Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 6 U 145/13

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 31.10.2013 - Az. 5 O 464/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 31.10.2013 - Az. 5 O 464/12 - ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger nimmt die beklagte Rundfunkanstalt auf Unterlassung der erneuten Ausstrahlung einer Fernsehsendung und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
Der Kläger ist Lehrer und Hobbyfotograf. Im August 2012 inserierte er auf der Internetseite www.s...com mit folgendem Inhalt: „Weibliche Amateur-Models gesucht! Nur Mut, auch für Anfängerinnen! (…) Wir sind eine Amateur-Model-Agentur und suchen für Kundenaufträge weibliche Amateur-Models zwischen 14 und 28 Jahren für Fotos wie unser Beispielbild“. Das Lichtbild, auf das verwiesen wurde, zeigt eine junge Frau, die bäuchlings auf einem Bett liegt und ihre nackten Füße nach oben streckt. Zur gleichen Zeit schaltete der Kläger im Internet eine Anzeige mit dem gleichen Bild mit der Überschrift „Fuß-Models gesucht! 100% jugendfrei, Top Bezahlung !!! Nur Mut, einfach mal lesen.“
Die Beklagte beauftragte die Firma M. GmbH mit einer Internetrecherche nach dubiosen Anzeigen. Die Mitarbeiter der Firma wurden auf die Anzeigen des Klägers aufmerksam und nahmen Kontakt mit dem angeblichen Anbieter T. F., w (…) germany, hinter dem sich der Kläger verbarg, auf. Es folgte ein E-Mailaustausch, in dem sich die damals 23-jährige Mitarbeiterin der Firma M GmbH S… unter dem Namen (…) bewarb, worauf der Kläger sie u.a. um ein Foto mit nackten gestreckten Füßen bat. Der Kläger und S., welche sich als 17-Jährige ausgegeben hatte, trafen sich am 29.09.2012. Dabei führte S. eine für den Kläger nicht erkennbare Kamera mit sich. Während des Fotoshootings, das im … durchgeführt wurde, legte sich die Zeugin S. u.a. mit dem Bauch auf eine Decke und streckte ihre nackten Füße nach oben. Der Kläger gab sich dabei wahrheitswidrig als professioneller Fotograf aus, der angeblich sechs bis acht Fotoshootings der streitgegenständlichen Art pro Woche durchführe. Die Frage des Klägers, ob ihre Eltern etwas dagegen hätten, wenn sie sich ausziehe, bejahte die Zeugin. Nach ca. 50 Minuten trat eine Mitarbeiterin der Firma M. GmbH mit offen erkennbarer Kamera vor den Beklagten und befragte ihn zu den Aufnahmen. Noch im Beisein der Mitarbeiterin löschte der Kläger die Fotos.
Die Rohaufnahmen (Anlagen B 3) schnitt die Beklagte zu einem Beitrag über dubiose Internetanzeigen zusammen. Im Filmbeitrag sind sowohl Teile des Fotoshootings als auch des Interviews mit dem Kläger zu sehen. Das Gesicht des Klägers ist dabei verpixelt und die Stimme nachgesprochen. Der Beitrag wurde am … in der Sendung … ausgestrahlt. Hinsichtlich des Inhalts wird auf die als Anlage B 4 vorgelegte DVD verwiesen. Es ist nicht bekannt, dass den Kläger jemand erkannt hat.
Der Kläger sieht sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Er hat am 01.10.2012 gegen die Beklagte beim Landgericht Karlsruhe eine Beschlussverfügung (Az. 5 O 401/12) erwirkt, mit welcher der Beklagten untersagt worden ist, das aufgenommene Video im Fernsehen oder Internet auszustrahlen. Mit Beschluss vom 02.11.2012 (Az. 5 O 401/12) ist dem Beklagten aufgegeben worden, die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Hauptsacheklage zu erheben. Der Kläger hat behauptet, er sei für seinen Bekanntenkreis insbesondere am Ehering, seiner Kleidung, seiner Hautfarbe, seiner Sommersprossen und den markanten Körperproportionen zu erkennen. Trotz der Verpixelung seien auch seine Kurzhaarfrisur und seine Brille wahrzunehmen. Als Dozent habe er einen großen Bekanntenkreis, für den er identifizierbar gewesen sei. Er habe mit den Aufnahmen lediglich seine neue Kamera austesten wollen. Bei den Aufnahmen handele es sich nicht um pornografische Aufnahmen.
Der Kläger hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, das am 29.09.2012 gegen ca. 13.30 Uhr aufgenommene Video, das den Kläger bei Fotoaufnahmen mit einem Amateurmodel (…) und ein kurz darauf folgendes Interview zwischen den Mitarbeitern der Beklagten und dem Kläger zeigt, im Fernsehen oder Internet auszustrahlen.
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter Ziffer 1 genannte Unterlassungsgebot ein vom Gericht festzusetzendes Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.580 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2012 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie sei ihrer Aufgabe als Aufklärerin und Wächterin nachgekommen, insbesondere Minderjährige vor dubiosen Internetanzeigen zu warnen. Die Pose eines liegenden Mädchens mit hochgestreckten nackten Füßen sei eine begehrte Sexpose für Fußfetischisten.
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Mit dem angefochtenen Urteil, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Filmaufnahmen stellten Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dar. Die nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit Abs. 2 KUG erforderliche Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der grundrechtlich gewährten Pressefreiheit ergebe, dass ein berechtigtes Interesse des Klägers nicht verletzt werde. Die Beklagte habe vor allem Minderjährige vor dubiosen Internetanzeigen warnen wollen. Der Ausstrahlung der Aufnahmen sei dabei erkennbar die Bedeutung zugekommen, dem Textbeitrag zur Authentizität zu verhelfen und die konkreten Situationen, in die Personen durch die unreflektierte Reaktion auf Internetanzeigen geraten können, anschaulich aufzuzeigen. Damit sei die Beklagte insbesondere im Hinblick auf den Minderjährigenschutz einer erheblichen, im Interesse der Öffentlichkeit stehenden Aufgabe nachgekommen. In diesem Zusammenhang helfe dem Kläger nicht die Berufung darauf, dass diese Bilder eher als harmlos einzustufen seien und auch namhafte Unternehmen mit entsprechenden Posen Werbung machten, ohne dass dies als anstößig eingestuft und empfunden werde. Denn Gegenstand des Beitrags sei ersichtlich nicht gewesen, vor Bildern dieser Art zu warnen, sondern dazu anzuleiten, Internetangebote kritisch daraufhin zu hinterfragen, ob die angebotenen Leistungen auch gewünscht seien und sie gegebenenfalls in Kenntnis möglicher Folgen jederzeit ablehnen zu können. In diesem Zusammenhang gewinne die konkrete Darstellung auf den Fotos eine erhebliche Bedeutung gerade für die Zielgruppe der Minderjährigen. Denn angesichts ihrer noch nicht abgeschlossenen Persönlichkeitsentwicklung könne ihre Entscheidungsfreiheit über sich selbst massiv eingeschränkt sein, wenn sie vor einer ihnen unbekannten Person ihre nackten Füße in einer sexualisierten Weise darstellen und sie dabei aufgenommen würden. Gerade durch die Aufnahme werde das Geschehene konserviert, was naheliegender Weise zu einer länger andauernden Verunsicherung der Jugendlichen führen könne.
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Der Zulässigkeit der Verbreitung der Aufnahmen stehe auch nicht entgegen, dass sie heimlich aufgenommen worden seien. Die rechtswidrige Erlangung von Informationen führe nicht dazu, dass die Verbreitung unzulässig sei. Vielmehr sei die etwaige Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung lediglich ein Abwägungsfaktor. Durch die Heimlichkeit der Aufnahmen sei der Persönlichkeitsbereich des Beklagten zwar in besonderem Maße berührt. Andererseits sei er aber mit seinem Handeln von sich aus in die Öffentlichkeit getreten und habe sich dieser sogar selbstbestimmt angeboten.
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Auch im Übrigen habe der Persönlichkeitsschutz des Beklagten im konkreten Einzelfall hinter dem Öffentlichkeitsinteresse an der Publikation zurückstehen. Zuzugeben sei dem Kläger zwar, dass seine Person nicht so weit unkenntlich gemacht worden sei, dass er für niemanden erkennbar sei. Seine Kleidung sei zwar unauffällig, seine Körperform und die Konstitution vor allem seiner Arme dagegen derart individuell, dass ein Bekannter ihn durchaus hätte wiedererkennen können. Die Beklagte habe der Gefahr der Wiedererkennung jedoch in ausreichender Weise dadurch entgegen gewirkt, dass sie das Gesicht verpixelt und die Stimme nachgesprochen habe.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags zunächst in vollem Umfang weiterverfolgt hat. Darüber hinaus hat er die Klage um einen Hilfsantrag erweitert. Nach Hinweis des Senats hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den in erster Instanz verlesenen Unterlassungsantrag zurückgenommen und den Hilfsantrag als Hauptantrag gestellt.
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Der Kläger macht geltend, ein zeitgeschichtliches Ereignis habe entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht vorgelegen. Offenbar gehe das Landgericht, ohne dies festzustellen, davon aus, dass der Kläger eine relative Person der Zeitgeschichte sei und deshalb eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Klägers erforderlich sei. Dieser Ansatzpunkt sei rechtlich unzutreffend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichthofs sei schon für die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG seien, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 GG, Art. 10 EMRK andererseits erforderlich. Weder das Fotoshooting als solches noch das Interview könnten für sich genommen Anlass zu sozialkritischen Überlegungen sein. Denn es habe sich um eine rein private Angelegenheit gehandelt. Zwar habe das Shooting im … stattgefunden, an dem tagsüber reger Publikumsverkehr herrsche. Der Kläger habe jedoch nicht mit der Anwesenheit eines Kamerateams oder Journalisten rechnen müssen, die über das Fotoshooting und die Umstände berichten. Er habe auch nicht damit rechnen müssen, dass er von der Protagonistin heimlich gefilmt werde. Die Bekanntheit einer Person sei Grundvoraussetzung dafür, ob ein Bildnis im Bereich der Zeitgeschichte vorliege. Jedenfalls sei das Persönlichkeitsrecht des Klägers im konkreten Fall derart gravierend verletzt, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurückzutreten habe. Ein Fotoshooting mit einer Minderjährigen sei nichts ungewöhnliches und allein die Tatsache, dass der Kläger sich die Einwilligungserklärung nicht vor dem Shooting habe vorlegen lassen, er vielmehr auf die Aussage der Protagonistin vertraut habe, dass diese nach dem Shooting die in der Handtasche befindliche Einwilligungserklärung vorlegen werde, könne keine Sachdebatte von erheblicher Bedeutung begründen. Eine solche Berichterstattung, die nur der Befriedigung des Unterhaltungsinteresses bestimmter Zuschauer diene, möge zwar möglicherweise als reine Wortberichterstattung zulässig sein. Sie rechtfertige jedoch nicht die Veröffentlichung eines Bildnisses in dieser zu der Privatsphäre gehörenden Situation. Selbst bei einem anerkennenswerten Informationsinteresse würden berechtigte Interessen des Klägers verletzt. Das Landgericht verkenne, dass der Kläger als potentieller Straftäter oder doch zumindest als jemand dargestellt werde, der das Fotoshooting mit einer Minderjährigen mit sexuell motivierten Absichten vorgenommen habe. Der Kläger arbeite auch mit minderjährigen Jugendlichen und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger sogar seinen Beruf als Dozent wegen disziplinarrechtlicher oder berufsrechtlicher Maßnahmen nicht mehr ausüben könne. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, warum die Beklagte den Kläger nicht komplett unkenntlich gemacht habe.
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Der Kläger beantragt zuletzt:
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1. Unter Abänderung des am 31.10.2013 ergangenen Urteils des Landgerichts Karlsruhe (Az. 5 O 464/12) wird die Beklagte unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, verurteilt, es zu unterlassen,
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das am 29.09.2012 gegen ca. 13.30 Uhr aufgenommene Video, das den Kläger bei Fotoaufnahmen mit einem Amateurmodell … und ein kurz darauf folgendes Interview zwischen den Mitarbeitern der Beklagten und dem Kläger zeigt, und das am … in der Sendung … ausgestrahlt wurde, erneut im Fernsehen oder Internet auszustrahlen.
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2. Unter Abänderung des am 31.10.2013 ergangenen Urteils des Landgerichts Karlsruhe (Az. 5 O 464/12) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.580,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2012 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.
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Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verwiesen.
II.
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1. Die zulässige Berufung hat - auch mit dem im Berufungsverfahren geänderten Unterlassungsantrag - keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Unterlassung gemäß § 1004 BGB i.V. mit § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 22 KUG verneint. Durch die Ausstrahlung des Sendebeitrags gemäß Anlage B 4 hat die Beklagte weder das Recht des Klägers am eigenen Bild (§ 22 KUG) noch das nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt.
27 
(1) Mit der Ausstrahlung des Filmbeitrags hat die Beklagte ein Bildnis des Klägers im Sinne des § 22 KUG veröffentlicht. Ein Bildnis liegt vor, wenn die Darstellung dazu bestimmt und geeignet ist, eine Person in ihrer dem Leben nachgebildeten äußeren Erscheinung dem Beschauer vor Augen zu führen und das Aussehen, wie es gerade dieser bestimmten Person eigen ist, im Bilde wiederzugeben. Dabei sind es in der Regel die Gesichtszüge, die einen Menschen von seinen Mitmenschen unterscheiden und für den Betrachter erkennbar machen. Hiernach ist es rechtlich unerheblich, ob die Darstellung gut oder mangelhaft ist oder ob die Ähnlichkeit eine größere oder eine geringere ist. Von Bedeutung ist allein die Erkennbarkeit des Abgebildeten (BGHZ 26, 349 - Herrenreiter; BGH, NJW 1965, 2148/2149 - Spielgefährtin; Senat, GRUR 1989, 823, 824). Der Kläger ist zwar verpixelt. Nach den von den Parteien nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts ist seine Person jedoch nicht derart unkenntlich gemacht, dass er für niemanden mehr erkennbar ist. Seine Körperform und seine Konstitution vor allem der Arme ist derart individuell, dass ein Bekannter ihn durchaus wieder erkennt (LU S. 8).
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(2) Die Veröffentlichung eines Bildes von einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die unabhängig davon ist, ob die Person in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen und in vorteilhafter oder unvorteilhafter Weise abgebildet ist (BGH, GRUR 2011, 261, -Party-Prinzessin mwN.). Entscheidend ist vielmehr, ob eine Einwilligung vorliegt oder ob die Veröffentlichung nach § 23 KUG zulässig ist.
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(a) Hinsichtlich der heimlich aufgenommenen Filmaufnahmen liegt eine Einwilligung in die Veröffentlichung ersichtlich nicht vor. Zwar hat der Kläger in die Film- und Tonaufnahmen während des Interviews konkludent eingewilligt, indem er vor laufender Kamera die Fragen der Reporterin beantwortet hat. Da die Reporterin das Gespräch mit den Worten „Schönen guten Tag. X. von …[der Beklagten]. Darf ich sie einmal ganz kurz fragen, was sie da grad für Bilder gemacht haben?“ eingeleitet hat, wusste der Kläger auch, dass dieses Interview möglicherweise veröffentlicht wird. Jedoch hat er später unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er mit einer Veröffentlichung nicht einverstanden sei.
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(b) Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen durch die Presse ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (BGH, GRUR 2008, 1017 Rn. 14 - Einkaufsbummel nach Abwahl). Danach besteht eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Einwilligungserfordernis des § 22 KUG bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Nr. 1 KUG), wobei die Verbreitung des Bildnisses allerdings unzulässig ist, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG, BGH, GRUR 2008, 1017 Rn. 14 - Einkaufsbummel nach Abwahl). Nach diesen Grundsätzen ist die von dem Kläger angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne seine Einwilligung zulässig.
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Bei den veröffentlichten Filmaufnahmen handelt es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (BGH, GRUR 2014, 804 Rn. 10 - Mieterfest). Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (BGH aaO.). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln.
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(c) Der Sendebeitrag der Beklagten befasst sich mit dem Thema „dubiose Internetanzeigen“. Zu Beginn des Beitrags teilt die Reporterin, während Ausschnitte aus den Anzeigen des Klägers (Anlage B 1) gezeigt werden mit:
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„im Internet bin ich auf eine merkwürdige Anzeige gestoßen. Amateurmodels werden für ein Testshooting gesucht/ Alter: ab 14/ Gegen Bezahlung/ 50 Euro soll es geben. Alles angeblich ganz seriös. Doch Text und auch Beispielbilder wirken auf mich dubios. Ich finde schnell heraus, dass der selbe angebliche Modelagent auch sogenannte weibliche Fußmodels ab 15 Jahren gesucht hat. Mir kommt das alles merkwürdig vor. Doch wie würden junge Mädels reagieren?“
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Nach dieser Textpassage werden Interviews der Reporterin mit Mädchen gezeigt, welchen sie die Anzeigen zeigt. Diese haben folgenden Inhalt:
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Reporterin: „Ist es denn Dein Traum, Model zu werden“?
Mädchen 1: „Ja“
Reporterin: „Ist es dann nicht verlockend?“
Mädchen 1: „Eigentlich schon“.
Mädchen 2: „Man weiß nicht genau, was das für eine Model-Agentur ist, ob das so eine Porno-Agentur ist, ich weiß nicht mit dem Bild auf dem Bett.“
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Sodann schildert die Reporterin dem Fernsehzuschauer die Einzelheiten der Kontaktaufnahme zu dem angeblichen Modelagenten durch S., dem Lockvogel. Dabei wird hervorgehoben, dass der Modelagent die Mitarbeiterin in einer E-Mail darauf hinweist, dass das klassische Pose-Shooting immer barfuß und mit stark gestreckten Füßen sei. Ferner wird geschildert, dass er den angeblich 17-jährigen Lockvogel bittet, zu dem vereinbarten Shooting alleine zu kommen. Begleitpersonen, so heiße es, lenken angeblich ab. Der vermeintliche Modelagent werde beim Shooting nicht anwesend sein, dafür aber der Fotograf. Die Reporterin bemerkt hierzu: „wir nennen ihn H. W.“.
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Der Film zeigt nach der Wiedergabe der Vorbereitungen des Lockvogels, wie sich der Lockvogel mit dem Kläger trifft. Während des gesamten Sendebeitrags wird die Stimme des Klägers unter Einblendung des Textes „Gedächtnisprotokoll“ nachgesprochen. Der Sendebeitrag zeigt, wie der Kläger und der Lockvogel zusammen in den …Park gehen. Mit den Worten der Reporterin „Wie dieses angebliche Model-shooting weitergeht, dazu gleich mehr“ leitet sie einen Beitrag ein, der mit den Worten beginnt: „Auch meine Kollegin … hat zum Thema dubiose Internetanzeigen und Perverse im Netz recherchiert“. In diesem Beitrag werden angebliche Reaktionen von Männern geschildert, die u.a. Inserate über ein schwarzes Kleid und Damenschuhe ausgelöst haben sollen („Zu welchem Nachtleben, und wieso tiefer Ausschnitt, warum müssen sich Frauen immer so präsentieren. Was im Kopf haben ist auch nicht schlecht“/“Ich wollte mal fragen, wie es sich mit dem Geruch der Schuhe verhält..“). Ferner wird ein Interview mit der Geschäftsführerin der Teeny-Beratungsstelle „s... online“ gezeigt. Diese schildert u.a. einen Fall, in welchem einem Mädchen im Internet 150,00 EUR für eine gebrauchte Unterhose angeboten und dieses später belästigt wurde.
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Danach widmet sich der Beitrag wieder dem Kläger mit folgendem Text der Reporterin: „Zurück zu unserem angeblichen Testshooting: Zuerst bekommt unser Lockvogel die 50 EUR in bar, bereits vor dem Shooting. Die Begründung beunruhigt uns sehr.“ Der Kläger wird dabei verpixelt gezeigt und mit folgenden Worten unter Einblendung „Gedächtnisprotokoll“ nachgesprochen: „Ja ich hab das einmal gemacht, da sind wir hier aus dem Stadtgarten raus, und mehr oder weniger aus dem Gebüsch und aus dem Dickicht gekrochen und ich hab dann dem Mädel 50 EUR in die Hand gedrückt und dann kamen Passanten vorbei mit dem Blick, die haben gedacht, was haben die denn da gemacht, wofür bekommt die denn 50 EUR.“ Die Reporterin kommentiert dies mit den Worten: „Wir finden das alles andere als witzig. Trotzdem macht unser Lockvogel gute Miene zum bösen Spiel.“
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Die Worte des Klägers werden dann wie folgt wiedergegeben: „Gut dann machen wir mal so Pose-Bilder, können wir das ohne Schuhe machen, geht das?“ Auf Frage des Lockvogels, ob das auch die Supermodels machen, wird der Kläger mit den Worten wiedergegeben: „Ja die Fotomodells schon, das ist halt die klassische - wie soll man das sagen, - die klassische weibliche Pose.“ Die Reporterin kommentiert dies mit den Worten: „Davon haben wir, die wir täglich mit Bildern zu tun haben, noch nie gehört Mein Kameramann und ich geben uns als Pärchen aus, er macht nette Fotos von mir im Grünen, dabei interessiert uns aber nur der Hintergrund.“
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Auf Frage des Lockvogels wofür die Bilder sind, antwortet der Kläger: „so Locations ausprobieren und so.“ Im weiteren Verlauf bittet er den Lockvogel, die Beine zusammen zu machen und die Füße mehr nach vorne zu bringen.
41 
Die Worte des Klägers, „jetzt schauen wir mal, wo wir noch ungestört in Anführungszeichen sind“, werden mit den Worten der Reporterin kommentiert: „Er scheint sich von uns gestört zu fühlen, doch statt unseren Lockvogel vor einem schönen Hintergrund zu fotografieren, breitet er seine Decke wieder hinter dem Gebüsch aus. Sein Fokus scheint woanders zu liegen.“
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Daraufhin folgt die Bitte des Klägers: „Können wir noch ein paar mit nackten Füßen machen. Die wollen das halt so…“…“das ist wieder so ne klassische Pose… Der S... will das wohl so haben“.
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Dies wird mit den Worten der Reporterin kommentiert: „Jetzt knippst er schon wieder ihre nackten Füße. Was der wohl mit den Fotos vorhat, das ist alles andere als seriös.“
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Die Reporterin schildert, dass der Mann den angeblich minderjährigen Lockvogel wiederholt nach der schriftlichen Einverständniserklärung (Bescheinigung) der Eltern fragt. Es folgt der folgende Wortwechsel:
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Lockvogel: „Meine Eltern die haben da gar nichts dagegen. Im Gegenteil“
Kläger: „Was würden die sagen, wenn Du, wenn Du Nacktbilder, wenn Du kommen würdest und Du würdest sagen, Du willst das machen? Würden die nein sagen?“
Lockvogel: „Meine Eltern?
Kläger: „Hoffe ich mal“
Lockvogel: „Ne“
Kläger: „echt nicht“.
Lockvogel: „ja also“
Kläger: „doch schon.“
Lockvogel: „ja, ja“
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Mit den Worten „ich glaube es ist Zeit, aufzuhören“ geht sodann die Reporterin auf den Kläger und den Lockvogel zu und es folgt folgendes Interview:
47 
Reporterin: „Schönen guten Tag. X von …[der Beklagten]. Darf ich sie einmal ganz kurz fragen, was sie da grad für Bilder gemacht haben?“
Kläger: „Das sind so Modelbilder, Amateurbilder.“
Reporterin: „Und Sie sind von Beruf?“
Kläger: „Fotograf“
Reporterin: „Und für wen machen Sie die Bilder?“
Kläger: „äh, für ne Agentur, die praktisch im Aufbau ist. Die sone Kartei anlegen will und solche Sachen, ja“
Reporterin: „Und was ist der Grund, dass die Dame die ganze Zeit die nackten Füße zeigen musste?“
Kläger: „Warum wollen Sie das wissen, das sind so Posebilder.“
Reporterin: „Und da ist es wichtig, dass die Füße nackt sind?“
Kläger: „Nein, was heißt, das gehört dazu halt.“
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Die Reporterin teilt mit, dass sie den Kläger aufkläre, dass ihre Kollegin nicht 17 sondern 23 Jahr alt sei. Darauf folgt folgender Wortwechsel:
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Reporterin: „Es wurde nicht einmal mit den Eltern gesprochen, es wurde nicht -“
Kläger: „Sie hat gesagt, sie hat eine Bestätigung der Eltern“
Reporterin: „Haben Sie die Bestätigung?“
Kläger: „Sie hat gesagt, sie gibt sie mir.“
Reporterin: „Und wo ist die? Sie haben also das -“
Kläger: „Ich hätte sie spätestens jetzt verlangt.“
Reporterin: „Das heißt also, Sie haben dieses Shooting gemacht, ohne im Vorfeld zu wissen, ob sie die Bescheinigung der Eltern hat, Sie haben die Fotos gemacht, ohne dass Sie wussten, ob sie volljährig ist oder nicht?“
Kläger: „Ja“
Reporterin: „Und was passiert jetzt?“
Kläger: „Das muss ich zu meiner Schande eingestehen. Tut mir leid.“
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Die Reporterin schildert weiter: „Überraschend erzählt mir der Mann, dass er nicht Fotograf sondern Lehrer ist.“ Darauf wird folgender Wortwechsel wiedergegeben:
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Reporterin: „Sie müssen doch wissen, dass man, gerade als Lehrer müssen Sie doch wissen, dass man Minderjährige nicht einfach so fotografieren darf.“
Kläger: „Ja, genau, das weiß ich.“
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Der Beitrag endet mit dem folgenden Text der Reporterin:
53 
„Was der Mann jetzt genau wollte, bleibt unklar. Mit dem angeblichen Auftraggeber will er nur per Mail Kontakt gehabt haben. Ob es den wirklich gibt, die Frage konnten wir nicht klären. Einmal mehr hat dieser Fall gezeigt: Nicht von angeblichen Modelversprechungen oder Geld blenden lassen. Und: Sich niemals alleine oder an abgelegenen Orten mit Internetbekanntschaften treffen.“
54 
Der Sendebeitrag der Beklagten diente der Aufklärung vor allem Minderjähriger über die Risiken dubioser Internetanzeigen und damit dem öffentlichen Interesse. Zum Kern der Pressefreiheit gehört nicht nur, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht. Vielmehr zählt dazu auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird (vgl. BGH, NJW 2009, 757 Rn. 14). Bildaussagen nehmen an dem verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen (BVerfG, NJW 2008, 1793, 1794; BGH, NJW 2009, 757 Rn. 15). Eine damit verbundene Personalisierung bildet ein wichtiges publizistisches Mittel zur Erregung von Aufmerksamkeit (BVerfGE 101, 361, 390; BGH, NJW 2009, 757 Rn. 15). Dies gilt in besonderem Maße für Fernsehbeiträge.
55 
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die den Kläger betreffenden Aufnahmen dem Textbeitrag Authentizität verleihen. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die von ihm gemachten Fotos seien harmlos und würden insbesondere auch in der Werbung eingesetzt. Denn dem Beitrag geht es - wie der Schlusssatz belegt - ersichtlich darum, Minderjährige darauf aufmerksam zu machen, dass es sich nicht bei jeder Modelagentur, die im Internet nach Models sucht, um eine professionelle Modelagentur mit entsprechenden Kontakten zur Modebranche und professionellen Fotografen handelt und dass man nie weiß, zu welchem Zweck die Aufnahmen tatsächlich gemacht werden. Dies vermittelt der Fall des Klägers, der sich wahrheitswidrig als Fotograf ausgegeben hat, der angeblich für einen Model-Agenten arbeitet, in anschaulicher Weise.
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(d) Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes bei der Bildberichterstattung sind neben dem Inhalt der Wortberichterstattung die Umstände der Gewinnung der Abbildung, etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung, zu bedenken sowie, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts ist erhöht, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogenen Einzelheiten thematisch die Privatsphäre berührt. Gleiches gilt, wenn der Betroffene typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden oder die Medienberichterstattung den Betroffenen in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst (BGH, NJW 2009, 757 Rn. 24). Diese Grundsätze führen im Streitfall zu folgender Abwägung:
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Schutzwürdige Belange des Klägers, welche gegenüber dem Interesse der Beklagten und der Öffentlichkeit überwiegen, liegen nicht vor. Die angegriffene Filmaufnahme zeigt den Kläger anfangs bei dem Treffen mit dem Lockvogel in der Stadt. Der Kläger bezeichnet diese Situation selbst als belanglos (AS II 93). Der Kläger wird außerdem dabei gezeigt, wie er den Lockvogel auf der Decke liegend mit hochgestreckten nackten Füßen fotografiert, bzw. wie er eine Decke mit sich trägt. Nach Abschluss des Shootings wird er auf dem Fußweg … gezeigt, auf welchem er mit dem Kamerateam konfrontiert wird. Während des gesamten Sendebeitrags ist er verpixelt und seine Stimme nachgesprochen. Diejenigen Bekannten, die ihn wegen seiner individuellen Züge trotz der Verpixelung zu erkennen glauben, werden durch die Bezeichnung des Klägers als H. W. zumindest Zweifel daran haben, dass es sich tatsächlich um den Kläger handelt. Denn weder der Vorname noch der erste Buchstabe seines Familiennamens lassen sich damit in Übereinstimmung bringen. Der Sendebeitrag betrifft nicht die Intimsphäre des Klägers. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt das Grundgesetz dem Einzelnen im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit, der wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde absolut geschützt und einer Einschränkung durch Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich ist (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; NJW 2009, 3357; BGH, NJW 2012, 767 Rn. 11). Diesem Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. BVerfGE 119, 1, 29; BGH, NJW 2012, 767 Rn. 11). Im Übrigen hängt die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl. BVerfGE 80, 367, 374; BVerfGE 109, 279, 314; BVerfG, NJW 2009, 3357; BGH, NJW 2012, 767 Rn. 11).
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Der Kläger macht selbst nicht geltend, in seiner Sexualität betroffen zu sein. Denn er ist der Auffassung, dass es sich bei den von ihm gefertigten Fotografien einer jungen Frau, die bäuchlings auf dem Boden liegt und ihre nackten Füße nach oben streckt, nicht um pornografische Aufnahmen handele. Unabhängig davon ist der Sachverhalt bereits deshalb nicht dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzuordnen, da der Kläger diesen Bereich von sich aus geöffnet und der Öffentlichkeit preisgegeben hat (vgl. BGH, NJW 2012, 767 Rn. 12). Zwar musste der Kläger nicht damit rechnen, heimlich gefilmt zu werden. Er musste jedoch davon ausgehen, von Dritten - insbesondere auch von Bekannten - in den im Film wiedergegebenen Situationen gesehen zu werden. Dass der Kläger auch während des Shootings für Dritte jedenfalls teilweise zu sehen war, zeigen die Aufnahmen, welche offensichtlich nicht von dem Lockvogel sondern von dem Kameramann aufgenommen wurden. Das Shooting fand nahe eines Weges statt, auf dem jederzeit jemand vorbeikommen konnte. Der Kläger konnte auch nicht davon ausgehen, dass der Lockvogel seine Erlebnisse für sich behält. Schließlich hat der Kläger sich vor laufender Kamera selbst auf ein Interview mit der Reporterin eingelassen.
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(e) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, er werde durch den Sendebeitrag in eine „Schmuddelecke“ gestellt und mit ihm sei eine erhebliche Prangerwirkung oder Stigmatisierung verbunden. Denn der Bericht stellt keinen Bezug des Klägers zu den im Sendebeitrag erwähnten Belästigungen oder sozial abweichenden Verhaltensweisen anderer Protagonisten dar. Der Kläger wird auch nicht als jemand dargestellt, der das Fotoshooting mit einer Minderjährigen mit sexuell motivierten Absichten vorgenommen hat. An keiner Stelle ist im Beitrag erwähnt, dass Fotoaufnahmen von Minderjährigen, die auf dem Bauch liegend nackte Füße nach oben strecken, typische Posen sind, die sexuelle Phantasien von Fußfetischisten hervorrufen. Vielmehr lässt der Beitrag nach dem Schlusstext ausdrücklich offen, zu welchem Zweck der Kläger die Fotos gemacht hat. Daraus, dass der Zuschauer aufgrund des eigenen und im Beitrag zutreffend wiedergegebenen Verhaltens des Klägers solche Schlüsse zieht, folgt nicht, dass der Kläger die damit verbundene Beeinträchtigung seiner Interessen nicht mehr hinzunehmen hat. Denn wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (BGH, GRUR 2013, 94 Rn. 12).
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Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, Voraussetzung dafür, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliege, sei die Bekanntheit der Person. Die Beklagte hätte es sonst in der Hand, alles was aus ihrer Sicht nicht sozialadäquat erscheine, zum Thema einer Wort- und Bildberichterstattung zu machen, ohne dass die abgebildete Person etwas dagegen unternehmen könne. Auch Abbildungen Unbekannter können Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte sein (vgl. BGH, GRUR 2014, 804 - Mieterfest).
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2. War die angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten und gesendeten Bildberichterstattung auch ohne seine Einwilligung zulässig, besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. Soweit die Abmahnung sich gegen die Veröffentlichung des gesamten Bildmaterials gerichtet hat, war diese bereits nicht berechtigt, weil es an der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Begehungsgefahr fehlte. Ein Unterlassungsanspruch, der sich gegen eine künftige Verletzungshandlung richtet, setzt eine Begehungsgefahr voraus, d.h. die ernsthafte Besorgnis, dass in Zukunft gegen die Unterlassungspflicht verstoßen wird. Diese ernsthafte Besorgnis einer künftigen, unmittelbar bevorstehenden Rechtsverletzung kann begründet sein, wenn entweder die Gefahr einer erstmaligen Verletzungshandlung (Erstbegehungsgefahr) oder die Gefahr der Wiederholung eines schon einmal begangenen Verstoßes besteht. Dabei muss sich die drohende Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so greifbar abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich ist (Senat, NJW-RR 1999, 1699 Rn. 31 - zitiert nach juris). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet eine Erstbegehungsgefahr entweder wer sich des Rechts berühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen (zum Wettbewerbsrecht: BGHZ 117, 264, 272) oder wer den Entschluss zur Verletzung bereits gefasst hat, so dass es nur noch an ihm liegt, ob es zur Verletzung kommt oder nicht (BGHZ 117, 264, 272; Steffen, in: Löffler, Pressrecht, 5. Aufl., § 6 LPG Rn. 269). Die Unterlassungsklage setzt somit die konkrete Bedrohung des geschützten Rechts voraus.
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Diese Voraussetzungen liegen hier hinsichtlich des gesamten Rohmaterials nicht vor. Die bloße Anfertigung der Film- und Tonaufnahmen begründet eine Erstbegehungsgefahr nicht. Es ist anerkannt, dass eine bloße Recherche für sich noch keine Begehungsgefahr begründet. Dies gilt prinzipiell auch für Filmaufnahmen, selbst für solche ohne Einwilligung des Betroffenen, solange der redaktionelle Rahmen und die Rechtswidrigkeit ihres Einsatzes nicht konkret bewertet werden kann (BGHZ 138, 311/318 ff - Filmaufnahmen in Ferienanlage; Steffen aaO. § 6 LPG Rn. 269). Deshalb kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Bereich der Bildberichterstattung nicht mit einer vorbeugenden Unterlassungsklage über die konkrete Verletzungsform hinaus eine ähnliche oder kerngleiche Bildberichterstattung für die Zukunft verboten werden, es sei denn die Verbreitung ist bereits an sich unzulässig, etwa weil die Intimsphäre betroffen ist (BGH, GRUR 2009, 1091, 1092 Rn. 7 - Wilde Frisur des Andrea Casiraghi). Der Grund für diese Rechtsprechung liegt auch darin, dass es für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre bedarf. Eine solche Interessenabwägung kann jedoch für bereits veröffentliche Bilder nicht vorgenommen werden, wenn deren Veröffentlichung sich in einem anderen Kontext als der zu beanstandenden Berichterstattung als zulässig erweisen könnte (vgl. BGH, GRUR 2009, 1091, Rn. 7 - Wilde Frisur des Andrea Casiraghi).
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a) Hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verbreitung des Bild- und Tonmaterials in jedweder Form unzulässig ist.
64 
(1) Die Intimsphäre ist hier - wie bereits ausgeführt - nicht betroffen.
65 
(2) Ein umfassendes Verbot der Veröffentlichung des Bild- und Tonmaterials ergibt sich auch nicht daraus, dass dieses Tonaufnahmen enthält, die ohne Einwilligung und Wissen des Klägers aufgenommen wurden. Zwar hat jedermann das verfassungskräftig gewährleistete, strafrechtlich abgesicherte Recht (§ 201 StGB), dass insbesondere Privatgespräche ohne seine Einwilligung im Grundsatz weder auf Tonträger aufgenommen noch von Dritten hiervon abgespielt und dadurch weitergegeben werden dürfen (BGHZ 73, 120 Rn. 14 - zitiert nach juris). Dieses Recht am gesprochenen Wort macht der Kläger jedoch ausdrücklich nicht geltend (Berufungsbegründung S. 48).
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Im Übrigen folgt aus § 201 StGB, sofern es nicht um den unantastbaren Bereich der Intimsphäre geht, kein absolutes Verwertungsverbot durch die Presse. Jedenfalls dann, wenn das betroffene Presseorgan sich an dem vorsätzlichen Rechtsbruch nicht beteiligt hat (vgl. BGHZ 73, 120 Rn. 18 - zitiert nach juris) ist bei einer Presseveröffentlichung die Reichweite des Persönlichkeitsschutzes aufgrund einer Güterabwägung und Interessenabwägung zu ermitteln, die unter Einbeziehung aller Umstände des konkreten Falles sich an den betroffenen personalen Belangen des Klägers und den schutzwürdigen Interessen der Presse an einer Veröffentlichung des Gesprächs zu orientieren hat (BGHZ 73, 120 Rn. 16 - zitiert nach juris). Eine Beteiligung der Beklagten kann nicht festgestellt werden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Firma M. auch damit beauftragt hat, heimliche Filmaufnahmen zu fertigen.
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Unabhängig davon kann auf § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 201 StGB ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des gesamten Filmmaterials nicht gestützt werden. Anders als das Recht am eigenen Wort genießt das Recht am eigenen Bild keinen so weitreichenden Schutz, dass jegliche Aufnahme ungeachtet ihrer Verbreitung bereits einen rechtswidrigen Eingriff darstellte. Ungeachtet ihrer Verbreitung werden Aufnahmen nur durch § 201a StGB verboten und unter Strafe gestellt (vgl. OLG Düsseldorf, ZUM-RD 2012, 137 Rn. 98 - zitiert nach juris), dessen Voraussetzungen hier offensichtlich nicht vorliegen.
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b) Aus dem am … gesendeten Fernsehbeitrag ergibt sich lediglich eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Veröffentlichung dieses Beitrags. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte darüber hinaus beabsichtigt, das unbearbeitete Rohmaterial zu veröffentlichen oder sich der Berechtigung hierzu berühmt. Im Gegenteil: Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass bei heimlichen Aufnahmen die gefilmten Personen unkenntlich gemacht werden und dass davon ausgegangen wird, dass auch der Kläger in einem Gespräch mit dem Redaktionsleiter darauf hingewiesen wurde, dass er unkenntlich gemacht wird (AS I 39). Bereits das Fernsehteam hatte den Kläger - wie sich aus dessen im einstweiligen Verfügungsverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ergibt - darauf hingewiesen, dass der Kläger unkenntlich gemacht werde.
III.
69 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegt § 708 Nr. 10 ZPO zugrunde. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

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