Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht - 11 U 90/19

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.03.2019, Az. 332 O 94/18, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 90.000,-- festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schiffahrtsgesellschaft MS „Fl.“ mbH & Co. KG, einer Publikums-KG, nimmt die Beklagte, Kommanditistin der Schuldnerin, unter dem Gesichtspunkt der nach Rückgewähr von Ausschüttungen wiederaufgelebten Außenhaftung in Anspruch. Im Kern streiten die Parteien im Berufungsverfahren darum, wie sich eine zwischenzeitlich erfolgte Herabsetzung der Haftsumme der Kommanditisten auf deren Haftung ausgewirkt hat.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. März 2019 (Bl. 82 ff. d.A.) verwiesen.

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Ergänzend ist festzustellen:

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Zum 14. Dezember 2012 wurde im Gesellschafterkreis der Schuldnerin im Zuge eines Sanierungskonzepts im schriftlichen Verfahren der Beschluss gefasst, die Hafteinlagen der Kommanditisten um die Summe der erhaltenen Ausschüttungen zu verringern und die Hafteinlagen sodann auf 10 % des sich hieraus ergebenden Betrags herabzusetzen. Die Herabsetzung des Haftkapitals wurde am 16. Juli 2013 in das Handelsregister eingetragen. Für die Beklagte ergab sich insoweit eine Herabsetzung der im Handelsregister ausgewiesenen Hafteinlage auf € 41.000,-- (vgl. Anlage B 15, S. 29). Die Beschlussfassung über die Herabsetzung des Haftkapitals der Kommanditisten war den beiden Hauptgläubigern der Schuldnerin, der K-Bank und der H., die in die Sanierungsüberlegungen einbezogen worden waren, im Dezember 2012 bekannt.

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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die §§ 171 ff. HGB seien auf die Beklagte anwendbar. Der Zeichner der Beteiligung und Rechtsvorgänger der Beklagten (…) habe sich mit einer eingetragenen Haftsumme von € 500.000,-- an der Schuldnerin beteiligt, mittelbar über eine Treuhandkommanditistin, im Jahr 2005 im Wege der Umschreibung unmittelbar als Kommanditist. Die im Jahr 2009 in der Erbfolge als Kommanditistin eingetragene Beklagte hafte infolge der Ausschüttungen in den Jahren 2006 / 2007 nach außen, da auch sie zunächst in Höhe der ursprünglichen Haftsumme eingetragen worden sei und erst später eine Reduzierung der Haftsumme (mit) herbeigeführt habe. Es bestünden berechtigte, zur Tabelle festgestellte Forderungen von Gläubigern der Schuldnerin, u.a. eine Forderung der K-Bank i.H.v. rd. € 13,5 Mio. Dem Erblasser sei seine Einlage i.H.v. € 90.000,-- über die Treuhandkommanditistin zurückgezahlt worden, wie insbesondere die vom Kläger eingereichten Unterlagen belegten. Zum Zeitpunkt der Ausschüttungen seien die Kapitalkonten der Kommanditisten unter den Betrag der jeweiligen Hafteinlage gemindert gewesen, weshalb es sich nicht um Gewinnausschüttungen gehandelt habe. Die Beklagte könne sich nicht auf den Gutglaubensschutz nach § 172 Abs. 5 HGB berufen, da eine unrichtige Bilanz nicht vorgelegen habe.

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Der Anspruch des Klägers sei auch nicht in Ansehung der später beschlossenen Haftsummenherabsetzung ausgeschlossen. Die K-Bank als Altgläubigerin brauche die Herabsetzung nach § 174 HGB nicht gegen sich gelten zu lassen. Zwar komme in Betracht, dass die Beklagte für die vor der Haftsummenreduzierung begründeten Forderungen analog § 160 HGB nur noch bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Einlagenreduzierung voll zu haften habe. Diese Frist habe aber nicht vor der Eintragung der Haftsummenreduzierung in das Handelsregister am 16. Juli 2013 zu laufen begonnen. Die Klage sei vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist, am 29. März 2018, erhoben worden.

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Gegen das ihr am 1. April 2019 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 25. April 2019 eingegangenen und – nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis zum 1. Juli 2019 – am 26. Juni 2019 begründeten Berufung.

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Die Beklagte macht unter Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags zur Haftkapitalherabsetzung im Wesentlichen geltend, das Landgericht habe die Tragweite von § 160 HGB (analog) verkannt. Der Fristlauf des § 160 HGB beginne, anders als das Landgericht meine, nicht erst mit der Eintragung der Haftsummenreduzierung in das Handelsregister. Fristauslösend sei vielmehr bei zutreffender Bewertung schon die unstreitig seit dem Jahr 2012 bestehende positive Kenntnis der Gläubiger von der Kapitalveränderung bei der Gesellschaft.

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Darüber hinaus habe das Landgericht die „Kapitalherabsetzung“ zu Unrecht nicht in Bezug auf § 172 Abs. 5 HGB geprüft. Durch das Fortführungskonzept sei die bisherige Bilanz ex nunc unrichtig geworden und die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass ihr Kapitalkonto nicht mehr negativ sei. Fälschlicherweise habe das Landgericht zudem als unstreitig angesehen, dass der Erblasser die Ausschüttungen erhalten habe.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.03.2019, Az. 332 O 94/18 aufzuheben und antragsgemäß zu entscheiden, die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das landgerichtliche Urteil als zutreffend. Eine analoge Anwendung von § 160 HGB zugunsten der Beklagten komme nicht in Betracht. Stelle man auf die Kenntnis des Gläubigers ab, dann müsse diese im Zeitpunkt der Begründung der Forderung vorgelegen haben. Dies entspreche dem Regelungssystem der §§ 171 ff. HGB. Ein Gleichlauf zum Recht der oHG könne nicht ohne Weiteres angenommen werden. Während dort das Ausscheiden eines Gesellschafters mit Beschluss wirke, die Eintragung in das Handelsregister also nur deklaratorischen Charakter habe, hänge die Haftsummenherabsetzung gerade konstitutiv von ihrer Eintragung in das Handelsregister ab. Hierbei handele es sich um eine im Verhältnis zum Recht der oHG spezielle Regelung, die als solche Vorrang genieße. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Begründung der Forderung habe die K-Bank die spätere Herabsetzung der Haftsummen aber nicht gekannt. Für den Beginn der Nachhaftungsfrist sei deshalb auf die Eintragung der Haftkapitalherabsetzung abzustellen.

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II. Die zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte haftet den Gläubigern, deren Forderungen der Kläger geltend macht, spätestens infolge der Herabsetzung ihrer Haftsumme nicht mehr im Wege der Außenhaftung.

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1. Ob der Rechtsvorgänger der Beklagten Ausschüttungen i.S.d. §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1, Abs. 2 HGB erhalten hat, auch im Übrigen die haftungsbegründenden Voraussetzungen dieser Normen erfüllt sind und ob die Beklagte die insoweit aufgelebte Außenhaftung als Rechtsnachfolgerin träfe, kann dahinstehen.

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2. Eine etwaige Haftung der Beklagten wäre wegen der zwischenzeitlich erfolgten Haftkapitalherabsetzung und des Ablaufs der sich aus § 160 HGB analog ergebenden Nachhaftungsfrist für die infolge Einlagenrückgewähr bestehende Außenhaftung jedenfalls erloschen.

18

a. Die Haftung der Beklagten ist nicht bereits in bloßer Anwendung von § 174 HGB ausgeschlossen oder begrenzt, weil die Haftsumme der Beklagten herabgemindert worden ist. Die hier in Rede stehenden (Alt-)Gläubiger - K-Bank und H.- brauchten die Herabsetzung der Hafteinlage nicht gegen sich gelten zu lassen, weil ihre Forderungen vor Beschluss und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister begründet waren (vgl. allg. etwa MünchKomm-HGB/K. Schmidt, §§ 174, 175 Rn 17; BeckOK-HGB/Häublein, 26. Edition, § 174 Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Strohn, HGB, 3. Auflage, § 174 Rn 3).

19

b. Die Beklagte haftet den hier in Rede stehenden Gläubigern aber infolge der Herabsetzung ihrer Haftsumme deshalb nicht mehr, weil in diesem Verhältnis die fünfjährige Nachhaftungsfrist analog § 160 HGB vor Klagerhebung abgelaufen ist.

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aa. Der Senat geht mit der – soweit ersichtlich – einhelligen Kommentarliteratur und den mit Parallelverfahren befassten Obergerichten davon aus, dass im Falle der Herabminderung des Haftkapitals eine vormals begründete Außenhaftung des Kommanditisten für „Altverbindlichkeiten“ analog § 160 HGB zeitlich begrenzt ist (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 8. Juli 2019 – 8 U 925/19; OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 20 U 8/19; Baumbach/Hopt/Roth, HGB, 38. Aufl., § 174 Rn 2; BeckOK-HGB/Häublein, 26. Edition, § 174 Rn 9; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Strohn, Handelsgesetzbuch, 3. Auflage, § 174 Rn 4; MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 3. Aufl., §§ 174, 175 Rn 19; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock, HGB, 5. Aufl., § 174 Rn 5). Hierfür spricht, dass die Herabsetzung der Haftsumme bei wirtschaftlicher Betrachtung ein „Teilausscheiden“ des Kommanditisten aus der Gesellschaft ist. Es wäre aber nicht überzeugend, den Gesellschafter bei seinem vollständigen Ausscheiden einer nur begrenzten Nachhaftung zu unterwerfen, ihn im Falle des Teilausscheidens hingegen unbegrenzt weiter haften zu lassen.

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bb. Die Frist des § 160 HGB (analog) ist in Bezug auf etwa bestehende klägerische Ansprüche gegen die Beklagte vor Klagerhebung abgelaufen. Denn die K-Bank und die H. als Altgläubiger aus der Zeit vor der Herabsetzung des Haftkapitals haben in einem Zeitraum Kenntnis von der Haftsummenherabsetzung erhalten, der außerhalb des Fünfjahreszeitraums vor Klagerhebung liegt.

22

(1) Für den Fristbeginn des § 160 HGB ist im vorliegenden Fall auf die positive Kenntnis der Gläubiger abzustellen, nicht auf die spätere Eintragung der Herabminderung der Haftsumme in das Handelsregister.

23

Die Frage, ob es für den Beginn der fünfjährigen Nachhaftungsfrist auf den Zeitpunkt der positiven Kenntnis des Gläubigers von der Herabsetzung der Haftsumme ankommt oder ob zwingend auf den Zeitpunkt der Eintragung der Herabsetzung in das Handelsregister abzustellen ist, wird derzeit nicht einheitlich beantwortet (vgl. – Fristlauf ab Kenntnis bejahend – OLG Dresden, Beschluss vom 8. Juli 2019 – 8 U 925/19; OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 20 U 8/19; LG Darmstadt, Urteil vom 6. Dezember 2018 – 27 O 63/18; LG Frankfurt a.M., Urteil vom 22. Februar 2019 – 2-28 O 132/18; LG Göttingen, Urteil vom 6. März 2019 – 5 O 127/18; BeckOK-HGB/Häublein, 26. Edition, § 174 Rn 9 unter Verweis auf die Rechtslage bei § 160 HGB; demgegenüber OLG Düsseldorf, Urteil vom 1. August 2019 - I-6 U 156/18, unter II. 5. a.E.: „Ausschlussfrist von 5 Jahren ab Eintragung“, wobei es dort auf die Frage einer Kenntnis nicht streitentscheidend ankam; a.A. – Fristlauf zwingend erst ab Eintragung – neben der Vorinstanz etwa LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 21. Dezember 2018 – 8 O 4235/18; LG Passau, Urteil vom 19. März 2019 – 1 O 478/18).

24

Der Senat schließt sich in dieser Frage der Auffassung der mit Parallelverfahren befassten Oberlandesgerichte Dresden und Stuttgart an. Im für die Analogie heranzuziehenden Grundfall des Ausscheidens eines oHG-Gesellschafters aus seiner Gesellschaft ist höchstrichterlich geklärt, dass die fünfjährige Nachhaftungsfrist mit der positiven Kenntnis eines Gläubigers vom Ausscheiden, sonst mit Eintragung des Ausscheidens in das Handelsregister, beginnt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. September 2007 – II ZR 284/05, NJW 2007, 3784). Der Bundesgerichtshof hat seine Auffassung zum einen mit Blick auf die entsprechende Rechtslage im Recht der GbR begründet, zum anderen mit dem Sinn und Zweck der Nachhaftungsregelungen (BGH a.a.O. Rn 17 ff. - beck-online). Sinn der Eintragung sei es, den Gesellschafter einer oHG der Notwendigkeit zu entheben, alle Gläubiger einzeln von seinem Ausscheiden in Kenntnis zu setzen. Habe der Gläubiger aber infolge positiver Kenntnis vom Ausscheiden volle fünf Jahre Zeit, seine Ansprüche gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter durchzusetzen, könne ihm nicht gestattet werden, sich auf die fehlende Eintragung des Ausscheidens zu berufen, weil hierin eine zweckwidrige Ausnutzung einer formalen Rechtsposition läge.

25

Nicht anders liegt es im vorliegenden Fall mit Blick auf die Kenntnis der Altgläubiger von der bereits beschlossenen Verringerung der Haftsumme, also dem „Teilausscheiden“ der Kommanditisten aus der Gesellschaft. Auch hier liegt es in der Hand der Gläubiger, binnen fünf Jahren ab Kenntnis von der Maßnahme ihre ungeschmälerten Ansprüche zu verfolgen.

26

Es ist insoweit nur auf den ersten Blick schlüssig zu argumentieren, dem Gläubiger könne nicht Kenntnis von einem Vorgang zur Last fallen, den es rechtlich überhaupt noch nicht gebe, d.h., der noch nicht wirksam in die Welt gesetzt sei, womit der Kläger die im Recht der oHG deklaratorische, im Falle der Herabsetzung der Hafteinlage (§ 174 HGB) konstitutive Wirkung der Eintragung in das Handelsregister aufgreift (vgl. hierzu BeckOK-HGB/Häublein, 26. Edition, § 174 Rn 5). Dieser Hinweis ist schon deshalb nicht überzeugend, weil im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 174 HGB zu Recht einhellig die Auffassung vertreten wird, dass für die Wirksamkeit der Haftkapitalreduktion i.S.v. § 174 HGB die positive Kenntnis eines (Neu-)Gläubigers von der bei Begründung der Verbindlichkeit beschlossenen, aber noch nicht eingetragenen Haftsummenreduktion genüge, damit diesem Neugläubiger gegenüber die Herabsetzung wirke. Im unmittelbaren Anwendungsgebiet von § 174 HGB wird dem vermeintlich konstitutiven Charakter der Eintragung der Haftkapitalherabsetzung also gerade keine Bedeutung beigemessen (vgl. etwa MünchKomm-HGB/K. Schmidt, §§ 174, 175 HGB Rn 17; BeckOK-HGB/Häublein, 26. Edition, § 174 Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 174 Rn 3; dazu bereits OLG Dresden, a.a.O., S. 5). Dann spricht nichts dafür, dies bei der Frage der Nachhaftung anders zu sehen, zumal es unter dem Gesichtspunkt der Schutzwürdigkeit des betroffenen Gläubigers ohnehin keine einleuchtende Unterscheidung ist, auf den deklaratorischen oder konstitutiven Charakter eines Gesellschafterbeschlusses abzuheben, weil der großen Menge der Gläubiger die einmal (beim Ausscheiden eines Gesellschafters) deklaratorische, einmal (bei der Haftsummenherabsetzung) konstitutive Bedeutung des beschlossenen, aber noch nicht eingetragenen Aktes überhaupt nicht bewusst sein wird.

27

Auch die Argumentation des Klägers, positive Kenntnis könne nur dort entscheidend sein, wo sie bereits bei Begründung der Forderung gegeben sei, verfängt nicht. Ebenso wenig wie beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus der oHG die Gläubiger das Ausscheiden bereits bei Begründung ihrer Forderung kennen müssen – § 160 HGB gilt gerade für die Altgläubiger –, damit die Nachhaftungsfrist kenntnisabhängig anlaufen kann, gilt dies bei der Haftkapitalherabsetzung in der KG. In einem solchen Fall, d.h. bei Kenntnis des Gläubigers von der Kapitalherabsetzung bereits bei Begründung der Forderung, würde im Übrigen die Haftsummenherabsetzung schon gemäß § 174 HGB unmittelbar gegen den Gläubiger gelten und eine Außenhaftung bereits deshalb ausscheiden (so zutreffend schon OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 20 U 8/19, S. 6; LG Frankfurt a.M., Urteil vom 22. Februar 2019 – 2-28 O 132/18 Rn 24 – beck-online).

28

(2) Ist für den Fristbeginn auf die positive Kenntnis der Gläubiger der KG abzustellen, so ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass sämtliche Altgläubiger bereits im Jahr 2012 Kenntnis von der beschlossenen Haftsummenherabsetzung in der KG hatten und die Nachhaftungsfrist demnach vor Klagerhebung im vorliegenden Verfahren abgelaufen ist.

29

Die Beklagte hat zunächst eine Kenntnis von der Herabsetzung der Haftsumme nur aufseiten der K-Bank für Ende des Jahres 2012 unwidersprochen behauptet. Dass darüber hinaus aber auch die zweite Altgläubigerin, die Hansa Hamburg Shipping International, bereits Ende 2012 Kenntnis von Haftkapitalherabsetzung hatte, ist im erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten bereits angeklungen (vgl. Anlagen B 1, B 15, B 20), in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Klägervertreter ausdrücklich eingeräumt worden und dem Senat auch aus einer Mehrzahl parallel gelagerter Fälle (11 U 47/19, 11 U 57/19, 11 U 112/19) bekannt.

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Die Fünfjahresfrist begann demnach mit Kenntnis der vorstehenden beiden Gläubigerinnen von den Beschlüssen der Gesellschaft vom 14. Dezember 2012 und endete fünf Jahre später, im Dezember 2017. Die vorliegende Klage ist deutlich nach Ablauf dieser Frist, am 29. März 2018, eingereicht worden.

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cc. Der Fristablauf hat zur Folge, dass die Haftung der Beklagten vollumfänglich erloschen ist (vgl. MünchKomm-HGB/Schmidt, 4. Aufl., § 160 Rn 41). Das in der Reduzierung des Haftkapitals von € 500.000,-- auf € 41.000,-- liegende Teilausscheiden der Beklagten mit einem Betrag von € 459.000,-- führte - mit Auslaufen der Nachhaftungsfrist - zu einem Erlöschen ihrer Außenhaftung bis zu diesem Umfang (so ausdrücklich OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 20 U 8/19, S. 7; i.E. ebenso OLG Dresden, Beschluss vom 7. Juli 2019 – 8 U 925/19; Baumbach/Hopt/Roth, HGB, 38. Aufl., § 174 Rn 2; BeckOK-HGB/Häublein, 26. Edition, § 174 Rn 9; MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 3. Aufl., §§ 174, 175 Rn 19; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock, HGB, 5. Aufl., § 174 Rn 5).

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3. Auch Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten kann der Kläger ungeachtet der Frage, ob die klägerischen Ansprüche bestanden haben, nicht verlangen.

33

Der Kläger mag die Beklagte mit seinem Schreiben vom 9. Oktober 2017 (Anlage K 9) in Verzug gesetzt haben. Ein Schädiger hat aber nur solche Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten zu ersetzen, die auf Maßnahmen beruhen, die aus der ex-ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person in der Situation des Geschädigten nach den Umständen des Falls zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sind (BGH, Urteil vom 25. November 2015 - IV ZR 169/14, Rn 12, NJW-RR 2016, 511). In der konkreten Situation Ende des Jahres 2012 war die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der außergerichtlichen Geltendmachung der klägerischen Forderung nicht mehr in diesem Sinne erforderlich und zweckmäßig. Angesichts des nahenden Fristendes i.S.v. § 160 HGB und erst Recht nach dem Antwortschreiben der späteren Prozessvertreter der Beklagten vom 17. November 2017 (Anlage K 11), in dem bereits auf die streitgegenständliche Haftsummenherabsetzung rekurriert und die geltend gemachten Zahlungsansprüche in Abrede genommen wurden, bestand bei objektiver Würdigung kein vernünftiger Anlass mehr anzunehmen, dass die Beklagte sich in den wenigen bis zum Ablauf der Nachhaftungsfrist verbleibenden Tagen besinnen und auf ein anwaltliches Schreiben hin Zahlungen leisten werde, erst Recht nicht auf ein Schreiben vom 13. Dezember 2017, dem Vortag des Fristendes, hin. Geboten war vielmehr die umgehende Geltendmachung der Forderung in einer den Ablauf der Nachhaftungsfrist wirksam verhindernden Weise. Dazu zählte ein einfaches außergerichtliches Anwaltsschreiben nicht.

34

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

35

5. Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 543 ZPO.

36

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

37

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 11. Juli 2017 - II ZR 127/16, Rn 3 - beck-online).

38

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Frage des Beginns der Nachhaftungsfrist im Falle einer Haftkapitalherabsetzung in der KG ist zwar bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Jedoch besteht in der Kommentarliteratur - soweit das Thema dort Erörterung findet - und in der bisher ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass die inhaltlich eng verwandte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betreffend das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters aus der oHG bzw. KG auf den streitgegenständlichen Fall der Haftkapitalherabsetzung zu übertragen ist. Allein der Umstand, dass Amts- und Landgerichte verschiedentlich eine solche Übertragung abgelehnt haben (vgl. oben 2. b. bb.), lässt die Beantwortung der sich stellenden Frage noch nicht als zweifelhaft erscheinen.

39

Der vorliegende Fall gibt auch keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, a.a.O., Rn 4). Das ist hier, wie gesehen, nicht der Fall.

40

Schließlich sind auch keine Rechtsprechungsdivergenzen zu besorgen. Soweit in einer Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 1. August 2019, I-6 U 156/18) formuliert ist, dass die Nachhaftungsfrist in „5 Jahren ab Eintragung“ ablaufe, ist zu berücksichtigen, dass im dort zu entscheidenden Fall eine Kenntnis der Gläubiger nicht zur Diskussion stand.

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