Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 Ws 235/03

Tenor

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Y. gegen den Beschluss des Landgerichts Y. vom 11. Juli 2003 wird als unbegründet verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

 
I.
Am 24.10.2002 erließ das Amtsgericht Y. gegen den in der Schweiz wohnhaften deutschen Staatsangehörigen unter dem Vorwurf des Betrugs in zwei Fällen z. N. von Kapitalanlegern Haftbefehl, worauf dieser am 16.01.2003 in der Schweiz festgenommen wurde und am 02.05.2003 in die Bundesrepublik Deutschland überstellt wurde. Mit Verfügung vom 30.06.2003 ersuchte die Staatsanwaltschaft Y. im Wege der Rechtshilfe die Schweizer Justizbehörden um Vornahme von Ermittlungen hinsichtlich der in O. ansässigen Firma X. sowie der Vernehmungen deren Geschäftsführerin B.; zugleich verfügte sie den Abschluss der Ermittlungen und erhob Anklage zum Landgericht Y. Mit Beschluss vom 11.07.2003 hob die Strafkammer den Haftbefehl mangels Bestehen eines dringenden Tatverdachts auf und verfügte die Freilassung des Angeschuldigten. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel, mit welchem sie den erneuten Erlass des aufgehobenen Haftbefehls anstrebt.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts verneint.
a. Allerdings bestehen entgegen der Ansicht der Strafkammer durchaus erhebliche Anhaltspunkte für Betrugsstraftaten.
Nach den durchgeführten Ermittlungen hat der Angeschuldigte im Zeitraum April/Mai 1998 die ebenfalls im Finanzdienstleistungssektor tätigen Geschädigten U. und V. zur Hingabe von insgesamt etwa 650.000 DM verleitet, in dem er diesen versprach, dass über die Firma X/Schweiz „kleinere Kapitalmengen zu Anlagesummen von 1, 10 und 100 Millionen US-Dollar zusammengefügt und sodann Anlagen gefahren würden, bei welchen eine Verzinsung von 100 % und mehr bei einer Rückzahlung des Kapitals binnen vier Wochen möglich sei“. Weiterhin hat er dem Geschädigten Z. im März 1998 eine „gewinnbringende Geldanlage“ versprochen, weshalb ihm dieser insgesamt etwa 990.000 Schweizer Franken übergeben oder an die Firma X/Schweiz bzw. deren Geschäftsführerin B. überwiesen hat. Alle Geschädigten haben weder die ihnen versprochenen Renditen noch das von ihnen einbezahlte Kapital zurückerhalten; die Firma X/Schweiz ist am 15.01.2001 im Handelsregister gelöscht worden; der Verbleib der vom Angeschuldigten an diese Firma - zumindest teilweise - weitergeleiteten Gelder ist unbekannt.
Auch liegt nahe, dass der Angeschuldigte die Geschädigten bei seinen Verheißungen vorsätzlich getäuscht und zumindest die Gefährdung deren Vermögens billigend in Kauf genommen hat.
aa. Dies ergibt sich hinsichtlich der bei den Geschädigten V. und U. eingeworbenen Gelder bereits aus der Art der Kapitalanlage. Bereits das Versprechen einer derart irrealen und auf dem Kapitalmarkt nicht realisierbaren Rendite (vgl. hierzu BGH wistra 2002, 421 f.) von „100 % binnen vier Wochen“ stellt nach Ansicht des Senates ein erhebliches und für einen Tatnachweis im Einzelfall schon ausreichendes Indiz eines betrügerischen Verhaltens dar. Dass der Angeschuldigte selbst das Opfer einer Straftat geworden sein könnte, indem er etwa auf Versprechungen der Geschäftsführerin der Firma X/Schweiz - B. - vertraut haben könnte, hat er selbst nicht vorgetragen, vielmehr hat er zum Tatvorwurf geschwiegen. Die bislang vorliegenden Ermittlungsergebnisse rechtfertigen eine solche Annahme nicht. Wer für derartig unseriöse Kapitalanlagegeschäfte - etwa wegen der damit verbundenen erheblichen Provisionszahlungen - wirbt, muss - wenn er sich nicht des Gegenteils versichert hat - zunächst damit rechnen, dass diese nicht realistisch sind und die Kapitalanleger ihr Geld verlieren, zumindest aber deren Rückzahlungsanspruch erheblich gefährdet wird. Auch ist im vorliegenden Fall zu sehen, dass der Angeschuldigte die Gelder nicht an eine seriöse und vertrauenswürdige Bank, sondern an eine Firma weitergeleitet hat, welche ihren Geschäftszweck laut eingeholter Handelsregisterauskunft mit dem „Handel mit Nahrungsmitteln, Beratung in Verfahrenstechnologie sowie der diesbezüglichen Lizenzvergabe“ angeben hat. Hinzu kommt, dass der Angeschuldigte ausweislich seines Schreibens vom 20.08.1998 an den Geschädigten U. sogar als Bevollmächtigter einer nach Aktenlage mit der Firma X/Schweiz möglicherweise wirtschaftlich identischen Firma X./England“ aufgetreten ist, was sogar auf eine unmittelbare Verquickung in die betrügerischen Manipulationen der Verantwortlichen der Firma X/Schweiz und nicht nur auf ein Handeln zwecks Provisionserzielung hindeutet.
Für das Wissen des Angeschuldigten um die Gefährdung der ihm von den Geschädigten überlassenen Gelder spricht weiterhin das Schreiben der Geschäftsführerin der Firma X/Schweiz - B. - vom 30.10.1998 (AS 91) an den Angeschuldigten, aus welchem sich - und insoweit auch durchaus glaubwürdig - ergibt, dass die Firma X. sich im Januar 1998 - also vor den Kapitalanlagegeschäften der Geschädigten - bezüglich der Realisierung ihrer Anlageprojekte in einer wirtschaftlichen Notlage befand und der Angeschuldigte ihr deshalb erhebliche Mittel zur „Überbrückung“ zur Verfügung stellen musste. Auch soll - was noch der näheren Überprüfung bedürfte - danach die Rückzahlung der vom Angeschuldigten an die Firma X/Schweiz gewährten „Kredite“ unter dem Vorbehalt gestanden haben, dass „das angestrebte gemeinsame Geschäft überhaupt zustande kommt“.
Auch wenn sich derzeit weder der Inhalt dieses Schreibens noch die anderen Indizien abschließend auf ihre Wahrhaftigkeit überprüfen lassen, sprechen diese doch eher dafür, dass der Angeschuldigte mit dem Kapital der Geschädigten leichtfertig umgegangen ist, indem er es bei einer wenig seriösen und - wie er wusste - bereits in finanzieller Schieflage befindlichen Firma zur Anlage brachte. Dass er die Geschädigten auf diese Risiken hingewiesen hätte, ist nicht ersichtlich. Besteht aber der Schaden - wie hier - in einer Vermögensgefährdung, so reicht zur Bejahung der subjektiven Tatseite bereits die Kenntnis der die Gefährdung begründenden Umstände aus, mag der Täter auch darauf vertrauen, dass aus der Gefährdung letztendlich kein Schaden erwachsen wird (BGH wistra 1996, 261 f.; vgl. auch BGH wistra 1996, 184: Verlustrisiko in Wahrheit höher als von den Geschädigten angenommen).
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cc. Wenn der Angeschuldigte aber bei der Weiterleitung der ihm von den U. und V. zur Verfügung gestellten Gelder wusste oder zumindest billigend in Kauf nahm, dass diese weder das eingesetzte Kapital noch die versprochenen Renditen von der Firma X/Schweiz zurück erhalten werden, so rechtfertigt dieser Umstand bereits die Annahme eines erheblichen Verdachts bzgl. einer Straftat zum Nachteil des Geschädigten Z., denn der fehlende Rückzahlungswillen bzw. die Kenntnis hiervon liegt wegen der zeitlichen Kongruenz nahe.
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In rechtlicher Hinsicht scheitert die Annahme eines Betruges auch nicht daran, dass die Geschädigten im Verdacht stehen - der Geschädigte Z. ist deshalb durch das noch nicht rechtskräftige Urteil des Landgerichts K. vom 12.12.2002 wegen Betrugs in 84 Fällen auch bereits verurteilt worden -, selbst Anleger um ihr Geld geprellt zu haben, denn auch ein Betrüger kann betrogen werden. Auch der Umstand, dass die Geschädigten selbst als Finanzvermittler tätig waren und deshalb von einer gewissen Sachkunde ausgegangen werden muss, führt entgegen der Ansicht der Strafkammer zu keiner anderen Beurteilung.
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Ein Irrtum i.S.d. § 263 StGB liegt nämlich nicht nur dann vor, wenn der Getäuschte von der Gewissheit der behaupteten Tatsache ausgeht, sondern auch dann, wenn er an der Wahrhaftigkeit der Versprechungen zweifelt, gleichwohl aber die Vermögensverfügung trifft, weil er die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer hält. Denn der Getäuschte ist im Regelfall des Betruges schon dann der List des anderen zum Opfer gefallen, wenn er die Vermögensverfügung trotz eines Zweifels vornimmt (BGH wistra 1990, 305 f.; 2003, 142 ff. m.z.w.N.; Schönke-Schröder-Cramer, StGB, 26. Aufl. 2001, § 263 Rn. 40). Auch das leichtfertige und erhebliche Zweifel hegende Opfer wird nämlich durch das Strafrecht geschützt (BGH wistra 2003, 142 ff.). Dass die Geschädigten aber einen Verlust ihrer Anlagen für wahrscheinlicher als deren Rückzahlung gehalten haben könnten, diesen damit in der Weise eines „Spielers“ bewusst in Kauf nahmen oder ihnen die Weiterentwicklung des Anlagegeschäftes gleichgültig gewesen sein könnte, ist in Anbetracht der Höhe der transferierten Summen wenig wahrscheinlich. Besondere Umstände, welche eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Auch wenn es sich - wie dem Senat aus einem anderen Verfahren bekannt ist - bei den Anlagen um anvertraute Fremdgelder gehandelt haben dürfte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Geschädigten - trotz der offensichtlich fehlenden Realisierbarkeit des Geschäftes - nicht gleichwohl auf ein Gelingen vertraut haben und den Versprechungen des Angeschuldigten erlegen sind. Es gehört nämlich zur Eigenart des Betruges, dass ein Täter beim Geschädigten aufkeimende Zweifel - hier an der Seriosität der Anlage - durch Verzerrung der Realitäten oder durch besonders hohe Versprechungen zu überwinden sucht. Aus diesem Grund geht auch die Annahme der Strafkammer, der Angeschuldigte habe den bei den Geschädigten eingetretenen Irrtum nicht erkennen können, fehl. Selbst wenn aber die Zweifel der Geschädigten überwogen haben sollten, liegt zumindest die Annahme einer Versuchsstrafbarkeit nahe (BGH wistra 2003,142 ff.), denn es liegt fern, dass der Angeschuldigte aufgrund der tatsächlichen Umstände davon ausgegangen sein könnte, die Geschädigten hätten ihm ihr Kapital in Kenntnis eines wahrscheinlichen Verlustes überlassen.
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b. Diese Verdachtsmomente können jedoch einen dringenden Tatverdacht nicht mehr begründen.
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Vom Vorliegen eines solchen ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis in seiner Gesamtheit eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Täter eine Straftat begangen hat (BGH NJW 1992, 1975 ff.; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. 2003, § 112 Rn. 5). Diese Beurteilung ist jedoch nicht statisch, sondern hängt vom jeweiligen Ermittlungsstand ab. Während etwa zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens starke Indizien einen dringenden Tatverdacht begründen können, fällt dieser später weg, wenn Lücken in der Indizienkette nicht geschlossen werden können oder trotz anfänglicher Annahme keine große Wahrscheinlichkeit mehr dafür besteht, der Täter könne in einer Hauptverhandlung überführt werden (Brandenburgisches OLG StV 1996, 157.; LR-Hilger, 25. Auflage 1997, § 112 Rn 19). Gleiches gilt, wenn die Ermittlungen trotz einer nicht unerheblichen Verdachtslage deshalb lückenhaft sind, weil die Strafverfolgungsbehörden gebotene Untersuchungen unterlassen haben und wegen dieser Defizite - ohne weitere zeitaufwändige Nachforschungen - nicht mit einer Verurteilung des Täters gerechnet werden kann (OLG Celle StV 1986, 392; LR-Hilger a.a.O.).
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So liegt der Fall hier.
16 
Obwohl die Ermittlungen bereits seit 28.08.2001 andauern, liegen die eigentlichen Hintergründe des Kapitalanlagegeschäftes im Dunkeln, lediglich einem in englischer Sprache verfassten Schreiben der Firma X/Schweiz an den Angeschuldigten vom 12.03.1998 (AS 35) lässt sich entnehmen, dass diese (auch) gemeinsame Geschäfte mit sog. „Bankgarantien“ unternommen haben. Auch eine - im allgemeinen als verfahrensförderlich anzusehende - Aufarbeitung der Kapitalflüsse durch eine sachkundige Polizeidienststelle ist nicht veranlasst worden, weshalb sich nicht verlässlich beurteilen lässt, in welchem Umfang der Angeschuldigte die Anlagegelder der Geschädigten an die Firma X/Schweiz überhaupt weitergeleitet hat. Zudem lässt sich den in den Akten befindlichen Kontoauszügen entnehmen, dass der Angeschuldigte auch mit anderen Kapitalanlegern teilweise über die Firma X/Schweiz Geschäfte unternommen hat, ohne dass deren Inhalt bislang näher ermittelt wurde. Für die Frage des Tatvorsatzes kann es aber durchaus erheblich sein, wie lange der Angeschuldigte mit der Firma X/Schweiz zusammengearbeitet hat, ob überhaupt erfolgreiche Anlagegeschäfte durchgeführt wurden oder diese sämtlich erfolglos geblieben sind.
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2. Unabhängig davon wäre der von der Staatsanwaltschaft begehrte Erlass eines neuen Haftbefehls auch aus anderen Gründen rechtlich nicht möglich.
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Dabei kann der Senat offen lassen, ob überhaupt ein Haftgrund vorliegt, da der Angeschuldigte in der Schweiz über einen festen Wohnsitz verfügt und es deshalb am Haftgrund der Fluchtgefahr mangeln könnte (zum Merkmal des Entziehens i.S.d. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO vgl. Böhm NStZ 2001, 633 ff.), denn jedenfalls stünde einer solchen Anordnung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen.
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Der in Haftsachen geltende Beschleunigungsgrundsatz gilt nicht nur, wenn sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet, sondern beansprucht - wenn auch in abgemilderter Form - allgemeine Geltung. Er findet über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu OLG Karlsruhe MDR 1986,1048) auch Berücksichtigung, wenn der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt ist oder die Untersuchungshaft zur Vollstreckung von Strafhaft unterbrochen ist (BVerfG StV 2003, 30 f.; OLG Stuttgart StV 1990, 213 f.; KG StV 1992, 523 f.; 1993, 646; OLG Frankfurt StV 1994, 665; Meyer-Goßner, a.a.O., § 120 Rn. 7). Denn die Beschränkungen, denen der Beschuldigte in solchen Fällen ausgesetzt ist - sei es durch Auflagen nach § 116 StPO oder durch Maßnahmen nach § 122 StVollzG - dürfen nicht länger dauern, als es nach den Umständen des Falles erforderlich ist.
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Das Beschleunigungsgebot hat aber erst recht dann Beachtung zu finden, wenn die Ermittlungsbehörden zunächst die Auslieferung des Beschuldigten begehren und sich dieser - wie hier - deshalb zunächst in gleicher Sache im Ausland in Haft befindet.
21 
b. Dies ist vorliegend aber unterblieben, denn das seit 28.08.2001 bei der Staatsanwaltschaft Y. anhängige Verfahren ist nicht mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung gefördert worden. So hat die Ermittlungsbehörde nach Eingang der Anzeige zwar die mehrfache Vernehmung der Geschädigten V. und Z. veranlasst, vertragsrelevante Urkunden beigezogen und im Weg der Rechtshilfe (vgl. die entsprechenden Ersuchen an die Schweizer Justizbehörden vom 12.04.2002, 06.05.2002, 21.06.2002) Kontounterlagen erhoben sowie einen Handelsregisterauszug bzgl. der Firma X/Schweiz eingeholt.
22 
Nach Erlass des Haftbefehls am 24.10.2002 und der Inhaftierung des Angeschuldigten in der Schweiz am 16.01.2003 sind jedoch keine weiteren sachdienlichen Ermittlungen mehr veranlasst worden. Die auch nach Ansicht des Senates (vgl. hierzu auch Nr. 2 Beschlusses des Landgerichts Y. vom 11.07.2003) notwendige Vernehmung der Zeugin B. - der Geschäftsführerin der Firma X/Schweiz - wurde erst mit Anklageerhebung am 30.06.2003 in die Wege geleitet. Bereits dieser Umstand stellt vorliegend eine dem Erlass eines neuen Haftbefehls nach § 112 StPO entgegenstehende verzögerte Sachbehandlung dar, denn diese Ermittlungshandlung hätte bereits zeitlich früher - etwa zusammen mit den anderen Rechtshilfeersuchen - vorgenommen werden können.
23 
Hinzu kommt, dass die Aufklärung des Sachverhalts über die im Januar 2002 hinaus unternommenen Versuche vor einer Anklageerhebung die nochmalige Vorladung des Geschädigten U. zur staatsanwaltschaftlichen oder polizeilichen Vernehmung geboten hätte, da dieser - wie dem Senat aus einem anderen Verfahren bekannt ist - früher durchaus auch in vorliegender Sache zu Angaben bereit gewesen war.
24 
Diese Mängel wiegen derart schwer, dass auch unter Berücksichtigung der nicht unerheblichen Straferwartung im Falle einer Verurteilung (OLG Düsseldorf StV 1996, 552) der Erlass eines neuen Haftbefehls nach § 112 StPO als unverhältnismäßig anzusehen wäre, zumal sich der Angeschuldigte beinahe sechs Monate in Haft befunden hat und zwischenzeitlich Anklage erhoben wurde, so dass der Strafkammer im Falle der Eröffnung des Hauptverfahrens zur Sicherung des Erscheinens des Angeklagten auch ein milderes Mittel zur Verfügung stünde, nämlich der Erlass eines Haftbefehls nach § 230 StPO, falls der Angeschuldigte auf eine Terminsladung zur Hauptverhandlung nicht erscheinen sollte.
III.
25 
Bei Rücklauf der Akten wird die Strafkammer nunmehr darüber zu befinden haben, ob sie die Durchführung weiterer Ermittlungen für geboten ansieht.
26 
Sollte die Strafkammer - wie der Senat - diese zur Klärung der Verdachtslage für erforderlich halten, wird sie - vor einer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens - die Akten an die Staatsanwaltschaft zur Vornahme der noch gebotenen Nachforschungen zurückzugeben haben. Zwar besteht auch nach Ansicht des Senats für diese keine Pflicht zur Vornahme von Ermittlungen jeder Art (vgl. hierzu LR-Rieß, StPO, 25. Auflage 2001, § 202 Rn. 15; KK-Tolksdorf, 5. Aufl. 2002, § 2002 Rn. 7), die Ablehnung eines entsprechenden Ersuchens würde - jedenfalls vorliegend - die Strafkammer aber zur Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens berechtigen, so dass für die Erhebung einer neuen Anklage nur im Rahmen des § 211 StPO Raum wäre.
27 
Zur Vornahme eigener Nachforschungen wäre die Strafkammer hingegen nicht gehalten. Zwar kann das Gericht gemäß § 202 StPO vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zur besseren Aufklärung der Sache Beweiserhebungen anordnen. Es muss sich dabei aber um einzelne Beweiserhebungen handeln, also um eine bloße Ergänzung eines von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bereits weitgehend aufgeklärten Sachverhalts. Hier werden aber noch umfangreiche Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu richten sein. Außerdem ist - wie oben ausgeführt - eine zeitintensive Aufarbeitung der Kontenbewegungen und der Finanzverhältnisse des Angeschuldigten notwendig. Bei diesen Untersuchungen handelt es sich nicht um eine bloße Ergänzung, sondern um einen grundlegenden Teil der Ermittlungsarbeit, der gemäß § 160 StPO in die Regelzuständigkeit der Staatsanwaltschaft fällt. Für das Verfahren nach § 202 StPO ist insoweit kein Raum (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26.08.2003, 1 Ws 208/03 und 1 Ws 57/03; siehe auch LR-Rieß, a.a.O., § 202 Rn. 3 m.w.N.).
IV.
28 
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft war daher mit der sich aus § 473 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zu verwerfen.

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