Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht - 11 U 150/16

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 08.07.2016 abgeändert.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren und für das Berufungsverfahren auf € 6.196,86 festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger und Widerbeklagte (im Folgenden: Kläger) hat von dem Beklagten und Widerkläger (im Folgenden: Beklagter) in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... GmbH & Co. Tankschiff KG (im Folgenden: Schuldnerin) die Feststellung einer Forderung iHv € 6.135,50 zur Tabelle als Hauptforderung im Rang des § 38 InsO begehrt. Widerklagend nimmt der Beklagte den Kläger wegen erhaltener Ausschüttungen in Höhe von € 3.067,76 auf Zahlung in Anspruch.

2

Erstinstanzlich hat das Landgericht die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage hin zur Zahlung von € 3.067,76 verurteilt.

3

Hiergegen hat der Kläger zunächst vollumfänglich Berufung eingelegt. Nach einem Hinweis des Senats hat der Kläger seine Berufung hinsichtlich seines abgewiesenen Klagantrags zurückgenommen.

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Die Parteien streiten jetzt in erster Linie noch über die Frage, ob der Kläger verpflichtet ist, seine Einlage im Hinblick auf erhaltene Liquiditätsausschüttungen wieder aufzufüllen.

5

Der Kläger beantragt wie erkannt.

6

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

II.

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Die Berufung des Klägers ist begründet, da dem Beklagten der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zusteht.

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1. Zwar hat der Kläger die von ihm anfänglich geleistete Einlage aufgrund von Liquiditätsausschüttungen im Sinne des § 172 Abs. 4 HGB teilweise zurückerhalten. Gleichwohl ist der Beklagte nur insoweit berechtigt, auf den Kläger als Kommanditisten gemäß § 171 Abs. 2 HGB bis zur Höhe seiner Einlage zurückzugreifen, als dies zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.03.2011).

10

Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass er die zurückbezahlte Einlage in Höhe von restlichen € 3.067,76 für die Begleichung der Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten (§§ 54, 55 InsO) und für die Befriedigung von Gläubigerforderungen benötigt. Nach dem Vortrag des Beklagten steht ihm eine Insolvenzmasse von zumindest € 2.173.846,00 zur Verfügung. Dem stehen Verfahrenskosten in Höhe von € 266.141,15 und Masseverbindlichkeiten in Höhe von € 1.585.159,80 gegenüber. Die verbleibende Insolvenzmasse in Höhe von € 322.545,05 genügt, um sämtliche vom Beklagten zur Insolvenztabelle festgestellten Gläubigerforderungen in Höhe von € 71.530,54 (vgl. Vortrag des Beklagten Bl. 469 d.A.). Soweit der Beklagte darauf verweist, dass über die von ihm festgestellten Forderungen weitere Gläubigerforderungen in Höhe von rund 530.000,- zur Tabelle angemeldet worden seien, so dass bei der Geltendmachung der Kommanditistenhaftung Forderungen in Höhe von rund € 600.000,- zu berücksichtigen seien, ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Der Beklagte bezieht sich bei seiner Auffassung, die zur Tabelle angemeldeten Forderungen seien unabhängig davon, ob diese (bereits) festgestellt oder (noch) bestritten seien, zu berücksichtigen auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 17.12.2015- IX ZR 143/13). Dem vorgenannten Urteil kommt allerdings keine Aussagekraft für die hier zu beurteilende Frage zu, welche Gläubigerforderungen der Insolvenzgläubiger im Rahmen der §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB bei der Inanspruchnahme eines Kommanditisten heranziehen kann. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte allein über den Umfang der Sperr- und Ermächtigungswirkung des § 93 InsO zu entscheiden; er hat dort zu Lasten eines anmeldenden Gläubigers entschieden, dass ein Insolvenzverwalter die Haftungsforderungen der Gläubiger gegenüber den Gesellschaftern auch dann geltend machen könne, wenn eine angemeldete Forderung später bestritten werde. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Sperr- und Ermächtigungswirkung des § 93 InsO, sondern um die Frage, ob ein Insolvenzverwalter auch dann angemeldete Forderungen zu Lasten des Gesellschafters geltend machen kann, wenn er diese - wie vorliegend - ausdrücklich bestritten hat. Ein solches Recht kann dem Insolvenzverwalter jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zugesprochen werden. Der Beklagte bringt durch seine Widersprüche gegen die angemeldeten Forderungen zum Ausdruck, dass er sie nach der ihm obliegenden sorgfältigen Prüfung für unberechtigt hält. Dann aber kann der Beklagte nicht - ohne sich dem Vorwurf des widersprüchlichen Verhaltens auszusetzen – die Inanspruchnahme des Klägers für diese von ihm bestrittenen Forderungen geltend machen. Daher können bei verständiger Betrachtung nur anerkannte oder sonst rechtskräftig festgestellte, nicht aber vom Insolvenzverwalter bestrittene Gläubigerforderungen berücksichtigt werden (so auch OLG Schleswig, Urteil vom 07.09.2016, 9 U 9/16). Ob etwas anderes dann geltend könnte, wenn der Insolvenzverwalter substantiiert darlegt, er müsse für den Fall der Beseitigung von Widersprüchen angemessene Rückstellungen bilden, kann vorliegend dahinstehen. Denn nach Aktenlage ist nicht erkennbar, dass zukünftig noch Gläubiger mit Erfolg Klagen auf Feststellung zur Tabelle einreichen werden. Das Insolvenzverfahren ist bereits im November 2013 eröffnet worden, der Beklagte seinerseits hat bereits in der Klagerwiderung vom 09.07.2014 angeführt, dass angemeldete Insolvenzforderungen im Umfang von ca. € 5,3 Mio vorliegen würden. Diese Summe hat sich nach den Angaben des Beklagten per 31.12.2016 auf € 5,8 Mio erhöht (Bl. 468 d.A.). Keiner dieser Gläubiger hat im Hinblick auf die vor Jahren erhobenen Widersprüche seinerseits Klage auf Feststellung zur Tabelle erhoben; dies hat der Beklagte auch noch einmal in der mündlichen Verhandlung am 05.06.2018 bestätigt. Bei dieser Sachlage wäre es widersprüchlich, dem Beklagten als Insolvenzverwalter zu gestatten, eine Vielzahl von Kommanditisten gerichtlich auf Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen in Anspruch zu nehmen, obwohl er selbst bei keiner der von ihm im Schriftsatz vom 27.02.2018 angeführten 383 Forderungen anführt, aus welchen Gründen noch konkret eine Inanspruchnahme durch Erhebung einer Feststellungsklage droht.

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2. Ob der Beklagte als Insolvenzverwalter einer Publikums-Kommanditgesellschaft berechtigt ist, den Kläger im Rahmen eines sog. Innenausgleichs in Anspruch zu nehmen, bedarf vorliegend keiner Klärung. Der Senat hat den Beklagten bereits mit Verfügung vom 18.01.2018 darauf hingewiesen, dass es die Aufgabe des Insolvenzverwalters (als Liquidator) wäre, die Ansprüche der Kommanditisten untereinander in eine Auseinandersetzungsrechnung einzustellen (vgl. zur Publikums-GbR BGH, Urteil vom 15.11.2011, II ZR 266/09). Nur so könnte überhaupt nachvollzogen werden, ob ein Kommanditist zum Innenausgleich verpflichtet ist, ob er also zu den sog. ausgleichspflichtigen Kommanditisten gehört; dasselbe gelte hinsichtlich der Höhe des Anspruchs. Eine solche Berechnung hat der Beklagte trotz eines erneuten Hinweises in der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Der Wert der im Berufungsverfahren zurückgenommenen Feststellungsklage und der Wert der abgewiesenen Widerklage sind nahezu identisch. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs.2 ZPO) bestehen nicht. Eine grundsätzliche Bedeutung ist nicht erkennbar. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

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Der Streitwert für die Klage wird auf € 3.129,10 festgesetzt. Der Wert errechnet sich aus der angemeldeten Forderung des Klägers in Höhe von € 6.135,50 und der zu erwartenden Insolvenzquote von 51 Prozent. Für die Festsetzung ist der Wert maßgeblich, der bei einer Verteilung der Insolvenzmasse zu erwarten ist (§ 182 InsO). Hinsichtlich der Quotenerwartung steht gemäß dem Prüfbericht den angemeldeten Forderungen in Höhe von € 5.367.916,70 eine Insolvenzmasse in Höhe von € 2.747.131,00 gegenüber. Zusammen mit dem Wert der Widerklage (€ 3.067,76) beläuft sich der Gesamtstreitwert auf € 6.196,86, der auch für das erstinstanzliche Verfahren festzusetzen war (§ 63 Abs. 3 GKG).

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