Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 6 U 95/21

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 25. März 2021, Az. 14 O 61/20 KfH, im Kostenpunkt aufgehoben und in der Sache geändert, indem es wie folgt neu gefasst wird:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, zur Vollstreckung an dem Geschäftsführer) zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr Desinfektionsmittel, insbesondere „[...]“, als „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“ und/oder „Bio“, in der Werbung (auch im Internet) oder auf dem Produktetikett zu bezeichnen oder zu vertreiben (jeweils selbst oder durch Dritte).

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 294 EUR zuzüglich Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 6. Oktober 2020 zu zahlen.

3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention trägt der Kläger ein Drittel. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der übrigen Kosten der Nebenintervention, welche die Streithelferin selbst trägt.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich Nr. I.1. (Unterlassung) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 16.666 EUR und hinsichtlich Nr. I.2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund dieser Verurteilung vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung hinsichtlich Nr. I.1 Sicherheit in Höhe von 16.666 EUR bzw. in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund von Nr. I.2 zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten kann der jeweilige Vollstreckungsschuldner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger gegen ihn vollstreckbaren Kostenbetrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrags leistet.

IV. Die Revision wird im Umfang der Teilklageabweisung (vorstehend I.3.) zugelassen; im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen behaupteten unlauteren Wettbewerbs auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.
Der Kläger ist ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Ihm gehören ca. 2.000 Mitglieder an, darunter der Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V., die Industrie- und Handelskammern (bis auf eine), die Handwerkskammern und etwa 600 Verbände. Die Beklagte ist eine bundesweit operierende Drogeriemarktkette.
Die Streithelferin der Beklagten ist Herstellerin des Desinfektionsmittels mit der Bezeichnung „[...]“. Dieses Produkt enthält Natriumhypochlorit (NaClO) in einer Konzentration von 0,049 Gewichtsprozent. Es ist mit dem D[...]-Siegel „sehr gut“ (06/2020) ausgezeichnet, das vergeben wird, wenn bei Epikutantestungen („Auf der Haut“-Testungen) der Hautkontakt bei mindestens 30 Probanden keine produktbezogenen Reaktionen hervorgerufen hat.
Die Beklagte bot dieses Desinfektionsmittel mit dessen nachstehend abgebildeter Aufmachung in ihren Filialen und – unter Abbildung des Produkts samt Etikett sowie mit weiteren textlichen Angaben einschließlich einer „Produktbeschreibung“ – im Internet zum Verkauf an.
[Abbildung]
Das in den weiter folgenden Abbildungen jeweils ausschnittsweise vergrößert gezeigte Etikett trägt unter der Produktbezeichnung insbesondere die – auch in der Produktbeschreibung auf der der Internetseite der Beklagten enthaltene – Angabe
„Ökologisches Universal-Breitband
Desinfektionsmittel“
und weiter unten die Angaben
„Hautfreundlich • Bio • ohne Alkohol“.
[Abbildungen]
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Wegen der Einzelheiten der Produktkennzeichnung und -bewerbung wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
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Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 20. August 2020 (Anlage K 2) mit der Begründung zur Unterlassung auf, die Kennzeichnung bzw. Werbung sei gemäß §§ 3, 3a UWG unlauter, weil die Beklagte damit Marktverhaltensregelungen in Art. 72 Abs. 3 und Art. 69 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (nachfolgend: Biozid-VO) zuwiderhandele.
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Der Kläger hat geltend gemacht, der Unterlassungsanspruch ergebe sich nach § 8 Abs. 1 UWG aus den in der Abmahnung angegebenen Gründen. Die Verwendung des Worts „ökologisch“ im vorliegenden Zusammenhang falle unter „ähnliche Hinweise“ im Sinn der oben genannten Vorschriften, soweit diese beispielhaft die Angaben „natürlich“, „umweltfreundlich“ und „tierfreundlich“ nennen, oder komme einem solchen jedenfalls so nahe, dass sich schon hieraus eine Irreführung im Sinn der Generalklausel der Verordnung ergebe. Nichts Anderes gelte für den Begriff „Bio“. Der Begriff „hautfreundlich“ sei gleichzusetzen mit „nicht hautschädlich“ (gehe sogar darüber hinaus) und jedenfalls ein bedeutungsgleiches oder bedeutungsähnliches Wort wie „unschädlich“ (für die Haut). Daher seien die beanstandeten Angaben „ökologisch“ oder „bio“ selbst ohne Bezugnahme auf die Verordnung nach den allgemeinen Regeln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb irreführend. Ferner könne der Kläger nach § 12 UWG für die Abmahnung eine Pauschale in Höhe von 280 EUR zuzüglich 5 % Mehrwertsteuer verlangen.
13 
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, zur Vollstreckung an dem Geschäftsführer) zu unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr Desinfektionsmittel, insbesondere „[...]“, als „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“ und/oder „Hautfreundlich“ und/oder „Bio“, in der Werbung (auch im Internet) oder auf dem Produktetikett zu bezeichnen oder zu vertreiben (jeweils selbst oder durch Dritte);
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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 294 EUR zuzüglich Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
17 
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
19 
Die Beklagte hat vorgebracht, die beanstandeten Angaben verstießen nicht gegen die das Irreführungsgebot der Verordnung konkretisierenden Regelungen in Art. 72 Abs. 3 und Art. 69 Abs. 2 Biozid-VO. Sie fielen nicht unter die Kategorie „ähnliche Hinweise“ dieser Vorschriften, deren Voraussetzung eine Irreführung sei, die im konkreten Einzelfall nachgewiesen werden müsse. Die Bezeichnung „Hautfreundlich“ sei nicht gleichzusetzen mit „nicht hautschädlich“, was bedeuten würde, das Produkt sei „unschädlich“ oder „ohne Risiko“ im Sinn der genannten Bestimmungen, und auch nicht irreführend, sondern gebe zu erkennen, dass das Produkt für die Haut – auch bei wiederholter bzw. mehrfacher Anwendung – verträglich sei. Dasselbe gelte im Ergebnis für die Bezeichnung „bio“, die in diesem Kontext keine Verharmlosung sei, die zur Irreführung geeignet sei, und den Begriff „ökologisch“, der in der Bezeichnung „Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel“ als Hinweis auf die Zusammensetzung und Wirkungsweise (aus Natriumhypochlorit freigesetztes Aktivchlor) ohne Aussage bezüglich des Risikos für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit zu verstehen sei.
20 
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil (LG Karlsruhe, Urteil vom 25. März 2021 - 14 O 61/20 KfH, juris), auf dessen tatsächliche Feststellungen und Entscheidungsgründe ergänzend verwiesen wird, die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger könne nach § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 UWG Unterlassung verlangen. Bei den synonymen Bezeichnungen „bio“ und „ökologisch“ sowie der Bezeichnung „hautfreundlich“ handele es sich um irreführende Angaben im Sinn von § 5 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 1 UWG. Diese könnten sowohl einen Gesundheitsbezug als auch einen Umweltbezug ausdrücken. Der Gesundheitsbezug sei irreführend. Der Verbraucher erwarte aufgrund der Bezeichnung „bio“ – insbesondere in Zusammenhang mit „hautfreundlich“ – einen positiven Effekt (auf die Haut) und nicht lediglich die Abwesenheit von unerwünschten Nebenwirkungen. Sie werde – insbesondere in Zusammenhang mit der Bezeichnung als „hautfreundlich“ mit dem Attribut „gesund“ assoziiert bzw. damit, dass der Verbraucher – abseits der eigentlichen Desinfektionswirkung – durch die Verwendung eine gesundheitliche Verbesserung erfahre, und sei es nur durch Pflege der Haut. Dasselbe gelte auch für den Begriff „Hautfreundlich“, schon aufgrund der Abweichung von „neutral“ zu „freundlich“. Solche Eigenschaften schreibe auch die Beklagte dem Produkt nicht zu. Dass das Produkt im Vergleich zu herkömmlichen Desinfektionsmitteln die Haut nicht angreifen oder austrocknen solle etc., also lediglich „unschädlich“ sei, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Der Umweltbezug sei ebenfalls irreführend. Mit der Bezeichnung „bio/ökologisch“ verbinde der angesprochene Verbraucher eine rein natürliche, keine chemischen Substanzen enthaltende Beschaffenheit des betreffenden Produkts. Auch dem werde das Produkt nicht gerecht, weil rund 10 % der neben der Trägerflüssigkeit Wasser verwendeten, zur Desinfektion wirksamen Stoffe Natriumhypochlorit seien. Ferner dürfte der Verbraucher mit den Bezeichnungen „bio“ und „ökologisch“ eine umweltschonende und umweltfreundliche Abbaubarkeit des Stoffes verbinden, die bei einem Desinfektionsmittel ausgeschlossen sein dürfte, nachdem es gerade Zweck des Produkts sei, Mikroorganismen abzutöten. Hinzu komme, dass die Beklagte ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei, aufgrund der regelmäßig nur in Teilbereichen gegebenen besonderen Umweltfreundlichkeit oder Förderung der Gesundheit darzustellen, auf welche Eigenschaften genau sich „bio“ und „ökologisch“ beziehe. Ohne solche deutlich sichtbar herausgestellten aufklärenden Hinweise bestehe in besonders hohem Maß die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen würden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst würden. Die mit den Bezeichnungen „bio“, „ökologisch“ und „hautfreundlich“ geweckten Erwartungen seien geeignet, dem von der Beklagten angebotenen Produkt beim Kauf den Vorzug vor anderen Produkten zu geben und somit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Daneben verstoße die Beklagte auch gegen Art. 72 Abs. 3 und Art. 69 Abs. 2 Biozid-VO, weil die Bezeichnungen „bio“ und „ökologisch“ mit den beispielhaft aufgeführten Begriffen „unschädlich“, „natürlich“ und „umweltfreundlich“ gleichzusetzen seien und der Begriff „hautfreundlich“ über den Begriff „unschädlich“ hinausgehe.
21 
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte insgesamt mit ihrer Berufung.
22 
Die Beklagte macht geltend, das Landgericht überdehne den Anwendungsbereich der hier gegenständlichen Verbotsvorschriften und verkenne, dass die streitigen Bezeichnungen im maßgeblichen Gesamtkontext gerade nicht zur Irreführung geeignet seien. Es betrachte die einzelnen Bestandteile der Etikettierung isoliert, ohne die gesamte Produktaufmachung zu berücksichtigen und lasse offenkundig außer Betracht, dass auf einen informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen sei, dessen Verständnis über das des „normalen“ Verbrauchers hinausgehe. Das Landgericht verkenne, dass § 5 UWG im Hinblick auf die besondere Zielrichtung der besonderen Irreführungsverbote ausschließlich nach dem Maßstab der besonderen Irreführungsverbote auszulegen sei. Die besonderen Irreführungsverbote nach Art. 69 und 72 Biozid-VO gingen sogar den allgemeinen Bestimmungen und insbesondere § 5 UWG vor. Die beanstandeten Angaben auf dem Etikett sowie in der Werbung des Produkts verstießen nicht gegen Art. 72 Abs. 3 und Art. 69 Abs. 2 Biozid-VO und könnten daher auch nicht irreführend im Sinn von § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 UWG sein. Die Beklagte wiederholt und vertieft hierzu ihr erstinstanzliches Vorbringen.
23 
Die Beklagte b e a n t r a g t,
24 
das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 25. März 2021 (Az. 14 O 61/20 KfH) aufzuheben und dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.
25 
Der Kläger b e a n t r a g t,
26 
die Berufung zurückzuweisen.
27 
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
28 
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
29 
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.
30 
Die zulässige, hinsichtlich der drei angegriffenen Angaben kumulativ gehäufte Klage erweist sich nur hinsichtlich der jeweiligen Unterlassungsforderungen betreffend die Bezeichnungen „Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel“ sowie „Bio“ und im Zahlungsantrag wie vom Landgericht im Ergebnis zutreffend erkannt als begründet. Im Übrigen, nämlich im Unterlassungsbegehren betreffend die Bezeichnung „Hautfreundlich“, ist sie unbegründet. Insoweit war die Klage daher unter Änderung der erstinstanzlichen Verurteilung abzuweisen.
31 
1. Die Anspruchsberechtigung des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG hat das Landgericht zutreffend und unbeanstandet erkannt.
32 
2. Der Kläger geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass die hier beanstandeten geschäftlichen Handlungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) nach § 3 UWG jedenfalls dann wegen einer gemäß § 3a UWG unlauteren Handlung unzulässig sind, wenn die Beklagte damit einer der gesetzlichen Vorschriften in Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO zuwidergehandelt hat, sofern der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Denn diese Vorschriften sind auch dazu bestimmt, im Interesse der Verbraucher das Marktverhalten zu regeln, indem sie die Kennzeichnung und Werbung für Biozidprodukte nicht zuletzt mit Blick auf Gesundheits- oder Sicherheitsrisiken regulieren (vgl. OLG Frankfurt a.M., WRP 2021, 69, 70, 72; LG München I, Urteil vom 7. September 2020 - 4 HK O 9484/20 juris Rn. 52; siehe auch OLG Frankfurt a.M., WRP 2022, 82 zu Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 Biozid-VO; KG, MD 2017, 137, 141 zu Art. 72 Abs. 1 Biozid VO). Dies stellt die Berufung nicht in Abrede.
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3. Im Ergebnis mit Recht wendet sich die Berufung gegen die Annahme des Landgerichts, die Beklagte habe Art. 69 Abs. 2 Biozid-VO zuwidergehandelt. Eine solche Zuwiderhandlung der Beklagten liegt unabhängig von den mit der Berufung vorgebrachten Einwendungen nicht vor.
34 
Auf der Grundlage des Klagevorbringens ist nämlich nicht zu erkennen und spricht auch nichts dafür, dass die Beklagte überhaupt Normadressatin der hier in Rede stehenden Bestimmung in Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 Biozid-VO ist. Dort ist angeordnet, dass die Zulassungsinhaber zur Einhaltung von Art. 69 Abs. 1 Biozid-VO sicherstellen, dass das Etikett hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit nicht irreführend ist und keinesfalls Angaben wie „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthält. Dies gehört zu den Einstufungs-, Verpackungs- und Kennzeichnungspflichten, deren Adressat nach dem klaren Wortlaut der Zulassungsinhaber ist (vgl. ebenso § 69 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Biozid-VO; Senat, Urteil vom 25. November 2020 - 6 U 118/20, unveröffentlicht). Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck Zulassungsinhaber nach der Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. p Biozid-VO die in der Union niedergelassene Person, die für das Inverkehrbringen eines Biozidprodukts in einem bestimmten Mitgliedstaat oder in der Union verantwortlich und die in der Zulassung (Art. 3 Abs. 1 Buchst. m bis o, Art. 26 Biozid-VO) genannt ist. Inverkehrbringen in diesem Sinn meint die erste Bereitstellung eines Biozidprodukts oder einer behandelten Ware auf dem Markt (Art. 3 Abs. 1 Buchst. j Biozid-VO). Der Kläger behauptet weder, dass die Beklagte für die erste Bereitstellung des Produkts auf dem Markt verantwortlich sei, noch, dass sie in einer Zulassung desselben genannt sei. Dies liegt auch fern.
35 
Abgesehen davon ließe sich der Klageantrag nicht auf einen Verstoß gegen Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 Biozid-VO stützen, weil er nicht auf Fälle beschränkt ist, in denen die Beklagte Zulassungsinhaberin des betroffenen Desinfektionsmittels ist, sondern unabhängig davon gegen die im Klageantrag dort bezeichneten Vertriebs- bzw. Werbungshandlungen gerichtet ist.
36 
4. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht hingegen erkannt, dass die Beklagte mit den angegriffenen Verwendungen der Bezeichnungen „Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel“ sowie „Bio“ für ein Desinfektionsmittel jeweils Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO zuwidergehandelt hat. Die Beklagte hat nämlich damit jeweils gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO verstoßen, wonach die Werbung für ein Biozidprodukt auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten darf. Mit der ferner angegriffenen Verwendung der Angabe „Hautfreundlich“ hat die Beklagte hingegen – anders als vom Landgericht angenommen – nicht gegen die letztgenannte Vorschrift verstoßen.
37 
a) Die – nicht in Zweifel gezogene – Adressatenstellung der Beklagten ist hinsichtlich der Verbote nach Art. 72 Biozid-VO gegeben. Diese richten sich mangels persönlicher Beschränkungen an jedermann.
38 
b) Die Parteien gehen auch übereinstimmend zutreffend davon aus, dass es sich bei dem vorliegenden und den vom Antrag schlechthin erfassten Desinfektionsmitteln um Biozidprodukte (siehe auch Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Biozid-VO) handelt.
39 
Dazu gehört nämlich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Biozid-VO insbesondere ein Gemisch in der Form, in der es zum Verwender gelangt, und das aus einem oder mehreren Wirkstoffen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Biozid-VO) besteht, diese enthält oder erzeugt, das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Biozid-VO) zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen. Desinfektionsmittel im Allgemeinen sind aufgrund mindestens eines darin enthaltenen Wirkstoffs dazu bestimmt, Schadorganismen wie Krankheitserreger, etwa Viren oder Bakterien, zu bekämpfen. Das gilt insbesondere für das vorliegende Produkt mit dem Wirkstoff Natriumhypochlorit. Nach der unwidersprochenen Erläuterung der Beklagten handelt es sich dabei um ein Oxidationsmittel, das Sauerstoff abspaltet bzw. freisetzt, welcher die Membranen von Bakterien, Viren und Pilzen dahin beeinträchtigt, dass sie dem osmotischen Druck nicht mehr standhalten können.
40 
c) Die antragsgegenständlichen Handlungen, nämlich ein Desinfektionsmittel – jeweils im geschäftlichen Verkehr – mit bestimmten Angaben in der Werbung (auch im Internet) oder auf dem Produktetikett zu bezeichnen oder zu vertreiben, sind Teil der Werbung, die Art. 72 Biozid-VO regelt.
41 
Werbung in diesem Sinn liegt ausgehend von der Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. y Biozid-VO vor, wenn die fragliche Handlung ein Mittel zur Förderung des Verkaufs oder der Verwendung von Biozidprodukten durch gedruckte, elektronische oder andere Medien ist. Dies trifft auf sämtliche im Antrag genannten Handlungsvarianten zu. So fördert etwa auch das Vertreiben die Verwendung des Biozidprodukts. Ferner sind nicht nur die Darstellung des Produkts durch dessen Abbildung wie auch das Bereithalten weiterer Informationen, sondern auch die Angaben auf dem Produktetikett bei dessen Bereitstellung im geschäftlichen Verkehr (etwa durch Abbildung im Internet oder Vorhalten des Produkts im Selbstbedienungshandel, letzteres mit dem Etikett als dem Produkt anhaftendem gedrucktem Medium) Mittel zur Förderung des Verkaufs.
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d) Zutreffend hat das Landgericht die hier angegriffenen Angaben sinngemäß als „ähnliche Hinweise“ im Sinn von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO angesehen. Entgegen der Ansicht der Berufung beruht die landgerichtliche Beurteilung auch insoweit nicht auf einer Verletzung des Rechts.
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aa) Entgegen der Ansicht der Berufung bedarf es für die Bejahung einer Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift auch hinsichtlich der Variante „ähnliche Hinweise“ nicht der Feststellung, dass die jeweilige Angabe irreführend ist.
44 
Die Regelung in Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO überträgt die ebenfalls im Abschnitt „Information über die Biozidprodukte“ enthaltenen, an die Etikettierung durch den Zulassungsinhaber gestellten Anforderungen aus Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Biozid-VO sinngemäß auf die Werbung. Beide Regelungen untersagen zunächst eine Darstellung, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist (Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Var. 1, Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO). Daneben verbieten beide Regelungen die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise (Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Var. 2, Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO; in der englischen Fassung: ‘low-risk biocidal product’, ‘non-toxic’, ‘harmless’, ‘natural’, ‘environmentally friendly’, ‘animal friendly’ or any similar indication; in der französischen Fassung: «produit biocide à faible risque», «non toxique», «ne nuit pas à la santé», «naturel», «respectueux de l’environnement», «respectueux des animaux» ou toute autre indication similaire). Sie richten sich damit gegen dieselben Angaben, wobei die geringfügig voneinander abweichenden Formulierungen beider Bestimmungen insoweit ersichtlich keinen unterschiedlichen Regelungsgehalt begründen sollen. Die nur sprachlich weitere Fassung von Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Var. 2 Biozid-VO, wonach schon die Einleitung der Aufzählung deren beispielhaften Charakter klarstellt („Angaben wie [...]“) bedingt keine Abweichung von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO; vielmehr sind die (auch dort erwähnten) „ähnliche[n] Hinweise“ solche, die im Sinn von Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Var. 2 Biozid-VO „wie“ die beispielhaft aufgezählten Angaben sind.
45 
Schon aus Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO selbst und erst recht in der Gesamtschau mit Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Biozid-VO folgt, dass das im zweiten Teil der Regelungen unbedingt angeordnete Verbot („keinesfalls“ bzw. „in keinem Fall“) bestimmter Angaben unabhängig davon gilt, ob diese (tatsächlich) einen irreführenden Charakter im Sinn des ersten Teils der Regelungen haben. Es statuiert gleichsam eine „schwarze Liste“ verbotener Hinweise. Insoweit gilt nichts Besonderes hinsichtlich der letzten Variante der genannten Vorschriften, die dieses unbedingte Verbot auf Angaben erstreckt, die im Vergleich zu den vorangestellten Beispielen als „ähnliche Hinweise“ anzusehen sind. Die Variante „ähnliche Hinweise“ in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO wäre auch bei einer Beschränkung auf irreführende Werbung überflüssig, die bereits nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO verboten ist. Dass für die keinesfalls zulässigen Angaben („schwarze Liste“) nicht auf die konkrete Irreführung ankommt, zeigt sich besonders deutlich in Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Biozid-VO, wo dieses Verbot nach dem Wortlaut („und“) klar zusätzlich neben das Irreführungsverbot gestellt ist. Die danach gebotene Auslegung, dass auch im Fall „ähnliche[r] Hinweise“ das Verbot nicht von einem konkret irreführenden Gehalt der in Rede stehenden Angabe abhängt, ist demnach keine – von der Berufung befürchtete – unzulässige Verallgemeinerung oder analoge Anwendung von Begriffen einer schwarzen Liste. Der dahingehende Vergleich der Berufung mit dem Verbot nach Art. 5 Abs. 5 UGP-RL und § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. den jeweiligen Anhängen, das gerade nicht auch solche Handlungen einbezieht, die den ausdrücklich definierten stets unzulässigen Handlungen ähnlich sind, geht dementsprechend fehl. Im Übrigen ist es auch den dortigen Definitionen einzelner stets unzulässiger geschäftlicher Handlungen nicht fremd, bestimmte Handlungsvarianten zu benennen und das Verbot auf ihnen ähnliche Verhaltensweisen zu erstrecken (so etwa in der jeweiligen Nr. 20 des Anhangs I UGP-RL und des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG: „‚gratis‘, ‚umsonst‘, ‚kostenfrei‘ oder Ähnliches“ bzw. „[...] dergleichen“).
46 
Dabei liegt den Verboten in Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Var. 2, Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO die Erwägung zugrunde, dass in den dort genannten Fällen typischerweise diejenigen Gefahren bestehen, die eine Irreführung hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit kennzeichnen, welche vermieden werden soll. Es mag sich daher bei diesen Bestimmungen regelungstechnisch um eine gesetzliche Fiktion oder unwiderlegliche Vermutung eines irreführenden Charakters im Sinn von Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Var. 1 bzw. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozid–VO, der ein Verbot rechtfertigt, handeln (siehe OLG Frankfurt a.M., WRP 2021, 69, 72; LG Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 14 O 107/21, Anlage B 7, S. 9 unveröffentlicht). Jedenfalls aber verbieten damit Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Var. 2 und Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO die dort genannten und ähnlichen Angaben, schlechthin und unabhängig davon, inwieweit solche schädlichen Wirkungen beim konkreten Produkt tatsächlich bestehen und Fehlvorstellungen des Verkehrs diesbezüglich eintreten.
47 
bb) Nach dem klaren Verordnungswortlaut ist die Verwendung der in Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Var. 2, Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO genannten Angaben auf dem Etikett oder in der Werbung für Biozidprodukte auch unabhängig vom Äußerungszusammenhang verboten (zutreffend LG Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 14 O 107/21, Anlage B 7, S. 9, unveröffentlicht). Allerdings ist zu beachten, dass ein Fall der Werbung mit diesen Angaben nur dann vorliegt, wenn eine solche Angabe gerade derart in Alleinstellung verwendet wird, dass der Verkehr ihr einen entsprechenden, für sich abgeschlossenen Aussagegehalt über eine Eigenschaft des Produkts entnimmt. Eine Werbung wie „Dieses Insektizid ist für Katzen ungiftig“ würde daher zumindest nicht den Tatbestand des Verbots erfüllen, die Angabe „ungiftig“ in die Werbung aufzunehmen, sondern könnte allenfalls unter die Variante „ähnliche Hinweise“ fallen. Umgekehrt führt es nicht aus dem Verbot, wenn eine in Alleinstellung, mit für sich genommen abschließendem Sinngehalt verwendete Angabe aus der Menge der in der Vorschrift genannten Angaben an anderer Stelle der Werbung (sei es auch in der Nähe) erläutert wird. Entsprechendes gilt bei der Beurteilung der Zulässigkeit „ähnliche[r] Hinweise“. Denn das Verbot stellt allein auf die Ähnlichkeit zu den beispielhaft genannten Begriffen ab und statuiert insoweit nicht etwa für die Variante „ähnliche Hinweise“ einen Vorbehalt der Berücksichtigung des Äußerungszusammenhangs. Dieser ist daher auch insoweit nur für die vorgelagerte Frage in den Blick zu nehmen, worin die in ihrem Sinngehalt (unabhängig von etwaigen weiteren Erläuterungen) abgeschlossene Eigenschaftsangabe, also der „Hinweis“ besteht, dessen Unzulässigkeit dann allein noch davon abhängt, ob er für sich genommen den in der Verordnung aufgezählten Beispielen „ähnlich“ ist.
48 
cc) Unter den Begriff „ähnliche Hinweise“ fallen nicht nur solche Angaben, die mit den in der Vorschrift zunächst einzeln aufgezählten Angaben inhaltlich übereinstimmen. Er soll insbesondere solche, gegebenenfalls inhaltlich abweichende Angaben erfassen, deren hinweisender Gehalt (nur) in der Weise ähnlich ist, dass sie ausgehend vom Schutzzweck des Verbots wertungsmäßig gleichstehen, indem ihr Sinngehalt die charakteristischen Züge teilt, die dem Unwerturteil der Verordnung hinsichtlich der ausdrücklich genannten Begriffe zugrunde liegen. Die in der Verordnung aufgezählten Begriffe haben gemein, dass sie die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit (vgl. Art.69 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1; Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO) mit einer pauschalen Angabe verharmlosen. Die beispielhaft verbotenen Angaben zielen auf eine Abwesenheit („ungiftig“, „unschädlich“) oder eine Begrenzung („mit geringem Risikopotential“) solcher Risiken, auf eine hinsichtlich allgemein auf Tier oder Umwelt in nicht bezeichneter Weise günstige Wirkung („umweltfreundlich“, „tierfreundlich“) oder auf einen allgemeinen Einklang mit der Ökologie („natürlich“). Als „ähnlich“ vom Verbot erfasst sind danach Hinweise auf die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit, die in ihrer pauschalen Verharmlosung den beispielhaft genannten Angaben gleichstehen. Zur Feststellung des generalisierenden Gehalts des Hinweises, der den Verbotstatbestand mithin kennzeichnet, genügt es noch nicht, wenn der in Rede stehende Hinweis sich einer der beispielhaft genannten Angaben in der Weise zuordnen lässt, dass Letztere den Oberbegriff bildet (vgl. LG Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 14 O 107/21, Anlage B 7, S. 9, unveröffentlicht).
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Die Verordnung will nicht schlechthin Angaben – unabhängig von ihrem am Irreführungsverbot zu messenden Wahrheitsgehalt – verhindern, die sich mit dem Vorhandensein und gegebenenfalls Ausmaß oder Fehlen bestimmter Gefahren, Wirkungen des Produkts hinsichtlich Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder dessen Wirksamkeit befassen. Sonst liefen die Irreführungstatbestände leer. Die Verordnung lässt auch nicht erkennen, dass von den erlaubten (insbesondere nicht irreführenden) Angaben sämtliche, also auch substantiierte spezifische Hinweise ausnehmen will, die sich auf fehlende oder geringe Risiken oder gar günstige Wirkungen des Produkts in bestimmter Hinsicht beziehen. Derartiges hätte der Verordnungsgeber einfach durch eine abstrakte Regelung anordnen können, anstatt – wie geschehen – den Verbotsbereich durch eine nicht abschließende Auflistung einzelner Begriffe zu umschreiben. Auch dies spricht für eine enge Auslegung des Merkmals „ähnliche Hinweise“ dahin, dass sämtliche den beispielhaften Begriffen der Aufzählung gemeinsamen Eigenschaften, also nicht nur deren verharmlosender Gehalt, sondern gerade auch deren Pauschalität, vorliegen müssen (vgl. LG Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 14 O 107/21, Anlage B 7, S. 9, unveröffentlicht).
50 
Unergiebig für die Bestimmung der Ähnlichkeit im Sinn des hier betroffenen Verbots ist hingegen, dass die von der Berufung angeführte Vorschrift in Art. 90 Buchst. j und k der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel bestimmte Bezugnahmen und bildliche Darstellungen verbietet, wenn sie missbräuchlich, abstoßend oder irreführend sind. Die selbständigen Tatbestandsvarianten „missbräuchlich“ und „abstoßend“ sind danach in der Werbung für Arzneimittel ebenso wie eine Irreführung missbilligt. Schon insoweit lässt sich daraus nicht auf ihre inhaltliche Verwandtschaft mit dem Begriff „irreführend“ schließen. Erst recht ergibt sich daraus nichts für die Auslegung des Begriffs „ähnliche Hinweise“ in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO, der eine im Ergebnis ebenso wie irreführende Werbung nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO missbilligte Werbung benennt. Die genannte Richtlinie beansprucht keine Geltung für Biozidprodukte.
51 
dd) Entgegen der Ansicht der Berufung ist der Kreis der Angaben, die als „ähnliche Hinweise“ verboten sind, nicht relativ nach dem Gefährdungspotential der betroffenen Biozidproduktart (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 Biozid-VO i.V.m. Anhang V) zu bestimmen.
52 
Eine solche Auslegung wäre mit dem Verordnungswortlaut und der Systematik nicht in Einklang zu bringen. Die Erwägungsgründe (etwa 38, 69) der Verordnung haben im Blick, dass es Biozidprodukte gibt, die geringere Risiken für Mensch, Tier und Umwelt als andere bzw. ein niedriges Risikopotential aufweisen. Den in Art. 69, 72 Biozid-VO klar dokumentierten Willen des Verordnungsgebers, gleichwohl ein unterschiedslos für alle vom Anwendungsbereich der Verordnung umfassten Biozide geltendes Verbot insbesondere bestimmter (aufgezählter und ähnlicher) Angaben zu schaffen, darf die Rechtsanwendung nicht außer Acht lassen. Die genannten Verbote sind ebenso unabhängig davon, dass die Verordnung für Biozidprodukte mit einem günstigeren Profil für die Umwelt oder die Gesundheit von Mensch oder Tier (als dem anderer Biozidprodukte) zur Förderung deren Verwendung vereinfachte Zulassungsverfahren vorsieht (Erwägungsgründe 29 ff, Art. 19, 25 ff Biozid-VO) und bezweckt, dass Biozidprodukte, die geringere Risiken für Mensch, Tier und Umwelt aufweisen (als andere Biozidprodukte), nach Möglichkeit präferiert werden sollten (Erwägungsgrund 38). Der von der Berufung angeführte Umstand, dass eine Meldepflicht (auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006) bei einem Biozidprodukt nicht besteht, wenn es sich um ein Gemisch handelt, das nicht ausschließlich aufgrund von Umwelt- oder Explosionsgefahr eingestuft ist, ist ohnehin unerheblich für die davon nicht berührte Frage, wie die Regelungen zur Werbung in Art. 73 Biozid-VO auszulegen sind.
53 
Im Übrigen weist die Berufungserwiderung mit Recht darauf hin, dass für eine solche Auslegung auch mit Rücksicht auf das Ziel der Verordnung, den freien Verkehr von Biozidprodukten innerhalb der Union zu verbessern und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten (Erwägungsgründe Rn. 1, 76), nicht veranlasst ist. Nicht nur das Maß der Schädigungseignung des Produkts, sondern auch der Umgang damit bestimmen im Ergebnis die Gefährdung der genannten Schutzgüter. Gerade Biozide wie zur Anwendung auf der menschlichen Haut bestimmte Desinfektionsmittel, deren gemäßigte Schädigungseignung dem Verkehr bekannt ist, können einem sorgloseren Umgang und umfangreicherer Anwendung unterliegen, als Biozide, die aufgrund ihrer ausgeprägten Schädigungseignung üblicherweise nur restriktiv und insbesondere durch fachkundiges Publikum verwendet werden. Insoweit ist das generelle Verbot der Werbung mit pauschalen Verharmlosungen gerade bei weniger schädlich wirkenden Produkten geeignet, Gefahren entgegenzuwirken, die deren unsachgemäße Handhabung (etwa bei der Entsorgung) auf Mensch, Tier oder Umwelt begründen kann.
54 
ee) Soweit die Beklagte geltend macht, die nach Art. 12, 14 GG oder Art. 6 AEUV i.V.m. Art. 16 GRCh gewährleistete Werbefreiheit von Unternehmern verbiete eine Auslegung von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO, wonach sich nahezu jede Bezeichnung unter „ähnliche Hinweise“ fassen ließe, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die Vorschrift unterliegt zumindest mit der hier gefundenen Auslegung keinen Bedenken unter dem Gesichtspunkt höherrangigen Rechts.
55 
ff) Bei dieser Auslegung der Norm fallen nur der Hinweis „ökologisch“ in der hier angegriffenen Bezeichnung „Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel“ und der Hinweis „Bio“ unter das Verbot einer Werbung, welche „ähnliche Hinweise“ im Sinn von gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO enthält, nicht hingegen die zudem angegriffene Angabe „hautfreundlich“.
56 
(1) Die Angabe „ökologisch“ in der in der hier angegriffenen Bezeichnung „Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel“ ist nach der genannten Vorschrift unzulässig.
57 
(a) Maßgeblich für die zunächst erforderliche Bestimmung des Sinngehalts der Angabe ist die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbrauchers, wobei alle einschlägigen Gesichtspunkte sowie sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren zu berücksichtigen sind (zu anderen Regelungen über Produktkennzeichnung/–werbung EuGH, WRP 2018, 1049 Rn. 1052 - Dyson u. a./BSH Home Appliances; WRP 2021, 173 Rn. 35 - A. M./E. M.).
58 
(b) Wie bereits das Landgericht kann der Senat über das Begriffsverständnis aus Sicht des maßgeblichen Durchschnittsverbrauchers auf der Grundlage des Parteivortrags und seiner eigenen Sachkunde ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens selbst entscheiden, weil seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (vgl. BGHZ 156, 250, 256 - Marktführerschaft; BGH, GRUR 2019, 631 Rn. 30 - Das beste Netz) und er zudem unabhängig davon aufgrund seiner ständigen Befassung mit Wettbewerbs- und Kennzeichenstreitsachen in der Lage ist, das Verkehrsverständnis anhand seiner Erfahrungen selbst zu beurteilen (vgl. BGHZ 156, 250, 256 - Marktführerschaft; BGH, GRUR 2014, 1211 Rn. 20 - Runes of Magic II; Beschluss vom 28. Mai 2020 - I ZR 190/19 juris Rn. 12 mwN).
59 
(c) Die – schon in ihrer Farbgebung und nach der Gesamtgestaltung – vom übrigen Inhalt des Etiketts abgesetzte angegriffene Bezeichnung besteht aus einer die Produktkategorie definierenden Funktionsangabe („Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“) und dem hinzugesetzten Attribut „Ökologisches“. Auch wenn die Ökologie nach Wortsinn und wissenschaftlicher Verwendung lediglich ohne Werturteil die Beziehungen der Lebewesen zueinander und zur unbelebten Natur erforscht und beschreibt, versteht der angesprochene Durchschnittsverbraucher den umgangssprachlichen Begriff „ökologisch“ in dem hier interessierenden Zusammenhang als für sich abgeschlossenen Hinweis auf eine Produkteigenschaft. Diese liegt nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers im vorliegenden Zusammenhang darin, dass zur Gewinnung bzw. Erzeugung oder für die Wirkung des Produkts natürlich vorkommende Stoffe und Wirkungen genutzt oder das natürliche Gleichgewicht (möglichst) wenig oder wenigstens nicht durch in der Natur nicht vorkommende Wirkungsmechanismen beeinträchtigt wird, etwa indem das Produkt auf synthetisch erzeugte oder zumindest auf in der Natur nicht vorkommende Stoffe (wie sich umgangssprachlich mitunter als „chemische“ Stoffe bezeichnet werden) verzichtet. Zusammenfassend wird also nach diesem Begriffsverständnis ein möglichst schonender Umgang mit Umweltressourcen bezeichnet. Dies hat auch das Landgericht im Kern zutreffend erkannt. Hingegen wird der angesprochene Verkehr der hier in Rede stehenden Wendung bei der Darstellung eines Biozids, insbesondere eines Desinfektionsmittels, nicht – wie die Berufung meint und (nur) vom reinen Wortsinn her theoretisch denkbar wäre – einen bloßen Hinweis darauf entnehmen, dass das Produkt irgendwie die „Ökologie“ im Sinn der Wechselbeziehungen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt betrifft. Dass eine solche selbstverständliche Einordnung eines Biozids an prominenter Stelle zur Produktbeschreibung zum Ausdruck gebracht werden soll, liegt aus Sicht der Verbraucher fern.
60 
(d) Die mit diesem Inhalt als „Hinweis“ im Sinn von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO zu prüfende Angabe der Eigenschaft „ökologisch“ erweist sich als „ähnlich“ zu den in dieser Vorschrift aufgezählten Begriffen. Sie stimmt schon inhaltlich mit dem verbotenen Begriff „natürlich“ überein, worauf das Landgericht mit Recht hingewiesen hat. Zumindest aber ist sie mit diesem eng verwandt und bringt eine gleichermaßen pauschale Verharmlosung der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Einklangs mit der Ökologie durch schonenden Umgang mit Naturressourcen zum Ausdruck. Entsprechendes mag im Übrigen hinsichtlich einer Nähe zum Begriff „umweltfreundlich“ gelten. Darauf kommt es aber nicht mehr entscheiden an. Dahinstehen kann auch, ob – was allerdings zweifelhaft ist – das Attribut „ökologisch“ in seinem Sinngehalt (auch) mit dem Begriff „unschädlich“ gleichzusetzen ist. Im Maß der Verallgemeinerung entspricht der Hinweis „ökologisch“ jedenfalls (auch) den übrigen in der Norm genannten Beispielen unzulässiger Hinweise.
61 
(e) Der Senat teilt nicht die – der vorliegenden Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit widersprechende – Ansicht des als Anlage B 1 vorgelegten Prüfberichts der Eurofins CPT GmbH, der es für nach Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO erlaubt hält, dass das vorliegende Etikett Begriffe wie „Bio“ verwendet. Dem vorliegend gefundenen Ergebnis steht auch nicht der von der Berufung angeführte Umstand entgegen, dass Art. 24 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates erlaubt, die Verwendung bestimmter Mittel zur Desinfektion in der ökologischen/biologischen Produktion zuzulassen. Dies gibt nichts dafür her, wie in der Werbung für das Desinfektionsmittel selbst ein Hinweis wie „biologisch“ oder „ökologisch“ verstanden wird und verwendet werden darf.
62 
(2) Die hier ferner verwendete Angabe „Bio“ für ein Desinfektionsmittel ist entsprechend den vorstehenden Erwägungen ebenfalls unzulässig.
63 
(a) Diese ist auf dem vorliegenden Etikett eine in sich geschlossene, insofern also in Alleinstellung verwendete Angabe einer Produkteigenschaft. Sie ist insbesondere inhaltlich unabhängig von den (auch durch Punkte von ihr getrennten) weiteren Aussagen „Hautfreundlich“ und „ohne Alkohol“ in derselben Zeile des Etiketts. Diese drei schlagwortartigen Angaben sind inhaltlich wiederum losgelöst von der darüber stehenden Funktions- und Wirkungsbeschreibung als „Haut-, Hände- und Oberflächendesinfektion“.
64 
(b) Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der angesprochene Verkehr diese isolierte Angabe „Bio“ im Zusammenhang mit einem Desinfektionsmittel synonym zu dem im oben dargestellten Sinn verstandenen Begriff „ökologisch“ versteht. Er entspricht deshalb ebenfalls der in der Verordnung ausdrücklich genannten und untersagten Bezeichnung „natürlich“. Entgegen der Ansicht der Berufung versteht er diese nicht etwa als einen Hinweis darauf, dass die Wirkung des Produkts den Gegenstand der Biologie betrifft oder dergleichen. Zwar bedeutet „Biologie“ im Wortsinn und nach der wissenschaftlichen Verwendung lediglich wertfrei „Wissenschaft von der belebten Natur“. Gleichwohl verstehen die maßgeblichen Verkehrskreise das Attribut „biologisch“ im hier interessieren Zusammenhang (vergleichbar etwa der synonymen umgangssprachlichen Verwendung von „ökologischer“ oder „biologischer“ Landwirtschaft) als bloße Bezeichnung bzw. Behauptung eines schonenden Umgangs mit Umweltressourcen. Deshalb liegt aus den bereits ausgeführten Gründen auch darin ein unzulässiger „ähnlicher Hinweis“ im Sinn von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO.
65 
(3) Nicht unter Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO fällt hingegen die Angabe „Hautfreundlich“.
66 
(a) Auch diese wird vom Verkehr in der vorliegenden Verletzungsform aus den bereits ausgeführten Gründen als ein in sich abgeschlossener, alleinstehender Hinweis auf eine „hautfreundliche“ Produkteigenschaft erkannt, der daher als solcher darauf zu prüfen ist, ob er im Sinn der genannten Vorschrift „ähnlich“ ist.
67 
(b) Dies ist nicht der Fall.
68 
(aa) Ob die Tatbestandsvariante „ähnliche Hinweise“ in Art. 69 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO wie hier in Rede stehende Angaben zu Hautverträglichkeit oder –freundlichkeit erfasst, ist umstritten.
69 
Wie in der hier angefochtenen Entscheidung (LG Karlsruhe, Urteil vom 25. März 2021 - 14 O 61/20 KfH, juris Rn. 35) für den Begriff „hautfreundlich“ ist dies in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (LG Dortmund, PharmR 2021, 313, 318) etwa für den ihm nahekommenden Begriff „hautverträglich“ mit Blick auf eine vermeintliche Entsprechung zum Begriff „unschädlich“ mitunter bejaht worden. Im Ergebnis ebenso sind unter anderem die Angaben „feuchtigkeitsspendend“ und „pflegend“ mit der Begründung als „ähnliche Hinweise“ eingeordnet worden, sie relativierten die Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Umwelt (LG Essen, Urteil vom 19. Mai 2022 - 43 O 51/21, Anlage K 7, unveröffentlicht).
70 
Nach anderer Auffassung fallen die Aussage „sanft zur Haut“ und Aussagen, die dem Biozid „hautfreundliche“ Eigenschaften oder „Hautverträglichkeit“ zuschreiben, nicht unter das Verbot ähnlicher Hinweise im Sinn von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO, weil sie eine konkrete Produktwirkung auf ein spezifisches Organ des Menschen herausgriffen, ohne das Risikopotential des Biozid-Produkts verallgemeinernd mit einem mit den ausdrücklich verbotenen Hinweisen vergleichbaren Generalisierungsgrad in Abrede zu stellen (LG Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 14 O 107/21, Anlage B 7, S. 4, 9 f, unveröffentlicht). Mitunter wird zumindest Zurückhaltung bei der Anwendung von Art. 69 Abs. 2 und 72 Abs. 3 Biozid-VO im Fall von Hinweisen auf gute dermatologische Verträglichkeit gefordert (Breuer, GRUR-Prax 2021, 505).
71 
Der Senat (Urteil vom 25. November 2020 - 6 U 118/20, unveröffentlicht) konnte die Frage, ob die Bedeutung der Angabe „hautverträglich“ zu einem Biozid im Sinn der genannten Regelungen „ähnlich“ ist, bislang offenlassen.
72 
(bb) Eine solche Ähnlichkeit ist jedenfalls für das hier in Rede stehende Attribut „hautfreundlich“ zu verneinen.
73 
(aaa) Der angesprochene Durchschnittsverbraucher knüpft an eine „hautfreundliche“ Qualität eines Desinfektionsmittels die Erwartung, dass dessen Anwendung die Haut in irgendeiner Weise und nicht näher bestimmtem Ausmaß schone, wobei sie möglicherweise, aber nicht notwendig die Haut sogar (überhaupt) nicht schädige. Entgegen der Ansicht des Landgerichts entnimmt der angesprochene Verbraucher dieser Angabe zu einem Desinfektionsmittel nicht darüber hinaus, dass sich das Produkt auf seine Haut positiv, also die Gesundheit oder das Wohlbefinden über den status quo hinaus fördernd auswirke.
74 
Dem steht nicht entgegen, dass sich ein Fehlen negativer Eigenschaften mit dem Begriff „hautneutral“ beschreiben ließe. Letzterer ist schon entgegen der Einschätzung des Landgerichts nicht mit diesem vermeintlichen Bedeutungsgehalt gängig und dem durchschnittlichen Verbraucher bekannt. Allenfalls die Wendung „pH hautneutral“ mag verbreitet anzutreffen sein. Sie betrifft lediglich die Eigenschaft, dass ein Präparat sich nicht gerade aufgrund einer vom pH-Wert der Hautoberfläche abweichenden Acidität oder Basizität auf die Haut auswirkt. Zudem rechtfertigt allein die Möglichkeit, einen anderen, dem Verkehr vermeintlich mit bestimmter Bedeutung geläufigen Begriff zu verwenden, nicht den Umkehrschluss, der Verkehr könne einen anderen (selbst einen weniger geläufigen) Begriff nicht synonym verstehen. Abgesehen davon setzt eine Bezeichnung als „hautfreundlich“ nach dem Verkehrsverständnis aus den nachfolgenden Gründen gerade nicht voraus, dass (insoweit im Sinn von „hautneutral“) keine negativen Auswirkungen auf die Hautgesundheit zu befürchten seien.
75 
Die vorliegende Attestierung einer „hautfreundlichen“ Eigenschaft schließt (auch nachteilige) Auswirkungen auf die Hautgesundheit nicht generell aus. Im allgemeinen Sprachgebrauch kann der Begriff „hautfreundlich“ bedeuten, dass die Anwendung der Haut nicht schadet oder sie nicht angreift; er kann aber auch bloß meinen, dass die Anwendung angenehm oder schonend für die Haut ist (vgl. „hautfreundlich“ auf Duden online, URL: https://www.duden.de/node/143298/revision/625135 Stand: 13.11.2021). Er wird auch nach den Erfahrungen des Senats dementsprechend gerade bei Präparaten, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung in Hautkontakt geraten können, auch verwendet, um lediglich anzugeben, dass die Haut mit Blick auf Schäden, die bei der betreffenden Anwendung eines funktional entsprechenden Präparats im Allgemeinen in Betracht kommen, geschont wird, also dass solche Schäden in gewissem Maß oder hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts begrenzt werden. Ohne weitergehende Anhaltspunkte versteht der Verbraucher die „Freundlichkeit“ mithin bloß dahin, dass das Produkt auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden seiner Haut Rücksicht nimmt, beispielsweise – relativ – mehr, als dies bei funktional entsprechenden Produkten der Fall sein mag. Dies entspricht auch der Verwendung des Wortbestandteils „freundlich“ in Begriffen wie umweltfreundlich. So wird etwa vom Betrieb eines umweltfreundlichen Transportmittels keine Verbesserung, sondern nur eine Schonung der Umwelt erwartet, ohne deren Beeinträchtigung gänzlich auszuschließen.
76 
Dies alles gilt umso mehr für das Verständnis einer solchen Angabe für ein Desinfektionsmittel, dessen Wirkung bestimmungsgemäß gegen die Integrität bestimmter Organismen gerichtet ist (und allenfalls dadurch mittelbar die Gesundheit des Anwenders fördern mag) und herkömmlicherweise nicht etwa wegen einer unmittelbar gesundheitsförderlichen Wirkung seiner Inhaltsstoffe angewendet wird. Gerade hier entnimmt der Verkehr dem Attribut „hautfreundlich“ nur eine Relativierung schädlicher Nebenwirkungen (siehe auch LG Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 14 O 107/21, Anlage B 7, S. 10 f, unveröffentlicht).
77 
(bbb) Mit dem so bestimmten Sinngehalt der Angabe „hautfreundlich“ aus Sicht des angesprochenen Verkehrs ist dieser Hinweis nicht den in Art. 73 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO aufgezählten Begriffen ähnlich.
78 
Dies gilt letztlich unabhängig davon, ob sie – wie das Landgericht meint – eine (unmittelbare) positive Wirkung, eine bloße Unschädlichkeit oder lediglich eine Begrenzung des Risikopotentials für die Haut erwarten lässt. Zu den Begriffen der „schwarzen Liste“ gehört mit der Wendung „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“ gerade auch ein Hinweis, dessen Inhalt die Risiken des Biozids für die Schutzgüter ausdrücklich zugesteht und nur relativiert. Abgesehen davon entsprechen weitere der normierten Beispiele, nämlich die Angaben „umweltfreundlich“ und „tierfreundlich“ jedenfalls hinsichtlich des Maßes an Schädigungsneigung gerade dem hier verwendeten Begriff „hautfreundlich“.
79 
Das Attribut „hautfreundlich“ ist aber unter dem Gesichtspunkt des Gegenstands der in Rede stehenden Wirkungen den in der Verordnung genannten Angaben nicht ähnlich. Es relativiert das Risikopotential des Produkts oder seiner Wirkungen und deren Schädigungseignung weder allgemein (wie „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „unschädlich“, „ungiftig“) noch wenigstens speziell hinsichtlich eines der Schutzgüter umfassend (Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt; dazu etwa OLG Frankfurt a.M., WRP 2021, 69, 72; siehe auch in der französischen Fassung: «ne nuit pas à la santé») in pauschaler Weise. Es beschreibt vielmehr – wenn auch insoweit sehr allgemein – die Produktwirkung auf ein spezifisches Organ, nämlich die Haut des Menschen. Dass die Verordnung auch – über (wirklich) irrführende Angaben hinaus, ungeachtet des jeweiligen Äußerungszusammenhangs und unabhängig von den insoweit etwa relevanten wirklichen Eigenschaften des Produkts – derartige weitgehend substanzlose Werbeaussagen schlechthin verbieten soll, ist nicht zu erkennen (vgl. LG Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 14 O 107/21, Anlage B 7, S. 9 f, unveröffentlicht). Der Senat vermag daher der abweichenden Einschätzung in der durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen zusammen mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) erstellten Übersicht von vermeintlich unzulässigen, weil verharmlosenden Aussagen zu Bioziden (Anlage K 6) nicht zu folgen, soweit diese dazu etwa die Aussage „hervorragend hautverträglich“ zählen will.
80 
5. Soweit die Beklagte gegen Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO verstoßen hat, ist dies auch im Sinn von § 3a UWG geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
81 
Die Frage, ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung besteht, ist nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Marktverhaltensregelung zu beurteilen (BGH, GRUR 2019, 1071 Rn. 54 - Brötchen-Gutschein). Verstöße gegen Marktverhaltensregelungen, die den Schutz der Gesundheit der Verbraucher bezwecken, sind ohne Weiteres geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, GRUR 2018, 745 Rn. 13 mwN - Bio-Gewürze II; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 3a Rn. 1.102 mwN). Bei Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO handelt es sich um eine solche, unter anderem dem Gesundheitsschutz dienende Marktverhaltensregelung. Abgesehen davon ergibt sich die Spürbarkeit auch daraus, dass die vorliegenden Zuwiderhandlungen geeignet sind, den durchschnittlichen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Denn eine Werbung mit den Begriffen „ökologisch“ oder „bio“ ist jeweils geeignet, den Verbraucher zu der Annahme – ob diese zutrifft ist nach Art. 73 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO gerade unerheblich – zu veranlassen, das Produkt habe eine bei nicht jedem anderen Desinfektionsmittel gegebene Eigenschaft, die es in irgendeiner Weise (bei der Herstellung, Verwendung oder Entsorgung) umweltfreundlich und daher gegenüber manchen funktional austauschbaren Produkten vorzugswürdig machten. Dies kann die Kaufentscheidung des durchschnittlich umweltbewussten Verbrauchers beeinflussen.
82 
6. Der vom Landgericht angenommene Verstoß der Verwendung der Angabe „Hautfreundlich“ für ein Desinfektionsmittel gegen Art. 72 Biozid-VO lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt des Irreführungsverbots nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Biozd-VO nicht erkennen, wonach das Produkt in der Werbung für Biozidprodukte nicht in einer Art und Weise dargestellt werden darf, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist.
83 
a) Die vorliegende stehende Darstellung als „Hautfreundlich“ fällt allerdings in den Anwendungsbereich dieses besonderen Irreführungsverbots, weil sie sich auf die Risiken des vorliegenden Biozidprodukts für die Gesundheit des Menschen, hier konkret dessen Haut, bezieht.
84 
b) Sie ist aber nicht irreführend.
85 
aa) Für die Auslegung des Merkmals „irreführend“ kann auf die zu § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Für die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung im Sinn von § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft. Sie ist irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH, GRUR 2014, 88 Rn. 30 mwN - Vermittlung von Netto-Policen; GRUR 2019, 1202 Rn. 18 - Identitätsdiebstahl). Bilden wie hier die Verbraucher einen angesprochenen Verkehrskreis, kommt es bei der Irreführungsgefahr auf die Auffassung des durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, an (vgl. BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 27 mwN - Tiegelgröße; GRUR 2019, 631 Rn. 30 - Das beste Netz; siehe auch BGH, GRUR 2014, 1013 Rn. 33 - Original-Bach-Blüten). Der Grad seiner Aufmerksamkeit ist von der jeweiligen Situation und vor allem von der Bedeutung abhängig, die die beworbenen Waren (oder Dienstleistungen) für ihn haben. Bei geringwertigen Gegenständen des täglichen Bedarfs oder beim ersten Durchblättern von Werbebeilagen oder Zeitungsanzeigen ist seine Aufmerksamkeit regelmäßig eher gering, so dass er die Werbung eher flüchtig zur Kenntnis nehmen wird (BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 27 mwN - Tiegelgröße). Dagegen wird der Verbraucher eine Angabe mit situationsadäquat gesteigerter Aufmerksamkeit zur Kenntnis nehmen, wenn er für die angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen erheblichen Preis zu zahlen hat (BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 27 mwN - Tiegelgröße). Maßgeblich für den Grad der Aufmerksamkeit des Verbrauchers ist außerdem die Art und Bedeutung der angebotenen Ware oder Dienstleistung (BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 27 mwN - Tiegelgröße).
86 
bb) In Anwendung dieser Maßstäbe ist eine Irreführung zu verneinen.
87 
(1) Der Senat geht davon aus, dass der durchschnittlich informierte und verständige Durchschnittsverbraucher, der der Werbung einschließlich des Inhalts des Etiketts bei der Befassung mit dem hier beworbenen geringwertigen Gegenstand des täglichen Bedarfs eher geringe Aufmerksamkeit entgegenbringen wird (vgl. LG Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 14 O 107/21, Anlage B 7, S. 10 , unveröffentlicht), die Bezeichnung des Desinfektionsmittels als „Hautfreundlich“ dahin versteht, dass dessen Anwendung auf der Haut diese in irgendeiner Weise in nicht näher bestimmtem Ausmaß schone, ohne notwendig jede Hautschädigung zu vermeiden. Insbesondere eine die Hautgesundheit unmittelbar (fördernde) Wirkung der Inhaltsstoffe des Produkts schließt er daraus nicht. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Produktdarbietung und -bewerbung ergibt sich nach der Sicht des Durchschnittsverbrauchers keine weitergehende Bedeutung der Aussage „Hautfreundlich“. Selbst wenn weitere Angaben des Etiketts oder der Produktwerbung im Internet überhaupt mit in den Blick des Verbrauchers geraten, geben diese zumindest keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit der Bezeichnung als „hautfreundlich“ hier gar pflegende Eigenschaften oder wenigstens die völlige Abwesenheit die Hautgesundheit schädigender oder gefährdender Wirkungen angesprochen seien. Insbesondere der Hinweis des Etiketts auf die „pH-neutral[e]“ Eigenschaft und die Zusammensetzung „ohne Alkohol“ und „ohne Aldehyde, Farb- und Duftstoffe“ oder die zusätzliche Bezugnahme der Produktbeschreibung darauf, dass das Produkt „Von D[...] mit ‚sehr gut‘ bewertet“ sei, veranlassen nicht zu derartigen Schlüssen.
88 
(2) Dass die tatsächlichen Verhältnisse davon abweichen, zeigt der insoweit darlegungsbelastete Kläger nicht auf.
89 
Dass das hier beworbene Produkt unstreitig die Hautgesundheit nicht fördern mag, genügt dafür angesichts des vorstehend festgestellten Verkehrsverständnisses nicht. Dasselbe gilt, wenn die Verwendung des Produkts gewisse nachteilige Wirkungen auf die Hautgesundheit oder dahingehende Risiken bringen sollte. Es ist daher unerheblich, ob dessen Wirkstoff Natriumhypochlorit – wie der Kläger ausführt – auch in Chlorreinigern eingesetzt werde, von denen bekannt sei, dass sie zu Verätzung von Haut und Augen und bei unsachgemäßer Anwendung zusammen mit bestimmten anderen (säurehaltigen) Reinigungsmittel zur Bildung von giftigem Chlorgas führen könnten.
90 
Es kann dahinstehen, ob sich eine Irreführung ergeben könnte, wenn das vorliegende Produkt nicht einmal in dem Sinn die Haut schonen würde, dass sein Hautschädigungspotential geringer als das funktional austauschbarer Desinfektionsmittel ist. Das Fehlen einer solchen relativen Hautfreundlichkeit behauptet der Kläger nämlich nicht. Schon deshalb ist die Irreführung zu verneinen.
91 
Wenngleich es aufgrund der Verteilung der Darlegungslast darauf nicht entscheidend ankommt, ist im Übrigen sogar vielmehr davon auszugehen, dass (zugelassene) Desinfektionsmitteln zum Gebrauch auf der Haut erhältlich sind, die zumindest in gewisser Hinsicht ein höheres Schädigungspotential für die Haut haben (etwa solche mit Alkohol) als das hier beworbene Produkt. Die Klageschrift äußert zwar die Ansicht, jedenfalls „nach dem außergerichtlichen Schriftsatz“ der Beklagten sei das Produkt „anscheinend“ nicht verträglicher für die menschliche Haut als andere für die Handdesinfektion bestimmte Produkte. Die Beklagte hat im Prozess indes darauf hingewiesen, dass viele vergleichbare Produkte Inhaltsstoffe, namentlich Alkohol, enthalten, die – im Gegensatz zu dem hier beworbenen Produkt – zu Hautunverträglichkeiten, Juckreiz oder einem schnellen Austrocknen der Haut führen können. Ferner hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass das vorliegende pH-neutrale Desinfektionsmittel den natürlichen Säureschutzmantel der Haut nicht angreift und damit besser verträglich ist als andere Desinfektionsmittel, insbesondere, dass der Wirkstoff Natriumhypochlorit pH-neutral ist und die Hände auch bei häufiger Anwendung weder austrocknet noch allergische Reaktionen hervorruft. Dem ist der Kläger nicht konkret entgegengetreten. In der Bemerkung des Klägers, es sei keineswegs unstreitig, dass das Produkt „hautfreundlich“ sei, liegt kein diesen Umständen widersprechender Sachvortrag. Soweit der Kläger die Aussagekraft des „D[...]“-Siegels und der seiner Verleihung zugrunde liegenden Studie in Zweifel zieht (und dazu Sachverständigenbeweis anbietet), ergeben sich daraus noch keine für den Kläger günstigen Tatsachen betreffend die Wirkung des Produkts (siehe auch LG Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 14 O 107/21, Anlage B 7, S. 11, unveröffentlicht). Im Übrigen hat der Kläger keinen Beweis dafür angeboten, dass das hier beworbene Produkt nicht hautverträglicher als (manche) andere wäre.
92 
(3) Eine Irreführung ergäbe sich im Übrigen selbst dann nicht, wenn man die Angabe „Hautfreundlich“ allgemein oder zumindest hier dahin verstehen wollte, dass die Anwendung des beworbenen Desinfektionsmittels ohne die Gefahr eines Nachteils für die Hautgesundheit sei, das Mittel also – mit anderen Worten – nicht nur für die Desinfektion von Oberflächen von Sachen, sondern auch der menschlichen Haut insbesondere der Hände geeignet sei. Denn der Kläger legt nicht einmal Umstände dar, wonach dies beim hier beworbenen Produkt der Wirklichkeit widerspräche. Er nennt keine nachteilige Auswirkung der Anwendung gerade dieses Produkts auf die Hautgesundheit. Die – im Übrigen auch nicht unter Beweis gestellten – Ausführungen des Klägers zum Gefährdungspotential von Chlorreinigern lassen nicht erkennen, ob die dortigen Verätzungsgefahren gerade auf dem auch hier verwendeten Wirkstoff Natriumhypochlorit beruhen; selbst dann gäben sich noch nichts für die Frage her, ob diese Gefahren auch bei der vorliegenden Konzentration und der zu erwartenden (sachgemäßen oder unsachgemäßen) Anwendung des vorliegenden Desinfektionsmittels bestehen.
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7. Eine Beurteilung des angegriffenen Verhaltens nach dem Unlauterkeitstatbestand in § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG führt jedenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Soweit zwei der angegriffenen Bezeichnungen gegen Art. 73 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO verstoßen, erübrigt sich wegen der daraus folgenden Unlauterkeit nach § 3a UWG die vom Landgerichts in erster Linie vorgenommene Prüfung nach dem allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Irreführungstatbestand. Hinsichtlich der weder von Art. 73 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO noch von § 73 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO erfassten Bezeichnung als „hautfreundlich“ ergibt sich die Unlauterkeit entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG. Insoweit gelten die Erwägungen zur Verneinung der Irreführung nach Art. 73 Abs. 3 Satz 1 Biozid-VO entsprechend. Welche Bedeutung dieses spezielle Irreführungsverbot für die Anwendbarkeit und den Prüfungsmaßstab des allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Irreführungstatbestands haben, bedarf keiner Erörterung. Es kann dahinstehen, ob das Landgericht bei seiner Prüfung von § 5 UWG – wie die Berufung meint – gerade besondere abweichende Wertungen aus Art. 73 Biozid-VO und deren etwaigen Vorrang nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (siehe etwa BGH, GRUR 2016, 418 Rn. 12 - Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir, zu Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-VO) missachtet hat.
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8. Wegen der nach alledem unzulässigen geschäftlichen Handlungen (§ 3 UWG), also (nur) hinsichtlich der Bezeichnung und des Vertriebs eines Desinfektionsmittels als „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“ und/oder „Bio“ in der Werbung oder auf dem Produktetikett sind die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche wegen Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG entstanden. Dies rechtfertigt insoweit den gestellten Unterlassungsantrag, dessen Gegenstand zutreffend auf die für die konkrete Verletzungsform charakteristischen Merkmale verallgemeinert ist, ohne erlaubte Verhaltensweisen zu erfassen.
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9. Die in nicht beanstandeter Höhe als Pauschale von 294 EUR geltend gemachten Abmahnkosten sind nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in der bis zum 1. Dezember 2020 geltenden Fassung zu erstatten. Die Abmahnkostenpauschale, die ein nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugter Verband beanspruchen kann, ist auch dann in voller Höhe geschuldet, wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt war. Denn die einem Verband zustehende Kostenpauschale richtet sich nach den Kosten des Verbands. Sie fällt daher auch bei einer nur teilweise berechtigten Abmahnung in voller Höhe an und ist deshalb in voller Höhe zu erstatten (BGH, GRUR 2010, 744 Rn. 51 mwN - Sondernewsletter). Nichts Anderes gilt für die Abmahnkostenpauschale der hier klagenden qualifizierten Einrichtung im Sinn von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG (siehe BGH, VersR 2014, 941 Rn. 48; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 13 Rn. 133). Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
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10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und § 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Anwendung von § 713 ZPO ist auch hinsichtlich der bestätigten Verurteilung nicht geboten, weil von der hinsichtlich der Unterlassung nicht unzweifelhaften Bezifferung der Beschwer der Beklagten abhängt, ob trotz § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ein Rechtsmittel der Beklagten stattfindet. Die Revision war im Umfang der Änderung der landgerichtlichen Entscheidung und Teilklageabweisung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache insoweit grundsätzliche Bedeutung hat. Dieser Streitgegenstand wirft die die klärungsbedürftige und entscheidungserhebliche Frage auf, ob Art. 73 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO mit der Variante „ähnliche Hinweise“ in der Werbung von Biozidprodukten pauschalierende Verharmlosungen auch in Gestalt von Angaben betreffend einzelne Aspekte der menschlichen Gesundheit wie einzelne Organen (etwa der Haut) verbietet, mithin insbesondere die die Bewerbung eines Desinfektionsmittels als „hautfreundlich“. Im Übrigen liegen Gründe, die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, nicht vor, weil es hinsichtlich der beiden weiteren Gegenstände der Unterlassungsforderungen („ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“, „Bio“) keiner höchstrichterlichen Klärung der insoweit unzweifelhaften Rechtslage bedarf und die Abmahnkosten unabhängig davon voll zu erstatten sind, ob die Abmahnung auch betreffend den Begriff „hautfreundlich“ begründet gewesen ist.

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