Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht - 3 U 43/14

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14. Januar 2014, 416 HKO 78/11, wird zurückgewiesen.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14. Januar 2014, 416 HKO 78/11, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

IV. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Mitbewerberin auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung in Anspruch, weil die Beklagte die Arzneimittel Lucentis und Avastin in gegenüber der Originalabfüllung reduzierter Menge in Fertigspritzen umfüllt und vertreibt.

2

Die Klägerin vertreibt in Deutschland das u. a. für die Behandlung der so genannten feuchten altersbedingten Makuladegeneration (AMD) zugelassene Arzneimittel Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab). Die Beklagte stellt gewerbsmäßig Arzneimittel her.

3

Bei der feuchten altersbedingten Makuladegeneration handelt es sich um eine Erkrankung der Blutgefäße, die die Netzhaut betrifft und zur Altersblindheit führen kann.

4

Die Klägerin hat mit Lucentis einen VEGF-Hemmer entwickelt, der speziell für die Behandlung der AMD zugelassen ist. Hierbei handelt es sich um ein Proteinarzneimittel auf der Grundlage rekombinierter DNS, nämlich einen sogenannten VEGF-Hemmer (VEGF: Vascular Endothelial Growth Factor), der eine Gefäßneubildung unter der Netzhaut unterbinden soll, die Ursache der AMD ist. Lucentis wird in Packungen abgegeben, die eine Durchstechflasche mit 0,23 ml des Wirkstoffs, eine Filterkanüle, eine Einwegspritze (Kunststoff) und eine Kanüle zur Injektion enthalten. Durch den anwendenden Arzt soll die Spritze mittels der Filterkanüle aus der Durchstechflasche aufgezogen, anschließend die Injektionsnadel aufgesetzt und die Wirkstoffmenge, die die anzuwendende Menge von 0,05 ml übersteigt, durch Herausspritzen des Wirkstoffs verworfen werden. Auf diese - zulassungsgemäße - Weise soll das Risiko des Eindringens von Keimen so gering wie möglich gehalten werden. Das Mittel wird durch spezialisierte Ophtalmologen angewendet und direkt ins Auge des Patienten gespritzt.

5

Das von Roche Pharma AG angebotene Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab) ist zur Behandlung von bestimmten Krebserkrankungen zugelassen. Es wird in Durchstechflaschen geliefert und bei der Behandlung von Krebs entsprechend der Zulassung zur Herstellung einer Infusionslösung verdünnt. Bei Avastin handelt es sich ebenfalls um einen VEGF-Hemmer. Augenärzte haben begonnen, Avastin unverdünnt in Spritzen aufzuziehen und in den Glaskörper des Auges zu injizieren, um die AMD zu bekämpfen. Die am Auge anzuwendende Menge des Arzneimittels Avastin beträgt ebenfalls 0,05 ml. Avastin wird in Durchstechflaschen mit einer Füllmenge von 4 ml und 16 ml angeboten.

6

Eine Injektion mit Lucentis kostet etwa 1.200 Euro. Eine Injektion mit Avastin kostet etwa 60 Euro.

7

Die Beklagte bietet – neben Apotheken – auf dem Markt so genannte Fertigspritzen mit Lucentis und Avastin an. Sie füllt Lucentis und Avastin jeweils aus den Durchstechflaschen in Einwegspritzen um und liefert sie auf Bestellungen aus. Durch die Verfahrensweise der Beklagten können aus einer Durchstechflasche mehrere Einwegspritzen befüllt werden (sogenanntes „vial splitting“), so dass die Kosten, die für eine einzelne Anwendung entstehen, reduziert werden. Nach dem Umfüllen aus einer Durchstechflasche noch vorhandene Restmengen der Wirkstoffe unter 0,05 ml verwendet die Beklagte im Wege des sogenannten „poolings“ ebenfalls zur Fertigspritzenherstellung. Ob sie dabei „chargenrein“ abfüllt, steht zwischen den Parteien im Streit.

8

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte bringe mit den von ihr hergestellten Fertigspritzen Arzneimittel in den Verkehr, ohne dass sie die hierfür erforderliche Zulassung gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 habe. Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 8. April 2011 (Anlage K 13) abgemahnt. Die Aufforderung der Klägerin, sich zur Unterlassung zu verpflichten, Auskunft zu erteilen und eine Schadensersatzpflicht anzuerkennen, hat die Beklagte zurückgewiesen (Schreiben vom 15. April 2011, Anlage K 14).

9

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, von den für die Arzneimittel Lucentis und Avastin erteilten europäischen Arzneimittelzulassungen sei die Herstellung und Verwendung von Fertigspritzen nicht gedeckt. Es bedürfe für das Inverkehrbringen der Fertigspritzen mit dem jeweiligen Arzneimittel ebenfalls einer europäischen Arzneimittelzulassung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004. Ausnahmen von der Zulassungspflicht seien nicht einschlägig. Deren Voraussetzungen (z. B. in § 21 Abs. 2 Nr. 1b lit. c)) seien nicht gegeben. Durch das Umfüllen von Lucentis und Avastin in Fertigspritzen veränderten sich die Mittel. Die Entnahme der Mittel aus den Durchstechflaschen zum Zwecke der Fertigspritzenherstellung sei nicht zulassungskonform, denn dieses Vorgehen sei in den Fachinformationen für Lucentis (Anlage K 1, aktuell: K 21) und Avastin (Anlage K 3, aktuell: K 20) nicht beschrieben.

10

Darüber hinaus beeinträchtige dieses Vorgehen die Arzneimittelqualität und berge erhebliche Risiken für die Arzneimittelsicherheit.

11

Dass Lucentis in Durchstechflaschen mit einem Inhalt von 0,23 ml ausgeliefert werde, obwohl nur eine Menge von 0,05 ml zur Anwendung am Auge benötigt werde, diene der sicheren Anwendung von Lucentis. Dadurch, dass Lucentis durch die Filterkanüle in die beigelegte Spritze aufgezogen und die zur Behandlung nicht benötigte Menge über die Injektionsnadel verworfen werde, werde einem Eindringen von Keimen entgegengewirkt. Ebenfalls zur Vermeidung einer Keimbelastung sei es vorgesehen, die Durchstechflasche nur für die einmalige Anwendung zu verwenden.

12

Die Herstellung mehrerer Fertigspritzen aus dem Inhalt einer oder mehrerer (pooling) Durchstechflaschen sei riskant. Die Wirkstoffe von Lucentis und Avastin seien hochempfindliche, in biotechnologischen Verfahren gewonnene Proteinwirkstoffe. Lucentis und Avastin seien frei von Konservierungsstoffen. Derartige aus monoklonalen Antikörpern bestehenden Wirkstoffe seien sehr empfindlich hinsichtlich ihrer Haltbarkeit und Stabilität und stellten daher an die Herstellung, Verarbeitung und auch Verpackung sowie die Überprüfung der Stabilität und Haltbarkeit hohe Anforderungen, die im Zulassungsverfahren besondere Beachtung fänden, wovon aber die Herstellung von Fertigspritzen ohne eine gesonderte Zulassung nicht umfasst sei.

13

Das Paul-Ehrlich-Institut habe als zuständige nationale Behörde in einer Stellungnahme vom 14. April 2010 (Anlage K 6) mitgeteilt, dass Mehrfachentnahmen aus Durchstechflaschen mit Lucentis zu vermeiden seien. Lucentis als proteinhaltiges Arzneimittel sei sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen. Es könnten sich bei Kontakt mit festen Oberflächen - wie den Durchstechflaschen - Aggregate bilden, so dass die Wirksamkeit beeinträchtigt werde und es zu unerwünschten immunologischen Reaktionen und anderen Komplikationen kommen könne. Auch sei es bedenklich, wenn bei der Herstellung von Fertigspritzen Füllmengen mehrerer Durchstechflaschen vermengt würden (pooling). Gesicherte Erkenntnisse hinsichtlich der Qualität von solchermaßen hergestellten Fertigspritzen mit Lucentis lägen nicht vor.

14

Nach einer gutachterlichen Stellungnahme des Prof. Dr. S. (Anlage K 17) erreichten Fertigspritzen nicht den nach der Zulassung des Arzneimittels Lucentis zu erwartenden Qualitätsstandard, was Folgen für die klinische Wirksamkeit habe. Proteinwirkstoffe reagierten empfindlich bei Kontakt mit festen Oberflächen und auf mechanische Belastungen. Es könnten sich dabei Aggregate bilden, die als Partikel zu auch wahrnehmbaren Sehstörungen führen könnten.

15

Bei einer Untersuchung des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker habe sich gezeigt, dass Fertigspritzen mit Lucentis einen teilweise weit über dem zulässigen Grenzwert liegenden Gehalt an Partikeln mit einer Größe zwischen 10 und 25 µm enthielten. Zulässig seien nach der Genehmigung von Lucentis bis zu 50 Partikel pro ml, die untersuchten Fertigspritzen hätten einen Gehalt von 60 bis 540 Partikeln pro ml aufgewiesen.

16

Hinsichtlich der Kontaktflächen der von der Beklagten verwendeten Spritzenkörper - so die Klägerin - sei deren Wirkung auf die hier streitgegenständlichen Arzneimittel nicht geklärt. Es handele sich bei den von der Beklagten verwendeten Spritzen auch nicht um solche, die die Klägerin - entsprechend der Arzneimittelzulassung - Lucentis beilege.

17

Die Fertigspritzen mit Avastin stelle die Beklagte im Grundsatz genau so her wie die mit Lucentis gefüllten Spritzen. Entgegen der Fachinformation und der Zulassung, die eine verdünnte Anwendung vorsähen, fülle die Beklagte Avastin unverdünnt in Fertigspritzen ab. Zulassungskonform sei aber nur eine Anwendung von Avastin in der Form einer mittels einer Kochsalzlösung hergestellten Infusionslösung. Ebenso wie bei Lucentis, sei es für Avastin vorgesehen, die angebrochene Durchstechflasche mit einem etwaigen Restinhalt zu entsorgen.

18

Der Hersteller von Avastin (Genentech), seine Anbieterin (Roche Pharma AG), und die US-amerikanische Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) warnten vor der indikationswidrigen Anwendung von Avastin zur Behandlung von AMD. Die Roche Pharma AG habe sich in einem Schreiben (Anlage K 7) von der Anwendung von Avastin zur Behandlung von AMD distanziert. Der Hersteller von Avastin habe an Ärzte in den USA geschrieben (Anlage K 8), dass Avastin nicht zur Anwendung am Auge zugelassen sei und auch nicht unter Bedingungen hergestellt werde, die hinsichtlich der Anwendung am Auge einzuhalten seien. Avastin sei auch keiner förmlichen klinischen Untersuchung für eine Anwendung am Auge unterzogen worden.

19

Die Sterilität der Fertigspritzen der Beklagten sei nicht nachgewiesen und nicht im Rahmen eines Zulassungsverfahrens überprüft worden. Bei der Anwendung von Arzneimitteln im Auge sei die Sterilität von großer Bedeutung. Die FDA habe in einem Warnhinweis (Anlage K 9) darauf hingewiesen, dass bei der Öffnung von sterilen Behältern deren Sterilität nicht mehr nachgewiesen sei. Es bestehe die Gefahr einer mikrobiellen Kontamination bei der Aufteilung von Avastin auf mehrere Dosen. Dadurch könne es bei der Anwendung im Auge zu Entzündungen kommen, die auch zu Verlusten hinsichtlich der Sehkraft führen könnten.

20

Nach einer neueren Mitteilung der FDA (Anlage K 19) sei es nach der Anwendung von Avastin aus Fertigspritzen zu einer Reihe von schweren Augeninfektionen gekommen. Dabei sei es auch zum Verlust des Sehvermögens auf dem betreffenden Auge gekommen. Obwohl mit Lucentis inzwischen ein spezielles Arzneimittel auf dem Markt sei, wendeten Ärzte immer noch ausgeeinzeltes Avastin zur Behandlung der AMD an.

21

Nach dem Abfüllen in Spritzen sei die Qualität der Arzneimittel nicht mehr für einen längeren Zeitraum gewährleistet.

22

Bereits das auf den Fertigspritzen der Beklagten angebrachte Haltbarkeitsdatum belege im Vergleich zur Haltbarkeit der Originalarzneimittel in den Durchstechflaschen eine Veränderung der umgefüllten Arzneimittel. Während Lucentis in der Durchstechflasche drei Jahre haltbar sei, gebe die Beklagte auf den Fertigspritzen das Haltbarkeitsdatum mit einer Woche an (vgl. Anlage K 4). Avastin sei in der Durchstechflasche zwei Jahre, in der Fertigspritze gemäß den Angaben der Beklagten nur drei Wochen haltbar (vgl. Anlage K 5).

23

Neben der Gefahr, dass sich die Zahl und Größe von Partikeln in dem Arzneimittel ändern, bestehe auch die Gefahr, dass sich das für die Fertigspritzen verwendete Silikonöl nach dem Umfüllen löse.

24

Die von der Beklagten verwendeten Spritzen und Injektionsnadeln seien andere als diejenigen, die etwa Lucentis im Original beigefügt und im Rahmen der Arzneimittelzulassung geprüft worden seien. Die Verwendung von abweichenden Materialien führe zu einer Beeinträchtigung der Qualität und Sicherheit der Arzneimittel. Auch deshalb werde das umgefüllte Mittel gegenüber der Zulassung verändert.

25

Die Herstellung der Fertigspritzen führe zur Verminderung der Wirksamkeit des Arzneimittels Lucentis. Eine von Prof. Dr. Salvatore Grisanti durchgeführte Untersuchung - auch von Fertigspritzen der Beklagten - habe ergeben, dass die Bindungsaffinität des Proteinwirkstoffs nach dem Umfüllen in die Fertigspritzen mit zunehmender Lagerungsdauer abnehme (Anlage K 24). Die Bindungsaffinität sei eine zentrale Wirksamkeitsvoraussetzung des Wirkstoffs. Schon am Tag nach der Herstellung der Fertigspritze sei die Bindungsaffinität des Wirkstoffs in den untersuchten Fertigspritzen um 9 Prozent und am dritten Tag um 14 Prozent im Vergleich zu einer frisch aufgezogenen Original-Lucentis-Spritze reduziert gewesen.

26

Sowohl das Aufteilen der in den Durchstechflaschen enthaltenen Arzneimittelmenge auf mehrere Spritzen als auch das Vermengen von Restmengen mehrerer Durchstechflaschen (pooling) verändere die Mittel. Zudem stelle es ein Sicherheitsrisiko dar, wenn angebrochene Durchstechflaschen zwischengelagert würden. Dass die Beklagte beim pooling der betreffenden Arzneimittel verschiedene Chargen der Originalarzneimittel nicht vermenge, bestreite die Klägerin.

27

Ebenso bestreite sie, dass die Beklagte bei der Herstellung der Fertigspritzen nach einem qualitätsgesicherten Verfahren unter sterilen Bedingungen vorgehe.

28

Weiter bestreite sie, dass die Beklagte die Fertigspritzen nicht im Voraus auf Vorrat anfertige, sondern erst auf Bestellung nach Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung. Dagegen spreche, dass die Beklagte die Fertigspritzen standardisiert immer auf dieselbe Weise herstelle. Sie biete sie damit als Standardprodukte an. Auf eine individuelle Verschreibung, bei der durch den Arzt die Zusammensetzung und Beschaffenheit des Arzneimittels individuell festgelegt werde, komme es der Beklagten nicht an.

29

Vielmehr stelle die Beklagte die Fertigspritzen auf Vorrat her und lagere sie bis zu ihrer Auslieferung. Aber auch dann, wenn die Fertigspritzen erst auf Bestellung und individuelle Verschreibung hergestellt würden, sei die Verweildauer der Arzneimittel in den Spritzen länger als bei Lucentis, das vor Ort unmittelbar vor der Anwendung in die mitgelieferte Spritze aufgezogen werde.

30

Die Beklagte habe Fertigspritzen bei einer Testbestellung auch ohne eine ärztliche Verschreibung ausgeliefert (Anlage K 25).

31

Sie biete die Fertigspritzen nicht nur Apotheken, sondern auch Dritten an. Im Internet werbe sie damit, ihre Produkte Ärzten und Apotheken anzubieten (Anlage K 2). Weiter verwende sie Bestellformulare (Anlage K 26), auf denen neben der Anschrift der bestellenden Apotheke auch eine abweichende Lieferadresse eingetragen werden könne.

32

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

33

I. (Hauptantrag)

34

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

35

zu unterlassen,

36

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

37

a) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Genehmigung nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht vorliegt,

38

und/oder

39

b) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab), herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Genehmigung nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht vorliegt;

40

hilfsweise, (1. Hilfsantrag)

41

2. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

42

zu unterlassen,

43

im geschäftlichen Verkehr

44

a) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung (Genehmigung für das Inverkehrbringen) nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht vorliegt und

45

– die Fertigspritzen nicht den in der Zulassung des Arzneimittels Lucentis niedergelegten Spezifikationen entsprechen

46

und/oder

47

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen;

48

b) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung (Genehmigung für das Inverkehrbringen) nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht vorliegt und

49

– die Fertigspritzen nicht den in der Zulassung des Arzneimittels Avastin niedergelegten Spezifikationen entsprechen

50

und/oder

51

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen;

52

weiter hilfsweise, (2. Hilfsantrag)

53

3. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

54

zu unterlassen,

55

im geschäftlichen Verkehr

56

a) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung (Genehmigung für das Inverkehrbringen) nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht vorliegt und

57

– die Fertigspritzen im Vergleich zu dem zugelassenen Arzneimittel Lucentis abgeändert sind, indem

58

(1) das Arzneimittel Lucentis von Durchstechflaschen in die Fertigspritzen verbracht wird (andere Verabreichungsform) und/oder
(2) das Arzneimittel Lucentis in Fertigspritzen gelagert wird und/oder
(3) eine Lucentis-Durchstechflasche für mehrere Fertigspritzen gebraucht wird (mehrfache Entnahme, "vial splitting") und/oder
(4) eine Fertigspritze aus verschiedenen Durchstechflaschen befüllt wird ("pooling") und/oder
(5) das Verfahren zur Entnahme und Umfüllung von Lucentis in Fertigspritzen nicht der Lucentis-Zulassung entspricht (anderes Anwendungsverfahren) und/oder
(6) durch die Entnahme oder das Umfüllen die Haltbarkeitsdauer des Arzneimittels verändert wird und/oder
(7) die zum Zwecke der Umfüllung angebrochenen Durchstechflaschen zur späteren Wiederverwendung zwischengelagert werden

59

und/oder

60

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen.

61

b) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung (Genehmigung für das Inverkehrbringen) nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht vorliegt und

62

– die Fertigspritzen im Vergleich zu dem zugelassenen Arzneimittel Avastin abgeändert sind, indem

63

(1) das Arzneimittel Avastin von Durchstechflaschen in die Fertigspritzen verbracht wird (andere Verabreichungsform) und/oder
(2) das Arzneimittel Avastin in Fertigspritzen gelagert wird und/oder
(3) eine Avastin-Durchstechflasche für mehrere Fertigspritzen gebraucht wird (mehrfache Entnahme, "vial splitting") und/oder
(4) eine Fertigspritze aus verschiedenen Durchstechflaschen befüllt wird ("pooling") und/oder
(5) das Verfahren zur Entnahme und Umfüllung von Avastin in Fertigspritzen nicht der Avastin-Zulassung entspricht (anderes Anwendungsverfahren) und/oder
(6) durch die Entnahme oder das Umfüllen die Haltbarkeitsdauer des Arzneimittels verändert wird und/oder
(7) die zum Zwecke der Umfüllung angebrochenen Durchstechflaschen zur späteren Wiederverwendung zwischengelagert werden und/oder
(8) das Arzneimittel zur unverdünnten Anwendung ausgegeben wird

64

und/oder

65

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen;

66

weiter hilfsweise, (3. Hilfsantrag)

67

4. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

68

zu unterlassen,

69

im geschäftlichen Verkehr

70

a) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung (Genehmigung für das Inverkehrbringen) nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht vorliegt und

71

– für die Fertigspritzen nicht durch nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführte und ausgewertete Untersuchungen belegt ist, dass diese keine Veränderungen in Bezug auf Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität gegenüber dem zugelassenen Arzneimittel Lucentis aufweisen

72

und/oder

73

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen.

74

b) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung (Genehmigung für das Inverkehrbringen) nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht vorliegt und

75

– für die Fertigspritzen nicht durch nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführte und ausgewertete Untersuchungen belegt ist, dass diese keine Veränderungen in Bezug auf Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität gegenüber dem zugelassenen Arzneimittel Avastin aufweisen

76

und/oder

77

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen;

78

weiter hilfsweise, (4. Hilfsantrag)

79

5. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

80

zu unterlassen,

81

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

82

a) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung (Genehmigung für das Inverkehrbringen) im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG nicht vorliegt,

83

und/oder

84

b) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab), herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung (Genehmigung für das Inverkehrbringen) im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG nicht vorliegt;

85

II. (Auskunftsantrag zum Hauptantrag)

86

1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen

87

a) über die Anzahl und die Abgabedaten der von der Beklagten in Verkehr gebrachten, für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmten Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab), für die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens keine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 vorlag bzw. vorliegt, dies unter Angabe der Anzahl von Original-Durchstechflaschen Lucentis, die jeweils für die Herstellung dieser Fertigspritzen verwendet worden sind,

88

und

89

b) über die Anzahl und die Abgabedaten der von der Beklagten in Verkehr gebrachten, für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmten Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab), für die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens keine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 vorlag bzw. vorliegt;

90

hilfsweise,

91

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen

92

a) über die Anzahl und die Abgabedaten der von der Beklagten in Verkehr gebrachten Fertigspritzen, wie sie

93

– vorstehend unter Ziff. l.2.a),
– hilfsweise vorstehend unter Ziff. l.3.a),
– weiter hilfsweise vorstehend unter Ziff. l.4.a) und
– weiter hilfsweise vorstehend unter Ziff. I.5.a)

94

näher beschrieben sind, dies unter Angabe der Anzahl von Original-Durchstechflaschen Lucentis, die jeweils für die Herstellung dieser Fertigspritzen verwendet worden sind,

95

und

96

b) über die Anzahl und die Abgabedaten der von der Beklagten in Verkehr gebrachten Fertigspritzen, wie sie

97

– vorstehend unter Ziff. l.2.b),
– hilfsweise vorstehend unter Ziff. l.3.b)‚
– weiter hilfsweise vorstehend unter Ziff. l.4.b) und
– weiter hilfsweise vorstehend unter Ziff. I.5.b)

98

näher beschrieben sind;

99

III. (Feststellungsantrag zum Hauptantrag)

100

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus oder im Zusammenhang mit den vorstehend unter Ziff. I.1.a) und b) bezeichneten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird;

101

hilfsweise,

102

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus oder im Zusammenhang mit

103

– den vorstehend unter Ziff. l.2.a) und b),
– hilfsweise den vorstehend unter Ziff. l.3.a) und b),
– weiter hilfsweise den vorstehend unter Ziff. I.4.a) und b) und
– weiter hilfsweise den vorstehend unter Ziff. I.5.a) und b)

104

bezeichneten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

105

Die Beklagte hat beantragt,

106

die Klage abzuweisen.

107

Sie hat die Ansicht vertreten, sie dürfe die von ihr hergestellten Fertigspritzen mit Lucentis und Avastin herstellen und an Apotheken ausliefern, ohne dass es einer erneuten Arzneimittelzulassung für Fertigspritzen mit Lucentis und Avastin bedürfe. Sie stelle die Fertigspritzen für Apotheken auf deren Bestellung her, wofür eine entsprechende Verschreibung durch einen Arzt die Grundlage biete. Die Anwendung von Fertigspritzen sei durch die Therapiefreiheit der Ärzte erlaubt und falle insoweit in den Verantwortungsbereich der Ärzte.

108

Die von der Klägerin beschriebenen Gefahren gingen von den Fertigspritzen der Beklagten nicht aus. Sie stelle die Fertigspritzen mit Lucentis und Avastin unter Wahrung der Sterilität her, wobei sie sich eines aufwändigen Verfahrens bediene, das den GMP-Leitlinien (GMP = „Good Manufacturing Practice“) entspreche. Hierzu würden sämtliche Materialien für die Fertigspritzen und Verpackungen zuvor sterilisiert, die Fertigspritzen im Isolator hergestellt und anschließend doppelt verpackt (verblistert). Der Isolator sei speziell für den Vorgang der Fertigspritzenherstellung gefertigt. Eine mikrobielle Kontamination durch das Personal sei ausgeschlossen. Das Verfahren sei – auch im Vergleich zum üblichen Verfahren an Laminar-Air-Flow Werkbänken – sicher. Zur Vermeidung des Eintrags von Partikeln in die Fertigspritzen verwende die Beklagte beim Aufziehen der Spritzen Filter, wie sie auch mit dem Original-Arzneimittel Lucentis mitgeliefert würden.

109

Auch für den Arzt sei das angegriffene Verfahren vorteilhaft, weil er eine sterile Spritze erhalte und die Gefahr von Kontaminationen beim Aufziehen der Spritze durch den Arzt selbst ausgeschlossen sei. Damit werde das Risiko einer Endophthalmitis gesenkt, auf das in der Fachinformation zu Lucentis hingewiesen werde.

110

Der Betrieb der Beklagten sei, was unstreitig ist, nach § 13 AMG zugelassen für die Herstellung der streitgegenständlichen Fertigspritzen mit Avastin und Lucentis. Die Isolator-Fertigungsanlage sei behördlich abgenommen worden.

111

Die Beklagte vermenge zwar Teilmengen der streitgegenständlichen Arzneimittel aus mehreren Durchstechflaschen (pooling). Sie vermenge in Übereinstimmung mit den GMP-Vorschriften aber nicht Arzneimittel verschiedener Chargen. Weiter dokumentiere sie zu jeder Fertigspritze die zugehörige Charge, so dass bei jeder Fertigspritze die Charge zurückverfolgt werden könne. Auch das pooling erfolge unter sterilen Bedingungen im Isolator, wodurch es sich vom pooling in Apotheken bzw. Krankenhausapotheken unterscheide. Daher seien die Bedenken des Paul-Ehrlich-Instituts gegen das pooling (Anlage K 6) für die Fertigung der Beklagten unzutreffend.

112

Die Wirksamkeit der ausgeeinzelten Arzneimittel in Fertigspritzen sei uneingeschränkt gegeben. Dies zeige die jahrelange Erfahrung von Augenärzten mit Fertigspritzen. Auch werde dies durch die sogenannte CATT-Studie, die die Anwendung von Lucentis und Avastin vergleichend betrachtet habe (vgl. Mitteilung der Dt. Ophthalmologischen Gesellschaft u. a., Anlage B 16), belegt. Ebenso habe die Studie des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker eine Stabilität und Haltbarkeit der Wirkstoffe über einen Zeitraum von 14 Tagen gezeigt (Auszug Anlage B 27).

113

Die Beklagte habe eine eigene Sterilitätsprüfung für ihre Fertigspritzen über einen Zeitraum von zwei Wochen durchführen lassen. An den Fertigspritzen habe sich auch nach zwei Wochen kein bakterielles Wachstum gezeigt (Anlage B 23).

114

Die vom Paul-Ehrlich-Institut im Schreiben gemäß der Anlage K 6 angeführten Hinweise auf adverse immunologische Reaktionen stünden nicht mit den Fertigspritzen im Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Eigenschaft des Arzneimittelwirkstoffs selbst, der als Protein eine allergische Reaktion auslösen könne.

115

Die Bedenken der Klägerin und des Paul-Ehrlich-Instituts hinsichtlich der kürzeren Haltbarkeit der streitgegenständlichen Arzneimittel in Fertigspritzen gegenüber Durchstechflaschen seien unbegründet. Die Durchstechflaschen seien für die Lagerung der Arzneimittel über längere Zeit vorgesehen, während die Arzneimittel Lucentis und Avastin in die Fertigspritzen der Beklagten nur zur alsbaldigen Anwendung abgefüllt würden. Insoweit bestehe kein maßgeblicher Unterschied zur Behandlungssituation beim Arzt, der Lucentis in die mitgelieferte Spritze zur alsbaldigen Anwendung aufziehe. Auch die von der Beklagten hergestellten Fertigspritzen würden unverzüglich ausgeliefert und nicht zwischengelagert.

116

Die Spritzen, mit denen die Beklagte die streitgegenständlichen Fertigspritzen herstelle, unterschieden sich nicht wesentlich von denen, die die Klägerin Lucentis zum Aufziehen beilege. Auch bei diesen handele es sich um handelsübliche Kunststoffspritzen (BD Plastikpack, 300013, 1 ml). Die von der Beklagten verwendeten Spritzen seien ebenfalls von BD und aus dem gleichen Material. Die derzeit von der Beklagten verwendeten Diabetes-Spritzen seien denen aus den Lucentis-Packungen zumindest gleichwertig. Auch seien sie von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und dem Bundesverband der Augenärzte Deutschlands als geeignet eingestuft worden (Anlage B 12).

117

Die Spritzenkörper seien innen silikonisiert, um ein gleichmäßiges Gleiten des Stempels zu ermöglichen. Dies treffe auch auf die Lucentis beigelegten Spritzen zu. Auf die Qualität der Arzneimittel wirke sich die Silikonisierung nicht aus.

118

Die Beklagte bestreite mit Nichtwissen, dass bei der Untersuchung von Grisanti auch Fertigspritzen der Beklagten untersucht worden seien. Grisanti bestätige in seinem Schreiben (Anlage K 24) im Übrigen die klinische Wirksamkeit der Arzneimittel in den untersuchten Fertigspritzen.

119

Die Beklagte stelle die Fertigspritzen nicht im Voraus her, sondern erst im Auftrag einer Apotheke auf konkrete ärztliche Verschreibung. Dabei handele es sich um individuelle Rezepturen, auch wenn die Fertigspritzen aufgrund der Fachvorgaben immer derselben Zusammensetzung entsprächen. Fertigspritzen stelle die Beklagte immer erst her, wenn Apotheken sie nach Vorliegen von ärztlichen Verordnungen bestellten. Auch die Auslieferung erfolge nur an Apotheken. Dies werde von ihr auch im Internet so dargestellt, wie der Anlage B 21 entnommen werden könne. Dort werde ebenfalls mitgeteilt, dass über Apotheken geliefert werde. Soweit die Klägerin zu einer Testbestellung vortrage, seien die dort gelieferten Spritzen zu „Studienzwecken“, nämlich ausdrücklich für in-vitro-Studien, bestellt worden und hätten daher keinen Patientenbezug gehabt. Die Zweckbestimmung für in-vitro-Studien ergebe sich aus der E-Mail der Direktorin der Klinikapotheke, die die Spritzen bestellt habe (Anlage B 22).

120

Das Landgericht hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt,

121

„Umfasst der Begriff „hergestellt“ im Einleitungssatz des Anhangs Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (Abl. L 136 vom 30.04.2004, S. 1) auch solche Prozesse, bei denen Teilmengen eines nach den genannten Verfahren entwickelten und fertig produzierten Medikaments auf jeweilige Verschreibung und Beauftragung durch einen Arzt in ein anderes Gefäß abgefüllt werden, wenn dadurch die Zusammensetzung des Arzneimittels nicht verändert wird, also insbesondere die Herstellung von Fertigspritzen, die mit einem nach der Verordnung zugelassenen Medikament befüllt worden sind?“

122

Der Europäische Gerichtshof hat hierauf mit dem Urteil vom 11. April 2013 (C-535/11) die Vorlagefrage wie folgt beantwortet:

123

„Tätigkeiten der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art bedürfen, soweit sie nicht zu einer Veränderung des betreffenden Arzneimittels führen und nur auf der Grundlage individueller Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen vorgenommen werden – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist –, keiner Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur, unterliegen aber jedenfalls weiterhin den Bestimmungen der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2010/84/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2010 geänderten Fassung.“

124

Auf die Entscheidung wird im Übrigen ergänzend verwiesen.

125

Das Landgericht hat die Klage sodann wegen der Hauptanträge und der ersten Hilfsanträge abgewiesen und die Beklagte nach den zweiten Hilfsanträgen verurteilt. Den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag hat das Landgericht für unzulässig erachtet, weil beide Anträge zu unbestimmt gefasst seien. Das angestrebte Totalverbot sei zu weit gefasst und erfasse damit auch erlaubtes Handeln. Der erste Hilfsantrag beschreibe nicht die angegriffenen Handlungen der Beklagten. Den zweiten Hilfsantrag hat das Landgericht für im Wesentlichen begründet erachtet. Auf die Entscheidung des Landgerichts wird - auch wegen der tatsächlichen Feststellungen - ergänzend verwiesen.

126

Gegen das landgerichtliche Urteil wenden sich die Klägerin und die Beklagte mit ihren jeweils form- und fristgerecht eingereichten Berufungen.

127

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie rügt, das Landgericht hätte die Beklagte gemäß dem Hauptantrag verurteilen müssen. Jedwede Abweichung von der für Lucentis und Avastin erteilten Zulassungen führe zu einer Genehmigungsbedürftigkeit der Fertigspritzen der Beklagten. Die Fassung der Hauptanträge sei auch hinreichend bestimmt. Die konkrete Verletzungsform werde durch die Bezeichnung als Fertigspritzen zutreffend benannt, weil die vorbefüllten Fertigspritzen von der Arzneimittelzulassung nicht gedeckt seien. Entsprechendes gelte auch für die Hilfsanträge.

128

Die vom EuGH formulierten Ausnahmen von der Genehmigungspflicht lägen nicht vor, denn die von der Beklagten abgefüllten Arzneimittel würden verändert. Auch lägen keine individuellen Verschreibungen vor.

129

Zu Unrecht habe das Landgericht in der Mehrfachverwendung des Inhalts der Durchstechflaschen („vial splitting“) keine zulassungspflichtige Veränderung des Arzneimittels gesehen. Die Genehmigungsunterlagen ergäben, dass die Durchstechflaschen zum einmaligen Gebrauch bestimmt seien. Die Mehrfachentnahme berge Sicherheitsrisiken, da Verunreinigungen drohten. Es liege ein genehmigungsbedürftiges Verändern des Anwendungsverfahrens vor, weil nicht der vollständige Inhalt der Durchstechflasche beim Aufziehen einer Spritze verbraucht und die Spritze nicht unmittelbar nach dem Befüllen angewendet werde.

130

Auch beim so genannten „pooling“, der Entnahme der Arzneimittel aus mehreren Durchstechflaschen, handele es sich um eine zulassungsrelevante Änderung der Herstellungsweise. Das pooling begegne Sicherheitsbedenken, auf die auch das Paul-Ehrlich-Institut hingewiesen habe. Kontaminationen könnten von einer Flasche auf die nächste übertragen werden.

131

Das Landgericht habe auch zu Unrecht eine Genehmigungsbedürftigkeit für das Zwischenlagern angebrochener Durchstechflaschen verneint. Der Versand der Fertigspritzen der Beklagten erfolge nicht immer am Tag der Herstellung. Die Fertigspritzen würden noch einmal bei der Apotheke gelagert, weil sie regelmäßig nicht taggleich von dort abgeholt bzw. abgegeben würden. Diese Zwischenlagerung sei ebenfalls nicht zulassungskonform.

132

Das Landgericht habe zudem die Beweislast verkannt. Es obliege der Beklagten, die Voraussetzungen für die Ausnahmen von der Genehmigungspflicht zu belegen. Da die Beklagte die Sicherheit und Wirksamkeit und Qualität der Fertigspritzen nicht belegt habe, sei sie zumindest nach dem dritten Hilfsantrag zu verurteilen.

133

Die Beklagte verwende keine zur Lagerung der Arzneimittel Lucentis und Avastin geeigneten Kunststoffspritzen. Die verwendeten Spritzen hätten angegossene Injektionsnadeln, so dass die Beklagte auch nicht die Original-Filterkanülen beim Aufziehen der Spritzen verwenden könne. Die von der Beklagten verwendeten Kunststoffspritzen seien nicht vergleichbar mit denen, die inzwischen für Lucentis-Fertigspritzen der Klägerin zugelassen worden seien. Diese seien aus Glas.

134

Die Fertigspritzen der Beklagten seien gesundheitlich bedenklich, wie der Fall einer Patientin zeige, die im Oktober 2012 mit einer Fertigspritze, die ausgeeinzeltes Lucentis enthalten habe, behandelt worden sei. Die Fertigspritze sei ebenso hergestellt worden wie bei der Beklagten. Im Glaskörper des Auges der Patientin hätten sich Silikonpartikel festgesetzt, die das Sichtfeld der Patientin störten. Die Partikel sähen für die Patientin wie schwarze und dunkelgraue Punkte von bis zu 10 mm Durchmesser aus. Der Fall werde in dem Anwaltsschreiben gemäß der Anlage K 46 geschildert.

135

Ausweislich eines aus der Anlage K 49 ersichtlichen Artikels aus der Deutschen Apothekerzeitung Online, lasse sich aus Fertigspritzen nur weniger als 0,05 ml der Wirkstofflösung injizieren.

136

Die Klägerin beantragt,

137

das am 14. Januar 2014 verkündete Urteil der Kammer 16 für Handelssachen des Landgerichts Hamburg (Az: 416 HKO 78/11) teilweise abzuändern und

138

I. die Beklagte über die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung hinaus insgesamt zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

139

1. Hauptantrag

140

a) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Genehmigung nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht vorliegt,

141

und/oder

142

b) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab), herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Genehmigung nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 nicht vorliegt;

143

2. hilfsweise (1. Hilfsantrag)

144

a) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung bzw. eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht vorliegt und

145

– die Fertigspritzen nicht den in der Zulassung des Arzneimittels Lucentis niedergelegten Spezifikationen entsprechen

146

und/oder

147

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen;

148

b) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung bzw. eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht vorliegt und

149

– die Fertigspritzen nicht den in der Zulassung des Arzneimittels Avastin niedergelegten Spezifikationen entsprechen

150

und/oder

151

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen;

152

3. weiter hilfsweise, (2. Hilfsantrag)

153

a) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung bzw. eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht vorliegt und

154

– die Fertigspritzen im Vergleich zu dem zugelassenen Arzneimittel Lucentis abgeändert sind, indem

155

(1) das Arzneimittel Lucentis von Durchstechflaschen in die Fertigspritzen verbracht wird (andere Verabreichungsform) und/oder
(2) das Arzneimittel Lucentis in Fertigspritzen gelagert wird und/oder
(3) eine Lucentis-Durchstechflasche für mehrere Fertigspritzen gebraucht wird (mehrfache Entnahme, "vial splitting") und/oder
(4) eine Fertigspritze aus verschiedenen Durchstechflaschen befüllt wird ("pooling") und/oder
(5) das Verfahren zur Entnahme und Umfüllung von Lucentis in Fertigspritzen nicht der Lucentis-Zulassung entspricht (anderes Anwendungsverfahren) und/oder
(6) durch die Entnahme oder das Umfüllen die Haltbarkeitsdauer des Arzneimittels verändert wird und/oder
(7) die zum Zwecke der Umfüllung angebrochenen Durchstechflaschen zur späteren Wiederverwendung zwischengelagert werden

156

und/oder

157

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen;

158

b) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung bzw. eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht vorliegt und die Fertigspritzen

159

– im Vergleich zu dem zugelassenen Arzneimittel Avastin abgeändert sind, indem

160

(1) das Arzneimittel Avastin von Durchstechflaschen in die Fertigspritzen verbracht wird (andere Verabreichungsform) und/oder
(2) das Arzneimittel Avastin in Fertigspritzen gelagert wird und/oder
(3) eine Avastin-Durchstechflasche für mehrere Fertigspritzen gebraucht wird (mehrfache Entnahme, "vial splitting") und/oder
(4) eine Fertigspritze aus verschiedenen Durchstechflaschen befüllt wird ("pooling") und/oder
(5) das Verfahren zur Entnahme und Umfüllung von Avastin in Fertigspritzen nicht der Avastin-Zulassung entspricht (anderes Anwendungsverfahren) und/oder
(6) durch die Entnahme oder das Umfüllen die Haltbarkeitsdauer des Arzneimittels verändert wird und/oder
(7) die zum Zwecke der Umfüllung angebrochenen Durchstechflaschen zur späteren Wiederverwendung zwischengelagert werden und/oder
(8) das Arzneimittel zur unverdünnten Anwendung ausgegeben wird

161

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen;

162

4. weiter hilfsweise, (3. Hilfsantrag)

163

a) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung bzw. eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht vorliegt und

164

– für die Fertigspritzen nicht durch nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführte und ausgewertete Untersuchungen belegt ist, dass diese keine Veränderungen in Bezug auf Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität gegenüber dem zugelassenen Arzneimittel Lucentis aufweisen

165

und/oder

166

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen;

167

b) für die Behandlung von Augenerkrankungen bestimmte Fertigspritzen mit einer darin enthaltenen Teilmenge des Arzneimittels Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab) herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen und/oder anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, sofern für diese Fertigspritzen eine Zulassung bzw. eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht vorliegt und

168

– für die Fertigspritzen nicht durch nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführte und ausgewertete Untersuchungen belegt ist, dass diese keine Veränderungen in Bezug auf Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität gegenüber dem zugelassenen Arzneimittel Avastin aufweisen

169

und/oder

170

– für diese Fertigspritzen keine individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten vorliegen;

171

II. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Vorlage der von ihr ausgestellten Rechnungen und Lieferscheine Auskunft zu erteilen über die Anzahl und die Abgabedaten der von der Beklagten hergestellten und in Verkehr gebrachten Fertigspritzen, insbesondere über die Namen und Anschriften der Besteller und Empfänger, die Menge der bestellten, hergestellten und ausgelieferten Fertigspritzen sowie über die Preise, die für die betreffenden Fertigspritzen bezahlt wurden, wie sie

172

1. vorstehend unter Ziff. 1.1.a), hilfsweise vorstehend unter Ziff. I.2.a), weiter hilfsweise vorstehend unter Ziff. I.3.a) und weiter hilfsweise vorstehend unter Ziff. I.4.a) näher beschrieben sind, dies unter Angabe der Anzahl von Original-Durchstechflaschen Lucentis, die jeweils für die Herstellung dieser Fertigspritzen verwendet worden sind,

173

2. vorstehend unter Ziff. I.1.b), hilfsweise vorstehend unter Ziff. I.2.b), weiter hilfsweise vorstehend unter Ziff. I.3.b) und weiter hilfsweise vorstehend unter Ziff. I.4.b) näher beschrieben sind, dies unter Angabe der Anzahl von Original-Durchstechflaschen Avastin, die jeweils für die Herstellung dieser Fertigspritzen verwendet worden sind;

174

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,

175

1. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus oder im Zusammenhang mit den vorstehend unter Ziff. I.1.a) und I.1.b) bezeichneten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird;

176

2. hilfsweise, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus oder im Zusammenhang mit den vorstehend unter Ziff. I.2.a) und b), weiter hilfsweise den vorstehend unter Ziff. I.3.a) und b) und weiter hilfsweise den vorstehend unter Ziff. I.4.a) und b) bezeichneten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird;

177

Die Beklagte beantragt,

178

die Berufung der der Klägerin zurückzuweisen.

179

Sie beantragt ihrerseits,

180

das Urteil Landgerichts Hamburg 416 HKO 78/11 vom 14. Januar 2014 abzuändern und die Klage auch hinsichtlich des stattgegebenen Teiles abzuweisen.

181

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Ansicht, sie sei zu Unrecht nach dem zweiten Hilfsantrag verurteilt worden. Sie beanstandet auch, dass der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hamburg über das Ablehnungsgesuch der Beklagten wegen der Besorgnis der Befangenheit selbst entschieden und sodann das angegriffene Urteil gefällt habe. Weiter sei das angefochtene Urteil verkündet worden, ohne dass die schriftlichen Urteilsgründe vorgelegen hätten.

182

Die Klagansprüche seien unbegründet. Die Beklagte benötige keine Zulassung für das Inverkehrbringen von ihr hergestellter Fertigspritzen nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004. Entgegen der Auffassung des Landgerichts komme es für die Frage, ob die Ausgangsarzneimittel im Sinne der Entscheidung des EuGH „verändert“ würden, nicht darauf an, ob es bei dem angegriffenen Umfüllvorgang zu Änderungen gegenüber der jeweiligen arzneimittelrechtlichen Zulassung der Mittel komme, die im Falle des Inverkehrbringens nach Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 eine Zulassung der Änderung erforderlich machen würden. Vielmehr sei es nach der EuGH-Rechtsprechung allein entscheidend, ob das Arzneimittel in seiner Zusammensetzung verändert werde, was nicht der Fall sei.

183

Die Zusammensetzung der Arzneimittel Lucentis und Avastin bleibe beim Umfüllen in Spritzen zur Herstellung der Fertigspritzen der Beklagten unverändert. Qualität und Sicherheit der Arzneimittel blieben unbeeinträchtigt. Insbesondere werde die Wirksamkeit nicht beeinträchtigt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Studie von Grisanti. Grisanti habe in seinem Schreiben (Anlage K 24) bestätigt, dass die klinische Wirksamkeit der Arzneimittel in den Fertigspritzen gegeben sei. Dass Grisanti Fertigspritzen der Beklagten untersucht habe, sei bestritten. Die dem Schreiben gemäß der Anlage K 24 zugrunde liegende und im Berufungsverfahren eingereichte Studie Grisantis (Anlage K 55 und B 60) sei im Übrigen von der Klägerin gefördert und initiiert worden. Die Studie des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker, die auszugsweise als Anlage B 27 vorgelegt worden sei, habe ergeben, dass die Bindungsaffinität des von der Beklagten ausgeeinzelten Ranibizumabs (Lucentis) bei Lagerung bei einer Temperatur von 4° C auch nach 15 Tagen noch nicht signifikant gemindert sei.

184

Inzwischen zeigten auch Studien des Fraunhofer Instituts, dass die Wirkstoffe Ranibizumab (Lucentis) in Fertigspritzen der Beklagten jeweils nach 48 Stunden, sieben Tagen, 14 Tagen und 28 Tagen und Bevacizumab (Avastin) in Fertigspritzen eines anderen Anbieters, der die Spritzen wie die Beklagte herstelle, nach 72 Stunden und 15 Tagen hinsichtlich des Gehalts und der Funktionalität der Wirkstoffe stabil gewesen seien (Anlagen B 70 bis B 77). Die Silikonisierung der Kunststoffspritzen sei für die Arzneimittelqualität nicht nachteilig. Auch nach 14 Tagen sei Silikon in der Wirkstofflösung nicht nachweisbar.

185

Die Beklagte verwende im Übrigen inzwischen andere Spritzen, nämlich HSW Soft-Ject Tuberkulinspritzen, die ebenfalls aus Polypropylen (PP) hergestellt seien. Auch diese seien für die Anwendung am Auge geeignet.

186

Die Klägerin habe nicht - wie erforderlich - nachgewiesen, dass die Beklagte Fertigspritzen auf Vorrat ohne eine ärztliche Verschreibung herstelle und an beliebige Besteller versende. Vielmehr fülle sie Lucentis und Avastin auf Bestellung von Apotheken nach Vorliegen einer individuellen Verschreibung der Arzneimittel in unveränderter Form in Fertigspritzen um und liefere sie an Apotheken. Die von ihr abgefüllten Spritzen würden in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Herstellung angewendet. Die Herstellung erfolge mit Blick auf den konkreten Patienten und den geplanten Applikationstermin.

187

Dass die Beklagte Fertigspritzen für Studienzwecke geliefert habe, belege nicht, dass sie Spritzen ohne ärztliche Verordnung herstelle und vertreibe.

188

Es treffe nicht zu, dass aus den Fertigspritzen der Beklagten weniger als 0,05 ml der Wirkstofflösung in das Auge injiziert werden könnten. Die Beklagte fülle die Spritzen unter Berücksichtigung des Volumens der Injektionsnadel auf, so dass eine unverringerte Menge injiziert werden könne.

189

Die Klägerin beantragt,

190

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

191

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

192

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine weitergehende Verurteilung der Beklagten. Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14. Januar 2014 vielmehr abzuändern und ist die Klage abzuweisen, weil der Klägerin die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen.

193

A. Berufung der Klägerin

194

Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit §§ 21 Abs. 1 AMG, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 liegen nicht vor. Die Beklagte bedarf für die mit der Klage angegriffene Tätigkeit keiner Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG bzw. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004. Das angegriffene Inverkehrbringen der in Fertigspritzen umgefüllten Arzneimittel Lucentis und Avastin durch die Beklagte bedarf keiner Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (unten Ziff. 1.). Es unterfällt damit nicht der Zulassungspflicht des § 21 Abs. 1 AMG und ist zudem nach § 21 Abs. 2 Nr. 1b lit. c) AMG zulassungsfrei. Für den dem Inverkehrbringen der Fertigspritzen vorausgehenden Herstellungsprozesses verfügt die Beklagte auch über eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG (unten Ziff. 2.). In der Folge ist die Klage sowohl im Umfang der Hauptanträge als auch wegen der Hilfsanträge abzuweisen (unten Ziff. 3.).

195

1. Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 bedarf es für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die unter den Anhang der Verordnung fallen, einer Genehmigung. Für die von der Beklagten verwendeten Ausgangsarzneimittel Avastin und Lucentis liegen jeweils zentrale Genehmigungen gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 vor. Soweit die Beklagte die streitgegenständlichen Fertigspritzen auf Bestellung von Apotheken fertigt und an Apotheken ausliefert, liegt darin dann kein die Erteilung einer (erneuten) Zulassung/Genehmigung erforderndes Inverkehrbringen, wenn hierfür individuelle Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen vorliegen und die Arzneimittel beim Umfüllen weder in ihrer Zusammensetzung verändert werden noch infolge des Umfüllvorganges sonstige maßgebliche Veränderungen hinsichtlich Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit erfahren. Das ergibt sich klar aus dem in der vorliegenden Sache ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. April 2013, Rs. C-535/11 (siehe dort Rn. 41 f.). Im Tenor der Entscheidung ist zwar allein ausgesprochen, dass Voraussetzung für ein solchermaßen zulassungsfreies Inverkehrbringen die Unverändertheit des Arzneimittels und die Fertigung auf der Grundlage individueller Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen sind. Der EuGH nimmt dort aber auf die „Tätigkeiten der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art“ Bezug. Darin liegt ein Verweis auf die in Rn. 41 des Urteils beschriebenen Umstände, nämlich die Herstellung der Fertigspritzen auf Bestellung von Apotheken und die anschließende Belieferung derselben (siehe auch Rn. 42 des EuGH-Urteils: „Unter diesen Umständen...“).

196

Im Streitfall muss angenommen werden, dass die Tätigkeiten der Beklagten die vom EuGH aufgestellten Bedingungen für ein zulassungsfreies Inverkehrbringen ihrer Fertigspritzen erfüllen. Sie hat hinreichend dargelegt, dass sie Lucentis und Avastin aufgrund individueller Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen (unten lit. a]) unverändert (unten lit. b]) abfüllt und auf Bestellung von Apotheken an diese liefert. Dass die Beklagte die genannten Bedingungen nicht einhält, hat die Klägerin weder dargetan noch sonst belegt. Es ist aber grundsätzlich Sache der Klägerin, die Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, die ihre Ansprüche rechtfertigen können. Das gilt auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des - vorliegend maßgeblichen - § 4 Nr. 11 UWG. Entsprechend den allgemeinen Regeln hat der Anspruchsteller den Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung als anspruchsbegründende Tatsache darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Das ist der Klägerin nicht gelungen.

197

a) Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie stets erst auf ärztliche Verschreibung hin für einen bestimmten Patienten nach Bestellung durch eine Apotheke die streitgegenständlichen Fertigspritzen herstelle. Das hat die Klägerin nicht widerlegt. Sie hat zum einen lediglich Mutmaßungen darüber angestellt, wie die Produktion der Beklagten organisiert sei. Sie hat in diesem Zusammenhang behauptet, die Beklagte stelle die streitgegenständlichen Fertigspritzen auf Vorrat her, lagere sie und liefere sie auf Bestellung aus.

198

Zwar hat sich die Klägerin zum Beleg dafür, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Fertigspritzen auch ohne individuelle Verschreibung - auf Vorrat - anfertigt, auf den Umstand berufen, dass die Beklagte ausweislich der Anlagen K 25 Fertigspritzen auch ohne eine vorgelegte Verschreibung ausgeliefert hat. Die von der Beklagten an die Apotheke der Universitätsmedizin Mainz gelieferten Fertigspritzen mit Ranibizumab 0,5 mg sind aber statt mit einem Patientennamen mit der Beschriftung „Studienzwecke“ versehen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten war ihr mitgeteilt worden, dass die Fertigspritzen für in-vitro-Studien benötigt würden.

199

Jene unstreitige Lieferung der Beklagten lässt daher keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass die Beklagte Fertigspritzen mit den umgefüllten Arzneimitteln Lucentis und Avastin zum Zwecke der Behandlung von Augenerkrankungen herstellt und in den Verkehr bringt, ohne dass eine entsprechende ärztliche Verschreibung für einen individuellen Patienten vorliegt. Die in Rede stehende Lieferung erfolgte „zu Studienzwecken“. Nähere Informationen zum tatsächlich in Betracht kommenden Anwendungsfall hat die Klägerin nicht mitgeteilt. Danach erweist sich der geschilderte Vorgang als ein möglicher Einzelfall, der nicht auf die spätere Verabreichung von Fertigspritzen zur Behandlung von Augenerkrankungen gerichtet ist. Als solcher wäre er auch nicht von den gestellten Anträgen erfasst.

200

Ebensowenig belegt die Werbung der Beklagten für die Fertigspritzen im Internet (vgl. Anlage K 2) und die Zurverfügungstellung eines vorgedruckten Bestellformulars (Anlage K 26) eine Fertigung der streitgegenständlichen Spritzen auf Vorrat. Die in Rede stehenden Vorgänge belegen auch nicht, dass die Beklagte die Fertigspritzen für andere Abnehmer als Apotheken fertigt.

201

Die werbliche Herausstellung von Fertigspritzen als Bestandteil eines Produktportfolios der Beklagten ergibt keinen hinreichend konkreten Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte damit bereits im Voraus hergestellte Fertigspritzen bewirbt.

202

Die in den Bestellformularen vorgesehene Möglichkeit, in das Formular eine von einer Apothekenanschrift abweichende Lieferanschrift einzutragen, belegt nicht, dass der Herstellung von Fertigspritzen und deren Lieferung keine Bestellung durch eine Apotheke zugrunde läge. Dem von der Klägerin vorgelegten Bestellformular der Beklagten ist vielmehr zu entnehmen, dass vorgesehen ist, dass es sich bei dem Besteller um eine Apotheke handelt. Gegen eine Herstellung auf Vorrat spricht, dass auf dem Bestellformular (Anlage K 26) unten eine ausdrückliche Beauftragung einer „Herstellung“ vorformuliert ist.

203

Gegen die Herstellung auf Bestellung spricht auch nicht, dass im Bestellformular (Anlage K 26) der zu bestellende Gegenstand bereits vorformuliert ist („1,25 mg ausgeeinzeltes Bevacizumab / 0,05 ml in Fertigspritze“). Auch wenn dies zum Ausdruck bringen mag, dass es sich bei den Fertigspritzen um standardisierte Produkte der Beklagten handelt und die Beklagte Fertigspritzen (grundsätzlich) immer auf dieselbe Art und Weise herstellen könnte, folgt hieraus nicht eine Herstellung der Fertigspritzen im Voraus.

204

Der Senat vermag der Klägerin auch nicht in der Annahme zu folgen, dass unter einem „individuellen Rezept mit einer entsprechenden Verschreibung“ im Sinne des Urteils des EuGH vom 11.04.2013 nur solche Vorgänge zu fassen sind, bei denen der verschreibende Arzt eine individuelle Rezeptur verordnet. Nach Auffassung des Senats bedeutet das genannte Kriterium allein, dass die Herstellung von Fertigspritzen ohne Genehmigung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) 726/2004 eine patientenbezogene Verordnung voraussetzt. Die Wendung „Rezept mit entsprechender Verschreibung“ steht nicht dafür, dass der verordnende Arzt Anweisungen für die Herstellung des Arzneimittels selbst im Sinne einer Individualrezeptur aufschreiben müsste, sondern bezieht sich auf den Vorgang der Verordnung („Rezept“) und den maßgeblichen Inhalt der Verordnung von Ranibizumab/Lucentis bzw. Bevacizumab/Avastin („entsprechende Verschreibung“). Im Übrigen weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Herstellung einer Fertigspritze durch Umfüllen von Lucentis oder Avastin in einer Füllmenge von 0,05 ml, die von der ursprünglichen Füllmenge der Arzneimittel abweicht, ohne weiteres als eine individuelle Verschreibung im vorstehenden Sinne anzusehen ist.

205

b) Bei der Herstellung der Fertigspritzen durch die Beklagte wird das jeweils eingesetzte Arzneimittel (Avastin bzw. Lucentis) auch nicht „verändert“.

206

Unstreitig entnimmt die Beklagte den Durchstechflaschen, in denen Lucentis und Avastin als Fertigarzneimittel ausgeliefert werden, eine Teilmenge des Arzneimittels und füllt es in die Fertigspritzen um, ohne dass die Beklagte dabei dem jeweiligen Arzneimittel selbst etwas entnimmt - z.B. durch Extraktion - oder hinzufügt.

207

Das umgefüllte Arzneimittel ist damit im Sinne des Urteils des EuGH vom 11. April 2013 zunächst „unverändert“.

208

aa) Die Klägerin macht insoweit geltend, dass eine Veränderung des Arzneimittels bereits dadurch eintrete, dass es in der Form, wie es bereitgestellt wird, nicht mehr mit dem übereinstimme, was Grundlage und Inhalt der Arzneimittelzulassung sei. Damit erfasse die jeweils für das Ausgangsarzneimittel vorliegende Genehmigung die Beschaffenheit des betreffenden Arzneimittels in den von der Beklagten hergestellten Fertigspritzen nicht. Für ihren Standpunkt führt die Klägerin ins Feld, dass bei Abweichungen gegenüber der Genehmigung und den ihr zu Grunde liegenden Unterlagen nach Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 eine erneute Genehmigung zu beantragen sei. Dem ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung gefolgt.

209

Der Senat entnimmt der in der vorliegenden Sache ergangenen Entscheidung des EuGH vom 11.04.2013 indes, dass die infolge der Umfüllung von Lucentis und Avastin gegenüber der ursprünglichen Zulassung bzw. Genehmigung im Rechtssinne eingetretenen Veränderungen noch keine Genehmigungspflicht für die angegriffenen Handlungen nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) 726/2004 begründet. Nach der Beurteilung der Sache durch den EuGH im Urteil vom 11.04.2013 kommt es allein darauf an, ob die in Rede stehenden Arzneimittel in ihrer „Zusammensetzung“, also in stofflicher Hinsicht, verändert worden sind. Daher kann der Senat in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin unterstellen, dass die Herstellung der Fertigspritzen durch die Beklagte eine Reihe von Abweichungen gegenüber dem Gegenstand der für Lucentis und Avastin bestehenden Zulassungen zur Folge hat.

210

Dass der EuGH in der genannten Entscheidung unter dem Begriff der „Veränderung“ auch solche Umstände verstanden haben könnte, die das umgefüllte Mittel in Abweichung von der Zulassung des Ursprungspräparats aufweist, also etwa Veränderungen gegenüber der Originalfüllmenge, der Darreichungsform (Durchstechflasche zur Entnahme des Präparats mittels einer beiliegenden Spritze), der Packungsbeilage, den Pflichtangaben auf der äußeren Umhüllung oder in der Haltbarkeitsdauer, kann nicht angenommen werden. Dem EuGH waren bei seiner Entscheidung die maßgeblichen Umstände der angegriffenen Fertigspritzenherstellung bekannt (vgl. Rn. 23 des Urteils vom 11. April 2013). Er hat diese zum Gegenstand seiner Erwägungen gemacht und festgestellt, dass die Mittel nach dem Inhalt der Vorlageentscheidung und der Vorlagefrage in ihrer „Zusammensetzung“ nicht verändert werden (Rn. 41). Es lag im Rahmen der Entscheidung des EuGH auf der Hand, dass die Herstellung der streitgegenständlichen Fertigspritzen zu Abweichungen der Mittel vom ursprünglichen Zulassungsstatus der Präparate führt. Der EuGH hat seiner Entscheidung klar zugrunde gelegt, dass das Vorgehen der Beklagten die Verwendung der jeweils in größeren Mengen auf den Markt gebrachten Arzneimittel zur Herstellung von Fertigspritzen für mehrere Injektionen ermöglicht (Rn. 23). Die mit dem Auseinzeln und der Herstellen von Fertigspritzen zwingend verbundenen Folgen, also insbesondere die Abweichungen der so hergestellten Mittel von der ursprünglichen Zulassung, waren nicht zu übersehen. Die Entscheidung knüpft daran (Rn. 42: „Unter diesen Umständen“) mit den Erwägungen an, dass es unter den vom vorlegenden Gericht festzustellenden Bedingungen, nämlich dass keine Veränderung der Arzneimittel erfolgen und jeweils individuelle Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen vorliegen, einer nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) 726/2004 zu erteilenden Zulassung nicht bedürfe. Daraus wird deutlich, dass der EuGH den Begriff der „Veränderung“ allein im Sinne einer Veränderung des Arzneimittels in seiner „Zusammensetzung“ verstanden wissen will. Wäre es anders, hätte es der Prüfung von Ausnahmevorschriften im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG (Rn. 45 ff. des Urteils) oder der Erörterung solcher Umstände, die ein erlaubnisfreies Abfüllen von Arzneimitteln begründen können - also etwa der Erörterungen zur Vorschrift des Art. 40 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2001/83/EG (vgl. Rn. 50 ff. des Urteils) - nicht bedurft. Der Europäische Gerichtshof hätte aufgrund des ihm unterbreiteten Sachverhalts ohne weiteres selbst feststellen können, dass im Streitfall eine Veränderung der umgefüllten Arzneimittel im Rechtssinne, nämlich eine solche gegenüber der für das Inverkehrbringen der Ursprungsarzneimittelabfüllung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) 726/2004 erteilten Genehmigung, vorliegt.

211

Der Hinweis der Klägerin darauf, dass sie für von ihr selbst hergestellte Fertigspritzen mit einer gegenüber den streitgegenständlichen Präparaten reduzierten Füllmenge eine Genehmigung der Kommission habe einholen müssen, steht den vorstehenden Erwägungen schon deshalb nicht entgegen, weil die Klägerin in dem von ihr beschriebenen Fall Fertigspritzen gerade ohne individuelles Rezept mit entsprechender Verschreibung, nämlich auf Vorrat, herstellt.

212

Eine „Veränderung des betreffenden Arzneimittels“ liegt daher im vorliegenden Kontext nur dann vor, wenn das jeweilige Arzneimittel aufgrund des Umfüllvorganges in Fertigspritzen eine Veränderung in seiner Zusammensetzung erfährt. Dass ist zunächst einmal nicht der Fall, denn die Beklagte hat dem umgefüllten Arzneimittel unstreitig nichts in seiner Substanz entnommen oder etwas hinzugefügt.

213

Allerdings geht der Senat mit der Klägerin davon aus, dass eine infolge des Umfüllvorganges zwingend zu erwartende Veränderung der biologischen, chemischen oder physikalischen Eigenschaften des Mittels gegenüber dem Originalzustand des Arzneimittel auch eine in diesem Zusammenhang zu berücksichtigende „Veränderung“ darstellt, wenn dadurch die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit des Mittels maßgeblich beeinträchtigt werden würde. Letzteres ist nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aber nicht festzustellen. Das geht zu Lasten der Klägerin, denn es ist vor dem Hintergrund des unstreitigen Umstandes, dass die Beklagte im Rahmen des Umfüllvorgangs keine Maßnahmen zur stofflichen Veränderung des Arzneimittels ergreift, an der Klägerin darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass das Mittel dennoch allein durch den Umfüllvorgang im vorgenannten Sinne maßgebliche Veränderungen in Qualität, Wirksamkeit und/oder Sicherheit erfährt.

214

bb) Für Qualität, Wirksamkeit und/oder Sicherheit der Mittel maßgebliche, insbesondere nachteilige, Veränderungen der Arzneimittel Lucentis und Avastin gerade durch das Herstellen der streitgegenständlichen Spritzen hat die Klägerin allerdings nicht nachgewiesen.

215

(1) Eine solche Veränderung kann nicht schon dem Umstand entnommen werden, dass die Beklagte die Verwendbarkeit der von ihr hergestellten Spritzen auf einen Zeitraum von ein bis drei Wochen begrenzt, während die Arzneimittel in den zulassungsgemäß vertriebenen Durchstechflaschen mehrere Jahre haltbar sind. Dass sich die Verwendbarkeit der Arzneimittel durch die Herstellung der Fertigspritzen, wie sie durch die Beklagte hergestellt werden, verkürzt, entspricht der Zielsetzung, die Arzneimittel in den Fertigspritzen nicht auf Vorrat zu lagern, sondern alsbald zur Anwendung zu bringen. Soweit die Klägerin argumentiert, dass gemäß der Zulassung von Lucentis und Avastin eine Lagerung von mehreren Jahren möglich ist, dann ist zu bedenken, dass sich diese Frist auf die Lagerung in der jeweiligen gläsernen Durchstechflaschen bezieht, nicht hingegen auf die aufgezogene Spritze, wie sie in den Zulassungsunterlagen mit Blick auf die alsbaldige Anwendung von Lucentis beschrieben wird. Eine Veränderung der Haltbarkeit der betreffenden Arzneimittel folgt der im Interesse von Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit der Arzneimittel liegenden Notwendigkeit, die Aufbewahrung der Arzneimittel in Kunststoffspritzen, in welche auch Lucentis abzufüllen ist, wenn es gemäß den Anwendungsvorschriften zur Anwendung vorbereitet wird, zu begrenzen. Die Veränderung in der Haltbarkeit der Mittel ist dem Umfüllvorgang somit immanent. Veränderte Haltbarkeitsbedingungen könnten nur dann von Bedeutung sein, wenn sich daraus nachteilige Folgen für die Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit der Fertigspritzen ergäben. Das kann aber nicht festgestellt werden.

216

Zwar verweist die Klägerin insoweit auf die Stellungnahme von Professor Grisanti vom 18. Juni 2013 (Anlage K 24). Der Unterlage kann aber für die konkret in Rede stehenden Arzneimittelabfüllungen nichts Maßgebliches entnommen werden. Es kann bereits nicht festgestellt werden, dass die in der Anlage beschriebenen Untersuchungen überhaupt mit Fertigspritzen der Beklagten durchgeführt worden sind. Die Klägerin hat dies zwar behauptet. Dem Bestreiten der Beklagten ist die Klägerin indes nicht mit weiter substantiiertem Vortrag entgegengetreten.

217

Zwar hat die Klägerin mit dem ihr nachgelassenen Schriftsatz vom 23. November 2015 erneut zum Inhalt der von Grisanti durchgeführten Studie vorgetragen und einen im Jahre 2010 erschienene Aufsatz zu einer von Grisanti durchgeführten Studie als Anlage K 55 vorgelegt, in dem die jeweiligen Untersuchungen Grisantis im Einzelnen dargestellt werden. Das führt aber nicht zu einer anderen Beurteilung.

218

Dieser neue Vortrag ist schon nicht zuzulassen. Gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO sind neue Angriffs und Verteidigungsmittel nur dann zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Klägerin erläutert nicht, warum sie den neuen Vortrag nicht schon in erster Instanz gehalten hat. Aus dem bisherigen Verfahrensgang ergibt sich auch nicht, dass der Vortrag einen Gesichtspunkt beträfe, der vom Landgericht für unwesentlich gehalten worden wäre und daher Gegenstand eines gerichtlichen Hinweises hätte sein müssen. Schon während des Rechtsstreits in der ersten Instanz hat die Beklagte die Behauptung der Klägerin, es komme durch die Herstellung von Fertigspritzen zu nachteiligen Veränderungen, bestritten, insbesondere auch den Vortrag der Klägerin zur Veränderung der Wirksamkeit (Schriftsatz vom 19. August 2013, Seite 20, wo die Beklagte auch anmerkt, dass die Klägerin die Studie selbst nicht vorgelegt habe). Es handelte sich um einen zentralen Punkt der Auseinandersetzung.

219

Die vorgelegte Veröffentlichung lässt aber auch inhaltlich nicht erkennen, dass den dort beschriebenen Untersuchungen überhaupt Anwendungen mit Spritzen der Beklagten zugrunde gelegen hätten. Zudem ist nicht ersichtlich, ob die untersuchten Fertigspritzen unter Verwendung gleicher Materialien und zumindest vergleichbaren Bedingungen wie bei der Beklagten hergestellt worden waren. Was die Wirksamkeit von Fertigspritzen angeht, ergibt sich sowohl aus dem Schreiben gemäß der Anlage K 24 als auch aus dem Aufsatz gemäß der Anlage K 55 nur, dass die Mittel in den untersuchten Fertigspritzen gegenüber dem frisch aufgezogenen und unmittelbar injizierten Lucentis eine geringere Bindungsaffinität aufwiesen. In der Arzneimittellösung der Fertigspritzen soll sich danach mit fortschreitender Zeit die Proteindichte reduzieren. Dies ist aber nicht für alle Fertigspritzen im gleichen Maße festgestellt worden. Zudem lässt die Veröffentlichung nicht den hinreichend sicheren Schluss zu, dass die Verringerung der Proteindichte und der damit verbundenen Bindungsaffinität nach kurzer Zeit, also innerhalb des Zeitraumes, in dem das Mittel bestimmungsgemäß verabreicht werden soll, bereits Auswirkungen auf die klinische Wirksamkeit der Arzneimittel hat. In der Anlage K 24 heißt es u. a.:

220

„Auch wenn für ausgeeinzeltes Ranibizumab eine klinische Wirksamkeit anzunehmen ist, so ist aufgrund der gewonnenen Ergebnisse davon auszugehen, dass diese gegenüber dem frisch aufgezogenen und unmittelbar injizierten Lucentis geringer ausfallen kann.“ (Unterstreichung durch den Senat)

221

Angesichts der Möglichkeit von Wirkungsverlusten bei gleichwohl bestehender klinischer Wirksamkeit lässt sich nicht feststellen, dass ausgeeinzeltes Ranibizumab tatsächlich binnen kurzer Zeit, die üblicherweise zwischen der Herstellung und der Anwendung der Fertigspritzen der Beklagten verstreicht, seine klinische Wirksamkeit auch nur teilweise einbüßt. Da auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin bereits keine klare Aussage zu Wirkungsverlusten bei in Fertigspritzen abgefülltem Ranibizumab getroffen werden kann, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Kritik der Beklagten an der Methode der Studie von Grisanti zutreffend ist und ob sich anhand der Studien des Fraunhofer Instituts (Anlagen B 70 bis B 77) klare Aussagen des Inhalts treffen lassen, dass die streitgegenständlichen Fertigspritzen über einen relevanten Zeitraum hinweg wirksam gewesen sind.

222

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die von ihr abgefüllten Spritzen in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Herstellung angewendet würden. Die Herstellung erfolge mit Blick auf den konkreten Patienten und den geplanten Applikationstermin. Eine längere Verweildauer der Arzneimittel in den Fertigspritzen hat die Klägerin nicht konkret dargetan. Ihren Vortrag, dass der Versand der Fertigspritzen der Beklagten nicht immer am Tag der Herstellung erfolge und dass die Fertigspritzen noch einmal bei der Apotheke gelagert würden, weil sie regelmäßig nicht taggleich von dort abgeholt bzw. abgegeben würden, belegt die Klägerin nicht. Aus der Angabe eines Datums „verwendbar bis“ auf den Verpackungen der Fertigspritzen kann nicht schon der klare Schluss gezogen werden, dass die Wirkstoffe in den so gekennzeichneten Fertigspritzen bei der zeitnahen Anwendung der Mittel tatsächlich einen relevanten Wirksamkeitsverlust erleiden.

223

Für die Spritzen der Beklagten lassen sich daher keine hinreichend sicheren Aussagen dazu treffen, dass die therapeutischen Wirksamkeit oder gar Sicherheit der jeweiligen Arzneimittel infolge des Umfüllvorgangs in Bezug auf die bestimmungsgemäße - nämlich alsbaldige - Verwendung der Mittel maßgeblich beeinträchtigt wäre.

224

(2) Ebensowenig lässt sich mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit feststellen, dass die von der Beklagten hergestellten Spritzen nicht frei von Keimen und anderen Verunreinigungen wären. Dem eher allgemein gehaltenen Vortrag der Klägerin zu den Gefahren der Herstellung von Fertigspritzen ist die Beklagte unter Darlegung des bei ihr durchgeführten Fertigungsprozesses und der Bedingungen, unter denen sie die Fertigspritzen herstellt, substantiiert entgegengetreten.

225

Die Beklagte hat dazu vorgetragen, dass sie die Fertigspritzen unter aufwändigen Vorkehrungen zur Wahrung der Sterilität herstelle. Die Fertigspritzen würden in Isolatoren hergestellt, in die die einzusetzenden Durchstechflaschen, die doppelte Umverpackung für die Fertigspritzen, die Fertigspritzen und weiteren Gegenstände nach einer zweistündigen Sterilisation eingebracht würden, um dann die Fertigspritzen vollständig in Isolatoren herzustellen und abzupacken. Dem kann nicht entnommen werden, an welcher Stelle des Fertigungsprozesses von einem Risiko auszugehen ist, dass die Fertigspritzen mit den Arzneimitteln und beigegebenen Injektionsnadeln verunreinigt werden könnten, wenn der Fertigungsprozess ordnungsgemäß durchgeführt wird. Weiter hat die Beklagte vorgetragen, dass der Herstellungsprozess für die Fertigspritzen einer Qualitätssicherung unterliege. Als zugelassener Herstellungsbetrieb habe sie die Fertigspritzen unter aseptischen Bedingungen und unter Einhaltung der Chargenreinheit herzustellen. Eine Sterilitätsprüfung habe ergeben, dass auch nach 14 Tagen bei den Fertigspritzen der Beklagten ein bakterielles Wachstum nicht habe nachgewiesen werden können (Anlage B 23).

226

Die Klägerin hat insoweit unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Paul-Ehrlich-Instituts vom 14. April 2010 (Anlage K 6), eine Mitteilung der Roche Pharma AG vom 9. Februar 2009 (Anlage K 7), eine Mitteilung von Genentech, Inc. vom 11. Oktober 2007 (Anlage K 8) und eine Mitteilung der US-Behörde Food and Drug Administration (FDA; Anlage K 9), lediglich zum Gefährdungspotenzial von im Wege der Umfüllung hergestellten Fertigspritzen vorgetragen. Dabei hat sie dargelegt, dass es bei der Verwendung von Fertigspritzen auch zu Infektionen kommen kann. Den Unterlagen lässt sich indes nicht entnehmen, dass sich die beschriebenen Risiken in jedem Fall des Umfüllens der Mittel in Fertigspritzen oder gar nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verwirklichen müssen. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen sprechen allein dafür, dass es bei der Herstellung von Fertigspritzen und deren Verpackung darauf ankommt, im Hinblick auf die Sterilität besonders sorgsam vorzugehen. Zu den Spritzen der Beklagten und etwaigen Fertigungsrisiken ist konkret nichts vorgetragen worden.

227

Im Gegenteil, die Klägerin hat nicht behauptet, dass den von ihr vorgetragenen Warnungen und Vorfällen jeweils Fertigspritzen der Beklagten zu Grunde gelegen hätten. Dass aufgetretene Komplikationen auf Fertigspritzen der Beklagten zurückzuführen wären, hat die Klägerin nicht behauptet. Da das Auseinzeln der streitgegenständlichen Arzneimittel von einer Vielzahl von Apotheken durchgeführt werden kann, variieren die Produktionsbedingungen für Fertigspritzen, zumal die Einrichtung eines der Qualitätssicherung unterliegenden Herstellungsbetriebs aufwändig ist. So sind Kontaminationen mit Keimen und andere Verunreinigungen nicht notwendige Folge der Auseinzelung in Fertigspritzen. Nach der Studie von Grisanti (Anlage K 55) konnte bei den untersuchten Fertigspritzen, diese kamen von zwei Herstellern, eine mikrobiologische Kontamination ausgeschlossen werden.

228

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass die Durchstechflaschen für Lucentis zulassungsgemäß gerade deswegen mit einer Menge von 0,23 ml des Arzneimittels befüllt würden, um auszuschließen, dass es zu einem erhöhten Infektionsrisiko durch mehrfache Entnahmen kommt, steht das der Möglichkeit einer dennoch hinreichend sterilen Umfüllung der Mittel in mehrere Dosen nicht entgegen.

229

(3) Dass die von der Beklagten verwendeten Kunststoffspritzen die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit der betreffenden Arzneimittel beeinträchtigen könnten, kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

230

Dass die von der Beklagten verwendeten Spritzen - so der Klagvortrag - für die Anwendung am Auge nicht ausdrücklich zugelassen sind, lässt nicht schon den Schluss zu, dass die verwendeten Spritzen für die Herstellung von Fertigspritzen zur Anwendung am Auge nicht geeignet sind. Der Umstand allein, dass die Spritzen aus Kunststoff gefertigt sind, ist für eine solche Feststellung keineswegs hinreichend, wie schon die Tatsache zeigt, dass auch die Klägerin ihrem Arzneimittel Lucentis Kunststoffspritzen beilegt, damit das Mittel in diese aufgezogen und verabreicht werden kann.

231

Soweit die Klägerin einen Einzelfall anführt, in dem es im Zusammenhang mit der Verwendung einer Fertigspritze zu einem Eintrag von Silikonpartikeln ins Auge gekommen sein soll (Schriftsatz vom 29. August 2014, Seite 7, Anlage K 46), ergeben sich daraus keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass gerade die von der Beklagten verwendeten Kunststoffspritzen gleichartige Risiken bergen. Die Klägerin verweist zwar darauf, dass die von der Beklagten verwendeten Spritzen gleichfalls silikonisiert seien (um eine ununterbrochene Injizierbarkeit zu gewährleisten). Es ist indes unstreitig, dass die dem Arzneimittel Lucentis der Klägerin beigegebene Kunststoffspritze ebenfalls silikonisiert ist. Unterschiede zum Produkt der Beklagten sind insoweit weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

232

Dass aufgrund der gegenüber der sofortigen Anwendung längeren Verweildauer der Arzneimittel in den Fertigspritzen der Beklagten Arzneimittelverunreinigungen mit Silikonöl festgestellt worden seien, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

233

Der Vortrag der Klägerin, die sich hinsichtlich der Gefahren der Auseinzelung von Proteinarzneimitteln in Fertigspritzen auf die Äußerungen des Paul-Ehrlich-Instituts (Anlage K 6) sowie die Ausführungen von Prof. Steffens (Anlage K 17) stützt, es könne im Kontakt der Proteinwirkstoffe mit Oberflächen zur Bildung von Aggregaten kommen, bezieht sich auf Risiken der Auseinzelung in Fertigspritzen allgemein, ohne dass aber ein konkreter Bezug zu den Fertigspritzen der Beklagten besteht. Dass das dort erörterte Risiko der Bildung von Proteinaggregaten auch eines der Fertigspritzen der Beklagten ist, ergibt sich aus den vorgetragenen Tatsachen nicht. So ist dem Vortrag der Klägerin etwa auch nicht zu entnehmen, dass es zu unerwünschten Immunreaktionen gerade durch die Anwendung von Fertigspritzen der Beklagten gekommen wäre.

234

Der Vortrag der Klägerin dazu, dass bei einer Untersuchung des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker in Fertigspritzen eine größere als die zugelassene Anzahl von Partikeln festgestellt worden ist, lässt nicht erkennen, dass dies auch bei Fertigspritzen der Beklagten festgestellt worden oder eine notwendige Folge der Herstellung von Fertigspritzen mit Kunststoffspritzen ist.

235

(4) Dass die Herstellung von Fertigspritzen mittels des von der Beklagten so bezeichneten „poolings“, also der Herstellung von Fertigspritzen aus Teilmengen mehrerer Durchstechflaschen, irgendwelche Veränderungen des abgefüllten Mittels im Hinblick auf Qualität, Wirksamkeit und/oder Sicherheit mit sich brächte, ist ebenfalls nicht festzustellen. Eine stoffliche Veränderung der Arzneimittel bei diesem Vorgang ist nicht dargelegt oder gar nachgewiesen. Den Vortrag der Beklagten, sie verwende bei diesem Vorgang stets Durchstechflaschen derselben Charge, ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Dafür, dass die Beklagte den Inhalt von Durchstechflaschen verschiedener Chargen vermengte, ist konkret nichts ersichtlich, zumal nach dem Vortrag der Beklagten die Chargenzugehörigkeit jeder Fertigspritze dokumentiert wird, was auch die Angabe der Chargenbezeichnung auf den den Fertigspritzen beigegebenen Aufklebern (Anlagen K 4 und K 5) nahelegt.

236

c) Damit bleibt es bei der Feststellung, dass die Beklagte für die von der Klägerin angegriffenen Tätigkeiten, also das Inverkehrbringen von Fertigspritzen mit Abfüllungen von Lucentis und Avastin keiner Genehmigung nach Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) 279/2004 bedarf, weil diese Tätigkeiten auf Bestellung von Apotheken zur Lieferung an diese erfolgen, nicht zu einer Veränderung der betreffenden Arzneimittel führen und nur auf der Grundlage individueller Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen vorgenommen werden (EuGH, Urteil v. 11.4.2013). Damit bedarf sie unter diesen vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen auch keiner sonstigen Zulassung für das Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Fertigspritzen nach § 21 Abs. 1 AMG. Denn sind die vom EuGH genannten Bedingungen erfüllt, so sind gleichzeitig die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 21 Abs. 2 Nr. 1b lit. c) AMG gegeben.

237

Auch nach dieser Vorschrift bedarf es nämlich keiner Zulassung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln in unveränderter Form abgefüllt werden. Die Vorschrift ist daher auf der Grundlage der Entscheidung des EuGH vom 11.4.2013 europarechtskonform, ohne dass es darauf ankommt, ob sie, wie die Bundesrepublik Deutschland im Verfahren gemeint und der EuGH jedenfalls für die Frage der Anwendung in Bezug auf Lucentis verneint hat (Rn. 45 des EuGH-Urteils), generell als eine nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG zugelassene Ausnahme vom Richtlinienregime angesehen werden kann.

238

2. Zwar weist der EuGH in der Entscheidung vom 11.4.2013 darauf hin, dass die - unter Ziff. 1 erörterte - Möglichkeit des zulassungsfreien Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Fertigspritzen nichts daran ändert, dass die Beklagte für den eigentlichen Herstellungsprozess einer Erlaubnis bedürfen könnte, weil diese Tätigkeit weiterhin die Vorschriften der Richtlinie 2001/83/EG unterliegt (Rn. 44 des EuGH-Urteils). Der Begriff des Herstellens umfasst auch das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe (§ 4 Abs. 14 AMG). Insoweit erörtert der EuGH die Vorschrift des Art. 40 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2001/83/EG, nach der unter bestimmten Umständen sogar die Notwendigkeit einer Herstellungserlaubnis für die Zubereitung, Abfüllung oder Änderung der Abpackung oder Aufmachung von Arzneimitteln entfallen kann. Die Vorschriften der Art. 40 ff. der Richtlinie 2001/83/EG sind durch die Regelungen in §§ 13 ff. AMG umgesetzt (vgl. Rehmann, AMG, 4 Aufl., Rn.1 vor §§ 13 - 20d). Dem muss indes im Streitfall nicht weiter nachgegangen werden, denn die Beklagte verfügt über eine Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG für die Herstellung von Fertigspritzen. Das hat sie vorgetragen, ohne dass die Klägerin dies in Abrede genommen hätte.

239

3. Darf die Beklagte aber die streitgegenständlichen Fertigspritzen unter den genannten Voraussetzungen auf Bestellung von Apotheken nicht nur herstellen, sondern auch an Apotheken abgeben, also zulassungsfrei in den Verkehr bringen, dann fehlt es an einem Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und sind die darauf gestützten Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG nicht begründet. Das gilt sowohl hinsichtlich der gestellten Hauptanträge als auch bezogen auf die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche. Auch soweit die Klägerin in den Hilfsanträgen bestimmte Umstände als für die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Handlungen charakteristisch beschrieben hat, sind diese durch die Tätigkeiten der Beklagten nicht verwirklicht.

240

Zum 1. Hilfsantrag: Die Beklagte verstößt - wie ausgeführt - nicht deshalb gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften, weil die von ihr hergestellten Fertigspritzen nicht den in der Zulassung der Arzneimittel Avastin und Lucentis festgelegten Spezifikationen entsprechen. Soweit im vorliegenden Rechtsstreit Abweichungen gegenüber den Angaben in den Zulassungsunterlagen festgestellt werden können, handelt es sich um notwendige Abweichungen durch die im Streitfall zulässige Herstellung von Fertigspritzen. Dass der Tätigkeit der Beklagten keine „individuellen Rezepte mit entsprechenden individuellen Verschreibungen von Ärzten“ vorlägen, hat die Klägerin – soweit damit die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs „individuelle Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen“ angesprochen sind – nicht belegt. Auf die Ausführungen unter Ziff. I.1. wird verweisen.

241

Zum 2. Hilfsantrag: Die von der Klägerin in der Fassung des zweiten Hilfsantrags angeführten Abweichungen der angegriffenen Fertigspritzen von der jeweiligen Ursprungszulassung für Avastin und Lucentis vermögen das beantragte Verbot ebenfalls nicht zu begründen. Hier gilt das zum ersten Hilfsantrag Ausgeführte entsprechend. Im Übrigen kann auch hier auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziff. I.1. verwiesen werden. Nach dem Verständnis des Senats von der in der vorliegenden Sache ergangenen Entscheidung des EuGH sind die im 2. Hilfsantrag unter lit. a) (1) - (6) aufgeführten Umstände nicht hinreichend, um eine Zulassungspflicht für das unter diesen Umständen in den Verkehr gebrachte Fertigarzneimittel zu begründen. Das gilt auch für die im Antrag nicht näher bestimmte Zwischenlagerung von zum Zwecke der Umfüllung angebrochenen Durchstechflaschen zur späteren Wiederverwendung (lit. a) (7)). Konkreten tatsächlichen Vortrag zu einer solchen Zwischenlagerung hat die Klägerin nicht gehalten. Die Klägerin stellt insoweit lediglich Vermutungen über den Ablauf des Herstellungsprozesses bei der Beklagten an. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.

242

Auch die unverdünnte Abgabe von Avastin in Fertigspritzen begründet kein Verbot. Soweit für das Arzneimittel Avastin die Ausgabe zur unverdünnten Anwendung angegriffen worden ist (Hilfsantrag zu 2. lit. b) (8)) ist dem ebenfalls kein Erfolg beschieden. Die Beklagte nimmt lediglich die Abfüllung des Arzneimittels vor. Dass die damit verbundenen Veränderungen des Mittels nicht der Ursprungszulassung für Avastin entsprechen, ändert unter den vom EuGH geforderten Voraussetzungen (s.o.) nichts an der Möglichkeit des zulassungsfreien Inverkehrbringens des so abgefüllten Mittels. Eine Anwendung des Mittels außerhalb der ursprünglichen Indikation von Avastin erfolgt dann - dort zulässigerweise „off label“ - jeweils durch dem Arzt, auf dessen Verschreibung die Abfüllung unter Einbindung einer Apotheke hergestellt worden ist. Auf die dem Arzt in diesem Zusammenhang obliegenden Pflichten hat der EuGH unter Rn. 48 des Urteils vom 11.04.2013 hingewiesen.

243

Zum 3. Hilfsantrag: Auch den mit dem dritten Hilfsantrag angestrebten Verboten fehlt es an einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Fertigspritzen der Beklagten in erheblicher Weise Abweichungen in Bezug auf Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität aufwiesen. Ohne dass konkrete tatsächliche Anhaltspunkte oder gar Nachweise für Umstände vorliegen, die besorgen lassen, dass die Fertigspritzen der Beklagten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität nachteilig verändert sind, besteht kein auf derartige Umstände gestützter Unterlassungsanspruch. Wegen des Vorliegens individueller Verschreibungen wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

244

Sind danach schon die - auch hilfsweise geltend gemachten - Unterlassungsansprüche nicht begründet, so fehlt es mangels einer festgestellten Verletzungshandlung auch an einer rechtlichen Grundlage für die von der Klägerin begehrten Annexansprüche auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung.

245

B. Berufung der Beklagten

246

1. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das landgerichtliche Urteil ist abzuändern. Die Klage ist auch in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang abzuweisen. Auch insoweit kann nicht mit einer für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass die angegriffenen Tätigkeiten der Beklagten gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften verstoßen. Auf die vorstehenden Ausführungen unter lit. A. wird verwiesen.

247

2. Dass der abgelehnte Vorsitzende der Kammer für Handelssachen selbst über den ihn betreffenden Ablehnungsantrag entschieden hat, hindert den Senat nicht an der Entscheidung über den Rechtsstreit. Nach § 538 ZPO ist der Rechtsstreit durch das Berufungsgericht zu entscheiden, wenn nicht die Ausnahmen des Absatz 2 eine Zurückverweisung erlauben und das Berufungsgericht von einer solchen Ausnahme Gebrauch macht („darf“). Der Fall einer unzulässigen Selbstbescheidung des Ablehnungsgesuchs ist in § 538 ZPO nicht geregelt.

248

3. Auch ist das Berufungsgericht nicht daran gehindert, den vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden, weil das landgerichtliche Urteil nach der Behauptung der Beklagten zum Zeitpunkt seiner Verkündung nicht vollständig vorgelegen haben soll. § 310 Abs. 2 ZPO schreibt vor, dass – außer in namentlich erwähnten und hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen – das Urteil bei seiner Verkündung vollständig abgefasst sein muss. Nach dem Inhalt der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen war dies der Fall. Unabhängig davon führt ein Verstoß gegen § 310 Abs. 2 ZPO nicht dazu, dass die Verkündung unwirksam oder sonst das Urteil nichtig und der Senat an einer Entscheidung des Rechtsstreits gehindert wäre. Bei § 310 Abs. 2 ZPO handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, und ein Verstoß stellt die Wirksamkeit der Verkündung nicht in Frage (Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 310 Rn. 5). Da die Zustellung des vollständigen Urteils binnen der fünfmonatigen Frist des § 517 ZPO erfolgt ist, liegt auch ein vollständig überprüfbares Urteil vor.

C.

249

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

250

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

251

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zugelassen. Nach Auffassung des Senats sind die maßgeblichen Rechtsfragen durch die Entscheidung des EuGH vom 11.4.2013 geklärt. Soweit die Ermittlung tatsächlicher Umstände in Rede steht, handelt es sich bei der vorliegenden Streitigkeit um einen Einzelfall. Daher hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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