Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 5 U 105/14
Tenor
I.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das am 27. Mai 2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln (3 O 136/11) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Berufung des Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
4Vielmehr hat das Landgericht den Beklagten im Ergebnis zu Recht unter Klagabweisung im Übrigen verurteilt, die gesamten über die Klägerin gefertigten Behandlungsunterlagen Zug um Zug gegen Erstattung der Kopierkosten in Kopie herauszugeben und an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro nebst Zinsen sowie wegen der Nachbehandlungskosten weitere 1.316,88 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Das Berufungsvorbringen des Beklagten rechtfertigt eine für ihn günstigere Entscheidung nicht und bietet lediglich Veranlassung für folgende ergänzende Anmerkungen:
51.
6Auch der Senat geht – im Ergebnis ebenso wie das Landgericht – davon aus, dass die Klägerin von dem Beklagten die Herausgabe der gesamten von diesem über sie gefertigten Behandlungsunterlagen Zug um Zug gegen Erstattung der Kopierkosten in Kopie verlangen kann. Dieser Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten ergibt sich nicht nur aus § 810 BGB (so jedenfalls die herrschende Meinung, vgl. u.a. OLG Köln, VersR 2010, 1504), sondern auch aus dem Behandlungsvertrag zwischen den Parteien (so nunmehr ausdrücklich § 630 g BGB). Denn aus einem Behandlungsvertrag folgt für den behandelnden Arzt die Nebenpflicht, die von diesem über den jeweils betroffenen Patienten gefertigten Behandlungsunterlagen angemessen sorgfältig aufzubewahren und sie dem Patienten auf dessen Wunsch hin etwa in der Weise, dass gegen Kostenerstattung Kopien zur Verfügung gestellt werden, zugänglich zu machen, wobei diese Nebenpflicht auch über den Abschluss der Behandlung hinaus besteht, solange für den Arzt eine Aufbewahrungspflicht besteht (vgl. jetzt § 630 f Abs.3 BGB). Diese gegenüber der Klägerin bestehende Verpflichtung hat der Beklagte unstreitig nicht erfüllt. Denn er hat ihr unstreitig die fraglichen Behandlungsunterlagen in keiner Weise und insbesondere auch nicht durch Herausgabe von Kopien der gesamten Unterlagen gegen Erstattung der Kopierkosten zugänglich gemacht. Der Beklagte hat entgegen seiner möglicherweise bestehenden Vorstellung auch trotz entsprechender Veranlassung und Gelegenheit hierzu nach wie vor nicht mit hinreichender Substanz vorgetragen, dass ihm dies Im Sinne von § 275 Abs.1 oder Abs.2 BGB unmöglich ist, wobei vorsorglich zum einen auf die Darlegungs- und Beweislast des Beklagten insoweit und zum anderen darauf hingewiesen wird, dass eventuell beabsichtigtem ergänzendem Vortrag in der Berufungsinstanz § 531 Abs. 2 ZPO entgegenstehen dürfte. Der Beklagte hat insbesondere nicht mit hinreichender Substanz vorgetragen, dass sich die die Klägerin betreffenden Behandlungsunterlagen nicht in den sieben Kartons mit Patientenunterlagen befunden haben, die der Prozessbevollmächtigte des Beklagten ausweislich des Schriftsatzes vom 4. Juli 2012 am 27. Juni 2012 persönlich aus den Praxisräumen in des Herrn Dr. I in M abgeholt und am 29. Juni 2012 dem Beklagten übergeben hat. Soweit es in diesem Zusammenhang in dem Anwaltsschreiben des Beklagten an Herrn Dr. I vom 18. Juli 2012, das mit Schriftsatz vom 18. Juli 2012 in Abschrift zu den Akten gereicht worden ist, heißt: „Zwischenzeitlich wurden wir von Herr(n) T dahingehend unterrichtet, dass er die Behandlungsunterlagen von Frau T2, geb. am 00. 03. 1969, W Str. xxx, L, damals zu den Patientenunterlagen seines seinerzeitigen Praxisnachfolgers geheftet hat.“ [vgl. Bl. 127 d. A.], ist dies unverständlich, steht dies im Widerspruch zu dem Vortrag des Beklagten zu der Entwicklung seiner zahnärztlichen Tätigkeit in der Zeit ab dem Jahre 2007 und vermag dies substanziierten Vortrag zu dem Verbleib der die Klägerin betreffenden Behandlungsunterlagen des Beklagten nicht zu ersetzen. Denn nach dem Vortrag des Beklagten zu der Entwicklung seiner zahnärztlichen Tätigkeit ab dem Jahre 2007 ist nicht nachvollziehbar, wen er mit der Formulierung „seines seinerzeitigen Praxisnachfolgers“ gemeint haben könnte. In seiner früheren Praxis in L, in der die umstrittene Behandlung stattgefunden hat, war er nach seinem Vorbringen der einzige Zahnarzt und hatte er keinen Praxisnachfolger, weil er seine Praxis geschlossen hat. Auch in der Praxis in M, in die er nach Schließen der Praxis in L sämtliche Behandlungs- und sonstigen Praxisunterlagen betreffend die Praxis in L verbracht haben will, hat er als einziger Zahnarzt gearbeitet, weil der dortige Praxisinhaber nach dem Vortrag des Beklagten ausschließlich als sein Vermieter fungiert hat, nicht etwa als mit ihm dort zusammen praktizierender Arzt. Im August 2009 ist es nach dem Vortrag des Beklagten zu einem Zerwürfnis mit dem Praxisinhaber und dazu gekommen, dass er [der Beklagte] von heute auf morgen die Praxisräume verlassen und dabei sämtliche Behandlungs- und sonstigen Praxisunterlagen in den Praxisräumen in M zurückließ, wobei die Praxis von einem dem Beklagten namentlich nicht bekannten Nachfolger weiterbetrieben worden sein soll. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, wann und in welchen Praxisräumlichkeiten der Beklagte die die Klägerin betreffenden Behandlungsunterlagen an welche Patientenunterlagen welches Praxisnachfolgers geheftet haben will. Im Hinblick darauf geht auch der Senat – im Ergebnis ebenso wie das Landgericht – davon aus, dass die die Klägerin betreffenden Behandlungsunterlagen des Beklagten zu den Behandlungsunterlagen gehören, die sich in den sieben Kartons befunden haben, die der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Ende Juni 2012 in den Praxisräumen in M abgeholt und dem Beklagten übergeben hat.
72.
8Entgegen der beim Beklagten offenbar bestehenden Vorstellung sind ihm im Rahmen der umstrittenen Behandlung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht und auf die hier zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen wird, schadensursächliche Fehler unterlaufen.
9Auch der Senat folgt bei seiner Beurteilung ebenso wie das Landgericht dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Dr. habil. B [Gutachten vom 30. April 2013 (Bl. 156 – 177 d. A.)], das den Senat nicht zuletzt deshalb überzeugt, weil es auf der Basis einer sorgfältigen Auswertung der zu den Akten gelangten Krankenunterlagen und des Akteninhalts im Übrigen einschließlich des Gutachtens des Parteisachverständigen der Klägerin Dr. P. X [Gutachten vom 12. Februar 2009 im Auftrag der B2 (Anlage K 2, Bl. 9 d. A.)] sowie unter eingehender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Parteien umfassend, in sich schlüssig und gut nachvollziehbar begründet worden ist.
10Nach den in dieser Weise überzeugend begründeten und vom Beklagten nicht mit Substanz angegriffenen Feststellungen des Gerichtssachverständigen Dr. Dr. B geht auch der Senat ebenso wie das Landgericht davon aus, dass jedenfalls die Krone im Bereich 15 Kronenranddefizite aufgewiesen hat, die auch der Parteisachverständige Dr. X bereits angesprochen hatte und die dazu geführt haben, dass die gesamte Brücke erneuert werden musste, weil insoweit konstruktionsbedingt eine erfolgreiche Nachbesserung nicht möglich war.
11Und nach den ebenfalls umfassend und überzeugend begründeten Feststellungen des Gerichtssachverständigen Dr. Dr. B geht auch der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon aus, dass es einen haftungsbegründenden Behandlungsfehler darstellt, dass der Beklagte die umstrittene Brücke eingegliedert hat, ohne zuvor den Zahn 15 zu behandeln. Gegen diese Beurteilung wehrt sich der Beklagte ohne Erfolg mit dem Vorbringen, dass der Sachverständige das Unterlassen einer Behandlung des Zahnes 15 nicht als behandlungsfehlerhaft bewertet habe. Denn der Sachverständige ist zu der überzeugend begründeten und vom Beklagten als solche nicht angegriffenen Feststellung gelangt, dass bei der Klägerin in der Zeit der umstrittenen Behandlung im Bereich des Zahnes 15 nach Behandlung durch einen Vorbehandler eine unzureichende Wurzelfüllung vorhanden und ein relativ geringfügiger apikaler Prozess im Gange gewesen ist mit der Folge, dass es im Hinblick darauf absehbar gewesen ist, dass in Kürze eine Wurzelspitzenresektion notwendig werden würde. Und der Sachverständige hat im Einzelnen dargelegt, dass es bei Kassenpatienten und damit auch bei der Klägerin aufgrund der einschlägigen Richtlinien nicht zulässig sei, eine Brückenversorgung unter Einbeziehung eines Zahnes vorzunehmen, bei dem die Notwendigkeit einer Wurzelspitzenresektion absehbar kurz bevorstehe, und dass es auch bei einem Privatpatienten mit einer Situation der hier in Rede stehenden Art das sicherere Vorgehen dargestellt hätte, vor der Eingliederung der Brücke eine Wurzelspitzenresektion vorzunehmen. Letzteres hat der Sachverständige insbesondere damit begründet, dass nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden könne, dass nach einer retrograden Wurzelfüllung und einer Wurzelspitzenresektion ein hinreichend positives Behandlungsergebnis erzielt werden könne. Diese Feststellungen leuchten dem Senat ein und sie führen entgegen der offenbar beim Beklagten bestehenden Vorstellung zu einer Bewertung des Eingliederns der Brücke ohne vorherige Wurzelspitzenresektion im Bereich des Zahnes 15 als behandlungsfehlerhaft. Gegen diese Beurteilung wehrt der Beklagte sich aus den zutreffenden Gründen von S. 6/7 der angefochtenen Entscheidung auch ohne Erfolg mit dem Vorbringen, dass die Klägerin darauf bestanden habe, dass der Zahn 15 nicht gezogen werden sollte.
12Schließlich geht der Senat nach den überzeugend begründeten Feststellungen des Gerichtssachverständigen Dr. Dr. B in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon aus, dass das Behandlungskonzept des Beklagten auch insoweit behandlungsfehlerhaft war, als der Beklagte die Brücke im Hinblick darauf, dass er bei der umstrittenen Behandlung in Kürze mit der Notwendigkeit des Extraktion des Zahnes 15 gerechnet hatte, lediglich provisorisch mit einem für Provisorien vorgesehenen Zement befestigt hat. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen ist dieser Zement für eine längere Verweildauer im Mund nicht geeignet, weil es recht bald zu Auswaschungen des Zementes komme mit der Folge, dass sich die Brücke lockere und dadurch kariöse Läsionen im Kronenrandbereich weiter begünstigt würden.
133.
14Das erstinstanzlich zuerkannte Schmerzensgeld ist der Höhe nach mit 2.500 Euro aus den zutreffenden Gründen von S. 7/8 der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat vollumfänglich zu Eigen macht und hier zur Vermeidung von Wiederholungen in Bezug nimmt, nicht zu beanstanden:
15Entgegen der beim Beklagten offenbar bestehenden Vorstellung hat das Landgericht bei der Bemessung des Schmerzendgeldes insbesondere die Schmerzen, unter denen die Klägerin infolge des Unterlassens der Wurzelspitzenresektion vor Eingliederung der Brücke gelitten hat, in angemessener Weise berücksichtigt. Dabei ist nicht zuletzt dem Umstand angemessen Rechnung getragen worden, dass durch die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme die Behauptungen der Klägerin zu den angeblich erlittenen Schmerzen lediglich teilweise bestätigt worden sind. Denn der Sachverständige Dr. Dr. B hat zu der von der Klägerin behaupteten Dauer und Intensität der Schmerzen mit überzeugender Begründung festgestellt, dass diese nach der Wurzelspitzenresektion am 4. Juni 2009 abgeklungen sein müssten und nach den eigenen anamnestischen Angaben der Klägerin auch tatsächlich abgeklungen sind, und dass auch in der Zeit bis zum 4. Juni 2009 keine permanenten erheblichen, auch die Nachtruhe beeinträchtigenden Schmerzen vorhanden gewesen sein können, sondern im wesentlichen Schmerzen beim Kauen sowie gelegentliche weitere Schmerzen, die hin und wieder auch die Nachtruhe beeinträchtigt haben können. Die Feststellungen des Sachverständigen Dr. Dr. B finden insoweit auch eine Bestätigung in dem Gutachten des Parteisachverständigen Dr. X, der als anamnestische Angabe zu den Beeinträchtigungen „Schmerzen beim Kauen“ festgehalten hat [vgl. sein Gutachten vom 12. Februar 2009 (Anlage K 2, Bl. 9 d. A.)].
16Wären bei der Schmerzensgeldbemessung die Schmerzen in der von der Klägerin behaupteten Dauer und Intensität zugrunde zu legen gewesen, hätte das Schmerzensgeld insgesamt im Hinblick auf die vom Landgericht darüber hinaus zu Recht angesprochenen Umstände, die im vorliegenden Streitfall bei der Bemessung ebenfalls berücksichtigt werden müssen, nämlich insbesondere das Verhalten des Beklagten in Bezug auf die Behandlungsunterlagen und die Schadensregulierung und auch sein sonstiges Prozessverhalten, deutlich höher ausfallen müssen als erstinstanzlich zuerkannt.
174.
18Schließlich hat das Landgericht den Beklagten auch zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die hier zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zur Zahlung von Ersatz für die Nachbehandlungskosten in Höhe von 1.316,88 Euro verurteilt. Gegen diese Beurteilung wehrt sich der Beklagten ohne Erfolg mit dem Vorbringen, dass bei den zu den Nachbehandlungskosten gehörenden Fremdlaborkosten Sowieso-Kosten enthalten seien, und dass dem Beklagten allenfalls die unnötigen Laborkosten für das Provisorium in Höhe von 394,82 Euro in Rechnung gestellt werden könnten. Denn dieses Vorbringen ist vor dem Hintergrund der Rechnung, die der Beklagte selbst der Klägerin gestellt hat [Anl. K 1 (Bl. 7/8 d. A.)], nicht nachvollziehbar. Ausweislich dieser Rechnung und auch nach dem Akteninhalt im Übrigen ist davon auszugehen, dass es sich bei der von dem Beklagten eingegliederten Versorgung nicht lediglich um ein Provisorium, sondern um eine endgültige Versorgung gehandelt hat, die er im Hinblick auf die aus seiner damaligen Sicht in Kürze absehbar gewesenen Notwendigkeit der Extraktion des Zahnes 15 nicht fest, sondern lediglich provisorisch eingegliedert hat.
19II.
20Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung [§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO]; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung [§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO]; eine mündliche Verhandlung ist auch aus sonstigen Gründen nicht geboten [§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO].
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Referenzen
- ZPO § 513 Berufungsgründe 1x
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 1x
- BGB § 630g Einsichtnahme in die Patientenakte 1x
- BGB § 810 Einsicht in Urkunden 1x
- ZPO § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel 2x
- 3 O 136/11 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 630f Dokumentation der Behandlung 1x
- ZPO § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss 4x
- BGB § 275 Ausschluss der Leistungspflicht 1x