Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 9 U 82/18

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 13.08.2018 - A 3 O 20/18 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird als unbegründet zurückgewiesen.

3. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.708,.00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Mit Urteil vom 13.08.2018 hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 15.708,00 EUR nebst Zinsen sowie 865,00 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil ist den Beklagten am 21.08.2018 zugestellt worden. Die Beklagten haben durch Telefax ihres Prozessbevollmächtigten vom 20.09.2018, welches am selben Tag beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingegangen ist, Berufung eingelegt. Auf Antrag der Beklagten hat der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 18.10.2018 die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 20.11.2018 verlängert. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 20.11.2018, welcher per Post am 26.11.2018 beim Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - eingegangen ist, haben die Beklagten ihre Berufung begründet. Sie haben beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Mit Verfügung vom 28.11.2018 hat der Vorsitzende des Senats die Beklagten darauf hingewiesen, dass der Senat die Berufung derzeit für unzulässig hält, weil die Berufungsbegründungsschrift nicht fristgerecht eingereicht wurde. Die Beklagten haben daraufhin mit Schriftsatz vom 07.12.2018, eingegangen beim Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - am selben Tag, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Die Beklagten tragen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vor: Der Schriftsatz vom 20.11.2018 zur Berufungsbegründung sei vom Prozessbevollmächtigten unter Zuhilfenahme eines Programms zur Spracherkennung verfasst worden. Dies werde durch das Kürzel „LL“ im Kopf des Schriftsatzes dokumentiert. Der Prozessbevollmächtigte habe zunächst den ersten Entwurf ausgedruckt, mit Rotstift korrigiert und die Korrekturen selbst im noch geöffneten Word-Dokument am PC vorgenommen. Sodann habe der Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz um ca. 18.30 Uhr fertiggestellt, unterschrieben und dann per Telefax an die Nummer „0761/…“ verschickt. Diese Fax-Nummer sei auch dem Schriftsatz vom 20.11.2018 zu entnehmen. Der Prozessbevollmächtigte habe das Fax-Protokoll abgewartet, welches ausgedruckt worden sei. Im oberen Bereich habe er das Ergebnis - im Fax-Protokoll „ErgeB.“ abgekürzt - mit „OK“ gesehen. Damit sei für ihn klar gewesen, dass der Schriftsatz fristwahrend per Telefax bei den Zivilsenaten des OLG Karlsruhe in Freiburg eingegangen sei. Wenn kein „OK“ vorhanden gewesen wäre, hätte der Prozessbevollmächtigte einen erneuten Faxversuch gestartet, oder den Schriftsatz über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das OLG übersendet, nötigenfalls wäre er noch persönlich nach Freiburg gefahren, um den Schriftsatz rechtzeitig fristwahrend einzuwerfen.
Während des Fax-Übersendungsprozesses habe der Prozessbevollmächtigte die beglaubigte und gezeichnete Abschrift des Schriftsatzes mit Stempeln versehen und die beglaubigte Abschrift unterschrieben. Die Schriftsätze habe er neben das Telefax gelegt. Es bestehe Anweisung an das Sekretariat, dort liegende und unterschriebene Schreiben und Schriftsätze in den Postlauf zu geben. Zu dem betreffenden Zeitpunkt sei das Sekretariat jedoch nicht mehr besetzt gewesen. Mit dem Fax-Protokoll und der Akte habe sich der Prozessbevollmächtigte wieder in sein Büro begeben und habe das Kenntnisnahmeschreiben an die Berufungskläger vom selben Tag gefertigt. Auch dieses habe er unterschrieben neben das Fax gelegt, damit es in den Postlauf komme.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte von der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts durch Anruf erfahren habe, dass der Schriftsatz erst Anfang KW 48/2018 beim OLG in Freiburg eingegangen und der Schriftsatz vorab per Fax dort nicht vorhanden sei, habe er das ganze Büro sozusagen auf den Kopf gestellt und das Fax-Protokoll gesucht. Er habe es jedoch nicht finden können. Das Fehlen des Fax-Protokolls vom 20.11.2018 könne der Prozessbevollmächtigte nur so erklären, dass er dieses mit dem ersten Ausdruck des Schriftsatzes vom 20.11.2018, welchen er mit Rotstift korrigiert habe, versehentlich in den Papierschredder gesteckt und vernichtet habe. Das Faxgerät habe vor oder nach dem 20.11.2018 keine technischen Probleme oder Auffälligkeiten gehabt.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat die Angaben zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs an Eides Statt versichert. Außerdem hat er zur Glaubhaftmachung vorgelegt die Benachrichtigung der Beklagten über die Berufungsbegründung vom 20.11.2018 und ein Muster für die in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten üblichen Fax-Protokolle (II/45, Fax-Protokoll für die Übersendung der Berufungseinlegung).
Die Klägerin ist dem Wiedereinsetzungsantrag entgegengetreten. Sie hält die Darlegungen und Glaubhaftmachungen der Beklagten zur Begründung des Antrags für nicht ausreichend. Sie weist u.a. darauf hin, wenn der Prozessbevollmächtigte ein Fax-Protokoll mit dem Vermerk „OK“ erhalten habe, so müsse davon ausgegangen werden, dass die eingegebene Fax-Nummer fehlerhaft gewesen sei, da ein Fax beim Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - nicht eingegangen sei.
Die Beklagten weisen darauf hin, es gebe für das Nichtvorhandensein der per Fax abgesandten Berufungsbegründung verschiedene Erklärungsmöglichkeiten. Möglich sei insbesondere auch ein Fehler bei der Fax-Eingangsstelle des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg -.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
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1. Da der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg hat, ist der Rechtsstreit insgesamt zur Entscheidung reif (Verwerfung der Berufung). Der Senat verbindet die Entscheidung über das Rechtsmittel mit der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag (§ 238 Abs. 1 S. 1 ZPO).
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2. Die Verwerfung der Berufung beruht auf § 522 Abs. 1 ZPO. Die verlängerte Berufungsbegründungsfrist ist am 20.11.2018 abgelaufen. Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, weil die Berufungsbegründung erst nach Fristablauf am 26.11.2018 eingegangen ist (§ 520 Abs. 2 ZPO).
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3. Der zulässige Wiedereinsetzungseintrag der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Beklagten haben nicht glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 S. 1 ZPO), dass sie die Begründungsfrist ohne Verschulden versäumt haben. Dabei ist das Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten diesen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
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a) Die Übersendung von fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax ist allgemein üblich und nicht zu beanstanden. Bei der Übermittlung eines Telefax treten gelegentlich Fehler auf. Solche Fehler können ihre Ursache im Bereich des Absenders (des Prozessbevollmächtigten der Berufungsführer) oder im Bereich des Gerichts haben; auch technische Fehler sind im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen. Wird ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt, weil ein bestimmtes Schriftstück beim Gericht nicht festzustellen ist, muss der Absender darlegen und glaubhaft machen, dass von seiner Seite aus alles Erforderliche getan wurde, um den rechtzeitigen Eingang des Schriftstücks beim Gericht sicherzustellen. Die Rechtsprechung hat für die Versendung von Telefax-Schriftsätzen durch Rechtsanwälte Grundsätze aufgestellt, welche Anforderungen vom Prozessbevollmächtigten zu beachten sind, um Fehlerquellen in seinem Bereich nach Möglichkeit auszuschließen. Zu den Grundsätzen gehört, dass bei der Übersendung eines Telefax ein übliches Fax-Protokoll erstellt wird, welches vom Absender kontrolliert werden muss. Durch die Kontrolle des Sendeprotokolls muss sichergestellt werden, dass der Sendevorgang ordnungsgemäß abgelaufen ist, und dass kein Fehler aufgetreten ist. Dazu gehört, dass das Sendeprotokoll den Vermerk „OK“ enthalten muss; daraus ergibt sich, dass eine Telefax-Verbindung zum Empfänger hergestellt wurde, und das jedenfalls beim Sendegerät kein Fehler protokolliert wurde.
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Die Kontrolle des Sendeberichts dient auch dazu, sicherzustellen, dass der Schriftsatz an den richtigen Empfänger gesandt wurde. Dazu gehört in jedem Fall eine Kontrolle der im Fax-Protokoll angegebenen Fax-Nummer des Empfängers. Die Kontrolle dieser Fax-Nummer im Protokoll ist wesentlich, um Bedienfehler auszuschließen. Die Eingabe einer falschen Fax-Nummer, ein Vertippen bei der Eingabe der Fax-Nummer, bzw. ein Übertragungsfehler beim Ablesen der im Schriftsatz vorgegebenen Fax-Nummer des Empfängers ist eine nicht seltene Ursache dafür, dass ein Telefax nicht beim Empfangsgericht ankommt. Wenn der Rechtsanwalt im Einzelfall diese Aufgaben nicht im Rahmen einer zuverlässigen Büroorganisation auf eine Mitarbeiterin übertragen hat, ist er selbst für diese Kontrolle verantwortlich. (Vgl. zur Kontrolle des Fax-Protokolls und zum Ausschluss von Bedienfehlern BGH, Beschluss v. 10.10.2006 - XI ZB 27/05 -, Rdnr. 12, zitiert nach Juris; BGH, Beschluss v. 26.04.2012 - V ZB 45/11 -, Rdnr. 13, zitiert nach Juris; BGH, NJW 2014, 1390; BGH, NJW 2016, 1740).
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b) Vorliegend ist ein Sendeprotokoll nicht vorhanden, weil das Sendeprotokoll nach den vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten glaubhaft gemachten Angaben verloren gegangen ist. Zwar ist der Verlust des Fax-Protokolls - worauf die Beklagten zutreffend hinweisen - nicht entscheidend für die Annahme eines möglichen Verschuldens für die Versäumung der Begründungsfrist. Allerdings fehlt aufgrund dieses Umstands der normalerweise vorhandene urkundliche Nachweis dafür, dass der Absender alles getan hat, um für eine ordnungsgemäße Versendung des Schriftsatzes per Telefax zu sorgen. (Vgl. zur regelmäßigen Bedeutung des Fax-Protokolls für die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2017 - 20 ZB 16.624 -, zitiert nach Juris.)
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c) Die Beklagten haben nicht dargelegt und nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter die Versendung des Schriftsatzes anhand des Fax-Protokolls ordnungsgemäß kontrolliert hat. Die vom Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemachte Kontrolle des „OK“-Vermerks war nicht ausreichend. Denn daraus ergibt sich lediglich, dass eine Versendung an die im Fax-Protokoll angegebene Telefax-Nummer erfolgt ist. Es ist jedoch nicht dargetan, dass auch die Fax-Nummer kontrolliert wurde. Damit lässt sich ein Bedienfehler des Telefax-Gerätes durch den Prozessbevollmächtigten (versehentliche Eingabe einer unzutreffenden Fax-Nummer) nicht ausschließen. Die Eingabe einer falschen Fax-Nummer ist eine nicht seltene Fehlerursache, wenn ein Telefax beim Empfänger nicht ankommt (vgl. zu einem solchen Fall OLG Brandenburg, Beschluss v. 12.10.2006 - 12 U 129/06 -, zitiert nach Juris). Der Umstand, dass die Telefax-Nummer im Kopf des Schriftsatzes korrekt angegeben war, ändert nichts an der Möglichkeit, dass die aus dem Fax-Protokoll ersichtliche tatsächlich eingegebene Nummer fehlerhaft war. Unter den gegebenen Umständen ist ein Fehler bei der Eingabe der Fax-Nummer - der bei einer ordnungsgemäßen Kontrolle des Sendeberichts hätte auffallen müssen - zumindest nicht weniger wahrscheinlich als ein Fehler im Empfangsbereich des Gerichts. Da die Glaubhaftmachungslast für ein fehlendes Verschulden bei den Beklagten liegt (§ 236 Abs. 2 S. 1 ZPO), kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.

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