Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 6 U 103/99
Tenor
1
Entscheidungsgründe
2I.
3Der Beklagte erwarb Anfang 1997 in ein am ...-Kanal gelegenes Grundstück, zu dem ein seinerzeit mit Pappeln bepflanzter Hochwasserschutzwall gehört. Neben diesem stellte der Kläger, der auf einem Teil des Grundstücks als Pächter eine Gaststätte betreibt, um die Jahresmitte 1997 einen Wohnwagen mit Vorzelt ab. Anfang Januar 1998 stürzte bei einem Sturm eine Pappel um und fiel auf den Wohnwagen, der dadurch stark beschädigt wurde.
4Mit dem Vorwurf, der Beklagte habe in Bezug auf die Pappeln seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, hat der Kläger ihn auf Schadensersatz in Höhe von 14.922,45 DM in Anspruch genommen.
5Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten, wie sie von der Rechtsprechung bezüglich der von Bäumen ausgehenden Gefahren konkretisiert worden seien, sei nicht dargelegt.
6Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter und macht geltend, der Beklagte habe während seiner Besitzzeit ab Anfang 1997 keinerlei Kontrollen vorgenommen; außerdem sei bei Pappeln eine höhere Sorgfalt angezeigt; eine Sichtkontrolle und ein Zurückschneiden hätten im vorliegenden Fall nicht ausgereicht, weil die später umgestürzte Pappel weitgehend trocken gewesen sei; sie habe Anzeichen für mangelnde Lebensfähigkeit und erhöhte Umsturzgefahr gezeigt.
7Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er behauptet, er habe die erforderlichen Sichtkontrollen durchgeführt, und bestreitet, daß Anzeichen von Krankheit oder sonst mangelnder Standfestigkeit sich gezeigt hätten. Er macht geltend, gegebenenfalls treffe den Kläger ein wesentliches Mitverschulden, und er bestreitet die Schadenshöhe.
8Der Senat hat die Parteien angehört und ein mündliches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.
9II.
10Die Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet.
11Der Beklagte ist dem Kläger gemäß §§ 823, 535, 581 BGB und nach den Regeln über die positive Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet, weil er seinen Sorgfaltspflichten als Grundstückseigentümer und Verpächter nicht hinreichend nachgekommen ist. Der Kläger muß jedoch gemäß § 254 BGB ein Drittel seines Schadens selbst tragen, weil auch er die Anzeichen für die mangelnde Standsicherheit der später umgestürzten Pappel hätte erkennen können.
12Der Beklagte war sowohl als Grundstückseigentümer im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht wie auch als Verpächter gegenüber dem Kläger als Pächter gehalten, Vorkehrungen gegen die Gefahren zu treffen, die durch ein Umstürzen von Pappeln auf dem Gelände entstehen konnten, welches zum Teil vom Beklagten und zum anderen Teil vom Kläger als Pächter genutzt wurde (zur Verkehrssicherungspflicht auf einem verpachteten Grundstück vgl. OLG Zweibrücken, VersR 94, 1489; OLG Düsseldorf, OLGR 94, 147). Ebenso wie bei Straßenbäumen wäre grundsätzlich zweimal jährlich durchgeführte Sichtkontrollen ausreichend gewesen (vgl. OLG Hamm - 9. ZS - OLGR 97, 67; OLG Karlsruhe VersR 94, 358 mit Anmerkung Breloer; OLG Hamm, - 9. ZS - VersR 98, 188 mit Anmerkung Breloer). Eingehende Untersuchungen müssen nur dann vorgenommen werden, wenn bestimmte Umstände auf eine besondere Gefährdung hindeuten.
13Im vorliegenden Fall steht auf Grund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... fest, daß der Beklagte entweder keine hinreichenden Sichtkontrollen durchgeführt hat, oder daß er seine eigene Sachkunde in vorwerfbarer Weise überschätzt hat und deswegen die äußerlich sichtbaren Krankheitsanzeichen an der Pappel übersehen hat, die infolge fortgeschrittener innerlicher Verrottung nicht mehr hinreichend standfest war und deswegen beim Sturm abgebrochen und auf den Wohnwagen des Klägers gefallen ist. Der Sachverständige hat anhand der Lichtbilder, die außer dem beschädigten Wohnwagen auch die Reste der beim Sturm umgestürzten Pappel zeigen, überzeugend erläutert, daß auch vorher schon hinreichend deutliche Krankheitsanzeichen sichtbar waren, die bei sorgfältiger Sichtkontrolle hätten entdeckt werden können. Zu einer derart sorgfältigen Sichtkontrolle bestand hier zum einen deswegen Veranlassung, weil nach übereinstimmender Darstellung der Parteien die umgestürzte Pappel nicht zu der Reihe der auf dem Hochwasserschutzdamm gepflanzten Pappeln gehörte, sondern kleiner als diese und deswegen in besonderer Weise ihrem Schatten ausgesetzt war. Zum anderen war Sorgfalt auch deswegen geboten, weil Pappeln bekanntermaßen zu den anfälligeren Gehölzen gehören (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 94, 358; OLG München, DAR 85, 25; OLG Düsseldorf, VersR 96, 249 = OLGR 95, 66). Wäre der Beklagte seiner Verpflichtung zur Vornahme sorgfältiger Sichtkontrollen in ausreichendem Maße nachgekommen, so wären - davon ist der Senat auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen überzeugt - die äußerlich sichtbaren Krankheitsanzeichen erkannt worden, und bei einer anschließenden eingehenden Untersuchung wäre die mangelnde Standfestigkeit der Pappel rechtzeitig entdeckt worden, was wegen des Ausmaßes ihrer innerlichen Verrottung entweder zu ihrer Abholzung oder zumindest zum Entfernen des darunter abgestellten Wohnwagens geführt hätte.
14Gemäß § 254 BGB muß der Kläger aber ein Teil seines Schadens selbst tragen. Er war nicht nur als Pächter neben den Beklagten ebenfalls für die Verkehrssicherheit des Grundstücks verantwortlich, sondern war auch im eigenen Interesse gehalten, seinen Wohnwagen keinen vermeidbaren Gefahren auszusetzen.
15Im Fall der Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks an einen Dritten hängt die Verteilung der Verantwortlichkeit zwischen Eigentümer und Pächter von den Umständen ab. Im Falle einer langandauernden Verpachtung und alleinigen Nutzung des Grundstücks durch den Pächter mag es im Einzelfall angemessen erscheinen, ihm im Verhältnis zum Verpächter die überwiegende oder alleinige Verantwortlichkeit zuzuweisen. Hier lag aber die Grundstücksüberlassung erst kurze Zeit zurück, und es kommt entscheidend hinzu, daß der Beklagte selbst einen Teil des insgesamt übersichtlichen Grundstücks bewohnte. Unter diesen Umständen erschien es dem Senat sachgerecht, ihm im Verhältnis zum Kläger die überwiegende Verantwortlichkeit zuzuweisen und dessen Schadensersatzanspruch wegen seiner Mitverantwortlichkeit um ein Drittel zu kürzen.
16Da der Kläger seinen Wohnwagen nicht hat reparieren lassen, sondern ihn in beschädigtem Zustand verkauft hat, ist zwischen den beiden Möglichkeiten der Naturalrestitution - Reparatur oder Ersatzbeschaffung - ein strenger Kostenvergleich vorzunehmen (vgl. BGH NJW 92, 302 = r+s 92, 15; Senat r+s 99, 326). Dieser führt dazu, daß nicht die geltend gemachten Reparaturkosten von 14.922,45 DM zugrundezulegen sind, sondern die Differenz zwischen dem mit 16.000,00 DM festgestellten Wiederbeschaffungswert und dem Restwert. Für dessen Höhe ist nicht das Restwertangebot in Höhe von 4.500,00 DM maßgeblich, welches der vom Haftpflichtversicherer des Beklagten beauftragte Schadensgutachter von der Firma ... eingeholt hat, zumal nicht ersichtlich ist, ob und wann es dem Kläger zugegangen ist (zur Bedeutung des Restwertsangebots vgl. im übrigen Senat, r+s 99, 326), sondern der Erlös von 3.500,00 DM, den der Kläger im Rahmen der ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten erzielt hat (vgl. LG Freiburg, DAR 99, 408). Es ergibt sich demgemäß ein berücksichtigungsfähiger Schaden von 12.500,00 DM, den der Beklagte entsprechend seiner Haftungsquote von 2/3 dem Kläger in Höhe von 8.333,33 DM zu ersetzen hat.
17Die Zinsentscheidung und die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 284, 288 BGB, §§ 92, 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.
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Referenzen
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