Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 27 U 7/19
Tenor
1. Der Senat weist darauf hin, dass er der Berufung der Beklagten keine Erfolgsaussicht beimisst.
2. Es wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Beklagten ohne erneute mündliche Verhandlung zurückzuweisen.
Die Beklagte mag im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen innerhalb einer Frist von drei Wochen klarstellen, ob – nicht zuletzt aus Kostengründen – eine Rücknahme ihrer Berufung erfolgt.
3. Wert für das Berufungsverfahren: 12.705,39 €
1
Gründe:
2I. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten verspricht keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat nimmt zunächst insoweit in vollem Umfang Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung.
3Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB zusteht.
41. Die Beklagte hat den Kläger durch das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen, mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung versehenen Motors A, der in das Fahrzeug des Klägers eingebaut wurde, vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.
5a) Soweit die Beklagte einwendet, dem bloßen Akt des Inverkehrbringens des Motors sei kein Erklärungswert gegenüber dem Kläger beizumessen, so vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vielmehr liegt in dem Inverkehrbringen des mit der fraglichen Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Motors zum Einbau – auch in Fahrzeuge anderer Hersteller - eine Täuschung sämtlicher potentieller Kunden, die von der Installation dieser Software keine Kenntnis haben.
6Bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu durchlaufen. Mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs bringt er gegenüber seinen potentiellen Kunden zum Ausdruck, dass für das entsprechende Fahrzeug die erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen zu Recht erteilt worden sind. Der Kunde geht aufgrund des Inverkehrbringens des Fahrzeugs davon aus, dass dieses die technischen und die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt und dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch eine Täuschung erwirkt hat.
7Nichts anderes gilt für den hier von Seiten der Beklagten hergestellten Motor, der für den Einbau in ein Fahrzeug der Marke B hergestellt und in Verkehr gebracht worden ist.
8Unerheblich ist auch, ob der Kunde das Fahrzeug als Neufahrzeug unmittelbar vom Hersteller oder einem Händler oder – wie hier – als gebrauchtes Fahrzeug von einem Händler oder auch von einem privaten Käufer erworben hat, da die Täuschungshandlung sämtliche auf dem Markt befindliche, mit dem streitgegenständlichen Motor ausgestattete Fahrzeuge erfasst.
9b) Zu Recht hat das Landgericht eine Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten bejaht.
10Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2013 – VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 9 m.w.N.).
11Sittenwidrig handelt danach auch derjenige, der eine Sache, von deren Mangelhaftigkeit er weiß, in der Vorstellung in den Verkehr bringt, dass die betreffende Sache von dem Erwerber in unverändert mangelhaftem Zustand an einen ahnungslosen Dritten, der in Kenntnis der Umstände von dem Geschäft Abstand nähme, veräußert werden wird.
12So verhält es sich hier:
13aa) Die Mitarbeiter der Beklagten haben den Motor A mit einer Software zur Motorsteuerung ausrüsten lassen, die zwei Betriebsmodi und darunter einen im Sinne der Abgasrückführung optimierten Betriebsmodus vorsah, und auf dieser Grundlage Typengenehmigungen der so ausgerüsteten Fahrzeuge erwirkt, ohne die dafür zuständige Behörde hiervon in Kenntnis zu setzen. Darin allein liegt mit Rücksicht auf die daraus folgende Rechtsunsicherheit für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung der entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge ein gravierender Mangel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.
14Der vernünftige Durchschnittskäufer erwartet, wenn er ein für den Betrieb im Straßenverkehr vorgesehenes Fahrzeug erwirbt, dass das betreffende Fahrzeug entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig ist. Dementsprechend geht er nicht nur davon aus, dass das Fahrzeug die technischen und die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt, sondern auch, dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch eine Täuschung erwirkt hat. Zum einen kann nämlich der Kunde gesetzeskonformes Verhalten des Herstellers erwarten, was auch dann gilt, wenn seitens eines oder mehrerer Hersteller in so großer Zahl rechtswidrig manipuliert wird, dass im Ergebnis die Anzahl der durch Täuschung erwirkten diejenige der rechtmäßig zustande gekommenen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen übersteigt. Denn solange die Manipulationen heimlich vorgenommen werden und solange die für den Betrieb eines Pkw im Straßenverkehr erforderlichen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen durch entsprechende Täuschungen erwirkt werden, kann dies keinen Einfluss auf die Erwartungen des Durchschnittskäufers haben. Zum anderen erstrecken sich die berechtigten Erwartungen eines vernünftigen durchschnittlichen Käufers auch auf die Erwirkung aller letztendlich für den Betrieb des erworbenen Fahrzeugs im Straßenverkehr erforderlichen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen, mag der Käufer sich auch bis zum Bekanntwerden von Manipulationen keine konkreten Vorstellungen von den einzelnen technischen Einrichtungen, rechtlichen Voraussetzungen und Zulassungs- bzw. Genehmigungsverfahren gemacht haben. Denn eine Täuschung in dem für den erlaubten Betrieb und die Zulassung des Fahrzeugs bedeutsamen Bereich gefährdet aus der Sicht eines vernünftigen Durchschnittskäufers eventuell die für seine Nutzung des Pkw im Straßenverkehr maßgebende Zulassung. Darüber hinaus hat sie für ihn auch insofern unabsehbare Folgen, als er die Folgen für den Verkehrs- und Wiederverkaufswert seines Fahrzeuges im Falle eines Bekanntwerdens der Manipulation nicht sicher zu prognostizieren vermag und ihm deshalb erhebliche finanzielle Einbußen als drohend erscheinen, die er mit dem Erwerb eines anderen Fahrzeugs vermeiden könnte (vgl. OLG Köln, NZV 2019, 242; NZV 2018, 72; MDR 2018, 930; Senatsbeschluss vom 12. Juni 2018 – 27 U 13/17, juris).
15Darüber hinaus haben die Mitarbeiter der Beklagten die mit der manipulativ wirkenden Software ausgerüsteten Motoren des Typs A den zum C-Konzern gehörenden Herstellern gerade zum Zweck der Weiterveräußerung überlassen und sind zur Überzeugung des Senats davon ausgegangen, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge ohne Hinweis auf die Erwirkung der Typengenehmigung unter Einsatz einer manipulativ wirkenden Software mit zwei Betriebsmodi weiterveräußert werden würden. Aus der Heimlichkeit des Einsatzes der Software gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt, den beteiligten Stellen und den potentiellen Kunden gegenüber ergibt sich schließlich mit hinreichender Sicherheit, dass die beteiligten Mitarbeiter der Beklagten auch in der Vorstellung handelten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typengenehmigung und der Betriebszulassung der so ausgestatteten Fahrzeuge führen könnte und dass potentielle Kunden Fahrzeuge, die derart mit rechtlichen Unsicherheiten belastet waren, nicht ohne weiteres erwerben würden.
16Die Beklagte hat zur Überzeugung des Senats darüber hinaus die Täuschung mit dem Ziel der Gewinnmaximierung vorgenommen. Andere Gründe für die rechtswidrige Installation der Software als eine Kostensenkung und eine damit verbundene Gewinnmaximierung sind nicht denkbar. Es erscheint lebensfremd, dass die Beklagte eine Software in ihre Motoren installiert, verbunden mit dem Risiko, die Zulassung der mit diesen Motoren versehenen Fahrzeuge nicht zu erhalten und sich strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, ohne dass sie sich hiervon einen wirtschaftlichen Nutzen verspricht.
17Im Hinblick auf das hierfür eingesetzte Mittel, nämlich die Täuschung einer öffentlichen Stelle und der potentiellen Kunden in einer immensen Zahl von Fällen, ist dieses Verhalten als besonders verwerflich anzusehen.
18bb) Diese Kenntnisse und Vorstellungen sind der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen, weil aufgrund des hier maßgebenden Sach- und Streitstandes davon auszugehen ist, dass der Vorstand der Beklagten nicht nur über umfassende Kenntnisse von dem Einsatz der oben geschilderten Software verfügte, sondern auch in der Vorstellung die Herstellung und die Inverkehrgabe der mangelbehafteten Motoren veranlasste, dass diese unverändert und ohne entsprechenden Hinweis weiter veräußert werden würden.
19Der Kläger hat mit seiner Klageschrift vorgetragen, dass der Einbau der Motorsteuerungssoftware nicht ohne Kenntnis des Vorstands der Beklagten erfolgt sei. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht hinreichend substanziiert entgegengetreten.
20Entgegen der Ansicht der Beklagten wäre dies indes erforderlich gewesen.
21Es kann dahinstehen, ob auf Fälle der vorliegenden Art die für die Produzentenhaftung im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1999 – VI ZR 392/97, NJW 1999, 1028) entsprechend heranzuziehen sind, wonach die Beklagte für die Ordnungsgemäßheit ihrer Geschäfts- und Produktionsabläufe als umfassend darlegungs- und beweisbelastet anzusehen wäre. Jedenfalls hat die Beklagte auf den insoweit als ausreichend zu erachtenden Vortrag des Klägers im Rahmen des ihr obliegenden qualifizierten Bestreitens substanziiert zur fehlenden Kenntnis und zum fehlenden Vorsatz ihres Organs vorzutragen. Steht nämlich ein (primär) darlegungspflichtiger Anspruchsteller außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Anspruchsgegner alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den höchstrichterlichen Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast das einfache Bestreiten seitens des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, juris Rn. 16; OLG Köln, NZV 2019, 242; Senatsbeschluss vom 12. Juni 2018 – 27 U 13/17, juris).
22Der Kläger hat keine Einblicke in die Betriebsabläufe der Beklagten, während es der Beklagten andererseits unschwer möglich sein muss, die Anordnung der Entwicklung und des Einbaus der Motorsteuerungssoftware sowie die Inauftraggabe bei dem Zulieferunternehmen zurückzuverfolgen. Hinzu kommt, dass es in Anbetracht der Tragweite des Erwerbs und Einbaus der Motorsteuerungssoftware fernliegend ist, der Vorstand der Beklagten sei in den diesbezüglichen Entscheidungsprozess nicht einbezogen gewesen (vgl. auch OLG Köln, NZV 2019, 242; Senatsbeschluss vom 12. Juni 2018 – 27 U 13/17, juris; OLG Karlsruhe, WM 2019, 881; OLG Oldenburg, MDR 2019, 548; a.A. OLG München, OLG München, Beschluss vom 25. Juli 2017 - 13 U 566/17, dessen Ausführungen der Senat sich aus den vorstehenden Gründen nicht anzuschließen vermag).
23Die Beklagte trägt – auch zweitinstanzlich – lediglich vor, ihre bisherigen Nachforschungen, die noch nicht abgeschlossen seien, hätten keinen Hinweis darauf ergeben, dass der Vorstand Kenntnis von der Installation der Motorsteuerungssoftware gehabt habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene die maßgeblichen Entscheidungen getroffen hätten. Dieser Vortrag genügt indes den an ein qualifiziertes Bestreiten zu stellenden Anforderungen nicht. Es wäre vielmehr erforderlich gewesen vorzutragen, wer die entsprechenden Entscheidungen aufgrund welcher Befugnis getroffen hat. Die Beklagte hingegen legt weiterhin keine konkreten Details ihres Geschäftsbetriebs im Zusammenhang mit der Manipulations-Software dar.
24c) Durch diese sittenwidrige Täuschung ist dem Kläger ein Schaden entstanden, der bereits in dem Erwerb des mit der Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Fahrzeugs zu sehen ist.
25Auf die Frage, welchen Verkehrswert das Fahrzeug hatte und hat, kommt es nicht an. Der Schaden des Klägers besteht bereits in dem Erwerb des mit der manipulativ wirkenden Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Fahrzeugs, weil das erworbene Fahrzeug infolge der eingesetzten Software hinter den Vorstellungen des Klägers von der allgemein ordnungsgemäßen Ausrüstung des zu erwerbenden Pkw zurückblieb und sich dieses Zurückbleiben schon infolge der damit zunächst verbundenen Unsicherheiten für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung nachteilig auf den Vermögenswert des Pkw auswirkte. In welchem Umfang das genau der Fall war und inwiefern andere Gesichtspunkte hinzutraten, die zu einem erheblichen Wertverlust sämtlicher Diesel-Fahrzeuge führten und führen, ist für die Entscheidung des vorliegendes Falles schon deshalb nicht relevant, weil der Kläger als Schadenersatz die Rückabwicklung des Erwerbs begehrt und nicht Zahlung einer Wertdifferenz verlangt. Ausschlaggebend ist hier allein, dass das Fahrzeug mit einer Software ausgestattet war, die zu Unsicherheiten hinsichtlich des Fortbestandes der Typengenehmigung und der Betriebszulassung führte sowie nach den verbindlichen Vorgaben des Kraftfahrtbundesamtes einen Rückruf und ein Update mit einer seitens des Kraftfahrtbundesamtes genehmigten Software des Herstellers erforderte (vgl. auch OLG Köln, NZV 2019, 242).
26Da der Schadenersatzanspruch des Klägers bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs entstanden ist und auf Restitution durch Rückgängigmachung des Kaufs gerichtet ist, kann in der nachträglich erfolgten Ausstattung des Fahrzeugs mit dem vom Kraftfahrtbundesamt erzwungenen Software-Update keine Erfüllung des Schadenersatzanspruchs oder ein Entfallen des Schadens liegen, da die Beklagte weiterhin nicht die konkreten Einwirkungen sowie sämtliche Funktionen des Software-Updates in allen Details darlegt und mithin auch nicht nachzuweisen vermag, dass das Software-Update keine anderen negativen Auswirkungen haben kann (vgl. auch OLG Köln, NZV 2019, 242).
27d) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landgericht auch zutreffend eine Kausalität zwischen der Täuschung durch die Beklagte und dem beim Kläger eingetretenen Schaden angenommen.
28Die Beklagte hat den eingetretenen Vermögensschaden auch im Sinne einer "condicio sine qua non" verursacht. Hätte sie nämlich die Motoren des Typs A nicht mit der manipulativ wirkenden Software zur Motorsteuerung ausgerüstet und die so ausgestatteten Motoren nicht zwecks Weiterverwendung an den Fahrzeughersteller veräußert, hätte der Kläger den hier streitgegenständlichen Pkw nicht erwerben können. Das Vorgehen der Beklagten, die mit einer Manipulations-Software ausgerüsteten Motoren des Typs A Eu5 durch Veräußerung an Fahrzeughersteller in den Verkehr zu bringen, war auch nicht nur unter ganz besonderen, außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden Umständen geeignet, den Schaden herbeizuführen. Vielmehr war es so, dass die Motoren gerade für den Einbau in die für die Veräußerung bestimmten Fahrzeuge vorgesehen waren und dass das heimliche Vorgehen hinsichtlich der eingesetzten Software nur dann sinnvoll war, wenn man davon ausging, dass auch die Fahrzeughersteller weder die zuständigen öffentlichen Stellen noch Händler oder Kunden informieren würden. Dementsprechend war der Eintritt solcher Schäden, wie sie der Kläger erlitten hat, nicht nur nicht gänzlich unwahrscheinlich, sondern sogar bei gewöhnlichem Lauf der Geschehnisse sicher zu erwarten (vgl. OLG Köln, NZV 2019, 242).
29Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger das Fahrzeug auch in Kenntnis der rechtswidrig installierten Software erworben hätte. Da die Beklagte die potentiellen Käufer und mithin auch den Kläger über die Zulassungsfähigkeit des mit dem von ihr hergestellten Motor versehenen Fahrzeugs vorsätzlich getäuscht hat, sind die im Rahmen des § 123 BGB aufgestellten Grundsätze zum Nachweis der Kausalität entsprechend heranzuziehen. Durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen hat die Beklagte bei den Kunden einen Irrtum erregt und diese dadurch zum Vertragsschluss bestimmt. Diese Handlungsweise begründet den Vorwurf der sittenwidrigen Vertragserschleichung (Staudinger/Oechsler, BGB, Stand 19. Juni 2017, § 826 Rn. 149). Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt dann, dass der Geschädigte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein können, und die vorsätzliche Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung auszuüben pflegt. Liegen derartige Voraussetzungen vor, kann ein Beweis des ersten Anscheins dafür gegeben sein, dass die Täuschung einen Einfluss auf die Entschließung des Getäuschten ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – IV ZR 5/10, VersR 2012, 1429 Rn. 40 m.w.N.).
30So verhält es sich hier. Der Kläger hat vorgetragen, dass er, bei Kenntnis der „falschen Übereinstimmungserklärung“ den Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht abgeschlossen hätte. Dies entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach kein Käufer ein mangelhaftes Kraftfahrzeug zum ungeminderten Neupreis kaufen wird. Insoweit geht der Senat auch nicht davon aus, dass die Beklagte in Zweifel ziehen will, dass der Kläger beim Erwerb des mit einem von ihr hergestellten Motor versehenen Bs erwarten durfte, ein dauerhaft verkehrstaugliches, mit unzweifelhafter Typengenehmigung und Betriebszulassung ausgestattetes Fahrzeug zu erwerben.
31Soweit die Beklagte unter Hinweis auf Staudinger/Oechsler, BGB, § 826 Rn. 149b darauf verweist, dass die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht greife, da das Abgasverhalten als Gegenstand der Täuschung neben andere für den Fahrzeugkauf potenziell erhebliche Motive trete, die nicht von der Täuschung betroffen seien, so berücksichtigt dieser Ansatz nicht, dass nicht das Abgasverhalten in Bezug auf den Stickoxydausstoß allein Gegenstand der Täuschung ist. Vielmehr erfasst die Täuschung vor allem die Zulassungsfähigkeit und insoweit die Mangelfreiheit des Fahrzeugs. Dieser Umstand ist im Rahmen des für die Kaufentscheidung relevanten Motivbündels aus Sicht des Käufers das maßgebliche Motiv für den Abschluss des Kaufvertrags. Der Käufer eines Kraftfahrzeugs geht davon aus, dass sein Fahrzeug die für die Straßenverkehrszulassung erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen besitzt und dass nicht die Gefahr einer Stilllegung des Fahrzeugs drohen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juni 2018 – 27 U 13/17, juris).
32Den sich danach ergebenden Anscheinsbeweis für die Kausalität der Täuschungshandlung vermochte die Beklagte nicht zu erschüttern
33e) Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte um die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstände wusste und hinsichtlich des bei dem Kläger eingetretenen Schadens zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Sittenwidrigkeit verwiesen.
34f) Schließlich ist entgegen der Auffassung der Beklagten der Schadensersatzanspruch auch auf Erstattung des Kaufpreises gegen Übernahme des Fahrzeugs gerichtet. Im Wege der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte dem Kläger den Kaufpreis abzüglich der aus dem Fahrzeug gezogenen Nutzungen zu ersetzen hat, im Gegenzug ihr indes entsprechend § 255 BGB das Fahrzeug herauszugeben ist.
35Hinsichtlich der Höhe der Nutzungsentschädigung sind die Ausführungen des Landgerichts, insbesondere im Hinblick auf die geschätzte Gesamtlaufleistung von 300.000 km nicht zu beanstanden (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Mai 2018 – 27 U 13/17, juris).
362. Aufgrund des bestehenden Anspruchs des Klägers aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB hat das Landgericht dem Kläger auch zutreffend einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten zugesprochen und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt.
37III.
38Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, ohne erneute mündliche Verhandlung über die Berufung der Beklagten zu entscheiden, weil die Berufung der Beklagten offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist, § 522 Abs. 2 ZPO.
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