Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 17 W 18/19

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 12. März 2019 – 6 O 127/18 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 6.000 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Das Landgericht Karlsruhe wies durch den Einzelrichter Dr. K. mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 1. Februar 2019 zugestelltem Urteil vom 18. Januar 2019 die Klage des Klägers ab. Mit bei dem Landgericht am 13. Februar 2019 vorab per Fax eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag beantragte die Beklagte die Berichtigung des Tatbestandes gemäß § 320 ZPO. Diesen Antrag wies die 6. Zivilkammer des Landgerichts mit Beschluss vom 12. März 2019 mit der Begründung zurück, eine Tatbestandsberichtigung könne nicht erfolgen, weil der allein bei dem Urteil mitwirkende Einzelrichter verhindert sei. Es habe zum 1. Februar 2019 ein Dezernatswechsel stattgefunden. Der vorige Dezernent sei nicht mehr dem Landgericht Karlsruhe zugewiesen.
Gegen diesen ihrer Prozessbevollmächtigten am 18. März 2019 zugestellten Beschluss richtet sich die bei dem Landgericht am 29. März 2019 vorab per Fax eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten vom selben Tag. Diese wird damit begründet, dass ein Richter dann nicht „verhindert“ sei, wenn er nur einem anderen Gericht im gleichen Bezirk angehöre. Vorliegend mache der angegriffene Beschluss keine Angaben zur derzeitigen Amtsstellung des das o.g. Urteil erlassenden Einzelrichters Dr. K.. Im Übrigen enthalte der Tatbestand des Urteils die gerügte Unrichtigkeit im Sinne des § 320 ZPO.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Kammerbeschluss vom 2. Mai 2019 nicht abgeholfen und hat diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige (1.) sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 12. März 2019 hat in der Sache keinen Erfolg (2.).
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft und innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. Zwar ist gemäß § 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO die Anfechtung einer Entscheidung über die Berichtigung des Tatbestandes grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Anfechtung ist jedoch dann statthaft, wenn der Berichtigungsantrag im Anwendungsbereich des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ohne sachliche Prüfung zurückgewiesen wurde (vgl. nur Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 320 Rn. 17 mwN; MünchKommZPO/Musielak, 5. Aufl., § 320, Rn. 11 mwN; OLG Bamberg, Beschluss vom 27. Februar 2013 – 1 W 11/13 – juris Rn. 7 mwN). Dies ist hier der Fall, weil das Erstgericht den Berichtigungsantrag der Beklagten ohne Sachprüfung wegen Verhinderung des erkennenden Einzelrichters zurückgewiesen hat.
2. Die sofortige Beschwerde ist indes unbegründet. Das Landgericht hat die von der Beklagten beantragte Berichtigung des Tatbestands des Urteils vom 18. Januar 2019 zu Recht ohne Sachentscheidung zurückgewiesen, weil der das Urteil erlassende Einzelrichter Dr. K. dem Landgericht Karlsruhe nicht mehr zugewiesen ist. Dieser ist – senatsbekannt – seit 1. Februar 2019 mit seiner vollen Arbeitskraft an das Oberlandesgericht Karlsruhe abgeordnet und damit an einer Entscheidung über den Tatbestandsberichtigungsantrag verhindert.
Gemäß § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist eine Entscheidung über den Berichtigungsantrag von denjenigen Richtern zu treffen, die das Urteil gefällt haben. Sind sämtliche Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, verhindert im Sinne des § 320 Abs. 4 Satz 3 ZPO, ist eine Berichtigung des Tatbestandes nicht möglich (vgl. nur (MüKoZPO/Musielak, 5. Aufl., § 320 Rn. 8 mwN; Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 320 Rn. 14).
So liegt der Fall hier. Das Ausscheiden eines Richters aus dem erkennenden Spruchkörper durch Abordnung oder Versetzung an ein anderes Gericht führt nämlich zum Wegfall seiner Eigenschaft als „gesetzlicher Richter“ im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BGH, Urteil vom 01. Februar 2002 – V ZR 357/00 –, juris Rn. 17 mwN). Aus diesem Grund ist Richter am Landgericht Dr. K. im Hinblick auf seine erst am 30. Oktober 2019 endende Abordnung an das Oberlandesgericht Karlsruhe rechtlich an einer Entscheidung über den Tatbestandsberichtigungsantrag verhindert im Sinne des § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO (ebenso KG Berlin, Beschluss vom 7. September 2015 – 8 U 23/14 –, juris Rn. 2 mwN).
Soweit demgegenüber teilweise die Ansicht vertreten wird, dass eine Versetzung an ein anderes Gericht im selben Bezirk keinen Verhinderungsgrund im Sinne des § 320 ZPO darstelle (vgl. BeckOK ZPO/Elzer, 32. Ed. 1.3.2019, § 320 Rn. 42; Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 320 Rn. 14 iVm § 315 Rn. 6 mwN), ist dem nicht zuzustimmen. Insoweit wird verkannt, dass Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sämtliche Tätigkeiten umfasst, die der Richter im Rahmen seiner grundgesetzlich garantierten Unabhängigkeit ausübt (vgl. Maunz/Dürig/Jachmann-Michel, Grundgesetz-Kommentar, 85. EL November 2018, Art. 101 GG, Rn. 31 mwN) und das Tatbestandsberichtigungsverfahren eine solche richterliche Amtshandlung betrifft (so auch KG Berlin, aaO mwN). Da mit einer Versetzung im Sinne des § 30 DRiG und einer Abordnung im Sinne des § 37 DRiG aber die Zugehörigkeit eines Richters zu dem bisherigen Spruchkörper endet, verliert der versetzte oder abgeordnete Richter hierdurch zugleich seine ihm erst durch den Geschäftsverteilungsplan des Präsidiums gemäß § 21 e Abs. 1 Satz 1 GVG zugewiesene Eigenschaft als gesetzlicher Richter. Folglich führt die Versetzung und Abordnung an ein anderes Gericht zum Wegfall der Eigenschaft als „gesetzlicher Richter“ im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und damit zu einer „Verhinderung“ im Sinne des § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Ob dies im Falle eines Wechsels in einen anderen Spruchkörper desselben Gerichts – ggf. im Hinblick auf die Regelung des § 21 e Abs. 4 GVG – anders sein mag (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Oktober 2006 – 1 W 51/06 – juris), bedarf keiner Entscheidung.
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Im Übrigen ist es auch zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes nicht erforderlich, eine Abordnung oder Versetzung an ein anderes Gericht nicht als „Verhinderung“ im Sinne des § 320 Abs. 4 ZPO anzusehen. Denn nach erfolgloser Durchführung des Berichtigungsverfahrens kann zur Wahrung des Anspruchs der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör eine Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen mit einer Verfahrensrüge gemäß §§ 520 Abs. 3 Nr. 3, 551 Abs. 3 Nr. 2 b, 575 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 – I ZR 161/08 –, juris Rn. 12; BGH, Beschluss vom 25. März 2014 – VI ZR 271/13 –, juris Rn. 4).
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
12 
Der Wert des Beschwerdeverfahrens bemisst sich nach einem Bruchteil des Streitwerts in der Hauptsache (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 27. Februar 2013 – 1 W 11/13 –, juris Rn. 11) und war hier auf bis 6.000 EUR (10 % des Streitwerts der Hauptsache) festzusetzen.
13 
Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes nach §574 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 – 2 ZR 54/09 –, juris Rn. 3 mwN) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

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