Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (2. Strafsenat) - 2 Ws 72/20
Tenor
1. Auf die weitere Beschwerde des Angeklagten wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg vom 18. Februar 2020 – Aktenzeichen 259 Ds 117/19 – aufgehoben.
2. Der aufgrund des Haftverschonungsbeschlusses des Amtsgerichts Hamburg vom 18. Februar 2020 unter der Geschäftsnummer 57 H L 166/20 bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Hamburg als Sicherheitsleistung hinterlegte Betrag in Höhe von 100.000,- Euro wird freigegeben.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
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(nachträglich abgesetzt wegen Eilbedürftigkeit der Umsetzung der Beschlussformel)
I.
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Die Staatsanwaltschaft Hamburg legt dem Beschwerdeführer mit zum Amtsgericht Hamburg erhobener und zur Hauptverhandlung vor dem Strafrichter zugelassener Anklageschrift vom 9. August 2019 zur Last, am 11. April 2018 jeweils unerlaubt Betäubungsmittel besessen zu haben und mit explosionsgefährlichen Stoffen umgegangen zu sein sowie in der Nacht vom 31. Dezember 2018 auf den 1. Januar 2019 durch Abfeuern einer Schreckschuss- und Signalpistole gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben.
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Das Amtsgericht hat unter dem 22. Januar 2020 Termin zur Hauptverhandlung auf den 18. Februar 2020, 9.15 Uhr, anberaumt und den Angeklagten unter zwei bekannten Wohnanschriften zu diesem Termin geladen. Unter der Zustellanschrift ……in Halstenbek ist dem Angeklagten die Ladung zum Termin am 25. Januar 2020 durch die Zustellerin persönlich übergeben worden. An der Anschrift …..in Hamburg ist die Ladung am gleichen Tage in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt worden.
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Zum Termin am 18. Februar 2020 um 9.15 Uhr ist der Angeklagte bis 9.30 Uhr nicht erschienen, woraufhin der Vorsitzende gegenüber den für die beiden bekannten Wohnanschriften zuständigen Polizeidienststellen jeweils die (sofortige) Vorführung des Angeklagten zur Hauptverhandlung angeordnet hat. Der Angeklagte konnte jedoch unter beiden Anschriften nicht angetroffen worden. Um 10.47 Uhr hat das Amtsgericht daraufhin auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Hauptverhandlung ausgesetzt und zugleich gegen den Angeklagten einen auf § 230 Absatz 2 StPO gestützten Haftbefehl erlassen.
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Um 12.10 Uhr ist der in der Zwischenzeit von seiner Lebensgefährtin über das Erscheinen der Polizei an der Wohnanschrift in Halstenbek informierte und in der Zeit nach 10.47 Uhr nach Rücksprache mit der Polizei bei Gericht erschienene Angeklagte im Gerichtsgebäude verhaftet worden. Nach Bekanntmachung des Haftbefehls hat das Amtsgericht noch am 18. Februar 2020 den Vollzug des Haftbefehls ausgesetzt, die Leistung einer Sicherheit in Höhe von 100.000,- Euro angeordnet und dem Angeklagten die Anweisung erteilt, sich jeweils montags, mittwochs und freitags bei dem Polizeikommissariat 14 in Hamburg zu melden. Am 19. Februar 2020 ist der Angeklagte nach Hinterlegung der Sicherheitsleistung aus der Haft entlassen worden.
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Unter dem 16. April 2020 hat das Amtsgericht neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 23. Juni 2020 mit Fortsetzungsterminen am 30. Juni 2020 und am 7. Juli 2020 anberaumt.
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Die gegen den Haftbefehl gerichtete Beschwerde des Angeklagten hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 4, mit Beschluss vom 8. April 2020 mit der Maßgabe verworfen, dass die Meldeauflage aus dem Verschonungsbeschluss entfällt.
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Gegen diesen Beschluss des Landgerichts wendet sich der Angeklagte mit seiner weiteren Beschwerde mit dem Antrag, den Haftbefehl aufzuheben. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der weiteren Beschwerde des Angeklagten beantragt.
II.
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Die zulässige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Gegen den landgerichtlichen Beschluss über die Aufrechterhaltung des außer Vollzug gesetzten Haftbefehls ist die weitere Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig erhoben. Beschlüsse, die von dem Landgericht erlassen worden sind, können gemäß § 310 Absatz 1 Nr. 1 StPO mit der weiteren Beschwerde angefochten werden, wenn sie eine Verhaftung betreffen. Diese Voraussetzungensind auch dann gegeben, wenn es wie hier um den Erlass oder Fortbestand eines Haftbefehls geht, der gegenwärtig nicht vollzogen wird (HansOLG, StV 1994, 323; KK-StPO/Zabeck, § 310 Rn. 10; LR/Matt, § 310 Rn. 32; Meyer-Goßner/Schmitt, § 310 Rn. 7 jeweils m.w.N.). Die Klärung, ob der Rechtstitel für den Eingriff in die persönliche Freiheit zu Recht besteht, soll nicht bis zu seiner (erneuten) Vollstreckung aufgeschoben werden. Schon der Bestand eines Haftbefehls als solcher stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit dar, denn auch die freiheitsbeschränkenden Auflagen eines außer Vollzug gesetzten Haftbefehls sind ein wesentlicher Eingriff (BVerfGE 53, 152).
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2. Die weitere Beschwerde ist auch begründet. Zwar lagen die Voraussetzungen der Anordnung von Haft gemäß § 230 Absatz 2 StPO am 18. Februar 2020 vor, die Aufrechterhaltung des Haftbefehls ist jedoch trotz der Aussetzung des Vollzuges angesichts des sich unmittelbar an die Verhaftung des Angeklagten anschließenden weiteren Verfahrensganges unverhältnismäßig.
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a) In formeller Hinsicht genügt der schriftlich abgefasste und dem Angeklagten bekannt gemachte Haftbefehl den sich aus entsprechender Anwendung des § 114 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rn. 21 m.w.N.) ergebenden Anforderungen. Ihm lässt sich insbesondere die angelastetet Tat, das unentschuldigte Ausbleiben zu einem bestimmt bezeichneten Hauptverhandlungstermin sowie noch hinreichend der Umstand entnehmen, dass sich das Amtsgericht der Erforderlichkeit von Verhältnismäßigkeitserwägungen bewusst war und diese angestellt hat (vgl. zu den formellen Anforderungen LR/Becker, § 230 Rn. 33).
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b) Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls lagen im Zeitpunkt seiner Anordnung durch das Amtsgericht am 18. Februar 2020 vor. Gemäß § 230 Absatz 2 StPO ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, wenn das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist und soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.
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aa) Der Angeklagte war zu dem auf den 18. Februar 2020 anberaumten Hauptverhandlungstermin durch Zustellung im Wege der persönlichen Übergabe der Ladung (§ 177 ZPO) ordnungsgemäß geladen worden. Ladungen dieser Art wird im normalen Geschäftsgang ein Hinweis auf die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten im Sinne des § 216 Absatz 1 StPO beigefügt. Anhaltspunkte dafür, dass dies vorliegend nicht der Fall gewesen sein könnte, liegen nicht vor, insbesondere wurde Entsprechendes auch von dem Angeklagten selbst nicht behauptet (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Januar 2017, Az.: 2 Ws 287/16; Beschluss vom 9. Januar 2014, Az.: 2 Ws 1/15).
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bb) Der Angeklagte ist im Termin ausgeblieben, da er zur festgesetzten Terminsstunde sowie auch nach Ablauf einer hinreichenden Wartefrist nicht im Sitzungsaal anwesend war.
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cc) Das Ausbleiben des Angeklagten war nicht genügend entschuldigt.
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Zur Entschuldigung eines Angeklagten dient jeder Umstand, der ihn – wie beispielsweise Krankheit oder Gefangenschaft – am Erscheinen vor Gericht gegen seinen Willen hindert oder bei Abwägen aller Gesichtspunkte ergibt, dass dem Angeklagten aus seinem Fernbleiben billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann (Senat, Beschluss vom 3. Januar 2017, Az.: 2 Ws 287/16; LR/Becker, § 230 Rn. 20; Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rn. 16).
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Daran fehlt es hier. Der Angeklagte lässt lediglich vortragen, dass er „bedauerlicherweise keine Kenntnis“ von dem Gerichtstermin gehabt habe. Diese Angabe ist nicht nur bereits durch die nachgewiesene Zustellung der Ladung durch persönliche Übergabe an den Angeklagten drei Wochen vor dem Termin widerlegt, sondern auch durch den Umstand, dass der Angeklagte ausweislich eines Vermerks des Vorsitzenden nach seiner Verhaftung im Gerichtsgebäude gegenüber der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erklärt hat, er habe gedacht, wenn er nicht zum Gerichtstermin erscheine, werde ein Strafbefehl ergehen.
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dd) Der Erlass eines Haftbefehls war im Zeitpunkt seiner Anordnung auch verhältnismäßig.
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(1) In das hohe Rechtsgut der persönlichen Freiheit darf der Staat nur dann und nur insoweit eingreifen, als dies unerlässlich ist, um die künftige Teilnahme eines Angeklagten an einem Hauptverhandlungstermin mit Sicherheit zu erreichen. Ist nach den bekannt gewordenen Umständen zu erwarten, dass der Angeklagte zum neuen Hauptverhandlungstermin von selbst erscheinen wird, etwa, weil der für sein Ausbleiben angeführte Grund sich nur auf den gegenwärtigen Termin bezog, so ist es meist nicht erforderlich, und damit auch nicht zulässig, präventiv die Teilnahme an dem künftigen Termin durch Zwangsmittel sicherzustellen. Gleiches gilt, wenn das Erscheinen des Angeklagten mit der erforderlichen Sicherheit durch ein milderes Mittel erreichbar ist (BVerfGE 32, 87; LR/Becker, § 230 Rn. 22 m.w.N.).
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Der Grundsatz, dass das mildeste Mittel anzuwenden ist, gilt auch für die Auswahl der in § 230 Absatz 2 StPO nebeneinander angedrohten Zwangsmittel. Dem an erster Stelle genannten Vorführungsbefehl gebührt als dem weniger einschneidenden Eingriff in die persönliche Freiheit stets der Vorrang vor dem Haftbefehl (BVerfGE 32, 87; BVerfG, NJW 2007, 2318; SK-StPO/Deiters, § 230 Rn. 21; KMR/Eschelbach, § 230 Rn. 42). Letzterer darf nur angeordnet werden, wenn das mildere Mittel entweder bereits erfolglos ausgeschöpft ist (KMR/Eschelbach, § 230 Rn. 31) oder nach Würdigung aller Umstände der Zweck der Norm, die Durchführung der Hauptverhandlung in Gegenwart des Angeklagten zu ermöglichen, andernfalls nicht oder nicht mit der erforderlichen Sicherheit erreichbar wäre. So liegt es etwa, wenn zu befürchten ist, dass der Angeklagte sich einer Vorführung durch Fernbleiben von seiner Wohnung entziehen würde (LR/Becker, § 230 Rn. 25).
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(2) Diesen hohen Verhältnismäßigkeitsanforderungen hielt der Haftbefehl im Zeitpunkt seines Erlasses noch stand.
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(a) Das mildere Mittel der Vorführungsanordnung war entgegen dem Beschwerdevorbringen gescheitert, weil die Vorführung bereits fehlgeschlagen war. Der Angeklagte konnte durch die Beamten der beiden ersuchten Polizeidienststellen nicht aufgegriffen werden und war im Zeitpunkt der Aussetzung der Hauptverhandlung weder vorgeführt noch waren seine alsbaldige Ergreifung und Vorführung angekündigt. Dass der Angeklagte ungefähr zur Zeit der Aussetzung der Hauptverhandlung telefonischen Kontakt mit Polizeibeamten gehabt haben und diesen gegenüber sein baldiges Erscheinen im Gerichtsgebäude angekündigt haben will, ändert nichts an dem objektiven Scheitern der Vorführung.
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(b) Nach den bekannt gewordenen Umständen war auch bei Erlass des Haftbefehls nicht hinreichend sicher zu erwarten, dass der Angeklagte zu einem künftigen neuen Hauptverhandlungstermin von selbst erscheinen werde.
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Insbesondere konnte das Amtsgericht aufgrund des Verhaltens des Angeklagten in der Vergangenheit auf eine auch künftige Unzuverlässigkeit im Umgang mit justiziellen Verpflichtungen schließen, da sich der Angeklagte auch schon in der Vergangenheit in vergleichbaren Situationen als unzuverlässig erwiesen hatte. Zuletzt war der Angeklagte im Verfahren 327b Ds 75/17 vor dem Amtsgericht Hamburg-Altona zu einem dort anberaumten Hauptverhandlungstermin unentschuldigt nicht erschienen. Seine zu einem neu anberaumten Termin angeordnete Vorführung unter Ergreifung zur Nachtzeit schlug fehl, woraufhin ebenfalls ein Haftbefehl nach § 230 Absatz 2 StPO ergangen ist.
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c) Die Aufrechterhaltung des Haftbefehls ist jedoch trotz der Aussetzung des Vollzuges aufgrund des sich unmittelbar an die Verhaftung des Angeklagten anschließenden weiteren Verfahrensganges unverhältnismäßig. Die Dauer – auch der ausgesetzten – Haft nach § 230 Absatz 2 StPO unterliegt, wie sich aus historisch-teleologischer sowie systematischer Auslegung der Norm ergibt, strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen, denen vorliegend nicht hinreichend Genüge getan ist.
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aa) Historisch ist zu beachten, dass unter weitgehender Aufgabe des bis dahin in den meisten deutschen Gesetzgebungen vorgesehenen Kontumazialverfahrens, des Ungehorsamsverfahrens in Abwesenheit gegen pflichtwidrig ausgebliebene Angeklagte, erstmals die RStPO von 1877 als „wesentliche Neuerung“ den Satz aufstellte, dass gegen einen ausgebliebenen Angeklagten die Hauptverhandlung nicht stattfinde (Hahn (Hrsg.), Die gesamten Materialien zur Strafprozessordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 1. Februar 1877, Berlin 1880, S. 185; Kamp, FS Rudolphi, S. 663; KMR/Eschelbach, § 230 Rn. 1). Diese Regelung gilt bis heute als § 230 Absatz 1 StPO unverändert fort (SK-StPO/Deiters, § 230 Rn. 1).
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Das Recht des Angeklagten zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung folgt nach heutiger Ansicht aus seiner Stellung als Prozesssubjekt, der die Befugnis inhärent ist, gestaltend auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Es findet seine verfassungsrechtliche Fundierung im Anspruch auf rechtliches Gehör aus Artikel 103 Absatz 1 GG und auf ein faires Verfahren aus Artikel 20 Absatz 3 i.V.m. Artikel 2 Absatz 1, 1 Absatz 1 GG und Artikel 6 Absatz 1 EMRK (SK-StPO/Deiters, § 230 Rn. 1).
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Mit dem Anwesenheitsrecht korrespondiert indes eine Anwesenheitspflicht des Angeklagten. Diese rechtfertigt sich durch das Allgemeininteresse an der Vermeidung von Fehlurteilen (Grünwald, JZ 1976, 767; SK-StPO/Deiters, § 230 Rn 1g; KMR/Eschelbach, § 230 Rn. 2). Dem Richter soll mit dem Ziel bestmöglicher Wahrheitsfindung ein unmittelbarer Eindruck von der Person des Angeklagten, seinem Auftreten und seinen Erklärungen vermittelt werden (BGHSt 3, 187; Kamp, a.a.O., S. 661, KMR/Eschelbach, § 230 Rn. 1). Die persönliche Anwesenheit gibt dem Angeklagten schon nach der Intention des historischen Gesetzgebers die Möglichkeit, „jederzeit in den Gang der Hauptverhandlung eintreten zu können“. Dies stellt eine „Garantie für die Zulässigkeit des Verfahrens“ dar, die „selbst unter ausdrücklicher Einwilligung des Angeklagten nicht entbehrt werden kann“ (Materialen zur RStPO bei Hahn (Hrsg.), a.a.O., S. 185 f.; vgl. SK-StPO/Deiters, § 230 Rn. 1g).
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Die Berechtigung der Anwesenheitsverpflichtung erklärt sich somit daraus, dass der Staat einerseits dem Angeklagten ein faires Verfahren gewährleisten muss, andererseits aber gerade daran auch im Interesse der Effektivität der Strafrechtspflege nicht ohne Reaktionsmöglichkeiten durch störende Verhaltensweisen des Angeklagten gehindert werden soll. Nur im Zusammenspiel dieser beiden Elemente ergibt sich ein staatliches Interesse, das über das Anwesenheitsrecht hinaus den sanktionsbewehrten Erscheinens- und Anwesenheitszwang rechtfertigt (KMR/Eschelbach, § 230 Rn. 2). Die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Hauptverhandlung nur in Anwesenheit des Angeklagten durchzuführen, fordert notwendigerweise, dass das Gericht die Befugnis haben muss, die Anwesenheit eines ohne genügende Entschuldigung pflichtwidrig ausgebliebenen Angeklagten zu erzwingen, soweit nicht ausnahmsweise gemäß § 231 Absatz 2, § 232 oder § 329 Absatz 2 StPO ohne den ausgebliebenen Angeklagten verhandelt werden darf (Gollwitzer, FS Hanack, S. 145; LR/Becker, § 230 Rn. 14). Das Gericht erhält damit auch die Befugnis, sicherzustellen, dass ein zur Anwesenheit verpflichteter Angeklagter die Durchführung der Hauptverhandlung nicht allein durch sein Ausbleiben auf Dauer verhindern kann (BVerfGE 32, 87; BVerfG, NJW 2007, 2318; LR/Becker, § 230 Rn. 14). Dagegen geht es nicht um die Ahndung des Ungehorsams, der im unentschuldigten Ausbleiben eines anwesenheitspflichtigen Angeklagten liegt, sondern vor dem Hintergrund des Zusammenspiels von Anwesenheitsrecht und Anwesenheitspflicht allein um den Zweck, die Präsenz des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu sichern (OLG Frankfurt, NStZ-RR 1999, 18; KG, NJW 2007, 2345; LR/Becker, § 230 Rn. 14; SK-StPO/Deiters, § 230 Rn. 13).
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Bereits aus diesen Erwägungen folgt, dass die Dauer der Haft im Hinblick auf den alleinigen Zweck, die Anwesenheit des Angeklagten im anberaumten Hauptverhandlungstermin zu sichern, auf das hierfür notwendige Minimum zu reduzieren ist.
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bb) Systematisch ist bei der Reichweite der Haft nach § 230 Absatz 2 Variante 2 StPO zu beachten, dass die Strafprozessordnung weitere Möglichkeiten bietet, auf die Anwesenheit des Angeklagten hinzuwirken. Hierbei handelt es sich neben dem Vorführbefehl nach § 230 Absatz 2 Variante 1 StPO und dem zeitlich begrenzten Haftbefehl nach § 127b StPO im eng begrenzten Anwendungsbereich des beschleunigten Verfahrens nach §§ 417 ff. StPO (krit. Wenske, NStZ 2009, 63) namentlich um den Untersuchungshaftbefehl nach §§ 112 ff. StPO (Kamp, FS Rudolphi, S. 666).
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Dabei bestehen zwischen dem Haftbefehl nach § 112 StPO und demjenigen nach § 230 Absatz 2 Variante 2 StPO trotz scheinbar vergleichbarer Ausgangslage, ähnlicher Zielsetzung und einander überschneidender Anwendungsbereiche erhebliche Unterschiede. Während § 112 StPO und § 127b StPO bereits im Vorfeld des ersten Hauptverhandlungstermin die Möglichkeit eröffnen, die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung sicherzustellen, ist der Anwendungsbereich des § 230 Absatz 2 StPO erst eröffnet, wenn der Angeklagte zum ersten Termin nicht erschienen ist und seine Anwesenheit für den nächsten Hauptverhandlungstermin sichergestellt werden soll. Die Untersuchungshaft nach § 112 StPO dient dagegen ausschließlich der Durchsetzung des staatlichen Anspruchs auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters (BVerfGE 19, 342; 20, 144; Meyer-Goßner/Schmitt, § 112 Rn. 9; Kamp, FS Rudolphi, S. 667). Sie kann bereits mit dem ersten Tag des Ermittlungsverfahrens angeordnet werden und bis zur späteren Vollstreckung andauern und ist damit übergreifender und bestimmender als der deutlich engere Haftbefehl nach § 230 Absatz 2 StPO (Kamp a.a.O.). Angesichts des ermöglichten weitreichenden Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht ist deshalb Voraussetzung für den Erlass eines Haftbefehls nach § 112 StPO konsequenterweise stets zwingend ein dringender Tatverdacht sowie ein Haftgrund im Sinne des § 112 Absatz 2 StPO.
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Der Haftbefehl nach § 230 Absatz 2 StPO erfasst dagegen nur einen engen Teil des Strafverfahrens selbst, nämlich die Hauptverhandlung. Als Zwangsmittel bezweckt er allein die Durchsetzung des grundsätzlich geltenden verfahrensrechtlichen Verbots, ohne den Angeklagten zu verhandeln. Er zielt darauf ab, die Durchführung des Strafverfahrens zu sichern und zu verhindern, dass der Angeklagte seinen revisionsrechtlich abgesicherten Anwesenheitsanspruch zur Vereitelung missbraucht (Kamp a.a.O.). Daraus folgt, dass die Geltungsdauer des Haftbefehls – anders als im Falle des § 112 StPO – automatisch mit Abschluss der Hauptverhandlung endet und der Haftbefehl von selbst gegenstandslos wird (OLG Saarbrücken, NJW 1975, 791; Scharf/Kropp, NStZ 2000, 297; LR/Becker, § 230 Rn. 37; KK-StPO/Gmel, § 230 Rn. 15; HK/Julius, § 230 Rn. 7; KMR/Eschelbach, § 230 Rn. 46). Wesentlicher Unterschied zu § 112 StPO ist vor dem Hintergrund dieses begrenzten Anwendungsbereichs und des Zwecks der Regelung, dass weder ein dringender Tatverdacht noch ein über das unentschuldigte Ausbleiben in der Hauptverhandlung hinausgehender weiterer Haftgrund für den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Absatz 2 StPO erforderlich sind (BVerfGE 32, 87; BVerfG, NJW 2007, 2318; Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rn. 21; LR/Becker, § 230 Rn. 32; MüKo-StPO/Arnoldi, § 230 Rn. 17; KMR/Eschelbach, § 230 Rn. 41; SK-StPO/Deiters, § 230 Rn. 14). Es ist auch nicht notwendig, dass der Angeklagte schuldfähig ist (Senat, Beschluss vom 7. März 2012, Az.: 2 Ws 36/12, StraFo 2012, 266; KG, NStZ-RR 1997, 75; LR/Becker, § 230 Rn. 32; Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rn. 21).
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Aus diesen im Vergleich zu § 112 StPO erheblich niedrigschwelligeren Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 StPO folgen notwendigerweise spiegelbildlich höhere Anforderungen an das Übermaßverbot auf Rechtsfolgenseite (vgl. BVerfGE 32, 87; BVerfG, NJW 2007, 2318).
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cc) Auch der Gesetzgeber hat die besondere Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in diesem Zusammenhang jüngst noch einmal betont und den Wortlaut der Norm ergänzt. Mit dem am 25. Juli 2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe ist in § 230 Absatz 2 StPO der Halbsatz „soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist“ neu eingefügt worden (BGBl. I, S. 1332). Nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 18/3562, S. 66) ist damit keine inhaltliche Änderung der Vorschrift verbunden, vielmehr sollte – im Zusammenhang mit der Änderung des § 329 StPO – ausdrücklich auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Bezug genommen werden. Das Wort „soweit“ soll deutlicher als bisher darauf hinweisen, dass dem Vorführungsbefehl stets der Vorrang vor dem Haftbefehl zu geben ist (BeckOK-StPO/Gorf, § 230 Rn. 13.1). Auch die Dauer der durch die Vorführung bewirkten Freiheitsentziehung muss danach auf das unabweisbare Maß begrenzt werden. Eine Ingewahrsamnahme des Angeklagten darf nach der Gesetzesbegründung nicht zeitlich früher erfolgen, als dies zur Erreichung des Zweckes notwendig ist (BT-Drs. 18/3562, S. 66). Nichts anderes kann dann aber für die Vollstreckung eines ebenfalls auf diese Norm gestützten Haftbefehls gelten.
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dd) Konkret folgt aus diesen Grundsätzen, dass die Haft nach § 230 Absatz 2 StPO nicht ohne Bezug zu einem konkreten und nur innerhalb eines kurzen Zeitraums bevorstehen Hauptverhandlungstermin denkbar ist. Wie der Vorführbefehl dient nämlich auch der Haftbefehl des § 230 Absatz 2 StPO allein dazu, die Präsenz des Angeklagten in der erneuten Hauptverhandlung zu sichern. Daraus folgt, dass er nicht länger, als zur Erreichung dieses Zieles notwendig ist, in Haft gehalten werden darf. Deshalb kann es auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit veranlasst sein, die Vollstreckung eines bereits nach § 230 Absatz 2 StPO erlassenen Haftbefehls erst wenige Tage vor dem neuen Hauptverhandlungstermin zu veranlassen. Geschieht das nicht, so ist jedenfalls in angemessener Zeit nach Festnahme des Angeklagten die Hauptverhandlung durchzuführen (Senat, Beschluss vom 26. Mai 2010, Az.: 2 Ws 97/10; BVerfG, NJW 2007, 2318; HansOLG, MDR 1987, 78; ThürOLG, OLGSt § 230 StPO Nr. 5; OLG Düsseldorf, StraFo 2012, 105; OLG Frankfurt, StV 2005, 432; Welp, JR 1991, 265, 270; LR/Becker, § 230 Rn. 34; KMR/Eschelbach, § 230 Rn. 46; KK-StPO/Gmel, § 230 Rn 13; MüKo-StPO/Arnoldi, § 230 Rn. 17; SK-StPO/Deiters, § 230 Rn. 22; HK-StPO/Julius, § 230 Rn. 7). Der zulässige Zeitraum der Inhaftierung nach § 230 StPO darf angesichts des Zwecks der Vorschrift je nach den Umständen des Einzelfalles die Dauer von einer Woche jedenfalls nicht deutlich übersteigen (vgl. BVerfG, NJW 2007, 2318, 2320 [10 Tage: unverhältnismäßig]; OLG Düsseldorf, StraFo 2012, 105 [15 Tage: unverhältnismäßig]; erweiternd LR/Becker, § 230 Rn. 34 [ein bis drei Wochen]).
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ee) Der Vollzug eines Haftbefehls nach § 230 Absatz 2 StPO kann in entsprechender Anwendung des § 116 StPO jedoch auch ausgesetzt werden (Senat, Beschluss vom 26. Mai 2010, Az.: 2 Ws 97/10; Beschluss vom 3. Januar 2017, Az.: 2 Ws 287/16; OLG Frankfurt, StV 2005, 432; LR/Becker, § 230 Rn. 35; KMR/Eschelbach, § 230 Rn. 47; KK-StPO/Gmel, § 230 Rn. 14; MüKo-StPO/Arnoldi, § 230 Rn. 17; SK-StPO/Deiters, § 230 Rn. 28). Allerdings ist dabei zu beachten, dass eine Außervollzugsetzung ohne Anordnung von weniger einschneidenden Maßnahmen gesetzeswidrig ist. Sind solche Maßnahmen zur Zweckerreichung nicht erforderlich, so ist der Haftbefehl aufzuheben (OLG Frankfurt, StV 2005, 432; Meyer-Goßner/Schmitt, § 116 Rn. 5).
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Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen gilt auch bei Außervollzugsetzung des Haftbefehls fort (Senat, Beschluss vom 30. Januar 2020, Az.: 2 Ws 6/20; Beschluss vom 7. Januar 2005, Az.: 2 Ws 257/04; BVerfG, NJW 2006, 668; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2019, Az.: StB 1/19, juris; KG, StV 2015, 37; StV 2003, 627; HK-StPO/Posthoff, § 120 Rn. 12; LR/Hilger, § 116 Rn. 1; KK-StPO/Schultheis, § 120 Rn. 9; Meyer-Goßner/Schmitt, § 120 Rn. 5). Beschränkungen, denen der Angeklagte durch Auflagen und Weisungen nach § 116 StPO ausgesetzt ist, dürfen nicht länger andauern, als es nach den Umständen erforderlich ist. Denn auch dann, wenn Untersuchungshaft nicht vollzogen wird, kann allein schon die Existenz eines Haftbefehls für einen Angeklagten eine erhebliche Belastung darstellen, weil sich mit ihm regelmäßig die Furcht vor einem (erneuten) Vollzug verbindet (BVerfG, StV 2006, 87; vgl. BVerfGE 53, 152). Mag die Haftverschonung vom Beschuldigten vor dem Hintergrund eines drohenden Vollzugs von Untersuchungshaft zunächst auch als Rechtswohltat empfunden werden, so ändert dies doch gleichwohl nichts daran, dass der Fortbestand des Haftbefehls vor allem auch unter Berücksichtigung der freiheitsbeschränkenden Auflagen nach wie vor mit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit verbunden ist. Dies gilt nicht nur für die von Meldeauflagen ausgehenden Belastungen, sondern auch für die Beschränkung der Freizügigkeit, insbesondere wenn dem Beschuldigten Auslandsreisen untersagt sind oder er seinen Wohn- und Aufenthaltsort nicht ohne richterliche Erlaubnis verlassen oder wechseln darf. Ebenso können im Falle der Auferlegung einer Kaution erhebliche finanzielle Nachteile mit der Aussetzung des Haftbefehls verbunden sein. Eine Haftsache ist deshalb auch dann wie eine Haftsache zu behandeln, wenn der Haftbefehl nicht vollzogen wird, weil er außer Vollzug gesetzt ist (BVerfG a.a.O.).
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Angesichts der geringeren Eingriffstiefe bei Haftverschonung sind an das Beschleunigungsgebot zwar geringfügig reduzierte Maßstäbe anzulegen (KG, StV 2015, 37; HK-StPO/Posthoff, § 120 Rn. 12). Gleichwohl darf die Aussetzung des Vollzuges den Charakter einer Rechtswohltat, die das gleiche angestrebte Ziel wie ein Haftbefehl nur mit milderen Mitteln erreichen soll, nicht verlieren. Keinesfalls darf die Aussetzung des Vollzuges Mittel zum Zweck sein, dem Gericht unter Umkehrung der vom Gesetz bezweckten milderen Eingriffsintensität längere Zeit für die erneute Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins zu verschaffen und so auf den Angeklagten belastendere Auswirkungen zu entfalten als eine zulässig nur wenige Tage vollzogene Sicherungshaft. Jedenfalls in Fällen einer – nach Sinn und Zweck der Vorschrift ohnehin nur selten in Betracht kommenden – Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls nach § 230 Absatz 2 StPO sind an die Verhältnismäßigkeit der Dauer der Aufrechterhaltung des (ausgesetzten) Haftbefehls nur wenig schwächere Maßstäbe anzulegen als an einen vollzogenen Haftbefehl. Eine erneute Hauptverhandlung hat auch in Fällen der Verschonung daher je nach Eingriffsintensität der Verschonungsauflagen regelmäßig innerhalb eines Zeitraums, der wenige Wochen unterschreitet, stattzufinden. Andernfalls ist der Haftbefehl aufzuheben.
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ff) Diesen Anforderungen genügt der Verfahrensgang vorliegend angesichts eines am 18. Februar 2020 erlassenen Haftbefehls und eines erst am 16. April 2020 gar auf den 23. Juni 2020 anberaumten neuen Hauptverhandlungstermins auch unter Berücksichtigung der Verschonung des Angeklagten ersichtlich nicht.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Absatz 1 StPO.
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Referenzen
- StPO § 116 Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls 2x
- StPO § 216 Ladung des Angeklagten 1x
- StPO § 230 Ausbleiben des Angeklagten 23x
- StPO § 112 Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe 8x
- StPO § 114 Haftbefehl 1x
- 2 Ws 97/10 2x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (2. Strafsenat) - 2 Ws 1/15 1x
- §§ 417 ff. StPO 1x (nicht zugeordnet)
- 327b Ds 75/17 1x (nicht zugeordnet)
- 57 H L 166/20 1x (nicht zugeordnet)
- 2 Ws 287/16 3x (nicht zugeordnet)
- §§ 112 ff. StPO 1x (nicht zugeordnet)
- 259 Ds 117/19 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 177 Ort der Zustellung 1x
- StPO § 310 Weitere Beschwerde 1x
- StPO § 329 Ausbleiben des Angeklagten; Vertretung in der Berufungshauptverhandlung 2x
- StPO § 127b Vorläufige Festnahme und Haftbefehl bei beschleunigtem Verfahren 2x
- 2 Ws 257/04 1x (nicht zugeordnet)
- 2 Ws 36/12 1x (nicht zugeordnet)
- 2 Ws 6/20 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung 1x