Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 9 AR 3/11

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Offenburg bestimmt.

Gründe

 
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte, seine zwischenzeitlich von ihm geschiedene Ehefrau, auf Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch. Die Parteien sind jeweils hälftige Miteigentümer einer Immobilie, die seit der Trennung der Parteien vom Kläger allein bewohnt wird. Der Kläger verlangt von der Beklagten hälftigen Ausgleich der nach Abzug einer Nutzungsentschädigung verbleibenden monatlichen Lasten des Hauses (Grundsteuer, Darlehensraten für die Hausfinanzierung und Raten für die zur Absicherung der Darlehen abgeschlossenen Lebensversicherungen). Am 23.02.2006 hat er beim Landgericht Offenburg Prozesskostenhilfe beantragt (Ausgleich für geleistete Zahlungen im Zeitraum August 2004 bis Januar 2006). Nachdem ihm Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, hat er am 26.06.2006 eine Klage über einen Betrag in Höhe von 6.440,07 EUR eingereicht (AS 109). Mit Schriftsatz vom 17.10.2007 (AS 315) hat der Kläger, nachdem ihm hierfür Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, seine Klage um 3.219,13 EUR erweitert. Die Klageerweiterung betrifft Ausgleichszahlungen für den Zeitraum Februar 2006 bis April 2007. In der mündlichen Verhandlung am 15.01.2008 hat das Landgericht Offenburg nach übereinstimmendem Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens gemäß § 251 ZPO angeordnet (AS 399). Mit Schriftsatz vom 17.12.2009 hat der Kläger das Verfahren wieder angerufen und die Klage um 5.882,94 EUR erweitert. Die Klageerweiterung betrifft Ausgleichszahlungen für den Zeitraum Mai 2007 bis Dezember 2009 (AS 435 f.). Ferner hat der Kläger Prozesskostenhilfe für die Klagerweiterung beantragt. Die Klageerweiterung wurde dem Beklagtenvertreter am 30.12.2009 zugestellt (AS 439).
Auf Anregung des Klägers hat sich das Landgericht Offenburg mit Beschluss vom 08.04.2010 (AS 477) für örtlich und sachlich unzuständig erklärt und die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg abgegeben. Mit Beschluss vom 14.01.2011 (AS 489) hat das Familiengericht die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Akten nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit liegen vor, nachdem sich sowohl das Landgericht Offenburg als auch das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg für unzuständig erklärt haben (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO).
Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, da es für beide am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte das im Rechtszug zunächst höhere Gericht ist.
Als zuständiges Gericht ist das Landgericht Offenburg zu bestimmen.
1) Das Landgericht Offenburg hat sich mit Beschluss vom 08.04.2010 für örtlich und sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg abgegeben (AS 477). Dieses hat mit Beschluss vom 14.01.2011 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, weil es für das Verfahren nicht zuständig sei (AS 489). Beide Entscheidungen sind den Verfahrensbeteiligten bekannt gegeben worden. Beide Entscheidungen sind unanfechtbar.
2) Eine bindende Verweisung des Landgerichts Offenburg an das Amtsgericht - Familiengericht - Offenburg nach § 17a Abs. 2 i. V. m. Abs. 6 GVG oder nach § 281 ZPO liegt nicht vor.
a) Ein Beschluss nach § 17a Abs. 2 GVG, der gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend wäre, liegt nicht vor.
§ 17a Abs. 1 bis 5 GVG, der Entscheidungen über den gewählten Rechtsweg beinhaltet, ist gemäß § 17a Abs. 6 GVG auch anzuwenden, wenn es - wie im vorliegenden Fall - um die Frage geht, welcher Spruchkörper (Zivilkammer des Landgerichts oder Familiengericht) innerhalb desselben (Zivil-)Rechtsweges zuständig ist (Musielak / Wittschier, ZPO, 7. Auflage 2009, § 17a GVG Rn. 23).
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§ 17a Abs. 2 GVG sieht vor, dass das Gericht, das den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklären will, nach Anhörung der Parteien die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ausspricht und den Rechtsstreit sodann an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs verweist. Vorliegend hat das Landgericht Offenburg im Beschluss vom 08.04.2010 (AS 477) keine der Entscheidung über den Rechtsweg entsprechende Entscheidung gemäß § 17a GVG getroffen. Darüber hinaus erfolgte auch keine Verweisung im Sinne des § 17a Abs. 2 GVG, sondern lediglich eine „Abgabe“. Das Landgericht hat die vom Computersystem vorgeschlagene Formulierung in der Urschrift von Hand abgeändert und „verweist“ durch „gibt ab“ ersetzt. Daraus ergibt sich, dass lediglich eine formlose Abgabe ohne Bindungswirkung beabsichtigt war.
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b) Ein Verweisungsbeschluss nach § 281 Abs. 1 ZPO, der gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das im Verweisungsbeschluss bezeichnete Gericht bindend wäre, liegt ebenfalls nicht vor.
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Das Landgericht Offenburg hat in der Urschrift des Beschlusses vom 08.04.2010 die vom Computersystem vorgegebene Textpassage „gemäß § 281 ZPO“ von Hand gestrichen. Dadurch hat das Landgericht zum Ausdruck gebracht, dass keine Verweisung gemäß § 281 ZPO, sondern lediglich eine formlose Abgabe erfolgen sollte.
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3) Eine bindende Verweisung des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenburg an das Landgericht Offenburg liegt schließlich auch nicht vor.
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Die Ablehnung, ein Verfahren zu übernehmen, stellt keinen bindenden Beschluss im Sinne des § 17a GVG oder des § 281 ZPO dar (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 281 Rn. 19).
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4) Für den vorliegenden Rechtsstreit ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten - hier dem Landgericht Offenburg - gegeben.
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Im vorliegenden Fall war bei Rechtshängigkeit der Klage im Jahr 2006 der Rechtsweg zu den Zivilgerichten begründet. Insbesondere handelte es sich bei den geltend gemachten Ausgleichsansprüchen zwischen den Ehegatten nicht um eine Familiensache. Etwas anderes gilt seit dem 01.09.2009. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) handelt es sich bei derartigen Ansprüchen nach §§ 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG um Familiensachen, da der verlangte Ausgleich Ansprüche der Ehegatten im Zusammenhang mit der Trennung oder der Scheidung betrifft.
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Die nachträgliche Rechtsänderung zum 01.09.2009 durch Inkrafttreten des FamFG führt jedoch in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 GVG nicht zu einer (nachträglichen) Unzulässigkeit des bereits beschrittenen Rechtsweges. Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt (sog. perpetuatio fori). Dies gilt sowohl für Umstände tatsächlicher Art wie für Rechtsänderungen (Zöller / Lückemann, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 17 GVG Rn. 1). § 17 GVG gilt dabei als allgemeiner Rechtsgrundsatz für die Abgrenzung zwischen Zivil- und Familiengerichten entsprechend (vgl. Zöller / Lückemann, a.a.O., Vor §§ 17 - 17 b GVG Rn. 11; § 17a GVG Rn. 21). Das Inkrafttreten des FamFG und die nunmehr abweichende Qualifizierung des vorliegenden Rechtsstreits als Familiensache führt somit nicht zu einer nachträglichen Unzulässigkeit des Zivilrechtsweges.
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Nichts anderes ergibt sich aus den Übergangsvorschriften zum FamFG. Auch nach den Regelungen des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) kommen die Vorschriften des FamFG im Streitfall nicht zur Anwendung. Gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG sind auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des FamFG eingeleitet worden sind, weiter die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften anzuwenden. Mit der Übergangsregelung soll gewährleistet werden, dass sich Gerichte und Beteiligte auf die geänderte Rechtslage einstellen können. Wegen der grundlegenden verfahrensrechtlichen Neuerungen - insbesondere auch im Hinblick auf den Rechtsmittelzug - soll das mit der Reform in Kraft getretene Recht auf bereits eingeleitete Verfahren keine Anwendung finden (BT-Drucks. 16/6308 S. 359).
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Der vorliegende Rechtsstreit wurde vom Kläger durch Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags am 22.02.2006 (AS 1) und spätere Erhebung der Klage beim Landgericht Offenburg eingeleitet. Das FamFG ist erst am 01.09.2009 in Kraft getreten. Folglich sind weiter die bis dahin geltenden Vorschriften anzuwenden.
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Dem steht auch Art. 111 Abs. 3 FGG-RG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sind abweichend von Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG auf Verfahren in Familiensachen, deren Ruhen am 01.09.2009 angeordnet war, die neuen Vorschriften des FamFG anzuwenden. Im vorliegenden Rechtsstreit war zwar am 01.09.2009 durch Beschluss vom 15.01.2008 (AS 399) das Ruhen des Verfahrens gemäß § 251 ZPO angeordnet. Die Ausnahmeregelung des Art. 111 Abs. 3 FGG-RG gilt jedoch nur für Verfahren, die bereits vor dem 01.09.2009 Familiensachen waren und nicht erst durch das FamFG zu Familiensachen geworden sind, wie z.B. die Verfahren nach § 266 FamFG (Horndasch / Viefhues, FamFG, 2. Aufl. 2011, Art. 111 FGG-RG Rn. 17; Kemper, FPR 2010, S. 69, 73; Wever, FamRZ 2010, S. 237 Fn. 3).
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Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der Vorschrift. Art. 111 Abs. 3 FGG-RG spricht von „Verfahren in Familiensachen“. Die Qualifikation der streitgegenständlichen Auseinandersetzung als „(sonstige) Familiensache“ im Sinne von § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG setzt jedoch die Anwendbarkeit des FamFG voraus. Nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG ist das FamFG aber auf Verfahren, die vor dem Stichtag am 01.09.2009 eingeleitet worden sind, zunächst nicht anwendbar. Das FamFG kommt bei Altverfahren nur ausnahmsweise nach Art. 111 Abs. 3 FGG-RG zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen (Familiensache war ruhend) erfüllt sind. Es käme einem Zirkelschluss gleich, wenn man zunächst das FamFG anwenden würde (§ 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG), um eine „Familiensache“ im Sinne des Art. 111 Abs. 3 FGG-RG bejahen zu können, um dann zu einer Anwendung des FamFG zu kommen.
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Zum anderen ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck des Art. 111 Abs. 3 FGG-RG, dass die Abweichung von Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG nur für Familiensachen beabsichtigt war, die auch schon vor dem 01.09.2009 Familiensachen waren. Art. 111 Abs. 3 FGG-RG wurde nachträglich durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03.04.2009 (BGBl I S. 700) eingefügt. Die Übergangsvorschriften sollten dabei dafür Sorge tragen, dass das neue Recht möglichst weitgehend und möglichst schnell zur Anwendung kommen kann. Es sollte vermieden werden, dass die Praxis über einen langen Zeitraum zwei Rechtsordnungen nebeneinander anwenden muss (BT-Drucks. 16/10144 S. 85).
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Hinsichtlich der Familiensachen, die auch schon vor dem 01.09.2009 Familiensachen waren, erfolgten durch das VAStrRefG und das FamFG weitreichende materielle Änderungen, die schnell umgesetzt werden sollten. Um die schnelle Umsetzung zu erreichen, war es erforderlich, auch die Verfahrensvorschriften zu ändern, die erst die Umsetzung des materiellen Rechts ermöglichen. Die Übergangsregelungen sollten insoweit einen Gleichlauf der neuen materiell-rechtlichen und der neuen verfahrensrechtlichen Regelungen sicherstellen (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 86 und S. 119, 127).
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Hinsichtlich der streitgegenständlichen Gesamtschuldnerausgleichsansprüche, die vor dem 01.09.2009 noch keine Familiensachen waren, erfolgten durch das neue Recht keine materiell-rechtlichen Veränderungen, die schnell umgesetzt werden sollten. Auch die vorgenommenen verfahrensrechtlichen Änderungen erfordern keine schnelle Umsetzung. Die Übertragung der Zuständigkeit auf die Familiengerichte erfolgte lediglich zur Verwirklichung des sog. Großen Familiengerichts (BT-Drucks. 16/6308, S. 262). Es besteht daher kein Bedürfnis, von Art. 111 Abs. 1 FGG-RG abzuweichen, der - wie bereits dargelegt - ermöglichen soll, dass sich die Gerichte und Verfahrensbeteiligten in der Übergangsphase auf die geänderte Rechtslage einstellen können. Es gab deshalb für den Gesetzgeber keine Veranlassung, bei bereits anhängigen Verfahren, die vor dem 01.09.2009 noch keine Familiensachen waren, die Zuständigkeiten oder die Verfahrensvorschriften zu ändern. Insbesondere fehlt es insoweit an einem tragfähigen Grund, den Grundsatz der perpetuatio fori zu durchbrechen.
25 
Im Ergebnis bleibt es deshalb bei der Zuständigkeit des Landgerichts Offenburg.
26 
5) Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenburg ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 17.12.2009 (AS 435) - und damit nach Inkrafttreten des FamFG - eine (weitere) Klageerweiterung vorgenommen hat.
27 
a) Die Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO führt nicht dazu, dass das Verfahren nunmehr insgesamt nach neuem Recht zu führen wäre. Insbesondere führt die Klageerweiterung nicht dazu, dass nunmehr für die Klage insgesamt eine Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenburg gegeben wäre.
28 
Nach § 17 Abs. 1 GVG wird die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges nicht durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände berührt (sog. perpetuatio fori). § 17 GVG soll verhindern, dass bei jeder Veränderung eines die Zuständigkeit begründenden Umstands ein neues Gericht mit dem Rechtsstreit befasst wird; dies schont die Kapazitäten der Justiz und soll vor allem den Rechtsuchenden vor Verzögerung und Verteuerung des Prozesses bewahren (Musielak / Wittschier, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 17 GVG Rn. 4, der auf Musielak / Foerste, § 261 ZPO Rn. 13 verweist). Der Grundsatz der perpetuatio fori gilt dabei sowohl für Umstände tatsächlicher Art wie für Rechtsänderungen (Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 17 GVG Rn. 1). Er findet seine Grenze erst im Falle einer Klageänderung. Stellt der Kläger einen neuen Streitgegenstand zur Prüfung, ist das angerufene Gericht befugt, seine Zuständigkeit für dieses Begehren zu prüfen.
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Als Änderung der Klage ist es indessen nicht anzusehen, wenn der Kläger ohne Änderung des Klagegrundes den aus demselben Sachverhalt abgeleiteten Anspruch lediglich auf einen anderen Zeitraum ausdehnt. Bei der vorliegenden Klageerweiterung handelt es sich lediglich um eine quantitative Änderung des Klageantrags bei gleichbleibendem Klagegrund. Der aus demselben Sachverhalt abgeleitete Anspruch (monatliche Ausgleichszahlungen zur Unterhaltung der gemeinsamen Immobilie) wird lediglich auf einen weiteren Zeitraum ausgedehnt (bisheriger Zeitraum: August 2004 bis April 2007; neuer weiterer Zeitraum Mai 2007 bis Dezember 2009). Der Fall ist vergleichbar mit dem Auskunftsbegehren, das auf einen anderen Zeitraum ausgedehnt wird, und für das das Vorliegen einer Klageerweiterung bejaht wird (Zöller / Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 264 Rn. 3a; OLG Karlsruhe, FamRZ 1987, S. 297). Es handelt sich deshalb im Streitfall um eine Klageerweiterung im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO, die nicht zu einer Änderung der bisherigen Zuständigkeit führt (vgl. Zöller / Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 261 Rn. 12).
30 
Die Sachlage ist ebenso vergleichbar mit dem Fall der Auswechslung des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer nachträglich eingetretenen Veränderung (§ 264 Nr. 3 ZPO), für den der BGH festgestellt hat, dass keine Änderung der Klage vorliegt, die zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der perpetuatio fori führen würde (BGH, Urteil vom 26.04.2001 - IX ZR 53/00, NJW 2001, S. 2477).
31 
Etwas anderes gilt nur bezüglich der sachlichen Zuständigkeit zwischen Amts- und Landgerichten, für die § 506 ZPO eine Durchbrechung des Grundsatzes der perpetuatio fori vorsieht. Im Bezug auf die Rechtswegzuständigkeit ist eine entsprechende Durchbrechung des Grundsatzes, dass der einmal begründete Rechtsweg erhalten bleibt (§ 17 Abs. 1 GVG), jedoch nicht normiert. Eine Klageerweiterung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO gibt daher keine Veranlassung, die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu überprüfen.
32 
b) Es besteht auch keine Veranlassung, den mit der Klageerweiterung geltend gemachten Anspruch abzutrennen und nach neuem Recht (FamFG) zu führen.
33 
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem FGG-RG. Für den vorliegenden Fall enthält das FGG-RG keine ausdrückliche Bestimmung. Insbesondere trifft es keine dem in § 264 ZPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Prozessökonomie vorgehende Regelung. Soweit vertreten wird, dass für die nach dem Stichtag vorgenommenen Klageerweiterungen aufgrund von Art. 111 Abs. 2 FGG-RG neues Recht gelten müsse, deshalb eine Klageerweiterung im bereits anhängigen Verfahren nicht möglich sei und ein neues gesondertes Verfahren eingeleitet werden müsse (OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.11.2009 - 19 W 74/09, NJW 2010, S. 244; Horndasch / Viefhues, FamFG, 2. Auflage 2011, Art. 111 FGG-RG Rn. 16), ist dem nicht zu folgen. Die im Wege der Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO geltend gemachte quantitative Erweiterung stellt kein selbständiges Verfahren im Sinne von Art. 111 Abs. 2 FGG-RG dar, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird. Die Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO führt vielmehr dazu, dass aus prozessökonomischen Gründen ein selbständiges Verfahren unterbleibt. Art. 111 Abs. 2 FGG-RG ist deshalb im Falle der Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht einschlägig.
34 
Auch aus dem Regelungszweck des FGG-RG ergibt sich kein Erfordernis, in solchen Fällen auf Klageerweiterungen nach § 264 Nr. 2 ZPO neues Recht anzuwenden. Das Ziel der Übergangsvorschriften, dass möglichst schnell das neue Recht zur Anwendung kommen und ein Gleichlauf der neuen materiell-rechtlichen und der neuen verfahrensrechtlichen Regelungen sichergestellt werden soll (siehe oben), bezieht sich auf Verfahren, die bereits vor dem 01.09.2009 Familiensachen waren, da dort einschneidende materiell-rechtliche Veränderungen vorgenommen worden sind. Bei Verfahren, die vor dem 01.09.2009 noch keine Familiensachen waren und bei denen keine entsprechenden materiell-rechtlichen Veränderungen erfolgt sind, ist eine schnelle Umsetzung hingegen nicht erforderlich. Es besteht daher kein Bedürfnis, für einen klageerweiternden Teil, der nach § 264 Nr. 2 ZPO aus prozessökonomischen Gründen stets zulässig ist und die Zuständigkeit nicht berührt, möglichst schnell neues Recht anzuwenden und dafür die Justiz mit einem zusätzlichen Verfahren und die Parteien mit den zusätzlichen Kosten für ein zweites eigenständiges Gerichtsverfahren vor dem Familiengericht zu belasten.
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6) Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da ein Hauptsacheverfahren anhängig ist. Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts ist insofern Teil der Hauptsache (Zöller-Herget, ZPO, 28. Auflage 2010, § 91 Rn. 13 Stichwort „Bestimmung des zuständigen Gerichts“).

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