Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 18 WF 19/12

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Freiburg vom 16.12.2011 (430 FH 148/11) aufgehoben.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.140,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Das antragstellende Land begehrt vom Antragsgegner Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht (§ 1601 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und Abs. 2 UVG).
Das antragstellende Land hat für die minderjährige Tochter des Antragsgegners Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbracht und im Wege des vereinfachten Verfahrens die Festsetzung von Unterhalt für den Zeitraum ab 01.01.2011 beantragt. Der Antrag wurde dem Antragsgegner verbunden mit dem Hinweis, in welcher Form und Frist Einwendungen erhoben werden können, am 15.11.2011 zugestellt.
Mit Telefax vom 15.12.2011 teilte der Antragsgegner über seine Verfahrensbevollmächtigte mit, dass er aufgrund einer mit der Kindesmutter getroffenen Freistellungsvereinbarung und der Begleichung sämtlicher aus der Ehe herrührender Verbindlichkeiten zur Zahlung von Unterhalt für seine Tochter N. nicht bereit sei. Dieses Anwaltsschreiben ging im Original am 16.12.2011 nebst dem ausgefüllten Formular für Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt beim Familiengericht ein.
Der antragsgemäß am 16.12.2011 verfügte Festsetzungsbeschluss wurde dem Antragsgegner am 20.12.2011 zugestellt. Mit seiner hiergegen gerichteten, am 20.01.2012 beim Familiengericht Freiburg eingegangenen Beschwerde wendet der Antragsgegner ein, dass seine rechtzeitig erhobenen Einwendungen zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig.
a) Bei dem Festsetzungsbeschluss nach § 253 FamFG handelt es sich um eine Endentscheidung im Sinne von § 38 FamFG, gegen die die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG statthaft ist (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 8. Auflage 2011). Die Beschwerde wurde form- und insbesondere fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt. Dabei ist zu Gunsten des Antragsgegners davon auszugehen, dass die zunächst per Telefax eingereichten Beschwerdeschrift - wie das am 23.01.2012 eingegangene Original - zwei Seiten umfasste und damit auch die auf Seite zwei des Schriftsatzes befindliche Unterschrift enthielt. Auf dem Telefax befindet sich rechts oben der Hinweis, dass es sich bei der zur Akte gelangten Seite um die erste von insgesamt zwei Seiten handelt.
b) Auch die im vereinfachten Unterhaltsverfahren zu beachtenden besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 256 FamFG sind erfüllt.
Gemäß § 256 S. 1 FamFG kann die Beschwerde gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss lediglich auf die in § 252 Abs. 1 FamFG genannten Einwendungen gestützt werden, namentlich auf die Unzulässigkeit des vereinfachten Festsetzungsverfahrens, die unrichtige Berechnung des Unterhalts nach Zeitraum und Höhe sowie die Unrichtigkeit der Kostenentscheidung. Einwendungen nach § 252 Abs. 2 FamFG können nur geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer sie ordnungsgemäß in der ersten Instanz vor Verfügung des Festsetzungsbeschlusses erhoben hat. Wird das Rechtsmittel nicht auf diese Anfechtungsgründe gestützt, ist es unzulässig (BGH FamRZ 2008, 1433 zu § 652 ZPO a.F.; Zöller/Lorenz, ZPO, 29. Auflage 2012, § 256 FamFG Rn. 16; Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Auflage 2010, § 256 FamFG Rn. 5 f.; Bork/Jacoby/Schwab/Hütter, FamFG, 2009, § 256 Rn. 8; Prütting/Helms/Bömelburg, FamFG, 2. Auflage 2011, § 256 Rn. 10).
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Vorliegend hat der Antragsgegner rechtzeitig und in zulässiger Weise Einwendungen nach § 252 Abs. 2 S. 1 FamFG vorgebracht. Mit Telefax vom 15.12.2011 – und damit einen Tag vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses – hat er über seine Verfahrensbevollmächtigte unter Angabe einzelner Gründe mitgeteilt, dass er zur Zahlung von Unterhalt für seine Tochter N. nicht bereit sei. In dem Schreiben wurde auf einen als Anlage beigefügten Fragebogen sowie auf beigefügte Belege verwiesen. Ob das Einwendungsformular tatsächlich bereits am 15.12.2011 als Telefax übermittelt wurde, kann dabei offen bleiben. Sollte es dem Telefax nicht beigefügt gewesen sein, hätte es aufgrund der erkennbaren Absicht, das Formular einzureichen, vor einer Entscheidung über den Festsetzungsantrag eines gerichtlichen Hinweises auf den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Formmangel bedurft, sodass am 16.12.2011 der Festsetzungsbeschluss in jedem Fall noch nicht hätte verfügt werden können. Nachdem am 16.12.2011 das tags zuvor per Telefax übermittelte Anwaltsschreiben nebst dem ausgefüllten Formular für Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im Original beim Familiengericht einging, waren die zulässigen Einwendungen des Antragsgegners in erster Instanz rechtzeitig erhoben.
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Unschädlich ist insoweit, dass auf dem Formular für Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im dritten Abschnitt nicht eingetragen wurde, in welcher Höhe der Antragsgegner zu Zahlungen bereit ist. Der Antragsgegner hat auf der ersten Seite des Formblatts angegeben, dass er zur Zahlung von Unterhalt nicht in der Lage oder nicht verpflichtet sei und seine Einwendungen stichpunktartig im Einwendungsformular sowie darüber hinaus im anwaltlichen Schriftsatz vom 15.12.2011 dargelegt. Ein Beharren auf der Eintragung des Betrages von 0,00 EUR im dritten Abschnitt des Formblattes als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Einwendungen des Antragsgegners würde vor diesem Hintergrund einer bloßen Förmelei gleichkommen, die dem Zweck des Formularzwanges auch unter Berücksichtigung des formalisierten Charakters des vereinfachten Unterhaltsverfahrens nicht mehr gerecht würde (OLG Hamm FamRZ 2006, 211 m.w.N.; Johannsen/Henrich, a.a.O., § 256 FamFG Rn. 7 und § 252 FamFG Rn. 13; Haußleiter, a.a.O., § 252 Rn. 25, 26).
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Für die Rechtzeitigkeit der erhobenen Einwendungen ist es ferner unerheblich, dass der Schriftsatz vom 15.12.2011 der zuständigen Rechtspflegerin ausweislich des auf dem Schriftsatz befindlichen Vermerks erst am 19.12.2011 vorgelegt wurde. Entscheidend ist insoweit allein der Eingang bei Gericht (OLG Köln FamRZ 2001, 1464; Johannsen/Henrich, a.a.O., § 252 Rn. 20).
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2. Die Beschwerde ist auch begründet.
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Werden nach § 252 Abs. 2 FamFG zulässige Einwendungen im Beschwerdeverfahren geltend gemacht, prüft das Beschwerdegericht nur, ob diese Einwendungen bei Erlass des Festsetzungsbeschlusses berücksichtigt bzw. zu Recht als unzulässig angesehen wurden. Sind – wie vorliegend – die in erster Instanz erhobenen Einwendungen bei Erlass des Festsetzungsbeschlusses zu Unrecht unberücksichtigt geblieben, ist in der gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 FamFG vom Beschwerdegericht zu treffenden eigenen Sachentscheidung der Festsetzungsbeschluss ersatzlos aufzuheben.
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Eine darüber hinaus gehende Entscheidung in der Sache kann durch das Beschwerdegericht nicht getroffen werden. Dies beruht auf den Besonderheiten des vereinfachten Verfahrens, in dem eine materiellrechtliche Prüfung von zulässigen Einwendungen im Sinne von § 252 Abs. 2 FamFG nicht vorgesehen ist.
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Erhebt der Antragsgegner in erster Instanz zulässige Einwendungen im Sinne von § 252 Abs. 2 FamFG, löst dies lediglich die Mitteilungspflicht des Gerichts nach § 254 FamFG, verbunden mit dem in § 255 Abs. 1 S. 2 FamFG vorgeschriebenen Hinweis auf die Möglichkeit der Durchführung des streitigen Verfahrens aus. Eine Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Unterhalt zu zahlen ist, bleibt ausschließlich dem streitigen Verfahren vorbehalten, sofern dessen Durchführung innerhalb der 6-Monatsfrist des § 255 Abs. 6 FamFG beantragt wird.
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Nicht anders gilt, wenn zulässige Einwendungen gegen die Unterhaltsfestsetzung in erster Instanz unberücksichtigt blieben und gegen den gleichwohl ergangenen Festsetzungsbeschluss rechtzeitig Beschwerde eingelegt wird. Die im Beschwerdeverfahren aufgrund der Falschbehandlung der Einwendungen erforderliche Aufhebung des zu Unrecht ergangenen Festsetzungsbeschlusses eröffnet nicht die Möglichkeit, die Einwendungen gegen den geltend gemachten Unterhalt inhaltlich zu prüfen, denn die Begründetheit der Einwendungen ist weder Gegenstand des Festsetzungsverfahrens noch des Beschwerdeverfahrens (OLG München FamRZ 2005, 381; Haußleiter, a.a.O., § 257 Rn. 20; Johannsen/Henrich, a.a.O., § 256 Rn. 8). Auch in diesem Fall bleibt daher die Überprüfung der materiellen Rechtslage einem vom Antragsteller einzuleitenden streitigen Verfahren vorbehalten.
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Damit beschränkt sich die vorliegend zu treffende Sachentscheidung auf die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, wodurch die Anhängigkeit des Verfahrens beim Beschwerdegericht endet. Das Verfahren wird in den Stand zurückversetzt, in dem es sich bei erstinstanzlich zutreffender Berücksichtigung der zulässigen Einwendungen des Antragsgegners befunden hätte. Nach Eingang der Akten beim Familiengericht werden dort folglich die nach §§ 254, 255 Abs. 1 S. 2 FamFG vorgeschriebenen Hinweise zu erteilen sein.
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3. Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 113 Abs. 1, 243 FamFG (KG FamRZ 2011, 497; Keidel/Giers, FamFG, 17. Auflage 2011, § 253 Rn. 10; Johannsen/Henrich/Meyer, a.a.O., § 253 Rn. 5; Zöller/Lorenz, a.a.O., § 253 Rn. 3; Zöller/Herget a.a.O., § 243 Rn. 9). Nachdem die Notwendigkeit der Einleitung des Beschwerdeverfahrens von keinem der Beteiligten veranlasst war und - mangels einer Entscheidung über Grund oder Höhe des streitgegenständlichen Unterhalts - ein materiellrechtliches Obsiegen oder Unterliegen eines der Beteiligten im Beschwerdeverfahren nicht festzustellen ist, entspricht es billigem Ermessen, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen und die Kosten im Übrigen gegeneinander aufzuheben.
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Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 51 Abs. 1 und 2 FamGKG. Aufgrund des Eingangs des Unterhaltsantrags am 09.11.2011 ist ein Zeitraum von insgesamt 23 Monaten zu berücksichtigen, in dem ein monatlicher Betrag von jeweils 180,00 EUR geltend gemacht wurde.

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