Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 1 RVs 78/20
Tenor
Unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels wird das angefochtene Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht Köln hat den Angeklagten am 24. April 2019 wegen Diebstahls zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35,- Euro verurteilt sowie die Einziehung der „sichergestellten Bilder“ sowie des auf Bl. 9 und 138 d.A. abgebildeten Bildes angeordnet. Auf seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung unter Aufrechterhaltung der Einziehungsentscheidung im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu der Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,- Euro verurteilt worden ist.
4Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der dieser allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
5II.
6Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsmittel erzielt einen Teilerfolg; es führt gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Strafausspruch und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz insoweit.
71.
8Allerdings hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils anhand der Revisionsbegründung zum Schuldspruch keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler aufgedeckt. Das hierauf bezogene Rechtsmittel war daher – in Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft – als unbegründet zu verwerfen, § 349 Abs. 2 StPO.
92.
10Hingegen erweist sich die Begründung der Berufungsstrafkammer zur Rechtsfolgenseite in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft. Die Urteilsgründe belegen daher nicht, dass dieser Entscheidungsteil auf in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht (§ 337 StPO).
11a.
12Bereits die Bestimmung des anwendbaren Strafrahmens begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken:
13Die Kammer hat unter Ziffer IV. 2. der Urteilsgründe festgestellt, dass sich der Angeklagte in einem Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB befand, dieser jedoch vermeidbar war, weil der Angeklagte bei gehöriger Anspannung seiner geistigen Fähigkeiten hätte erkennen können, dass auch demjenigen, der einen Gegenstand in die auf seinem Grundstück stehende Abfalltonne wirft, andauernde Rechte an dem Gegenstand zustehen; dies gelte umso mehr bezüglich der hier vorliegenden Werke eines berühmten Künstlers. Im Rahmen der Strafzumessung unter Ziffer V. der Urteilsgründe führt die Kammer sodann – ausgehend vom Regelstrafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB – aus, dass die fakultative Strafmilderung gemäß § 17 S. 2 i.V.m. § 49 StGB dem Angeklagten nicht zugute kommt, was aus einer „Gesamtwürdigung sämtlicher schuldrelevanten Umstände“ folge; es folgt die Aufzählung aller zugunsten und zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigenden Strafzumessungserwägungen.
14Diese Ausführungen zur Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung legen nahe, dass das Tatgericht die Prüfung an derjenigen orientiert hat, die vorzunehmen ist, wenn das Gesetz einen minderschweren Fall vorsieht oder das Entfallen einer Regelwirkung in Betracht kommt; beides sieht der im Ansatz zutreffend angewandte Grundtatbestand § 242 StGB jedoch nicht vor.
15Die Prüfung, ob von der Milderungsmöglichkeit des § 17 S 2 StGB Gebrauch gemacht werden kann, ist indes an einem anderen rechtlichen Maßstab, nämlich dem Grade der Vermeidbarkeit des Irrtums, auszurichten: So kann eine Milderung etwa zu versagen sein, wenn „ein solcher Irrtum … nicht weniger schwer wiegt wie die vorhandene Verbotskenntnis“. Der Fall ist dies etwa dann, wenn der Irrtum eine besonders gravierende Abweichung von der „normalen“ Rechtstreue offenbart, also auf einer Rechtsfeindschaft oder Rechtsblindheit beruht, wenn der Irrtum besonders leicht zu vermeiden war oder wenn dem Täter immerhin bewusst war, dass sein Verhalten sozialwidrig ist oder gar zivil- oder öffentlich-rechtlich verboten ist. Unzulässig ist es hingegen, die Versagung der Strafmilderung auf sonstige schulderhöhende Umstände der Tat zu stützen. Die Strafmilderung kann also nicht deshalb verneint werden, weil der Täter „unter Bewährung“ stand oder die Tat eine besonders schwere ist (vgl. Münchener Kommentar zum StGB-Joeks, 3. Auflage, § 17 Rn. 80 f. m.w.N.; vgl. auch Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage, § 17 Rz. 26 m.w.N.).
16b.
17Die Verhängung der Strafe hält aus einem weiteren Grund materiell-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18Das Tatgericht wertet ausdrücklich straferschwerend, dass der Angeklagte „eine Vorstrafe hat“ (S 9 UA). Diese Erwägung lässt besorgen, dass das Tatgericht den Umstand unberücksichtigt gelassen hat, dass die Vorverurteilung vom 7. November 2016 wegen u.a. Computerbetruges nach dem verfahrensgegenständlichen Delikt, das nach den Feststellungen „im Sommer 2016“ begangen wurde, datiert.
19Zwar ist die strafschärfende Berücksichtigung weiterer, nach dem verfahrensgegenständlichen Delikt erfolgter Verurteilungen wegen vor dem Delikt begangener Straftaten nicht per se ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil v. 30.09.2009, 2 StR 270/09, zitiert nach beckonline). Auch verkennt der Senat nicht, dass allein die Tatsache, dass der Angeklagte nach der abzuurteilenden Tat bestraft worden ist, berücksichtigt werden kann, soweit dies zur zutreffenden Erfassung der Täterpersönlichkeit angezeigt erscheint (vgl. BGH a.a.O.), insbesondere wenn die der Nachverurteilung zugrunde liegende Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindschaft, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt (vgl. BGH NStZ 2007, 150; SenE v. 06.11.2015 – III-1 RVs 192/15). Dafür, dass die Kammer vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen ist, fehlen indes jegliche Anhaltspunkte, zumal mit Blick auf den verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunkt die gebotene Erörterung und Prüfung einer nachträglichen Gesamtstrafenfähigkeit gemäß § 55 StGB nicht erfolgt ist. Der Senat vermag daher nicht auszuschließen, dass die Bemessung der Einzelstrafe von einer rechtsfehlerhaften zeitlichen Einordnung und Bewertung der Vorstrafe beeinflusst ist.
203.
21Die erneut durchzuführende Hauptverhandlung gibt dem Tatgericht Gelegenheit, die gebotene Prüfung einer etwaigen nachträglichen Gesamtstrafenbildung nachzuholen und ggf. einzuziehende Gegenstände im Tenor zu konkretisieren.
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Referenzen
- StPO § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss 1x
- StGB § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe 1x
- 1 RVs 192/15 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 17 Verbotsirrtum 1x
- StPO § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen 1x
- StPO § 337 Revisionsgründe 1x
- 2 StR 270/09 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung 1x
- StGB § 242 Diebstahl 2x
- StGB § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe 1x