Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (12. Zivilsenat) - 12 UF 131/20
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg – Bergedorf vom 27. Juli 2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu Ziffer 1. des Beschlusses lautet:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, die von den Beteiligten gemietete Wohnung […] der Antragstellerin zur alleinigen Nutzung zu überlassen. Die Antragstellerin setzt das Mietverhältnis mit den weiteren Beteiligten allein fort.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.
Gründe
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I. Die Beteiligten streiten über die Fortsetzung des Mietverhältnisses ihrer Ehewohnung.
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Die Beteiligten waren miteinander verheiratet. Aus der Ehe ist eine inzwischen volljährige Tochter hervorgegangen. Die Beteiligten sind seit dem 6. September 2019 rechtskräftig geschieden. Gemeinsam mieteten sie vom inzwischen verstorbenen Vater der Antragstellerin die Ehewohnung an. Während der Ehezeit führte der Antragsgegner auch sein Gewerbe aus den Räumlichkeiten der Ehewohnung heraus. Er zog Mitte des Jahres 2019 aus der Wohnung aus, ließ jedoch teilweise ihm gehörende Gegenstände in den Räumlichkeiten zurück und zahlte bis Ende Dezember 2019 Teile der Miete. Darüber hinaus kümmerte er sich abwechselnd mit der Antragstellerin um die in der Ehewohnung lebenden gemeinsamen Hunde. Die Antragstellerin und - nach ihrer Rückkehr aus den USA - die gemeinsame Tochter leben weiterhin in der Wohnung.
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Im Januar 2020 kam es zu einem E-Mail-Wechsel des Antragsgegners mit dem vom Vermieter eingesetzten Verwalter der Wohnung. Darin meldete sich der Antragsgegner zunächst „offiziell“ ab und bedankte sich für die Zusammenarbeit in der Vergangenheit. Es seien nur Teile des Hausrates abzuholen oder zu entsorgen. Die Verwaltung fragte nach der Räumung eines Kellerraumes und teilte mit, dass bis zum jetzigen Zeitpunkt eine Teilkündigung des Mietverhältnisses nicht vorliege und wies darauf hin, dass der Antragsgegner damit formal weiterhin Mieter sei. Er wurde gebeten mitzuteilen, ob eine Teilkündigung des Mietverhältnisses geplant sei. Darauf teilte der Antragsgegner mit, dass es einer Kündigung seinerseits nicht bedürfe. Diese könnte das fortbestehende Mietverhältnis sogar nachteilig beeinflussen. Wegen der Einzelheiten des E-Mail-Wechsels wird auf die Anlage AG 1 verwiesen.
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Unter dem 12. Februar 2020 wies die Antragstellervertreterin den Antragsgegnervertreter darauf hin, dass der Antragsgegner die Wohnung noch nicht geräumt habe. Darüber hinaus habe der Verwalter der Wohnung dem Antragsgegner angeboten, ihn aus dem Mietvertrag zu entlassen. Dies habe sein Mandant abgelehnt. Sie forderte ihn auf, bis zum 29. Februar 2020 das Mietverhältnis über den Verwalter zu beenden und ihrer Mandantin die Schlüssel der Wohnung auszuhändigen. Andernfalls werde sie ein Wohnungszuweisungsverfahren einleiten. Eine Reaktion seitens des Antragsgegners erfolgte nicht.
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Die Antragstellerin hat unter dem 30. April 2020 beantragt, ihr die Ehewohnung zuzuweisen. Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Er halte sich seit Ende Juni 2019 nicht mehr in der Wohnung auf und habe lediglich absprachegemäß einen Satz Schlüssel behalten, um die gemeinsamen Hunde auszuführen. Er verweigere auch nicht seine Entlassung aus dem Mietvertrag. Eine einseitige Kündigung sei allerdings unzulässig und eine gemeinsame Kündigung sei nicht gewollt. Eine einseitige Entlassung sei ihm vom Vermieter nicht angeboten worden.
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Eine Einigung ließ sich im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht nicht erzielen. Insbesondere bestand Uneinigkeit darüber, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Im Anschluss an den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht überreichte der Antragsgegner der Antragstellerin die restlichen Schlüssel für die Wohnung.
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Mit Beschluss vom 27. Juli 2020 hat das Amtsgericht der Antragstellerin die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Darüber hinaus hat es den Antragsgegner zur Übergabe der Schlüssel verpflichtet.
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Gegen den Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Der Antrag sei von vornherein unbegründet gewesen. Die Voraussetzungen des § 1568a BGB lägen nicht vor. Die Antragstellerin sei nicht darauf angewiesen, in der ehemaligen Ehewohnung verbleiben zu können. Sie sei auch nicht schutzbedürftig, da sie praktisch Miteigentümerin der Wohnung sei. Es habe auch keinen Streit und keine ungeklärte Situation über die Wohnung gegeben. Er ist der Ansicht, er habe beim Verwalter um eine Entlassung aus dem Mietverhältnis gebeten. Darauf sei die Verwaltung nicht eingegangen. Dies ergebe sich aus einem E-Mail-Wechsel mit der Verwaltung (Anlage AG 1). Die Herausgabe der Schlüssel sei erstmals unter dem 28. Mai 2020 eingefordert worden. Die Schlüssel seien darauf im Termin am 22. Juni 2020 übergeben worden. Er habe dies sofort anerkannt. Die Antragstellerin müsse die Kosten der unbegründeten Ehewohnungssache tragen. Ein Wohnungszuweisungsverfahren scheide aus, wenn sich die Eheleute über die Nutzung der Wohnung einig sein.
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In der mündlichen Verhandlung am 24. November 2020 vor dem Senat haben die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich der herauszugebenden Schlüssel übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg – Bergedorf vom 27. Juli 2020 abzuändern und den Antrag auf Zuweisung der Wohnung zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der Antragsgegner sei im Februar 2020 vergeblich zur Mitwirkung an seinem Ausscheiden aus dem Mietverhältnis und zur Herausgabe der Schlüssel aufgefordert worden. Der Antrag sei erforderlich geworden, da das Mietverhältnis nicht ohne Mitwirkung des Antragsgegners hätte geändert werden können. Der Antragsgegner habe auch vor dem Amtsgericht die Abgabe einer Erklärung abgelehnt. Sie vermute, dass er die Erklärung wegen der ungeklärten Aufteilung der Hausratsgegenstände und des nicht geklärten Zugewinnausgleichsverfahrens verweigert habe.
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Der beteiligte Vermieter hat im Beschwerdeverfahren nicht Stellung genommen.
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II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung gemäß § 1568a Abs. 1 BGB mit der Rechtsfolge der alleinigen Fortsetzung des Mietverhältnisses gegenüber dem Vermieter.
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Gemäß § 1568a Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte verlangen, dass ihm der andere Ehegatte anlässlich der Scheidung die Ehewohnung überlässt, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere Ehegatte oder die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.
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Gemäß § 1568a Abs. 3 BGB tritt der Ehegatte, dem die Wohnung überlassen wird zum Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung der Ehegatten über die Überlassung an den Vermieter oder mit Rechtskraft der Endentscheidung im Wohnungszuweisungsverfahren an Stelle des zur Überlassung verpflichteten Ehegatten in ein von diesem eingegangenes Mietverhältnis ein oder setzt ein von beiden eingegangenes Mietverhältnis allein fort.
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Gemäß § 1568a Abs. 6 BGB erlischt der Anspruch auf Eintritt in ein Mietverhältnis oder auf seine Begründung ein Jahr nach Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache, wenn er nicht vorher rechtshängig gemacht worden ist.
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2. Nicht abschließend geklärt ist, ob ein auf § 1568a Abs. 1 BGB gestützter Leistungsantrag ausscheidet, wenn Einigkeit der Ehegatten darüber besteht, dass ein Ehegatte die Ehewohnung allein weiternutzt, es aber weder zu einer gemeinsamen Mitteilung an den Vermieter noch zu einer einvernehmlichen dreiseitigen Abänderung des Mietvertrages kommt.
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Im Ausgangspunkt wird vertreten, dass in diesem Fall für einen Leistungsantrag kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Eine Einigung sei – auch wenn nicht mehr wie früher in § 1 HausratsVO ausdrücklich erwähnt – ein Verfahrenshindernis. Der Antragsteller habe aber einen Anspruch auf Mitwirkung an einer Mitteilung der Eheleute nach § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB, der als sonstige Familiensache nach § 266 FamFG geltend gemacht werden könne (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 2.9.2014 - 2 WF 170/14, juris 14, FamRZ 2015, 667;OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 6.10.2017 - 8 WF 7/17, juris Rn. 8, FamRZ 2018, 614; Dürbeck in: Johannsen/Heinrich/Althammer, Familienrecht, 7. Auflage 2020, § 200 FamFG Rn. 23; BeckOK BGB/Neumann, 55. Ed. 1.8.2020, BGB § 1568a Rn. 25).
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Dazu abgrenzend wird vertreten, dass ein überlassungsberechtigter Ehegatte zwar nicht einen Leistungsantrag, wohl aber einen Feststellungsantrag in einem Wohnungsüberlassungsverfahren gemäß § 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG stellen kann, wonach der andere Ehegatte verpflichtet ist, die ihm Wohnung zu überlassen. Mit Rechtskraft dieses Beschlusses trete die Rechtsfolge des § 1568a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB ein (vgl. BeckOGK BGB/ Erbarth, Stand 1.6.2020, § 1568a BGB Rn. 87; Erbarth in: Müko FamFG, 6. Auflage 2018, § 200 Rn. 113). Weiter wird vertreten, dass ein Ehegatte trotz eines Einvernehmens über die künftige Nutzung der Ehewohnung ein Wohnungsüberlassungsverfahren zur Einhaltung der Wohlverhaltensklausel des § 1361b Abs. 3 BGB einleiten könne. In diesem Verfahren könne der Ehegatte beantragen, dass das Gericht gemäß § 209 FamFG anordnet, dass der aus der Ehewohnung ausgezogene Ehegatte seine Einrichtungsgegenstände aus der Wohnung zu entfernen hat (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 7.3.2017 - 18 UF 118/16, juris Rn. 25, FamRZ 2017, 1393).
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3. Dem Leistungsantrag der Antragstellerin fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar sind sich die Eheleute prinzipiell darüber einig, dass die Ehefrau die Wohnung allein nutzt. Der Antragsgegner hat jedoch an seiner Entlassung aus dem Mietverhältnis nicht ausreichend mitgewirkt. Er hat auch erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens die Schlüssel für die Wohnung herausgegeben. Es liegt keine vollständige Einigung über den Anspruch des § 1568a Abs. 1 BGB und dessen Rechtsfolgen gemäß § 1568a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB vor. Die Vorschrift des § 1568a BGB zielt auf eine endgültige Regelung der Rechtsverhältnisse der Ehewohnung um ein die Wohnung betreffendes Mietverhältnis der tatsächlichen Nutzung anzupassen. Dem liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass stets entsprechende Mietverhältnisse zwischen dem Nutzer und dem zur Vermietung Berechtigten zustande kommen (vgl. Götz, NZFam 2017, 433 (434)). Bei der Ermittlung des Rechtsschutzbedürfnisses für den Leistungsantrag ist daher zu berücksichtigen, dass mit der Entscheidung über die Überlassung der Ehewohnung gemäß § 1568a Abs. 1 BGB gemäß § 1568a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB das Mietverhältnis von Gesetzes wegen umgestaltet wird. Der Antragsteller setzt zwingend ein von beiden Ehegatten eingegangenes Mietverhältnis allein fort. Diese Rechtsfolge knüpft dabei an die rechtskräftige Entscheidung über den Anspruch auf Wohnungsüberlassung im „Wohnungszuweisungsverfahren“ an. Eine Anordnung der Umgestaltung des Mietverhältnisses im Tenor des gerichtlichen Beschlusses ist aus Gründen der Klarstellung ratsam, aber nicht erforderlich (vgl. Staudinger/Weinreich (BGB) 2018, § 1568a Rn. 66). Ohne eine Umgestaltung des Mietverhältnisses ist es prinzipiell auch nicht ausgeschlossen, dass ein Ehegatte verlangt, die tatsächliche Nutzung abzuändern (vgl. BGH, Beschluss vom 28.9.2016 - XII ZB 487/15, juris Rn. 25, FamRZ 2017, 22). Aufgrund dieses kombinierten Rechtsschutzziels kann einem Antrag auf Überlassung der Wohnung in einer Ehewohnungssache gemäß § 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden und stattdessen auf ein anderes Verfahren verwiesen werden, mit dem er sein Ziel nur indirekt, durch eigene weitere Zwischenschritte und nicht verlässlich erreichen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aufgrund des Ablaufs der Jahresfrist des § 1568a Abs. 6 BGB das Rechtsschutzziel nicht mehr mit einem Antrag auf Mitwirkung an einer Mitteilung gegenüber dem Vermieter gemäß § 1568a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB erreicht werden kann.
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Denn der Antragsteller käme – wie der vorliegende Fall aufzeigt – andernfalls nur unter erheblichen Risiken zu seinem Ziel. Die Antragstellerin hätte hier statt einer Ehewohnungssache einen Anspruch auf Mitwirkung an einer Mitteilung der Eheleute nach § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB als sonstige Familiensache gemäß § 266 FamFG geltend machen können. Der zugrundeliegende Anspruch wäre jedoch dem Risiko ausgesetzt gewesen, dass er sich im Laufe des Verfahrens aufgrund der Vorschrift des § 1568a Abs. 6 BGB erledigt hätte.
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Bisher wird in der Literatur – soweit ersichtlich unangefochten – vertreten, dass die alleinige Fortsetzung des Mietverhältnisses nach Ablauf der Jahresfrist des § 1568a Abs. 6 BGB ausscheidet. Der Vermieter soll innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Ehescheidung Klarheit darüber erhalten, welcher der geschiedenen Ehegatten künftig sein Mieter ist (vgl. nur Wellenhofer in: Müko BGB, 8. Auflage 2019, § 1568a Rn. 63). Zwar wird bei dieser Auslegung nicht berücksichtigt, dass der Wortlaut des § 1568a Abs. 6 BGB lediglich den Eintritt in ein Mietverhältnis oder die Begründung eines Mietverhältnisses ausschließt. Vom Wortlaut nicht ausdrücklich erfasst wird demgegenüber das in § 1568a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB geregelte alleinige Fortsetzen eines gemeinsam begründeten Mietverhältnisses. Die Vorschrift des § 1568a Abs. 6 BGB wird jedoch auch entgegen ihrem Wortlaut bezogen auf eine Wohnung aufgrund eines Dienst- und Arbeitsverhältnisses gemäß § 1568a Abs. 4 BGB erweiternd ausgelegt (vgl. BeckOGK BGB/ Erbarth, a.a.O., §1568a BGB Rn. 123). Die (fehlerhaft als „Anspruch“ bezeichnete) Sonderrechtsnachfolge könnte damit erlöschen, wenn der Anspruch nicht binnen eines Jahres nach Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache rechtshängig gemacht wurde. Bisher wird nicht diskutiert, ob mit dem „Anspruch“ nur die Ehewohnungssache gemäß § 1568a BGB gemeint ist (vgl. so BeckOGK BGB/ Erbarth, a.a.O., § 1568a BGB Rn. 101) oder ob darunter auch ein Anspruch aus § 1353 BGB auf Mitwirkung an einer Mitteilung der Eheleute nach § 1568a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB gegenüber dem Vermieter als Familienstreitsache gefasst werden kann. Dafür könnte auf den ersten Blick die dem reinen FamFG-Verfahren fremde und einer Familienstreitsache nahestehende Formulierung „rechtshängig“ des § 1568a Abs. 6 BGB sprechen. Jedoch dürfen im Hinblick auf die aus zahlreichen Gründen missglückte Vorschrift des § 1568a BGB keine zu hohen Erwartungen in eine systematische Auslegung gesetzt werden. Gegen die Erfassung einer Familienstreitsache spricht, dass der Vermieter zwar gemäß § 204 Abs. 1 FamFG Beteiligter der Ehewohnungssache ist, nicht jedoch Beteiligter einer Familienstreitsache. Es sind auch keine prozessualen Instrumente ersichtlich, den Vermieter in der Familienstreitsache zu beteiligen. Mit der rechtskräftigen Entscheidung in der Familienstreitsache gilt die Zustimmung nur gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 5 FamFG als abgegeben. Um Wirkungen zu entfalten muss sie auch gemäß § 1568a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB (rechtzeitig) dem Vermieter zugehen. Der Vermieter hätte also mangels Beteiligung im Verfahren binnen Jahresfrist weder Klarheit über seinen Mieter noch wüsste er zwingend, dass diese Frage noch in einem gerichtlichen Verfahren geklärt wird. Eine Klärung der Rechtsverhältnisse der Ehewohnung bliebe damit weiteren Gerichtsverfahren vorbehalten.
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4. Der Antragsgegner hat vorliegend nicht in ausreichender Weise gegenüber dem Vermieter erklärt, dass die Antragstellerin das Mietverhältnis allein fortsetzt. Die Erklärungen gegenüber dem Vermieter können in getrennter Form abgegeben werden. Inhaltlich muss eindeutig zum Ausdruck kommen, dass eine Überlassung der Wohnung erfolgt und welcher Ehegatte künftig nutzungsberechtigt ist (vgl. Wellenhofer in: Müko BGB, 8. Auflage 2019, § 1568a Rn. 36). Dem ist der Antragsgegner nicht nachgekommen. Eine eindeutige Erklärung ergibt sich auch nicht aus dem E-Mail-Wechsel mit dem vom Vermieter eingesetzten Verwalter (Anlage AG 1). Zwar hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass er sich „offiziell“ abmeldet und er hat sich für die stets freundliche Zusammenarbeit bedankt. Er ist jedoch in der Antwort vom Verwalter darauf hingewiesen worden, dass er „formal“ noch Mieter sei und gebeten worden mitzuteilen, ob eine „Teilkündigung“ erfolgen soll. Damit ist dem Antragsgegner verdeutlicht worden, dass er sich auch bezüglich der Fortsetzung des Mietverhältnisses eindeutig positionieren muss. Darauf ist der Antragsgegner nicht eingegangen und hat nicht ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, dass er aus dem Mietverhältnis ausscheiden möchte. Weiter ist der Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Februar 2020 darauf hingewiesen worden, dass der Vermieter ihm angeboten habe, ihn aus dem Mietvertrag zu entlassen. Er ist „letztmalig“ aufgefordert worden das Mietverhältnis über die Verwaltung zu beenden. Ihm ist dabei mitgeteilt worden, dass die Zustimmung der Antragstellerin bereits vorliege. Auch darauf ist der Antragsgegner nicht eingegangen.
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6. Die Anordnung zu Ziffer 2. des Tenors des Beschlusses vom 27. Juli 2020 haben die Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen wurde die Beschwerde des Antragsgegners zum Anlass genommen, den Tenor des amtsgerichtlichen Beschlusses dahingehend abzuändern, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, die Wohnung zu überlassen. Eine gesetzliche Grundlage für eine „Zuweisung“ der Wohnung existiert seit dem 1. September 2009 nicht mehr (vgl. BeckOGK/Erbarth, a.a.O., § 1568a Rn. 7f). Der Gesetzgeber hat es lediglich redaktionell versäumt, den Begriff der „Zuweisung“ in § 1568a Abs. 3 Nr. 2 BGB und § 57 S. 2 Nr. 5 FamFG anzupassen.
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III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 81, 84 FamFG, § 48 Abs. 1 2. Alt. FamGKG.
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