Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 28 U 195/12
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.08.2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.
1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.300 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2011 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Volkswagen-C, Fahrzeug-Ident-Nr.: ############### mit dem seinerzeitigen amtlichen Kennzeichen ####### zu zahlen.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 361,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.02.2012 zu zahlen.
3.
Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug mit der Rücknahme des in Ziffer 1) bezeichneten Kraftfahrzeuges befindet.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklage.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e
2A.
absatzRechts">3"absatzLinks">Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.
4B.
5Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
satzRechts">6I.
7Der Kläger hat gegen den Beklagten aus §§ 437 Nr. 2, 323, 346, 434 BGB Anspruch auf Rückabwicklung des am 15.09.2011 geschlossenen Kaufvertrages, mit dem er von dem Beklagten den streitgegenständlichen Pkw VW C zum Kaufpreis von 9.900 € erworben hat.
8Die Voraussetzungen für einen Rücktritt lagen bei dessen Erklärung durch den Kläger am 28.10.2011 vor, so dass entgegen der Auffassung des Landgerichts die mit der Klage begehrte Rückabwicklung des Vertrages verlangt werden kann.
91.
10Der streitbefangene C war bei Übergabe an den Kläger am 15.09.2011 mangelhaft im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.
11a)Laut Kaufvertrag war allerdings kein unfallfreies Fahrzeug geschuldet. Denn die Parteien haben mit der in den (Formular-)Kaufvertrag ausdrücklich in den Rubriken „ I.1. Der Verkäufer garantiert…“ und „ I.2. Der Verkäufer erklärt…“ aufgenommenen Angabe „behobener Seitenschaden L/R“ als negative Beschaffenheit des Fahrzeugs festgelegt, dass dieser auf beiden Seiten einen (Vor-)Schaden erlitten haben sollte; zudem ist in der Vertragsbestandteil gewordenen „Sondervereinbarung“ das Fahrzeug ausdrücklich als Unfallfahrzeug („Das Fahrzeug wird als Unfallwagen mit repariertem Vorschaden verkauft (L/R Streifschaden“)) beschrieben.
12Wie den vorzitierten Angaben allerdings zu entnehmen ist, sollte nach den Parteieerklärungen der Vorschaden behoben bzw repariert worden sein, was ebenfalls eine – von der Basis „Unfalleigenschaft“ wiederum positiv abweichende - Beschaffenheitsvereinbarung darstellt.
13Dabei kommt dieser Erklärung – aus der maßgeblichen Sicht des Erwerbers, also des Klägers (hierzu Reinking/Eggert : 12. Auflage 2014, Rn 3134) – unter Berücksichtigung aller weiteren maßgeblichen Begleitumstände die Bedeutung zu, dass der Seitenschaden nicht nur behoben, sondern fachgerecht behoben worden sein sollte. Denn der C ist vom Beklagten in der Internetanzeige aus September 2011 nicht als Billigangebot, sondern mit einer Preisvorstellung von 11.500 € als „scheckheftgepflegter“ VW-Vorführwagen vorgestellt worden, dem erst ein Monat zuvor eine neue „TÜV“-Plakette erteilt worden war. In einem solchen Kontext kann ein verständiger Käufer erwarten, dass er ein voll gebrauchstüchtiges und nach erfolgter Reparatur ordnungsgemäß instand gesetztes Fahrzeug erhält (vgl. Senat in NJW-RR 2005,1220; KG in DAR 2011,639), das keine als Sachmängel zu qualifizierenden Reparaturmängel aufweist (Reinking/Eggert, aaO., Rn.3172).
14Eine abweichende Bewertung ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil der C in der Sondervereinbarung zum Kaufvertrag ausdrücklich als „Unfallwagen“ bezeichnet worden ist. Auch ein sach- und fachgerecht repariertes Unfallfahrzeug ist und bleibt ein Unfallfahrzeug, worüber aufgeklärt werden muss; zur Qualität der Reparatur ist mit der Bezeichnung „Unfallwagen“ nichts gesagt.
15Der Umstand, dass der Beklagte den ursprünglich angegebenen Kaufpreis in den Vertragsverhandlungen um 1.600 € auf 9.900 € reduzierte, bot angesichts der erstmals telefonisch bzw vor Ort offenbarten Unfalleigenschaft und weiterer kleinerer Unzulänglichkeiten (Airbags außer Betrieb, defekte Feder auf der Beifahrerseite) ebenfalls keine Veranlassung für den Kläger, mit einem darüber hinausgehenden Defizit in Form einer technisch nicht fachgerechten Reparatur des Unfallschadens rechnen zu müssen.
16Dem Beklagten hilft entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht, dass der Kläger unstreitig vor Vertragsschluss auf Unregelmäßigkeiten im Lack aufmerksam geworden ist und der Beklagte ihm insoweit zugab, er sei selber mit der Reparatur nicht ganz zufrieden. Hierdurch mögen etwaige äußerliche Negativabweichungen bei der Qualität der Lackierung des Fahrzeuges klägerseits in Kauf genommen und toleriert worden sein. Darüber hinausgehende Sachmängel bei der Durchführung der Reparatur – insbesondere aus technischer Sicht unfachmännisch vorgenommene Arbeiten „in der Tiefe“, also an der Karosserie – musste ein verständiger Käufer nach Treu und Glauben bei dem Fahrzeug aber deshalb nicht erwarten.
17b)Der also von den Parteien dem Kaufvertrag zu Grunde gelegten Beschaffenheitsvereinbarung („fachgerecht repariert“) entsprach der C bei Übergabe an den Kläger nicht.
18Wie nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. V vom 11.07.2013 feststeht, ist der C gerade nicht fachgerecht in Stand gesetzt worden. Der Sachverständige hat unter Darlegung im Einzelnen festgestellt, dass insgesamt eine nicht sachgerechte und unvollständige Reparatur vorliege; die Kotflügel seien nicht – wie es angesichts des Beschädigungsgrades erforderlich gewesen wäre – ausgetauscht, sondern nur großzügig verspachtelt worden, die Türgrundkörper wiesen Restverformungen auf und die Türaußenbleche zeigten Spaltunregelmäßigkeiten. Insgesamt entsprächen – so der Sachverständige – die Arbeiten weder den Regeln der Handwerkskunst, noch den Herstellervorgaben.
19Anhaltspunkte, die Anlass bieten könnten, an der Richtigkeit der sorgfältig begründeten und durch Lichtbilder untermauerten Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Die Ausführungen des Sachverständigen sind auch von keiner Partei angegriffen worden.
202.
21Eine Frist zur Nacherfüllung (§ 323 Abs. 1 BGB) musste der Kläger dem Beklagten nicht mehr setzen, nachdem dieser mit Schreiben vom 03.11.2011 seine Einstandspflicht ernsthaft und endgültig verweigert hatte, § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
223.
23Dem klägerseits erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag stehen auch keine Ausschlussgründe entgegen.
24Fehlt einem Kaufgegenstand wie hier eine vereinbarte Beschaffenheit, wird hierdurch in der Regel die Erheblichkeit der Pflichtwidrigkeit indiziert (BGH in NJW-Rr 2010,1289), so dass der Rückabwicklung § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht entgegengehalten werden kann.
25Auch der formularmäßig vereinbarte Ausschluss der Gewährleistung hilft dem Beklagten nicht weiter: Er greift nach inzwischen ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dann nicht, wenn dem Kaufgegenstand – wie hier - eine vertraglich vereinbarte Beschaffenheit fehlt (BGH in NJW 2007,1346).
26Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Rücktritt sei gemäß § 442 BGB wegen Kenntnis des Klägers ausgeschlossen.
27Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger positiv wusste, dass die Reparaturarbeiten entgegen dem durch Beschreibung und Preis des Fahrzeugs erweckten Eindruck nicht sach- und fachgerecht ausgeführt worden waren, hat der Beklagte – insoweit darlegungs- und beweisbelastet (Reinking/Eggert, aaO., Rn 3915) – nicht mit Substanz vorgetragen. Allein der Umstand, dass dem Kläger Unregelmäßigkeiten der Lackierung vor Vertragsschluss aufgefallen sind, läßt nicht darauf schließen, dass er von den weiteren schwerwiegenden Reparaturmängeln, wie sie nach dem Gutachten des Sachverständigen V vorhanden sind, Kenntnis gehabt hat.
28Auf grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers – für die der Beklagte im Übrigen ebenfalls nichts von Substanz vorgetragen hat – kann der Beklagte sich ebenfalls nicht berufen. Denn er hat nach dem Wortlaut des Kaufvertrages eine Garantie für den – während seiner Besitzzeit und auf seine Veranlassung hin - behobenen Seitenschaden übernommen („ Der Verkäufer garantiert“), § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB; das schließt eine Berufung auf grob fahrlässige Kenntnis aus..
294.
30In der Rechtsfolge kann der Kläger von dem Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitbefangenen Fahrzeugs verlangen, § 346 BGB. Ob neben dem in der unfachmännisch durchgeführten Reparatur liegenden Sachmangel weitere Sachmängel des verkauften Fahrzeugs bei Übergabe vorhanden waren (Stichwort : falsches Erstzulassungsdatum, gewerbliche Nutzung) bedarf keiner abschließenden Entscheidung mehr.
31II.
321.
33Der Kläger kann von dem Beklagten ferner den Ersatz der im Vertrauen auf den Bestand des Vertrages getätigten Aufwendungen zur Reparatur der Airbags und der gebrochenen Feder von 400 € aus §§ 284, 437 Nr. 3, 434 BGB verlangen. Ein Verschulden des Beklagten in Bezug auf die in der Übereignung eines mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung wird vermutet, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB (Reinking/Eggert, aaO, Rn 3807).
34Anfall und Höhe der Kosten sind vom Beklagten nicht bestritten worden.
352.
36Die geltend gemachten Zinsen auf den Kaufpreis bzw die zu erstattenden Aufwendungen schuldet der Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 280, 286 BGB. Spätestens ab dem 16.11.2011 befand sich der Beklagte mit der Zahlung in Verzug, weil er mit Anwaltsschreiben vom 03.11.2011 alle Ansprüche zurückgewiesen hat, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.
373.
38Abhängig vom Bestand der Hauptforderung steht dem Kläger außerdem der in der Höhe nicht zu beanstandende Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten zu, weil die Einschaltung eines Rechtsanwaltes zur Verfolgung seiner Ansprüche erforderlich gewesen ist (§ 437 Nr. 3, 280 BGB). Diese Forderung ist aus Verzugsgesichtspunkten ab Rechtshängigkeit in gesetzlicher Höhe zu verzinsen, § 286 Abs. 1 Satz 2 ,288 BGB.
394.
40Der nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges ist nach den §§ 293 ff. BGB begründet. Der Beklagte ist mit der Rücknahme des C in Annahmeverzug geraten, als er die von dem Kläger mit Schreiben vom 28.10.2011 gesetzte Frist ungenutzt verstreichen ließ.
41C.
421.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
44Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
452.
46Die Revision war nicht zuzulassen.
47Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).
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Referenzen
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- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
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