Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 2 UF 65/14
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 4) wird der am 18.03.2014 erlassene Ver-bundbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Brakel im Ausspruch zum Versorgungsausgleich hinsichtlich des von dem Antragsteller bei der Beteiligten zu 4) erworbenen Anrechtes, Vers. Nr. #####/####, abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts des Antragstellers bei der B AG (Vers. Nr. #####/####) zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht i.H.v. 15.613,55 € nach Maßgabe des Tarifs VGR2U sowie der AVB E 76 und der Teilungsanordnung in der Fassung vom 1.12.2012, bezogen auf den 30.11.2013, übertragen. Zugleich wird der Anspruch aus der dem Darlehensvertrag zwischen dem Antragsteller und der Beteiligten zu 4) vom 31.7.2013 innewohnenden Sicherungsvereinbarung auf Rückgewähr des Bezugsrechts in Höhe des vorstehenden Betrages auf beide Ehegatten als Mitgläubiger (§ 432 BGB) übertragen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Im Übrigen bleibt es beim Ausspruch des Amtsgerichts.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Verbundbeschluss vom 18.03.2014 die am 12.04.2001 geschlossene Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.
4Nach erstinstanzlich erteilter Auskunft der Beteiligten zu 4) vom 22.01.2014 hat der Antragsteller während der Ehezeit vom 01.04.2001 bis zum 30.11.2013 bei ihr ein Anrecht aus privater Altersversorgung (Altersrentenversicherung) in Höhe von 31.427,09 € erworben (Vers. Nr. #####/####). Die Beteiligte zu 4) hat vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 15.613,55 € zu bestimmen.
5Das Amtsgericht hat im Rahmen der angefochtenen Entscheidung den Versorgungsausgleich entsprechend der genannten Auskunft durchgeführt und zu Lasten des vorgenannten Anrechts des Antragstellers zugunsten der Antragsgegnerin im Wege der internen Teilung ein Anrecht in Höhe von 15.613,55 € übertragen.
6Wegen des Sachverhalts im Übrigen, insbesondere wegen der weiteren bei der Beteiligten zu 4) und den übrigen Versorgungsträgern erworbenen Anrechte, wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
7Gegen den ihr am 21.03.2014 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 4) mit ihrer am 29.03.2014 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, soweit das bei ihr erworbene Anrecht des Antragstellers mit der Vers. Nr. #####/#### betroffen ist.
8Zur Begründung führt sie aus, die ihrerseits bzgl. dieses Anrechts erteilte Auskunft vom 22.01.2014 sei aufgrund eines Übertragungs- bzw. Rechenfehlers falsch gewesen. Der mitgeteilte Ehezeitanteil von 31.427,09 € sei zutreffend gewesen. Zum 01.04.2014 betrage der Wert der Versicherung 32.519,07 €. Als Ausgleichswert werde unter Berücksichtigung der Teilungskosten von 200,00 € nur ein Betrag von 7.419,07 € vorgeschlagen, da dem Antragsteller zu der Versicherung am 09.08.2013 ein Policendarlehen in Höhe von 25.000,00 € gewährt worden sei. Dieses sei bei der Berechnung des Ausgleichswertes zu berücksichtigen. Das Darlehen müsse nach der Teilung entsprechend besichert sein. Dies sei jedoch nicht gewährleistet, wenn die Teilung in Höhe des gesamten ehezeitanteiligen Betrages erfolgte, da das Darlehen durch die Teilung nicht mit auf die ausgleichsberechtigte Person übergehe. Demnach stehe nur der vorgeschlagene Betrag als Ausgleichswert zur Verfügung. Die Beteiligte zu 4) beantragt daher, den Versorgungsausgleich nur in Höhe des niedrigeren Ausgleichwerts von 7.419,07 € durchzuführen.
9Der Senat hat die weiteren Beteiligten angehört. Der Antragsteller schließt sich der Beschwerde der Beteiligten zu 4) an und beantragt gleichfalls, bzgl. des Anrechts bei dieser mit der Vers. Nr. #####/#### einen Ausgleichswert von 7.419,07 € zu bestimmen. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht zur Sache geäußert.
10Mit Beschluss vom 17.07.2014 hat der Senat den Beteiligten seine Rechtsauffassung mitgeteilt und angekündigt, nach Ablauf von drei Wochen ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Die Beteiligte zu 4) hat mit Schriftsatz vom 29.07.2014 eingewandt, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sicherungsabtretung nicht auf die vorliegende Fallgestaltung eines Policendarlehens angewandt werden könne, da die Fälligkeit des Darlehens an die Fälligkeit der Versicherungsleistung geknüpft sei. Ferner ergebe sich die zwingende Berücksichtigung des Policendarlehens aus den aufsichtsrechtlichen Vorgaben der Anlageverordnung der Lebensversicherer (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AnlV i.V.m. § 54 VAG).
11II.
121.
13Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist aufgrund der Beschwerde der Beteiligten zu 4) sowie der Anschlussbeschwerde des Antragstellers lediglich das bei der Beteiligten zu 4) bestehende Anrecht des Antragstellers mit der Vers. Nr. 6/#####/####. Die Teilanfechtung ist möglich, weil bei mehreren Anrechten der Ehegatten die Teilung innerhalb der einzelnen Versorgung erfolgt und die Entscheidungen zu den jeweiligen Anrechten nicht voneinander abhängig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 26.01.2011 – XII ZB 504/10 – FamRZ 2011, 547).
142.
15Die zulässigen Rechtsmittel der Beteiligten zu 4) sowie des Antragstellers sind teilweise begründet und führen zur aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Im Übrigen sind sie unbegründet.
16a.
17Zu Recht weist die Beteiligte zu 4) in ihrer Beschwerdebegründung darauf hin, die Entscheidung zum Ausgleich des hier verfahrensgegenständlichen Anrechts sei unrichtig, da sie selbst bei der erstinstanzlich erfolgten Auskunftserteilung das Bestehen eines am 09.08.2013 gewährten Policendarlehens außer Acht gelassen habe.
18b.
19Indes führt dies nicht dazu, den Versorgungsausgleich mit einem niedrigeren Ausgleichswert in Höhe von nur 7.419,07 € durchzuführen, sondern vielmehr dazu, dass die interne Teilung des Anrechts mit dem in dem angefochtenen Beschluss genannten Wert durchzuführen und gleichzeitig das aus der dem Darlehensvertrag innewohnenden Sicherungsabrede herrührende Recht auf Rückgewähr des Bezugsrechts bei Wegfall des Sicherungszwecks auf die Ehegatten als Mitgläubiger zu übertragen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7.8.2013 – XII ZB 673/12 – NJW 2013, 3173).
20aa.
21Im Versorgungsausgleich sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen (§ 1 Abs. 1 VersAusglG). Der Versorgungsausgleich soll demnach eine gleichmäßige Verteilung der in der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften bewirken. Nicht einzubeziehen in den Versorgungsausgleich sind solche Anrechte, welche wirtschaftlich nicht dem Ehegatten, sondern einem Dritten zustehen (vgl. BGH, a.a.O.). Die Rechte aus einer privaten Altersvorsorge gehören jedoch auch dann noch zum Vermögen des Ehegatten, wenn sie zur Sicherung der Darlehensverbindlichkeit dienen. Denn mit der sicherungsweisen Überlassung allein hat sich der Ehegatte seiner Rechte aus der Versorgung noch nicht endgültig begeben. Die mit dem Darlehensgeber getroffene Sicherungsabrede hindert den Darlehensnehmer nicht, das Darlehen auf andere Weise als durch Verwertung des Versorgungsanrechts zu tilgen. Soweit dadurch die Darlehensschuld abgelöst wird, wird die zur Sicherheit abgetretene Lebensversicherung frei und steht wirtschaftlich dem Versicherungsnehmer zu (vgl. BGH, a.a.O.).
22bb.
23Es handelt sich vorliegend auch nicht um einen Fall der fehlenden Ausgleichsreife nach § 19 VersAusglG. Ein Anrecht ist nach § 19 Abs. 2 VersAusglG nicht ausgleichsreif, wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist, insbesondere als noch verfallbares Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes, soweit es auf eine abschmelzende Leistung gerichtet ist, soweit sein Ausgleich für die ausgleichsberechtigte Person unwirtschaftlich wäre oder wenn es bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versicherungsträger besteht. Dem steht es hingegen nicht gleich, wenn ein bereits verfestigtes Versorgungsanrecht sicherungshalber abgetreten ist. Denn durch die Abtretung wird nicht das verfestigte Anrecht gegenüber dem Versorgungsträger infrage gestellt und auch nicht das Bezugsrecht insgesamt widerrufen, sondern lediglich ein Rangrücktritt bewirkt (vgl. BGH, a.a.O.).
24cc.
25Die Sicherungsabtretung führt auch nicht dazu, dass der interne Ausgleich rechtlich undurchführbar ist. Nach einer Sicherungsabtretung behält nämlich der Versicherungsnehmer das Recht, das bei ihm selbst oder einem Dritten verbliebene nachrangige Bezugsrecht auf einen anderen zu übertragen. In einem solchen Fall muss außerdem der schuldrechtliche Rückgewähranspruch aus der Sicherungsvereinbarung an den einrückenden nachrangigen Bezugsberechtigten abgetreten werden (BGH, a.a.O.). Nichts anderes geschieht im Wesentlichen bei der internen Teilung im Wege des Versorgungsausgleichs. Es erfolgt die Übertragung des ehezeitlichen Anteils am nachrückenden Bezugsrecht auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten durch richterlichen Gestaltungsakt. Um indes den Anforderungen eines entsprechend gesicherten Anrechts (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG) zu genügen, ist gleichzeitig mit der internen Teilung in der Beschlussformel auszusprechen, dass der Anspruch aus der Sicherungsvereinbarung auf Rückgewähr des Bezugsrechts auf beide Ehegatten als Mitgläubiger (§ 432 BGB) übertragen wird. Auf diese Art und Weise wird ein eigenständiges und gesichertes Anrecht im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG geschaffen (vgl. BGH, a.a.O.).
26dd.
27Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 4) ist die vorzitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht nur auf die Konstellation, in welcher die Anrechte aus der Versicherung sicherungshalber an einen Dritten abgetreten worden sind, sondern auch auf die vorliegende Konstellation eines Policendarlehens anzuwenden. Einziger Unterschied ist nämlich die Zahl der an der Fallgestaltung beteiligten Personen: während es sich bei einer Sicherungsabtretung um ein Dreipersonenverhältnis (Versicherer – Versicherungsnehmer – Darlehensgeber) handelt, besteht bei einem Policendarlehen lediglich ein Zweipersonenverhältnis, da Versicherer und Darlehensgeber personenidentisch sind. Anlass zu einer differenzierenden Beurteilung gibt dies indes nicht. In beiden Fällen bleibt allein der Versicherungsnehmer als Darlehensnehmer aus dem Darlehen verpflichtet, in beiden Fällen erfolgt – zumindest bei Durchführung der internen Teilung – kein Eingriff in die Sicherungsabrede. Da nämlich gem. §§ 10 Abs. 1, 11 VersAusglG der ausgleichsberechtigte Ehegatte im Rahmen der internen Teilung ein der auszugleichenden Versorgung gleichwertiges Anrecht erhalten muss, wird ihm im Wege des Versorgungsausgleichs lediglich das mit der Sicherungsabrede belastete Anrecht übertragen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.11.2011 – 7 UF 1463 / 11 – NJW 2012, 1012), sein nachrangiges Bezugsrecht kommt nur dann zum Tragen, wenn der Sicherungsfall nicht eingetreten ist (vgl. Ruland, NJW 2013, 3176). Vor diesem Hintergrund verfängt die Argumentation der Beteiligten zu 4), die Anrechte könnten in Höhe des Policendarlehens bereits aufgrund versicherungsaufsichtsrechtlicher Vorgaben nicht dem Versorgungsausgleich unterliegen, nicht. Gleiches gilt für den Zeitpunkt der Fälligkeit des Darlehens. Zum einen kann dem zur Akte gereichten Darlehensvertrag bereits nicht entnommen werden, dass das Policendarlehen ausschließlich bei Fälligkeit der Versicherungsleistung zur Rückzahlung fällig wird. Vielmehr ist es dem Darlehensnehmer unbenommen, das Darlehen bereits zu einem früheren Zeitpunkt ganz oder in Teilbeträgen von mindestens 500,00 € zurückzuzahlen (Ziff. 2 des Darlehensvertrages). Zum anderen bleibt es dabei, dass die Beteiligte zu 4) bei Fälligkeit des Darlehens aufgrund der dem Darlehensvertrag immanenten Sicherungsabrede eine Verrechnung mit der Versicherungsleistung vornehmen kann, dies auch, soweit die Anrechte aus der Versicherung der Beteiligten zu 2) – belastet mit der Sicherungsabrede – übertragen worden sind.
28ee.
29Dementsprechend war vorliegend die bereits durch das Amtsgericht vorgenommene interne Teilung des verfahrensbetroffenen Anrechts bei der Beteiligten zu 4) wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich zu ergänzen. Dem steht nicht entgegen, dass nach Mitteilung der Beteiligten zu 4) keine gesonderte Sicherungsabrede neben dem Darlehensvertrag besteht. Aus Ziff. 2 des Darlehensvertrages vom 31.7.2013 ist ersichtlich, dass im Falle der Nichtrückzahlung des Darlehens bei Fälligkeit eine Verrechnung mit fällig werdenden Leistungen bzw. den vorhandenen Werten aus der Versicherung erfolgt. Hierin liegt eine konkludente Sicherungsvereinbarung, aus welcher wiederum folgt, dass der Sicherungsgeber einen Anspruch auf Rückgewähr des Bezugsrechts bei Wegfall des Sicherungszweckes hat.
303.
31Der Senat hat entsprechend seiner Ankündigung im Beschluss vom 17.07.2014 im schriftlichen Verfahren entschieden, da von der Durchführung einer erneuten mündlichen Verhandlung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG.
324.
33Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 69 Abs. 3, 150 Abs. 1 und 5 FamFG, die Entscheidung über den Gegenstandswert auf § 50 Abs. 1 FamGKG. Die Beschwerden betrafen ein Anrecht des Antragsgegners.
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Referenzen
- VersAusglG § 10 Interne Teilung 1x
- VersAusglG § 11 Anforderungen an die interne Teilung 3x
- FamFG § 69 Beschwerdeentscheidung 1x
- FamFG § 150 Kosten in Scheidungssachen und Folgesachen 1x
- FamFG § 5 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit 1x
- BGB § 432 Mehrere Gläubiger einer unteilbaren Leistung 2x
- § 54 VAG 1x (nicht zugeordnet)
- VersAusglG § 19 Fehlende Ausgleichsreife 2x
- § 1 Abs. 1 Nr. 5 AnlV 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 68 Gang des Beschwerdeverfahrens 1x
- FamGKG § 50 Versorgungsausgleichssachen 1x
- XII ZB 504/10 1x (nicht zugeordnet)
- XII ZB 673/12 1x (nicht zugeordnet)