesse, zur Hälfte ihres Erbes als Voll- statt nur befreite Vorerbin ausgewiesen zu sein, mit 20 % des hälftigen Wertes zu veranschlagen (vgl. Beschl. d. Sen. v. 22. Mrz. 2012, 6 W 47/12), wovon ein Drittel abzuziehen war wegen der eingeschränkten Funktion des Erbscheins (nur Legitimationswirkung).

 


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