1. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts K. vom 23. Februar 2005 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Angeklagte.
2. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts K. vom 9. März 2005, soweit die Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Landgerichts K. vom 23. Februar 2005 abgelehnt worden ist, ist gegenstandslos und bleibt unentschieden.
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I. Der Angeklagte, dem mit Beschluss des Amtsgerichts K. vom 23.06.2004 die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden war, wurde vom Amtsgericht K. mit Urteil vom 16.12.2004 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung in vier tateinheitlichen Fällen und in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, davon in einem Fall als Versuch, zu der Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 60 EUR verurteilt. Des weiteren entzog das Amtsgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis, zog seinen Führerschein ein und ordnete eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von sechs Monaten an. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte fristgerecht Berufung ein. Das in der Berufungsinstanz mit der Sache befasste Landgericht K. hob mit Beschluss vom 23.02.2005 die durch Beschluss des Amtsgerichts K. vom 23.06.2004 angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auf, weil keine Gründe vorhanden seien, die einen hinreichenden Anlass für die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigten. Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein und beantragte zugleich, die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen. Mit Beschluss vom 09.03.2005 half das Landgericht der Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht ab und lehnte die beantragte Aussetzung der Vollziehung ab. Gegen die Ablehnung der Vollziehungsaussetzung richtet sich eine gesonderte Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
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Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts vom 23.02.2005 hat in der Sache Erfolg. Durch die unter Nr. 1 der Beschlussformel getroffene Entscheidung in der Hauptsache ist das Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses gegenstandslos geworden.
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II. 1. Die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Angeklagten nach § 111 a Abs. 1 Satz 1 StPO sind entgegen der Auffassung der Jugendkammer unverändert gegeben.
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Der Angeklagte ist auf Grund der im Urteil des Amtsgerichts K. vom 16.12.2004 dargestellten Beweisergebnisse der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, insbesondere seines pauschalen Geständnisses, sowie der ergänzenden Ermittlungen des Landgerichts zur örtlichen Lage des Grenzübergangs K. Autobahn dringend verdächtig, am frühen Morgen des 10.06.2004 auf schweizerischen Straßen bis zur Einreisekontrolle nach Deutschland durch Beamte des Bundesgrenzschutzes am auf Schweizer Hoheitsgebiet gelegenen Grenzübergang K. Autobahn ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, obwohl er - für ihn erkennbar - infolge vorangegangenen Alkohol- und Cannabiskonsums bei einer Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 1,16 Promille fahruntüchtig gewesen sei.
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Auf die dem Angeklagten zur Last gelegte Trunkenheitsfahrt findet deutsches Strafrecht Anwendung. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Einrichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die Grenzabfertigung in Verkehrsmitteln während der Fahrt vom 01.06.1961 (BGBl II 1962, 879), geändert durch das Abkommen vom 12.04.1989 (BGBl II 1991, 292), die auf Grund der Zustimmungsgesetze vom 01.08.1962 (BGBl II 877) und 21.12.1990 (BGBl II 1991, 291) innerstaatliches Recht geworden sind und als speziellere Regelung den Anwendungsbereich deutscher Strafgesetze über die allgemeinen Vorschriften der §§ 3 ff StGB hinaus erweitern (vgl. BayObLGSt 1981, 72; BGHSt 31, 215). Nach Art. 4 Abs. 1 des Abkommens gelten in der im Gebietsstaat gelegenen Zone, in welcher die Bediensteten des Nachbarstaates zur Grenzabfertigung berechtigt sind, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Nachbarstaates, die sich auf die Grenzabfertigung beziehen, in gleicher Weise wie in der Gemeinde des Nachbarstaates, der die Grenzabfertigungsstelle zugeordnet ist. Sie werden von den Bediensteten des Nachbarstaates im gleichen Umfang und mit allen Folgen wie im eigenen Staatsgebiet durchgeführt. Bei Verstößen in der Zone gegen sich auf die Grenzabfertigung beziehende Rechts- und Verwaltungsvorschriften üben nach Art. 4 Abs. 2 des Abkommens die Gerichte und Behörden des Nachbarstaates die Strafgerichtsbarkeit aus. Nach der Begriffsdefinition des Art. 2 Nr. 1 des Abkommens bedeutet Grenzabfertigung die Anwendung aller Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die sich auf den Grenzübertritt von Personen sowie die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren (worunter hier und im folgenden auch Fahrzeuge verstanden werden) und anderen Vermögensgegenständen beziehen. Zu diesen Vorschriften zählen nicht nur verfahrensrechtliche Bestimmungen, erfasst werden vielmehr alle formellen und materiellen Vorschriften, die sich auf den Grenzübergang von Personen oder die Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Waren beziehen, auch auf dem Gebiet des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts (vgl. BayObLG aaO). Ein Bezug zum Grenzübertritt von Personen ist bei der rechtlichen Bewertung solcher Vorgänge zu bejahen, die im konkreten Fall in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit einem Grenzübergang stehen (vgl. BayObLG aaO; OLG Oldenburg NZV 1992, 165; OLG Köln NStZ 1984, 321; 1984, 322). Straftaten, die auf einer vorgeschobenen deutschen Grenzabfertigungsstelle in der Schweiz aus Anlass der Grenzkontrolle oder in einem sonstigen engen sachlichen Zusammenhang mit dem Grenzübertritt begangen werden, unterfallen dem Begriff der Grenzabfertigung i. S. des Abkommens mit der Folge, dass deutsches Strafrecht Anwendung findet (BayObLG aaO; verneinend bei Verstößen gegen straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften OLG Köln: aaO; OLG Oldenburg aaO). Der erforderliche enge Zusammenhang zum Grenzübertritt ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass der Angeklagte die Grenze gerade mittels Führens eines Kraftfahrzeugs in fahruntüchtigem Zustand überqueren wollte. Da nach Aktenlage davon ausgegangen werden kann, dass die Fahrt des Angeklagten auf Grund der Einreisekontrolle innerhalb der für die Grenzabfertigung durch den Bundesgrenzschutz vorgesehenen Zone ihren Abschluss fand, ist deutsches Strafrecht anwendbar. Die Beamten des Bundesgrenzschutzes waren nach Art. 4 Abs. 1 des Abkommens befugt, die erforderlichen strafprozessualen Maßnahmen nach deutschem Recht zu ergreifen, insbesondere den Angeklagten, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, zur Durchführung einer Blutentnahme festzunehmen und nach K. zu verbringen.
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Die Trunkenheitsfahrt, deren der Angeklagte dringend verdächtig ist, ist schließlich - unbeschadet der abweichenden Bezeichnung des Tatorts im Anklagesatz und im amtsgerichtlichen Urteil - Gegenstand der Anklage der Staatsanwaltschaft K. vom 12.09.2004 sowie der erstinstanzlichen Verurteilung.
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Die Anklage hat in ihrer Umgrenzungsfunktion die Aufgabe, die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Tat so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Welche Anforderungen an eine ausreichende Tatkonkretisierung im Anklagesatz zu stellen sind, lässt sich nicht abstrakt beantworten, sondern richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls (vgl. Senat NJW 2005, 767, 770; BayObLG NZV 2001, 176). Die Angabe der genauen Tatörtlichkeit ist für die Bezeichnung des angeklagten Lebenssachverhalts dann nicht von Bedeutung, wenn der in der Anklage als Tat beschriebene geschichtliche Vorgang unabhängig von der Bezeichnung des Tatorts durch andere Merkmale so konkretisiert ist, dass vernünftige Zweifel an der Individualität des Vorganges und damit an der Unterscheidbarkeit von anderen ähnlichen Taten nicht bestehen. So liegt der Fall hier. In der Anklage der Staatsanwaltschaft K. vom 12.09.2004 werden unter Nr. 1 des Anklagesatzes als Tatort der dem Angeklagten angelasteten Trunkenheitsfahrt zwar öffentliche Straßen und Wege in K. im Bereich des Grenzübergangs Autobahn angegeben. Mit Blick auf den unter Nr. 2 des Anklagesatzes geschilderten, der Trunkenheitsfahrt zeitlich nachfolgenden Lebenssachverhalt ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Anklagesatzes indes eindeutig, dass die Fahrt des Angeklagten, welche zur angegebenen Zeit mit der Einreisekontrolle durch den Bundesgrenzschutz am Grenzübergang Konstanz Autobahn ihr Ende fand, den Gegenstand des Anklagevorwurfs bildet. An der Nämlichkeit des Lebenssachverhalts besteht entgegen der Auffassung des Landgerichts kein Zweifel.
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Da der Angeklagte somit eines Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 2 StGB dringend verdächtig ist, sind mit Blick auf die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB dringende Gründe für die Annahme gegeben, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen werden wird. Die Voraussetzungen des § 111 a Abs. 1 Satz 1 StPO liegen somit unverändert vor.
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2. Mit der Entscheidung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft in der Hauptsache ist die zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung der Vollziehungsaussetzung nach § 307 Abs. 2 StPO durch das Landgericht (vgl. Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 307 Rdnr. 4) gegenstandslos geworden.
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III. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der erfolgreichen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts K. vom 23.02.2005 beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 465 StPO. Im Übrigen ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.
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