Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 12 W 24/19

Tenor

1) Auf die sofortigen Beschwerden des Klägers und der Klägervertreterin Rechtsanwältin Dr. K wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 12.11.2019 – 11 O 205/17 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Den in der Sitzung des Landgerichts Mannheim vom 12.11.2019 anwesend gewesenen Personen wird zur Pflicht gemacht, den Inhalt der in der nicht-öffentlichen Verhandlung übergebenen und im Schriftsatz der Beklagten vom 05.08.2019, Seite 10 bis 12 genannten Schriftstücke und die hierauf bezogene Erörterung während der nicht-öffentlichen Verhandlung am 12.11.2019 geheim zu halten, mit Ausnahme der im Schriftsatz der Beklagten vom 05.08.2019, Seiten 10 bis 12, als „nicht geheim“ bezeichneten Teile.

2) Die weitergehenden sofortigen Beschwerden werden zurückgewiesen.

3) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4) Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die Anordnung der Geheimhaltung gemäß §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 GVG.
Die Parteien sind durch einen privaten Krankenversicherungsvertrag verbunden. Der Kläger wendet sich in der Hauptsache mit Feststellungs- und auf Rückzahlung gerichteter Leistungsklage gegen verschiedene von der Beklagten vorgenommene Prämienerhöhungen. Er macht geltend, die Erhöhungen seien jeweils nicht ordnungsgemäß begründet worden, die von der Beklagten eingeschalteten Treuhänder seien nicht unabhängig gewesen, und es hätten auch die materiellen Voraussetzungen für die Prämienerhöhungen, welche die Beklagte darzulegen und zu beweisen habe, nicht vorgelegen. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, den ordnungsgemäß begründeten Prämienerhöhungen habe jeweils ein unabhängiger Treuhänder zugestimmt, und die Prämienerhöhungen seien auch materiell rechtmäßig gewesen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16.10.2018 verschiedene Hinweise erteilt und der Beklagten aufgegeben, sämtliche Berechnungsunterlagen, die dem jeweiligen Treuhänder vor der Erteilung der Zustimmung zu bestimmten Beitragsanpassungen zur Verfügung gestellt wurden, einzureichen. Die Beklagte ist dem nachgekommen und hat ein Anlagenkonvolut von insgesamt 31 Schriftstücken eingereicht. Sie hat sich mit Schriftsätzen vom 6.12.2018 und vom 5.8.2019 bezüglich im Einzelnen bestimmt bezeichneter Teile des Konvoluts auf Geheimhaltungsbedürftigkeit berufen. Eine Einsichtnahme durch die Klägerseite könne erst erfolgen, wenn die Geheimhaltung sichergestellt sei. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, dass die Geheimhaltung zum Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse erforderlich sei, da die Unterlagen in verschiedenen, von der Beklagten näher bezeichneten Teilen bestimmte Informationen über das individuelle „Pricing“ der Beklagten enthielten; wegen der Einzelheiten wird auf die Seiten 9 ff. des Schriftsatzes der Beklagten vom 5.8.2019 Bezug genommen. Die Klägerseite hat die Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht in Abrede gestellt.
Mit Beschluss vom 09.10.2019 hat das Landgericht den Parteien Vorschläge für eine Verschwiegenheitserklärung der Klägerseite gemacht und weiter ausgeführt:
„Für den Fall, dass sich die Parteien nicht auf diese Version verständigen können, erwägt die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2019 die Ausschließung der Öffentlichkeit gemäß § 172 Nr. 2 GVG sowie die Auferlegung einer Geheimhaltungsverpflichtung gemäß § 174 Abs. 3 GVG soweit sich die Verhandlung auf Umstände bezieht, die Grundlagen für die Prämienerhöhungsverlangen waren. Der Beklagten wird aufgegeben, die Unterlagen, die mit Schriftsatz vom 06.12.2018 bisher nur für das Gericht vorgelegt wurden, zur Aushändigung an den Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung bereitzuhalten“.
Auf eine Verschwiegenheitserklärung konnten sich die Parteien nicht einigen.
In der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 12.11.2019, in welcher lediglich die Prozessbevollmächtigten beider Parteien erschienen waren, hat die Beklagtenvertreterin folgenden Antrag gestellt:
Rechtsanwältin Dr. S. beantragte, für die Erörterung der von der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 05.08.2019, dort S. 10 - 12 (AS ...), als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen, die im Hinblick auf die Anlagen 1 bis 18 den Treuhändern zur Prüfung der materiellen Voraussetzungen der Wirksamkeit der Prämienanpassungen vorgelegen hätten und im Übrigen zur Prüfung der individuellen, streitgegenständlichen Beitragsanpassungen benötigt worden seien, den Ausschluss der Öffentlichkeit.
Ferner möge die Verpflichtung zur Verschwiegenheit für die Klagepartei, die Prozessbevollmächtigten der Klagepartei, den Sachverständigen und für einen ggfs. klägerseits bestellten Privatsachverständigen angeordnet werden.
10 
Hierüber wurde öffentlich verhandelt. Die Klägervertreterin nahm dahingehend Stellung, dass auch die Beklagtenvertreterin zur Verschwiegenheit verpflichtet werden müsse und mangels persönlicher Anwesenheit ein Geheimhaltungsbeschluss im heutigen Termin den Kläger nicht mit verpflichten könne.
11 
Das Landgericht hat sodann nach Beratung durch sogleich verkündeten Beschluss die Öffentlichkeit „für die Erörterung der von der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 5.8.2019, dort Seite 10-12, als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen ausgeschlossen“.
12 
Nach Vollzug des Ausschlusses der Öffentlichkeit hat das Landgericht in nichtöffentlicher Verhandlung folgenden Beschluss verkündet:
13 
„Den anwesenden Personen wird die Geheimhaltung von Tatsachen, die während der nichtöffentlichen Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht gemacht. Der weitergehende Antrag von Rechtsanwältin Dr. S. wird zurückgewiesen“.
14 
Die Beklagtenvertreterin hat daraufhin das Anlagenkonvolut an die Klägervertreterin übergeben. Anschließend wurde die Öffentlichkeit wiederhergestellt und das weitere Vorgehen erörtert.
15 
Gegen den Beschluss vom 12.11.2019 hat die Klägervertreterin sowohl im eigenen Namen als auch im Namen des Klägers Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass die durch den Beschluss auferlegte Geheimhaltungsverpflichtung auch die Kommunikation zwischen der Klägervertreterin und dem Kläger umfasse, was einen schweren Eingriff in das Recht des Klägers auf ein faires Verfahren darstelle. Indem die Klägervertreterin nur unter dem Risiko der Strafbarkeit mit dem Kläger über die Inhalte der übergebenen Unterlagen kommunizieren könne, werde der Kläger in seinen prozessualen Rechten verletzt. Zudem sei die ausgesprochene Geheimhaltungsverpflichtung zum einen zu unbestimmt und zum anderen zu weitgehend, weil nicht in Gänze erforderlich. Da eine Verletzung der Geheimhaltungsanordnung strafbewehrt ist, müsse ein Betroffener der Anordnung mit ausreichender Sicherheit entnehmen können, welche Tatsachen der Geheimhaltungspflicht unterliegen. Zudem sei die Geheimhaltungsanordnung zu weitgehend, indem sie sich auf sämtliche Tatsachen beziehe, etwa auch auf die Negativtatsache der Lückenhaftigkeit oder Unvollständigkeit der Unterlagen; insoweit bestehe offensichtlich kein Geheimhaltungsinteresse der Beklagten. Schließlich müsse es zulässig sein, insbesondere die Kopfschäden bei verschiedenen Prämienanpassungen mit den Unterlagen aus Parallelverfahren abzugleichen, da sich hieraus eine fehlende Konsistenz und Zuverlässigkeit der Daten ergeben könne. Das Geheimhaltungsinteresse der Beklagten an sich werde allerdings nicht infrage gestellt.
16 
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 4.12.2019 nicht abgeholfen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass die von der Beklagten vorgelegten technischen Berechnungsgrundlagen für die Krankenversicherungsprämien Betriebsgeheimnisse im Sinne des § 172 Nr. 2 GKG darstellten. Die Voraussetzungen einer Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers hätten nicht vorgelegen. Da das Gericht seine Verfahrensweise angekündigt hatte, sei es ihm unbenommen gewesen, zum Verhandlungstermin zu erscheinen, wenn er persönlich in die der Geheimhaltung unterliegenden Unterlagen hätte Einblick nehmen bzw. deren Inhalt persönlich mit seiner Prozessbevollmächtigten hätte erörtern wollen. Der Geheimhaltungsbeschluss sei inhaltlich ausreichend bestimmt, da er sich eindeutig auf den zuvor getroffenen Beschluss zur Ausschließung der Öffentlichkeit bezogen habe, in dem die zu erörternden Tatsachen unter Bezugnahme auf bestimmte von der Beklagten vorgelegte Unterlagen beschrieben worden sei.
17 
Die Parteien hatten im Beschwerdeverfahren nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
1)
18 
Die sofortigen Beschwerden des Klägers und der Klägervertreterin sind gemäß §§ 174 Abs. 3 S. 3 GVG, 567, 569 ZPO zulässig. Die Frist des § 569 Abs. 1 ZPO wurde zweifellos eingehalten, ohne dass es darauf ankommt, ob die Frist durch die formlose Bekanntgabe des Beschlusses im Verhandlungstermin überhaupt in Lauf gesetzt wurde. Die Einlegung der sofortigen Beschwerden erfolgte auch formgerecht. Sowohl die Klägervertreterin als auch der Kläger sind durch den angefochtenen Beschluss beschwert. Für die Klägervertreterin folgt dies daraus, dass sie selbst als in der Verhandlung anwesende Person der Geheimhaltungspflicht unterworfen wurde. Für den Kläger, welcher in der Verhandlung nicht anwesend war, folgt dies daraus, dass es der Klägervertreterin aufgrund des ihr auferlegten Geheimhaltungsgebots nicht möglich ist, den Inhalt der nicht-öffentlichen Verhandlung und des hierbei an sie übergebenen Anlagenkonvoluts mit dem Kläger zu erörtern, wodurch der Kläger in seinem Recht auf Unterrichtung über den Verfahrensfortgang (vgl. § 11 BORA), somit auch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.01. 2006 – 2 BvR 1075/05, juris) sowie in seinem grundrechtlich geschützten Recht auf wirksame anwaltliche Vertretung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.03.2012 – 2BvR 988/10, juris Rn. 30) beschränkt wird.
19 
Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde vertretene Ansicht, dass die Geheimhaltungsanordnung auch die Kommunikation zwischen der Klägervertreterin und dem in der nicht-öffentlichen Verhandlung nicht anwesend gewesenen Kläger untersagt, ist zutreffend. Die Geheimhaltungsanordnung erstreckt sich nach ihrem eindeutigen Inhalt nicht auf den in der Verhandlung nicht persönlich anwesend gewesenen Kläger und durfte dies auch nicht (Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl., § 174 Rn. 23; Walther, in: BeckOK GVG, § 174 GVG 5. Edition, Rn. 16; Schönke/Schröder/Perron/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 353 d Rn. 26). Die Gegenansicht, die eine analoge Anwendung auf die im Termin nicht selbst anwesende Partei befürwortet (Lütke, MMR 2019, 157, 161 f.), geht über den insoweit eindeutigen Wortlaut des § 174 Abs. 3 GVG hinaus und konstatiert selbst, dass dies jedenfalls im Rahmen der strafrechtlichen Ahndung gemäß § 353 d Nr. 2 StGB gegen das strafrechtliche Analogieverbot verstoßen würde. Die noch weitergehende Annahme, die Geheimhaltungspflicht erstrecke sich ohne weiteres auch auf die im Termin nicht anwesende Partei, sofern sie von ihrem Prozessvertreter unterrichtet wird (Zimmermann, in: MüKom-ZPO, 5. Aufl., § 174 GVG Rn. 14), findet im Gesetz ebenfalls keine Stütze.
20 
Da somit der Kläger selbst der Geheimhaltungspflicht nicht unterliegt, ist seine Unterrichtung durch die Klägervertreterin auch nicht von der Geheimhaltungspflicht ausgenommen (a.A. Zimmermann a.a.O.). Eine solche Ausnahme lässt sich aus § 174 Abs. 3 GVG nicht herleiten. Sie ergibt sich auch nicht aus § 11 BORA, und zwar schon deshalb nicht, weil diese Norm als Satzungsrecht gegenüber § 174 Abs. 3 GVG nachrangig ist.
2)
21 
Die sofortigen Beschwerden sind teilweise begründet.
a)
22 
Dass im vorliegenden Fall ein Ausschließungsgrund gemäß § 172 Nr. 2 GVG gegeben war und die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Geheimhaltungsanordnung gemäß § 174 Abs. 3 S. 1 GVG vorlagen, stellt die Beschwerde zu Recht nicht in Abrede. Die von der Beklagten in der nicht-öffentlichen Verhandlung übergebenen Unterlagen enthalten nach den Angaben der Beklagten die technischen Berechnungsgrundlagen für die streitigen Prämienanpassungen und stellen damit wichtige Geschäftsgeheimnisse der Beklagten dar (vgl. BGH, Urteil vom 9.12.2015 – IV ZR 272/15, juris Rn. 10). Diese wurden schon durch die stillschweigend erfolgte Bezugnahme hierauf auch Gegenstand der nicht-öffentlichen Verhandlung (§ 137 Abs. 3 S. 1 ZPO).
23 
Die Geheimhaltungsanordnung durfte sich auf das in der nicht-öffentlichen Verhandlung übergebene Anlagenkonvolut erstrecken. Gemäß § 174 Abs. 3 S. 1 GVG darf die Geheimhaltung auch für ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück auferlegt werden. Das ursprünglich von der Beklagten stammende Anlagenkonvolut wurde dadurch zum amtlichen Schriftstück, dass es zu Zwecken des Rechtsstreits zu den amtlichen Prozessakten genommen wurde (Schönke/Schröder/Perron/Hecker, a.a.O., § 353 d Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 9.12.2015 – IV ZR 272/15, juris Rn. 14).
b)
24 
Ohne Erfolg wird mit den Beschwerden geltend gemacht, dass durch die der Klägervertreterin auferlegte Geheimhaltungsanordnung in unzulässiger Weise in prozessuale Rechte des Klägers eingegriffen werde. Zwar ist es der Klägervertreterin, wie oben bereits ausgeführt, durch die Geheimhaltungsanordnung untersagt, den Kläger über den Inhalt der nicht-öffentlichen Verhandlung und über den Inhalt der von der Geheimhaltungsanordnung umfassten Schriftstücke zu informieren. Hierdurch wird der Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör beeinträchtigt, welches – wie von Klägerseite zutreffend geltend gemacht – auch das Recht auf Kenntnisnahme der für das Verfahren maßgeblichen Informationen umfasst (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.01. 2006 – 2 BvR 1075/05, juris). Zudem ist der Kläger in seinem grundsätzlich bestehenden Recht auf wirksame anwaltliche Vertretung, wie es auch in § 11 BORA Ausdruck gefunden hat, beeinträchtigt. Auch das Recht auf wirksame anwaltliche Vertretung ist grundsätzlich verfassungsrechtlich geschützt (vgl. Remmert, in: Maunz/Dürig, Art. 103 GG, 88. EL, Rn. 68).
25 
Andererseits gewährleistet das Grundrecht des Art. 12 GG auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (BVerfG, Beschluss vom 14.03. 2006 – 1 BvR 2087/03, BVerfGE 115, 205, Rn. 81 ff.). Eine Verpflichtung der Beklagten zur uneingeschränkten Offenlegung ihrer Rechnungsunterlagen würde diesen Schutz beeinträchtigen.
26 
Das hierdurch gegebene Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechtspositionen und geschützten Interessen der Parteien ist auf dem vom Landgericht bereits zutreffend aufgezeigten Weg aufzulösen:
27 
Dem Kläger stand es frei, persönlich zum Verhandlungstermin am 12.11.2019 zu erscheinen. In diesem Fall hätte er an der nicht-öffentlichen Verhandlung und Erörterung teilgenommen und wäre in die Geheimhaltungsanordnung gemäß § 174 Abs. 3 GVG einbezogen worden. Die Geheimhaltungsverpflichtung besteht, dies ergibt sich zwanglos aus Sinn und Zweck des §§ 174 Abs. 3 S. 1 GVG, nicht zwischen Personen, die an der nicht-öffentlichen Verhandlung teilgenommen haben und auf die sich die Geheimhaltungsanordnung erstreckt. Da die Kammer das entsprechende Vorgehen angekündigt hatte, konnte der Kläger sich hierauf einrichten. Dass ihm eine Teilnahme an der Gerichtsverhandlung nicht möglich oder nicht zumutbar war, ist weder aufgezeigt noch ersichtlich.
28 
Dies ist auch nachträglich noch möglich, wenn der Kläger in einem künftigen Verhandlungstermin persönlich anwesend ist und nach erneuten Beschlüssen gemäß §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 GVG, die sich dann auch auf den persönlich anwesenden Kläger erstrecken, der Inhalt des Anlagenkonvoluts – ggfls. auch nur kurz – erörtert wird. Der durch die Geheimhaltungsanordnung bewirkte Ausschluss des Klägers von der Information über die maßgeblichen Rechnungsunterlagen ist somit nicht irreversibel. Es steht dem Kläger vielmehr frei, einen erneuten Verhandlungstermin zur nicht-öffentlichen Erörterung der Rechnungsunterlagen in seinem Beisein zu beantragen.
29 
Entgegen der mit der Beschwerde vorgetragenen Ansicht bestand dagegen keine Notwendigkeit und auch keine Rechtsgrundlage dafür, das persönliche Erscheinen des Klägers zu erzwingen, damit er in den Kreis der Geheimhaltung verpflichteten Personen fällt. Vielmehr unterlag dies, in Kenntnis von dem angekündigten Vorgehen, seiner freien Entscheidung.
c)
30 
Zu Recht wird allerdings mit der Beschwerde der Klägervertreterin gerügt, dass es der Geheimhaltungsanordnung des Landgerichts an der gebotenen Bestimmtheit fehlt. Im Hinblick auf die Strafbewehrung der Geheimhaltungsanordnung gemäß § 353 d Nr. 2 StGB müssen im Beschluss hinreichend genau bezeichnet werden (Kissel/Mayer, a.a.O. § 174 Rn. 25; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 353 d Rn. 8). Diesem Erfordernis entspricht der angefochtene Beschluss nicht. Dass sich die Geheimhaltungsanordnung auf den zuvor gefassten Beschluss gemäß § 172 Nr. 2 GVG und die dortige Bezugnahme auf „die Erörterung der von der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 5.8.2019, dort Seiten 10 bis 12, als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen“ beschränkt, ergibt sich aus ihr jedenfalls nicht mit der gebotenen Klarheit.
31 
Die sofortigen Beschwerden haben deshalb insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss abändernd zu beschränken ist auf die konkreten geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen. Insoweit sind die von der Klägerseite nicht beanstandeten Angaben im Beklagtenschriftsatz vom 05.08.2019 maßgeblich.
d)
32 
Mit diesem, nunmehr genau bestimmten Inhalt ist die Geheimhaltungsanordnung auch nicht zu weitgehend, sondern durch das berechtigte Geheimhaltungsinteresse der Beklagten gerechtfertigt. Soweit Umstände, die die Beschwerde als „Negativtatsachen“ bezeichnet, den Inhalt der geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen betreffen, sind sie von der Geheimhaltungsanordnung berechtigterweise ebenfalls umfasst. Das berechtigte Geheimhaltungsinteresse der Beklagten erstreckt sich nicht nur darauf, welche Umstände sie für ihre Prämienkalkulation und für die Begründung der Prämienanpassung (das „Pricing“) berücksichtigt hat und welche Werte hier angesetzt sind, sondern auch darauf, welche Umstände für sie ohne Relevanz für diese Kalkulation waren.
3)
33 
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 ZPO).

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