Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 18 UF 324/11

Tenor

1. Auf die Beschwerde der E. Pensionskasse AG (Beteiligte Ziffer 4) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Konstanz vom 09.08.2011 (5 F 9/11) in Ziffer 2 Absätze 4 und 5 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Der Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der E. Pensionskasse AG (Gruppenversicherung …, Teilversicherungen ... und …) unterbleibt.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.065,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Regelung des Versorgungsausgleichs.
Die Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners wurde durch Verbundbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Konstanz vom 09.08.2011 (5 F 9/11) geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde dahingehend geregelt, dass die von den Eheleuten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Rentenanwartschaften jeweils intern geteilt wurden. Ebenfalls intern geteilt wurde ein Anrecht der Antragstellerin bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands. Hinsichtlich des Anrechts des Antragsgegners auf betriebliche Altersversorgung bei der Beteiligten Ziffer 4 - bestehend aus zwei eine Einheit bildenden Teilversicherungen - mit einem Ausgleichswert von 1.804,53 EUR (1.335,48 + 469,05 EUR) hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich durch externe Teilung des größeren Teils mit einem Ausgleichswert von 1.335,48 EUR durchgeführt und von einem Ausgleich hinsichtlich des kleineren Teiles nach § 18 Abs. 2 VersAusglG abgesehen. Auf die Entscheidung wird verwiesen.
Die Beteiligte Ziffer 4, die E. Pensionskasse AG, hat gegen den ihr am 22.08.2011 zugestellten Beschluss mit am 29.08.2011 beim Familiengericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Zur Begründung gibt sie an, richtiger Versorgungsträger sei nicht die „Eu. Deutschland GmbH“, sondern die „E. Pensionskasse AG“; zudem habe das Familiengericht die beiden eine Einheit bildenden und nur aus technischen Gründen unter mehreren Versicherungsnummern geführten Teile der bei ihr geführten betrieblichen Altersversorgung des Antragsgegners rechtlich unterschiedlich behandelt. Richtig sei ein Ausgleichswert von 1.804,53 EUR, weil für dessen Berechnung die beiden Teile mit 1.335,48 EUR und mit 469,05 EUR zusammengefasst werden müssten.
Die Verfahrensbeteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der E. Pensionskasse AG (Beteiligten Ziffer 4) ist begründet. Von einem Ausgleich des bei der Beschwerdeführerin bestehenden - einheitlichen - Versorgungsanrechts ist gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG gänzlich abzusehen.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Beschwerdeführerin beschwerdebefugt, § 59 Abs. 1 FamFG, da die angefochtene Entscheidung sie in ihren Rechten beeinträchtigt.
Eine Beschwer liegt bereits dann vor, wenn in eine Rechtsstellung eingegriffen wird, indem deren Ausübung gestört oder erschwert wird (vgl. Bumiller/Harders, FamFG, 10. Auflage 2011, § 59 Rn. 4). Bei der Beschwerdeführerin besteht - worauf sie bereits in ihrer Auskunft vom 03.05.2011 ausdrücklich hingewiesen hat - ein einheitliches Versorgungsanrecht. Dieses ist dementsprechend auch in einheitlicher Weise auszugleichen (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.04.2011, 18 UF 45/11; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.10.2011, 5 UF 162/11). Durch die Entscheidung des Familiengerichts wird die Beschwerdeführerin gezwungen, Einheitliches uneinheitlich zu behandeln (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.01.2012, 2 UF 112/11 - zitiert nach juris Tz. 20, BeckRS 2012, 07017 zur Beschwer des Versorgungsträgers bei unterschiedlicher Behandlung wirtschaftlich verknüpfter Versorgungsanrechte), wodurch sie in ihrer Rechtsausübung zumindest gestört wird. Darin liegt eine Rechtsbeeinträchtigung und damit eine Beschwer, die die Beschwerdeführerin auch bekämpft.
2. Die Beschwerde ist wirksam auf die Anfechtung des Ausspruches beschränkt, soweit das Familiengericht über den Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners auf eine betriebliche Altersversorgung bei der Beschwerdeführerin entschieden hat (vgl. BGH FamRZ 2011, 547; OLG Nürnberg FamRZ 2011, 991). Die vorliegende Anfechtung einzelner Teilungsanordnungen betrifft einen trennbaren Teil der angefochtenen Versorgungsausgleichsentscheidung, weil bei mehreren Anrechten der Ehegatten die Teilung innerhalb der einzelnen Versorgungen erfolgt (nach §§ 10 ff., 14 ff. VersAusglG) und die Entscheidungen zu den jeweiligen Anrechten nicht voneinander abhängig sind (vgl. Borth, a.a.O., Rn. 1163, 1214). Sie ergreift dabei das ganze bei der Beschwerdeführerin bestehende Versorgungsanrecht, weil dieses - wie dargelegt - nicht teilbar ist. Die Entscheidung über die übrigen Anrechte der Ehegatten ist von der Beschwerde nicht betroffen und in Rechtskraft erwachsen (Ziffer 2, Absätze 1, 2 und 3 des Beschlusses).
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3. Bei der Entscheidung ist der Senat auch nicht an die Beschwerdeanträge gebunden. Aus der Dispositionsmöglichkeit, überhaupt eine Beschwerde einzulegen oder es bei der möglicherweise unrichtigen Entscheidung der ersten Instanz zu belassen, folgt nicht auch die Befugnis, den Umfang der Prüfung und Entscheidung des Beschwerdegerichts gegenüber der ersten Instanz zu modifizieren (vgl. Borth, a.a.O., Rn. 1220; BGH NJW 1984, 2879, 2880). Mit dem Antrag kann das Rechtsmittel zwar - wie hier - auf einen abtrennbaren Teil der angefochtenen Entscheidung beschränkt werden; im Übrigen sind die Anträge aber nur als Anregung zu einer bestimmten Sachentscheidung anzusehen (vgl. BGH FamRZ 2011, 547, 548, Tz. 18). Dass die Beschwerdeführerin mit ihren Beschwerdeanträgen erkennbar das Ziel verfolgt hat, das gesamte bei ihr bestehende Versorgungsanrecht auszugleichen, steht einem vollständigen Absehen von einem Ausgleich daher nicht entgegen. Vielmehr unterliegt der Beschwerdegegenstand im Rahmen einer zulässig eingelegten Beschwerde einer umfassenden Prüfung und ist das Beschwerdegericht daher nicht gezwungen, eine unter Umständen nicht der Rechtslage entsprechende Sachentscheidung zu treffen.
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4. Der Senat ist vorliegend auch nicht durch das Verbot der Schlechterstellung daran gehindert, eine der materiellen Rechtslage entsprechende Sachentscheidung zu treffen. Wegen der Ungewissheit, welcher der Ehegatten länger Leistungen in Anspruch nehmen wird, gilt das Verbot der Schlechterstellung zugunsten von Versorgungsträgern regelmäßig nicht (vgl. BGH NJW 1985, 2266, 2267). Es gilt selbst dann nicht, wenn die Beschwerdeentscheidung dem mit dem Rechtsmittel verfolgten Ziel widerspricht (vgl. Borth, a.a.O., Rn. 1223). Insofern ist es daher unschädlich, dass ein Absehen vom Ausgleich auch des größeren Anteils des bei der Beschwerdeführerin bestehenden Versorgungsanrechts erkennbar nicht Ziel ihres Rechtsmittels war.
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5. Von einem Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners auf betriebliche Altersversorgung bei der Beschwerdeführerin ist gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG gänzlich abzusehen.
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§ 18 Abs. 2 VersAusglG ist auf das bei der Beschwerdeführerin bestehende Anrecht anwendbar, weil diesem auf Seiten der Antragstellerin kein gleichartiges Anrecht gegenübersteht und daher der - vorrangige - § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht eröffnet ist (vgl. BGH FamRZ 2012, 192, 195, Tz. 31, 32). Denn die Antragstellerin verfügt lediglich über Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und einer öffentlich-rechtlich organisierten Zusatzversorgungskasse, die mit dem betrieblichen Versorgungsanrecht des Antragsgegners jeweils nicht gleichartig sind (vgl. Borth, a.a.O., Rn. 630; OLG Karlsruhe NJW-RR 2011, 809).
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Das betroffene Anrecht des Antragstellers liegt mit einem Ausgleichswert von 1.804,53 EUR (1.335,48 + 469,05 EUR) unter der Bagatellgrenze des § 18 Abs. 2, Abs. 3 VersAusglG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 SGB IV, so dass es sich insofern um eine Kleinstversorgung handelt, deren Entstehen und Bildung § 18 Abs. 2 VersAusglG gerade vermeiden will (vgl. BT-Drucks. 16/10144, S. 38). Solchermaßen geringwertige Anrechte sind nur dann auszugleichen, wenn nach gerichtlichem Ermessen besondere Gründe hierfür sprechen. Solche Umstände, die im vorliegenden Fall ein Abweichen vom gesetzlichen Regelfall rechtfertigen, sind nicht erkennbar (zu möglichen Gründen vgl. BT-Drucks. 16/10144, S. 61; MünchKomm/Gräper, BGB, 5. Auflage 2010, § 18 VersAusglG, Rn. 12, 8-10). Insbesondere verfügt der Antragsgegner nicht über mehrere geringfügige Versorgungsanrechte, die in ihrer Summe die Bagatellgrenze überschreiten (vgl. hierzu OLG Düsseldorf NJW-RR 2011, 811). Auch der Umstand, dass die Antragstellerin über ein - nicht gleichartiges - Versorgungsanrecht bei einer öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungskasse mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 3.202,79 EUR verfügt, rechtfertigt den Ausgleich des bei der Beschwerdeführerin bestehenden Versorgungsanrechts, welches mit einem Ausgleichswert von 1.804,53 EUR deutlich unterhalb der o.g. Bagatellgrenze liegt, nicht (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall: OLG Karlsruhe NJW-RR 2011, 809). Umstände, die für einen „Dennoch-Ausgleich“ trotz Geringfügigkeit sprechen könnten, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.08.2011, 18 UF 3/11, BeckRS 2012, 07147), so dass es beim gesetzlichen Regelfall verbleibt und von einem Ausgleich des geringfügigen betrieblichen Versorgungsanrechts des Antragsgegners gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG gänzlich abgesehen wird.
15 
Der Senat konnte ohne mündliche Erörterung entscheiden, da der Sachverhalt aufgeklärt ist, den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt wurde und keine weitergehenden Erkenntnisse von einer mündlichen Erörterung zu erwarten waren.
III.
16 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG (vgl. Borth, a.a.O., Rn. 1227). Unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 150 Abs. 1 und Abs. 3 FamFG entspricht es der Billigkeit, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens zwischen den beteiligten Ehegatten aufgehoben werden und die beteiligten Versicherungsträger ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (vgl. Borth, a.a.O., Rn. 1225). Hinsichtlich der Gerichtskosten gilt § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.
17 
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht - ausgehend von einem dreifachen Monatsnettoeinkommen der Ehegatten von 10.650 EUR und einem von der Beschwerde betroffenen Anrecht - auf §§ 40, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG.

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