Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 9 U 31/05

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 31.01.2005 abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Der Kläger nimmt das beklagte Elektrizitätswerk im Wege der einstweiligen Verfügung nach dem Erneuerbare Energien-Gesetz auf Anschluss seiner neuen Stromerzeugungsanlage in Anspruch.
Er produziert seit Februar 2003 in einer Biogasanlage Strom in Niederspannung, der in einer nicht von der Beklagten errichteten und ihr nicht gehörenden Umspannstation in Mittelspannungsstrom umgewandelt wird. Über ein ca. 55 m langes 20 KV-Kabel wird der Strom sodann in das Netz der Klägerin, das so genannte „E. Kabel“, mit 20 KV eingespeist. Für die Verlegung des Kabels hat sich die Beklagte vom Kläger eine Dienstbarkeit bewilligen lassen. Im März 2004 hat der Kläger eine weitere Biogasanlage errichtet, deren wiederum in Niederspannung erzeugter Strom nicht über die bisherige Umspannstation in Mittelspannung umgewandelt werden soll.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Anschluss an das „E. Kabel“ günstigster Verknüpfungspunkt im Sinne von § 13 EEG ist. Streitig ist aber, ob dieser günstigste Verknüpfungspunkt bereits vor der bisherigen Umspannung in Mittelspannung liegt, so der Kläger, oder hinter dieser Umspannstation, wie die Beklagte meint. Die von der Beklagten vorgesehene Netzverbindung verursacht Kosten von rund 3.000,00 EUR. Der Kläger meint, die Beklagte müsse für die Umspannung sorgen, was den Bau einer Umspannstation durch die Beklagte erforderlich machen würde. Die Ausführung der von ihr vorgesehenen Netzverknüpfung hat die Beklagte von der Erteilung eines Auftrags durch den Kläger abhängig gemacht, sofern der Kläger ihn nicht selbst an einen Dritten vergibt. Der Kläger hat auf seinem Standpunkt beharrt, die Beklagte müsse auf ihre Kosten die Netzverbindung einschließlich der Schaffung einer Umspanneinrichtung herstellen.
Entsprechend dem Antrag des Klägers hat das Landgericht durch Urteil vom 31.01.2005 die Beklagte durch einstweilige Verfügung verurteilt, die Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbarer Energie des Verfügungsklägers, Marke Jenbacher Motor, mit 499 KW, Motornummer: 3841431, die auf dem Gelände des M. in A. steht, an ihr Stromnetz anzuschließen und die vom Verfügungskläger zur Verfügung gestellte Energie in ihr Netz einzuspeisen.
Dieses Urteil wurde der Beklagten nicht im Parteibetrieb zugestellt. Erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO hat der Kläger mit am 01.03.2005 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz Antrag gemäß § 888 ZPO gestellt.
Mit ihrer Berufung macht die Beklagte im wesentlichen geltend, wegen Verstreichenlassens der Vollziehungsfrist sei die einstweilige Verfügung ohne weitere Prüfung aufzuheben. Im übrigen wiederholt sie ihren Vortrag erster Instanz, sie sei nur zu dem von ihr vorgesehenen Netzanschluss ohne Errichten und Betreiben einer Umspannstation verpflichtet. Die Errichtung der Umspannstation gehöre nicht zum Netz, sondern zum Betreiben der Stromerzeugungsanlage.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 31.01.2005 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Der Kläger beantragt unter Konkretisierung seines erstinstanzlichen Antrags- Anschluss als Niederspannungsstrom -,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er meint die „begehrte Bestätigungsentscheidung des Oberlandesgerichts“ eröffne stets eine neue Vollziehungsfrist. Im übrigen ergänzt und vertieft er sein Vorbringen erster Instanz und nimmt auf das Urteil des Landgerichts Bezug, das er für richtig hält.
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II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Landgerichts abzuändern und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Berufung der Beklagten könnte schon deshalb Erfolg haben, weil die vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung nicht innerhalb der Frist von § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen wurde. Nach herrschender Meinung kann zwar der Gläubiger nach Ablauf der Vollziehungsfrist erneut den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, jedoch muss dieser Antrag in der ersten Instanz und nicht in der Berufungsinstanz gestellt werden. Nach anderer Meinung kann ein solcher Antrag auch noch in der Berufungsinstanz, zumindest auf Anschlussberufung gestellt werden (zum Meinungsstand Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. § 929 Rdn. 23). Für die Zulässigkeit im Berufungsverfahren werden vor allem Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit angeführt (OLG Celle, NJW 1986, 2441; OLGR Celle 1995, 116 sowie 122; nur durch Anschlussberufung: OLG Karlsruhe, NJW 1965, 47). Diese Frage kann hier offen bleiben, da aus anderen Gründen die einstweilige Verfügung keinen Bestand haben kann.
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Eine fehlende Bestimmtheit des Antrags steht einer Bestätigung oder dem Erlass einer neuen einstweiligen Verfügung nicht entgegen, da der Kläger im Berufungsverfahren seinen Antrag dahin konkretisiert hat, dass er Anschluss als Niederspannungsstrom beansprucht.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf den von ihm im Wege der einstweiligen Verfügung begehrten bestimmten Netzanschluss in Niederspannung.
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Durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 10.11.2004, VIII ZR 391/03) ist geklärt, dass zu den vom Anlagebetreiber zu tragenden Anschlusskosten gemäß § 10 Abs. 2 S. 1 EEG a.F. nicht die infolge der neu anzuschließenden Anlage erforderlichen Kosten des Netzausbaues gehören. Ein Netzausbau ist nicht Gegenstand des Streits, wie noch auszuführen ist.
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Zunächst ist der wirtschaftlich günstigste Verknüpfungspunkt im Sinne von § 13 Abs. 1 EEG zu ermitteln, der nicht die „kürzeste Entfernung“ im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 EEG sondern der Anschluss mit den geringsten Gesamtkosten für die Herstellung des Anschlusses und für die Durchführung der Stromeinspeisung ist. Die Parteien sind sich einig, dass dieser hier im Bereich des „Eigeltinger Kabels“ mit Mittelspannung zu suchen ist. Die Klägerin hat nichts dafür vorgetragen, dass der Niederspannungshausanschlusskasten, rund 195 m von der Anlage entfernt, wirtschaftlich in Betracht zu ziehen ist. Die Kosten des Anschlusses an diesen entfernten Verknüpfungspunkt hätte der Kläger als Anlagebetreiber gemäß § 13 Abs. 1 EEG zu tragen. Zu den Netzkosten, welche die Beklagte zu tragen hätte, würde bei einem solchen Anschuss nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine Verstärkung des anschließenden Netzes gehören, sofern dieses für die Aufnahme der zusätzlichen Strommengen aus der Anlage nicht ausreichend dimensioniert ist. Zu diesem Gesichtspunkt wird von den Parteien nichts Näheres vorgetragen. Ein solcher Anschluss wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
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Entscheidend ist im vorliegenden Rechtsstreit, auf welcher Spannungsebene der Anlagenbetreiber den Strom anzuliefern hat. Hierzu ergibt sich aus der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dass zum Netz die Gesamtheit der miteinander verbundenen technischen Einrichtungen zur Übertragung und Verteilung von Elektrizität für die allgemeine Versorgung gehört. Dazu gehören bereits nach der Gesetzesbegründung unabhängig von der Spannungsebene alle Leitungen einschließlich der Anschlussleitungen, mittels derer Kunden mit Strom versorgt werden, ohne die folglich eine allgemeine Stromversorgung nicht möglich wäre (BT-Druck S. 15/2327 S. 23). Damit ist aber nur geklärt, dass, wovon auch die Parteien ausgehen, das „Eigeltinger Kabel“ mit Mittelspannung ein solches Netz ist, an das angeschlossen werden kann. Weiter kann aus dieser Entscheidung geschlossen werden, dass der Anschluss der bisherigen Biogasanlagen an das Eigeltinger Kabel nicht zu diesem Netz gehört, da er nur der Einspeisung nicht aber der Verteilung von Elektrizität für die allgemeine Versorgung dient. Hierauf kommt es vorliegend nicht an, da die Beklagte bereit ist, den Anschluss an diese Leitung, allerdings erst hinter den bisherigen Transformatoren, vorzunehmen. Auch durch diese Bereitschaft wird dieses Verbindungsstück nicht zum Netz der Beklagten nach dem EEG. Ebenso kommt es für diesen Rechtsstreit nicht auf die Eigentumsverhältnisse an dem Kabel und die Grunddienstbarkeit an. Unerheblich ist, wo die Messung der eingespeisten Leistung erfolgt. Durch die Messung vor der Umspannung wird die bisherige Umspannstation nicht zum Netz der Beklagten. Allein durch die Führung der Mittelspannungsleitung durch die vorhandenen Umspannstationen wurden diese Stationen zumindest nicht in ihren für die Umspannung wesentlichen Teilen zum Netz der Beklagten. Vor der Umspannung wird kein Strom in Niederspannung zum Verbraucher geführt. Die Durchleitung zu den Abnehmern erfolgt nur in Mittelspannung.
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Entscheidend bleibt hier die vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschiedene Frage, wer für eine erforderliche Umspannung verantwortlich ist. Aus dem Gesetz ist hierfür unmittelbar nichts zu entnehmen. Überwiegende Gesichtspunkte sprechen dafür, die Verantwortung für diese Umspannung dem Betreiber der Anlage als Teil der Stromerzeugungsanlage zuzuweisen. So müsste der Anlagebetreiber auch Kosten, die etwa aufgrund der bei Fotovoltaikanlagen erforderlichen Umwandlung des von der Anlage erzeugten Gleichstroms in Wechselstrom, wenn auch als Anschlusskosten, tragen (Reshöft/Steiner/Dreher Erneuerbare Energien - Gesetz 2. Aufl. § 13 Rdn. 6). Auch hat es der Anlagebetreiber nicht aber der Netzbetreiber bei der Investitionsentscheidung in der Hand zu prüfen, ob die Anlage mit erheblichen Kosten der Umspannung bei der Einspeisung in eine andere Spannungsebene wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben ist. Trotz der sich aus § 1 EEG ergebenden Ziele des Gesetzes ist es nicht sachgerecht, über die Netzkosten die Allgemeinheit diese Kosten über die Stromkosten tragen zu lassen ohne dass vom Netzbetreiber eine Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgen könnte. Weiter sprechen allgemeine Grundsätze des Kaufrechts für die Verantwortlichkeit des Anlagenbetreibers. Die Transformation auf eine andere Spannungsebene ist nur erforderlich, wenn der Anlagenbetreiber den Strom auf einer anderen Spannungsebene anbietet, als er an dieser Stelle abgenommen werden kann, er den Strom entweder auf Niederspannungsebene zur Verfügung stellt und die Einspeisung in ein Netz höherer Spannungsebene verlangt oder wenn der angebotene Strom oberhalb der Niederspannungsebene in ein Netz niedrigerer Spannung eingespeist werden soll ( Dreher a.a.O. §13 Rdn. 16
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die allgemeinen kaufvertraglichen Vorschriften auf Verträge über die entgeltliche Lieferung von Elektrizität jedenfalls entsprechend anzuwenden ( BGH WM 1994, 76 mit weiteren Nachweisen; Salje Kommentar zu EEG 3. Aufl. § 13 Rdnr. 2; Dreher a.a.O § 13 Rdnr. 2). Gemäß § 448 BGB fallen mangels anderweitiger Vereinbarung die Kosten der Übergabe der verkauften Sache dem Verkäufer, die Kosten der Abnahme hingegen dem Käufer zur Last. Danach hat der Verkäufer die Kosten des Transports bis zum Erfüllungsort zu tragen. Dieser befindet sich an dem Ort, an welchem die Beklagte zur Aufnahme des Stroms in Ihr Netz in der Lage ist. Dafür, dass der Netzbetreiber den Strom beim jeweiligen Erzeuger auf seine Kosten „abzuholen“ hat, gibt es im Gesetz keine Grundlage ( BGH a.a.O.). Diese zu den Anschlusskosten nach EEG a. F. ergangene Entscheidung hat die Neuregelung in § 13 EEG übernommen. Für die erforderlich Umspannung muss mangels abweichender Regelung gleiches gelten. Auch in diesem Fall hat der Anlagenbetreiber entsprechend § 448 BGB den Strom in einer Art und Weise zu liefern, dass der Netzbetreiber ihn nur noch abnehmen muss. Nur wenn dann die Leistungsfähigkeit eines vorhandenen Transformators des Netzbetreibers nicht ausreicht, um den Strom aus der Anlage nach § 2 EEG netzkonform zu machen, ist die Verstärkung des Transformators dem Netzausbau zuzurechnen (Dreher a.a.O. Rdn. 18) . Eine Umspannstation der Beklagten liegt hier aber nicht vor. Die vorhandenen wurden vom Beklagten errichtet und sind Eigentum des Klägers oder, wie der Kläger geltend macht, Eigentum Dritter. Grundsätzlich muss aber der Anlagenbetreiber als Verkäufer entsprechend § 448 BGB die Sache so anbieten, dass der Netzbetreiber als Käufer den einzuspeisenden Strom am Erfüllungsort ohne weiteres abnehmen kann. Deshalb ist die Transformation grundsätzlich Sache des Anlagenbetreibers (Dreher a.a.O. § 13 Rdn. 17; Salje a. a.O. § 13 Rdnr. 56). Entgegenstehende überzeugende Gesichtspunkte sind dem EEG nicht zu entnehmen und vom Kläger nicht dargetan.
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Anders wäre es, wenn der bereits vorhandene Transformator zum Netz der Beklagten gehören würde, was aber nicht der Fall ist. Sofern am Übergabepunkt bereits ein Transformator vorhanden ist, der zum Netz gehört, kann die Einspeisung grundsätzlich über den vorhandenen Transformator erfolgen. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor, da die bisherigen Transformatoren weder von der Beklagten errichtet noch in ihr Eigentum übernommen wurden. Es handelt sich um Transformatoren der Betreiber. Deshalb liegt hier auch kein Sachverhalt vor, der mit dem des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30.09.2004 -2 U 58/04- vergleichbar ist. In dem dort entschiedenen Fall war die ursprünglich im Eigentum des Anlagenbetreibers stehenden Trafostation auf die Netzbetreiberin übertragen worden. Nur wegen dieser Besonderheit, dass die bestehende Trafostation bereits dem öffentlichen Netz für die allgemeine Versorgung diente, hat das OLG Stuttgart die erforderliche Errichtung einer zweiten Trafostation als Ausbau des Netzes behandelt, dessen Kosten nach § 10 Abs. 2 EEG der Netzbetreiber zu tragen hat. Hat, wie hier der Kläger, der Anlagebetreiber oder ein Dritter eine Umspannstation errichtet, so gelangt diese in deren Eigentum und nicht in das Eigentum des Netzbetreibers. In einem solchen Fall liegen bei einer Erweiterung oder Errichtung einer neuen Umspannstation keine vom Netzbetreiber zu tragenden Netzkosten vor.
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Der Kläger hat daher nur einen Anspruch auf den von der Beklagten angebotenen Anschluss an das Netz auf seine Kosten nach vorheriger Umspannung durch den Kläger. Ein solcher Anspruch ist, wie sich aus der Begründung des Antrags ergibt, nicht Gegenstand des Verfahrens.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Gemäß § 542 Abs. 2 ZPO findet gegen dieses Urteil die Revision nicht statt.

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