Hinweisschreiben vom Oberlandesgericht Hamm - 31 U 74/14
Tenor
Es handelt sich um ein Hinweisschreiben.
Aufgrund des Hinweisschreibens wurde die Berufung zurückgenommen.
1
der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Klage ist begründet. Die Hilfswiderklage ist unbegründet.
2I. Dem Kläger steht im Hinblick auf den Darlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach den §§ 495 I, 355 BGB zu, welches er mit seinem Schreiben vom 14.01.2013 (K 5) wirksam ausgeübt hat.
31. Bei dem Darlehensvertrag, den der Kläger im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der N Beteiligungs GmbH & Co Verwaltungs GmbH (HL-Fonds Nr. ##) abgeschlossen hat, handelte es sich unstreitig um einen Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 I BGB.
42. Den Widerruf hat der Kläger rechtzeitig erklärt, weil mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung bezüglich beider Darlehensverträge der Lauf der Widerrufsfrist nicht begonnen hatte (§ 355 II 1 BGB).
5Die Widerrufsfrist beginnt nach § 355 II 1 BGB mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BGH muss die Widerrufsbelehrung umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Belehrung von Bedeutung sind und deshalb von ihr ablenken oder den Verbraucher verwirren können (BGH, Urteil vom 18.03.2014, II ZR 109/13, Juris Rz. 15; BGH, Urteil vom 13.01.2009, XI ZR 118/08 Juris Rz. 14 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügte die im vorliegenden Verfahren verwendete Widerrufsbelehrung nicht, was das Landgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt hat und was von der Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht weiter beanstandet wird.
63. Die Finanzierungsverträge haben sich durch den wirksamen Widerruf in Rückabwicklungsverhältnisse umgewandelt. Die Rechtsfolgen richten sich nach den §§ 357, 358, 346 ff. BGB.
7a) Dass der Beitritt zu dem Fonds und der Finanzierungsvertrag verbundene Geschäfte im Sinne von § 358 III BGB darstellen, sind unstreitig. Der wirksame Widerruf der Kläger führt deshalb dazu, dass die Beklagte nach § 358 IV 3 BGB im Verhältnis zum Kläger in die Rechte und Pflichten des jeweiligen Fonds aus dem verbundenen Vertrag eintritt
8b) Nach dem wirksamen Widerruf hat der Kläger als Verbraucher gegen die Beklagte als finanzierende Bank grundsätzlich einen Anspruch auf Rückerstattung aller aus seinem Vermögen an den Darlehensgeber und Unternehmer erbrachten Leistungen. Dieser Betrag beläuft sich nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Landgerichts noch auf 3.938,81 €.
9c) Dem Zahlungsanspruch des Klägers steht keine Anrechnung von Steuervorteilen entgegen (§ 347 BGB). Es steht schon nicht fest, dass der Kläger durch die Beteiligung an dem streitgegenständlichen Fonds überhaupt außergewöhnlich hohe Steuervorteile erzielt hat.
10Ob eine spätere Minderung oder Beseitigung des eingetretenen Vermögensschadens den Schadensersatzanspruch beeinflusst, ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung zu beurteilen. Danach sind Wegfall oder Minderung des Schadens nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang zu dem schädigenden Ereignis stehen. Außerdem muss die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten. Zu solchen auf den Schadensersatzanspruch eines Geschädigten anzurechnenden Vorteilen gehören grundsätzlich auch Steuern, die der Geschädigte infolge der Schädigung erspart hat (BGH, Urteil vom 15.07.2010 - III ZR 336/08, Juris Rz. 35). Allerdings muss bei der Betrachtung möglicher Steuervorteile auch berücksichtigt werden, ob dem Geschädigten aus der Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs und dessen Gestaltung steuerliche Nachteile erwachsen, sei es durch eine Nachforderung des Finanzamtes, sei es durch eine Besteuerung der Schadensersatzleistung (BGH, a.a.O., Juris Rz. 36). Eine Anrechnung von Steuervorteilen kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt (BGH, Urteil vom 17.11.2005 – III ZR 350/04; BGH, Urteil vom 01.03.2011 - XI ZR 96/09, Juris Rz. 9). Da das Gericht über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach freier Überzeugung zu entscheiden hat und eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage angesichts der vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten Besteuerung und ihrer unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen Besteuerungszeiträumen häufig einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, müssen in der Regel keine Feststellungen dazu getroffen werden, in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Schadensersatzleistung auswirkt (BGH, a.a.O., Juris Rz. 8). Außergewöhnliche Steuervorteile sind vor diesem Hintergrund nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verneinen, wenn der Geschädigte im Ausgangspunkt dieselben Beträge zu versteuern hat, auf deren Grundlage er Steuervorteile erlangt hat. Eine nähere Prüfung und Berechnung ist demgegenüber veranlasst, wenn der Geschädigte Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistung hinausgehen (BGH, Urteil vom 15.07.2010 – III ZR 336/08; BGH, Urteil vom 27.06.1984 – IV a ZR 231/82; BGH, Urteil vom 01.03.2011 – XI ZR 96/09). Die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände trägt der Schädiger; allerdings trifft den Geschädigten insoweit eine sekundäre Darlegungslast (BGH, Urteil vom 15.07.2010 – III ZR 336/08, Juris Rz. 45; BGH, Urteil vom 20.07.2010 - XI ZR 465/07, Juris Rz. 22 f.). Diese Grundsätze gelten auch bei der Rückabwicklung auf der Basis eines gesetzlichen Widerrufsrechts (BGH, Urteil vom 24.04.2007 - XI ZR 17/06, Juris Rz 20 ff., 27).
11Im vorliegenden Fall lässt sich nicht feststellen, dass dem Kläger außergewöhnlich hohe Vorteile endgültig verbleiben.
12aa) Die Beklagte behauptet, der Kläger habe außergewöhnlich hohe Steuervorteile erzielt, weil er in den ersten zwei Jahren Verlustzuweisungen in Höhe von mehr als 100% der gesamten Einlage erhalten habe.
13bb) Welche Steuervorteile der Kläger tatsächlich bisher erhalten hat, kann letztlich dahinstehen. Denn es ist davon auszugehen, dass der Kläger ihm zuzusprechende Schadensersatzansprüche zu versteuern haben wird. Nach der dem Senat aus anderen Verfahren bekannten verbindlichen Auskunft der Finanzamts München III vom 24.07.2012 betreffen die Firma N Zweite Beteiligungs-GmbH & Co. Verwaltungs KG kann die Rückabwicklung bzw. die Übertragung eines Mitunternehmeranteils auf die vermittelnde Bank zwar nicht als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Absatz 1 S. 1 Nr. 2 AO gewertet werden, da sie dem steuerlichen Rückwirkungsverbot unterworfen ist. Allerdings ist die als Rückabwicklung bezeichnete Übertragung des Vorteils an die vermittelnde Bank gegen Zahlung eines Schadensersatzes steuerlich jenem Veranlagungszeitraum zuzurechnen, in dem die Übertragung vorgenommen und der Schadensersatz geleistet wurde. Dies bedeutet, dass der Anleger bis zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Rückabwicklung Mitunternehmer des Fonds war. Zum Zeitpunkt der zivilrechtlichen Rückabwicklung veräußert der Anleger aus steuerlicher Sicht seinen Mitunternehmensanteil an die übernehmende Bank und verwirklicht damit einen Tatbestand des § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Diese Auskunft betrifft den streitgegenständlichen Fonds und kann daher auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden.
144. Die Forderung des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt (vergleiche BGH, Urteil vom 07.05.2014, IV ZR 76/11 Rz. 39). Außerdem fehlt überdies an konkretem Vortrag, dass und aus welchen Gründen sich die Beklagte, die spätestens aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.04.2010 (I ZR 66/08 Rz. 21) ohne weiteres hätte erkennen können, dass die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft war, berechtigter Weise darauf eingerichtet haben will, dass Anleger Verträge nicht auch noch Jahre nach deren Abschluss und gegebenenfalls auch dann noch widerrufen, wenn das Darlehen bereits zurückbezahlt worden ist. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass die Beklagte ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, den Kläger in wirksamer Form nachzubelehren (§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB). Im Übrigen verkennt die Beklagte, dass es eine gesetzgeberische Entscheidung war, eine damalige Sechsmonatsfrist, innerhalb der das Widerrufsrechts auch bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung erlöschen sollte, nicht in das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu übertragen. Diese gesetzgeberische Wertung kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass man Banken das Recht zubilligt, sich der Haftung durch die Berufung auf § 242 BGB zu entziehen. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln vom 25.01.2012 (13 U 30/11), KG, Urteil vom 16.08.2012 (8U 101/2012) und OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.01.2014 (14 U 55/13). Diese Entscheidungen beruhen jeweils auf die von den genannten Gerichten getroffen Feststellungen tatsächlicher Art und können daher nicht einschränkungslos auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden.
15II. Die Hilfswiderklage hat keinen Erfolg.
161) Die Hilfsfeststellungswiderklage ist zulässig.
17Die Beklagte hat den Widerklageantrag hilfsweise für den Fall gestellt, dass eine Rückabwicklung der Fondsbeteiligungen dem Grunde nach ausgeurteilt und eine Anrechnung der erzielten Steuervorteile im Wege des Vorteilsausgleichs nicht vorgenommen wird. Hierbei handelt es sich um zulässige innerprozessuale Bedingungen (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. Auflage, § 33 Rz. 26), die nach den Ausführungen unter IV. gegeben sind.
18Die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer (Hilfs-)Widerklage liegen vor. Das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) ist zu bejahen, weil spätere Ausgleichsansprüche der Beklagten in Bezug auf etwaige, dem Kläger endgültig verbleibende außergewöhnlich hohe Steuervorteile im Raum stehen und die Beklagte diese Ansprüche derzeit nicht beziffern kann (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 29.12.2011, 6 U 79/11, Juris Rz. 69).
192) Die Feststellungswiderklage ist allerdings unbegründet. Nach den obigen Ausführungen ist davon auszugehen, dass der Kläger den ihm zuzusprechenden Schadensersatz zu versteuern haben wird. Bei einem solchen Sachverhalt muss sich der Kläger keine Steuervorteile auf die ihm zustehenden Schadensersatzansprüche anrechnen lassen.
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Referenzen
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- BGB § 491 Verbraucherdarlehensvertrag 1x
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