Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 6 U 135/20

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 31. Juli 2020, Az. 4 O 16/20, im Kostenpunkt aufgehoben und in der Sache unter Zurückweisung der insoweit weitergehenden Berufung wie folgt geändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, in Bezug auf das Gewerbe der Klägerin folgende Aussagen identisch und/oder kerngleich zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen:

a) […]

und/oder

b) […]

und/oder

c) […]

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 745,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2019 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Das Rechtsmittel der Klägerin gegen die Kostenentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 31. Juli 2020, Az. 4 O 16/20, soweit sie auf der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung beruht, wird als unzulässig verworfen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu einem Fünftel und der Beklagte zu vier Fünfteln. Die Kosten der Rechtsmittelinstanz werden dem Beklagten auferlegt.

IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
A.
Die Klägerin macht Ansprüche wegen behaupteter Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch im Internet veröffentlichte Unternehmensbewertungen des Beklagten geltend.
[…]
Im November 2019 stellte der Beklagte auf der Internetplattform von Google zum Nagelstudio der Klägerin eine Bewertung mit einem Stern (von bis zu fünf möglichen Sternen) und folgendem Kommentar ein (umfassend die mit der vorliegenden Klage angegriffenen Aussagen):
[…]
Die Klägerin forderte den Beklagte mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 12. November 2019 (Anlage K 7) zu Unterlassung und Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten bis zum 29. November 2019 auf, die sie mit einer 1,5 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 10.000 EUR zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale sowie Umsatzsteuer angab, mithin dem Betrag der vorliegenden Zahlungsklage. Darauf bot der Beklagte unter Zurückweisung dieser Forderungen die Löschung des Kommentars zur Beilegung des Streits an (Anlage K 6). Nach zwischenzeitlicher Entfernung stellte der Beklagte die Bewertung im Dezember 2019 zweimal erneut ein.
Nach Erhebung der vorliegenden, zunächst zudem auf Verurteilung zur Löschung des Kommentars gerichteten Klage (wie aus der Klageschrift vom 21. Januar 2020 ersichtlich) ließ der Beklagte den Kommentar (abermals) löschen. Der darauf eingereichten schriftsätzlichen und dem Beklagten mit Belehrung nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO zugestellten Teilerledigungserklärung zum Löschungsantrag hat der Beklagten innerhalb der Notfrist nicht widersprochen.
[…]
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, in Bezug auf ihr Gewerbe folgende Aussagen identisch und/oder kerngleich zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen:
[a] […]
und/oder
[b] […]
10 
und/oder
11 
[c] […]
12 
[Gliederungsbuchstaben nur hier hinzugefügt]
13 
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.019,83 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2019 zu zahlen.
14 
Der Beklagte hat beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
[…]
16 
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen und Entscheidungsgründe ergänzend verwiesen wird, die Klage als zulässig, aber unbegründet abgewiesen und die Kosten insgesamt der Klägerin auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, hinsichtlich der Äußerung [c] über den Ehemann der Klägerin liege kein Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor, weil die allenfalls mittelbare Betroffenheit der Klägerin nicht genüge. Nur die Äußerungen [a] und [b] über die Qualität der Leistung und Belegenheit des Studios berührten das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Dieses sei jedoch nach Abwägung mit dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit nicht verletzt. […]
17 
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat die Klägerin ferner erklärt, die Berufung wende sich auch gegen das Ergebnis der Kostenentscheidung.
[…]
18 
Die Klägerin b e a n t r a g t,
19 
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Heidelberg vom 31. Juli 2020, Az. 4 O 16/20, zu verurteilen wie in erster Instanz beantragt.
20 
Der Beklagte b e a n t r a g t,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
[…]
B.
22 
Die Berufung gegen die Entscheidung in der Sache ist zulässig. […] Die Berufung hat insoweit weit überwiegend Erfolg, weil die Klageanträge zu 1. und 2. zulässig und bis auf einen geringen Teil der Nebenforderung begründet sind (dazu nachfolgend I. und II.). Die Berufung ist hingegen als unzulässig zu verwerfen, soweit sie zuletzt zudem erreichen will, dass die Klägerin von der Kostenlast auch insoweit befreit wird, als das Landgericht seiner Kostenentscheidung die übereinstimmende Teilerledigungserklärung zum Löschungsbegehren zugrunde gelegt hat. Denn insoweit ist die Kostenentscheidung erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist und damit nicht in zulässiger Weise angegriffen worden und kann auch nicht aufgrund der (zulässigen) Anfechtung der Sachentscheidung auf die richtige Anwendung von § 91a ZPO geprüft werden (dazu nachfolgend III.)
23 
I. Der zulässige Klageantrag zu 1 (Unterlassung) ist begründet.
[…]
24 
II. Der ebenfalls zulässige Klageantrag zu 2 ist überwiegend begründet. Er geht lediglich in der Höhe zu weit.
[…]
25 
III. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung dagegen, dass das Landgericht seiner Kostenentscheidung, soweit sie hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Streits um die Löschungsforderung nach § 91a Abs. 1 ZPO ergangen ist, zugrunde gelegt hat, dass insoweit die Kostentragung des Klägers unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands der Billigkeit entspreche. Dies steht in der Sache nicht zur Überprüfung des Senats. Insoweit ist die Kostenentscheidung des Landgerichts nämlich nicht in zulässiger Weise angefochten und auch nicht aufgrund der Anfechtung der Entscheidung über die nach Teilerledigung verbliebene Hauptsache zu prüfen.
26 
1. Zwar ist aus Gründen der Prozessökonomie als einheitliches Rechtsmittel auch die Berufung eröffnet, wenn sich der Rechtsmittelführer nicht nur gegen die Kostenentscheidung, sondern auch gegen den streitig entschiedenen Teil der Hauptsache wendet (BGH, NJW 2013, 2361 Rn. 20 mwN; vgl. BGH, NJW 2001, 230; NJW-RR 2010, 640 Rn. 8 [zum Teilanerkenntnis]). Ein Rechtsmittel gegen die nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung ergangene Hauptsacheentscheidung ergreift die damit ergangene gemischte Kostengrundentscheidung insoweit, als sie auf § 91a Abs. 1 ZPO beruht, aber – wovon ausdrücklich auch die Berufungsklägerin ausgeht – nur dann, wenn seine Auslegung einen diesbezüglichen Angriff ergibt (BeckOK-ZPO/Jaspersen, Stand Sept. 2021, § 91a Rn. 41; vgl. OLG Stuttgart, WRP 1997, 355; aA möglicherweise Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 99 Rn. 14; Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO § 91a Rn. 53). Dementsprechend ist auch anerkannt, dass eine Anschlussberufung gegen die in einer gemischten Kostengrundentscheidung nach § 91a ZPO begründete Kostenlast des Rechtsmittelbeklagten möglich ist (vgl. BGHZ 17, 392 [juris Rn. 23 ff]; KG, AG 2021, 591, 597 mwN; Jaspersen, aaO Rn. 42). Es kann dahinstehen, ob es bei einer gegen die Hauptsache und zugleich gegen die Kostenentscheidung gerichteten Berufung auch einer den Anforderungen an eine Berufungsbegründung genügenden Darlegung des Kostenangriffs bedarf (so OLG Stuttgart, WRP 1997, 355, 357; aA Jaspersen, aaO mwN). Freilich ist auch vom Rechtsmittelgericht nach § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen und nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung ein Ausspruch zu den Kosten des Rechtsstreits zu treffen. Fehlt es aber schon an einer Anfechtung des auf § 91a Abs. 1 ZPO gestützten Teils der gemischten Kostengrundentscheidung der Vorinstanz, ist das Rechtsmittelgericht daran bei seiner Kostengrundentscheidung insoweit gebunden, als damit verbindlich festgestellt ist, welcher Partei die betroffenen Kosten zur Last fallen. Vom Rechtsmittelgericht zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren ist lediglich die darauf aufbauende Bildung der einheitlichen Kostengrundentscheidung, etwa hinsichtlich der Anwendung von § 92 ZPO, namentlich hinsichtlich Rechenfehlern oder der wertmäßigen Gewichtung mehrere Streitgegenstände (vgl. Jaspersen, aaO Rn. 43, siehe auch Rn. 39) einschließlich einer etwaigen Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; im Übrigen können sich aus einer erfolgreichen Anfechtung der Hauptsachentscheidung ergebende Änderungen der gebotenen Kostenverteilung dazu führen, dass (erstmals) Anlass bestehen kann, hinsichtlich eines nach § 91a ZPO zu verteilenden Kostenanteils nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu verfahren.
27 
2. Den auf Teilerledigungserklärung beruhenden Teil der Kostenlast hat die Klägerin zwar zuletzt mit der Berufung angegriffen, indes mangels Wahrung jeder Rechtsmittelfrist nicht in zulässiger Weise.
28 
a) Ein dahingehender Umfang ihres Berufungsangriffs war zunächst der Berufungsschrift noch nicht zu entnehmen. Dass deren Rubrum den Gegenstand des Rechtsstreits als „Unterlassung und Löschung“ bezeichnet, ist lediglich als unveränderte Angabe des Betreffs zu verstehen, der anhand der in erster Instanz streitgegenständlichen Hauptforderungen formuliert worden war. Im Übrigen gibt die Berufungsschrift lediglich an, es werde „gegen das […] Urteil“ Berufung angelegt. Dem war nicht zu entnehmen, dass damit bereits eine – zu diesem Zeitpunkt noch entbehrliche (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO) – Erklärung verbunden war, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden, etwa dass eine umfassende Anfechtung und Abänderung zu Gunsten der Klägerin begehrt werde. Die Berufungsbegründungsschrift hat sodann lediglich den Antrag formuliert, unter Abänderung des Urteils die Beklagte zu Unterlassung und Zahlung zu verurteilen. Dass und inwieweit unabhängig davon die Kostenentscheidung erster Instanz aufgehoben oder abgeändert werden soll, war ihr nicht zu entnehmen. Insbesondere war in der Berufungsbegründungsschrift kein Kostenantrag gestellt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Berufungsbegründung ausführt, das Landgericht habe „die Klage auf Unterlassung und Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten“ mit dem Urteil zu Unrecht abgewiesen und das „Urteil“ werde „deshalb“ in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt. Daraus ergibt sich vielmehr, dass die begehrte (vollumfängliche) Überprüfung sich lediglich auf die Abweisung der Unterlassungs- und Zahlungsforderungen beziehen sollte. Dasselbe gilt, soweit es in der Berufungsbegründung heißt, das Landgericht habe „den Anspruch“ der Klägerin zu Unrecht abgelehnt. Zwar wenden sich die weiteren Ausführungen im Einzelnen dagegen, dass das Landgericht bereits eine Rechtsgutsverletzung verneint hat. Damit, ob bei deren Bejahung gerade auch ein Löschungsanspruch bestanden hätte, befasst sie sich aber nicht. Nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Berufungserwiderung meint, Gegenstand der Berufung sei allerdings auch die Anfechtung der Kostenentscheidung.
29 
b) Erst nachdem die Berufungserwiderung die Auffassung vertreten hat, hinsichtlich des auf § 91a ZPO beruhenden Teils der Kostenentscheidung wäre lediglich eine Anfechtung mittels Beschwerde und zwar innerhalb von zwei Wochen möglich gewesen und dieser daher rechtskräftig, hat die Berufungsklägerin sich zu dieser Kostenfrage geäußert. Sie hat mit der Berufungsreplik ausgeführt, unstreitig setze der Anspruch auf Löschung der Bewertung voraus, dass vorliegend eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliege; dies habe das erstinstanzliche Gericht verneint und abgelehnt und genau gegen diese Entscheidung wende sich die Berufung. Die damit erstmals erklärte Erstreckung der Berufung auf den in Rede stehenden Teil der Kostenentscheidung ist unzulässig, weil sie nach Ablauf nicht nur der – nach herrschender Meinung allerdings auch nicht maßgeblichen – Frist für eine sofortige Beschwerde gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern auch nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Berufung gemäß § 517 ZPO und sogar der Frist zu deren Begründung der Berufung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO, innerhalb derer sie wegen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO noch möglich gewesen sein mag, zum Ausdruck gekommen ist.
30 
IV. Bei der Verteilung der gesamten erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits entsprechend § 92 Abs. 1 ZPO bewertet der Senat zumindest im Rahmen des – insoweit allein maßgeblichen – gerichtlichen Streitwerts nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO das Unterlassungsbegehren erheblich höher als das Löschungsbegehren. Indem der Beklagte die zwischenzeitlich gelöschte rechtsverletzende Bewertung noch vor dem Zeitpunkt der Einleitung des Rechtszugs (vgl. § 40 GKG) wiederholt eingestellt hat, hat er eine erheblich gesteigerte Wiederholungsgefahr demonstriert, so dass das Interesse der Klägerin an der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Rechte vor allem auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungstitel gerichtet war. Dies führt zu der ausgesprochenen Kostenquote mit einem Anteil zu Lasten der Klägerin, der dem Gewicht des Löschungsantrags und der geringen Zuvielforderung bei den Abmahnkosten entspricht.
31 
V. Die Entscheidung über die Kosten der Berufung ergeht entsprechend § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit die Klägerin mit ihrem unzulässigen Rechtsmittel gegen die Kostenhaftung auf etwa ein Fünftel der erstinstanzlichen Kosten und in geringem Umfang mit der Berufung gegen die Klageabweisung erfolglos bleibt, erweist sich die Zuvielforderung des Rechtsmittels als verhältnismäßig geringfügig und hat allenfalls geringfügig höhere Kosten veranlasst.
32 
VI. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
33 
VII. Gründe, die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, liegen nicht vor.

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