Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (1. Strafsenat) - (1) 4420 BL - III - 51/05

1. Gegen alle Beschuldigten wird Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.

2. Der nächste Haftprüfungstermin vor dem Senat findet erforderlichenfalls am 21. März 2006 statt.

3. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die weiteren Haftentscheidungen dem Gericht übertragen, das nach den allgemeinen Vorschriften hierfür zuständig ist.

Gründe

I.

1

Die Beschuldigten zu 1 - 9 befinden sich seit dem 16. Juni 2005, die übrigen Beschuldigten seit dem 18. Juni 2005 ununterbrochen in Untersuchungshaft.

1.

2

Haftgrundlage für alle außer K. ist nunmehr der Beschluss des Amtsgericht Koblenz vom 5. Januar 2006, durch den frühere Haftbefehle zusammengefasst und inhaltlich den Vorgaben des § 114 StPO angenähert wurden.

3

Danach sind die Beschuldigten

4

„nunmehr dringend verdächtig,

5

der Beschuldigte A. St. teilweise als Heranwachsender,

6

hinsichtlich der konkretisierten Taten II. von Mitte 2004 (V. W., Sch., G.), von Anfang 2005 (We., St., L., R. W., Kn., A.) bzw. von mindestens Anfang Juni 2005 (S., B.)

7

bis jeweils 17.06.05

8

in K., W., V.-S. und an anderen Orten

1.

9

gemeinschaftlich als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben, und zwar

a)

10

der Beschuldigte V. W. durch 24 rechtlich selbständige Handlungen in den Fällen II.1-7, 9, 12-16, 18-20, 22, 23, 25, 27, 28, 30-32,

b)

11

der Beschuldigte We. durch 9 rechtlich selbständige Handlungen in den Fällen II.6, 7, 12, 14, 19, 20, 22, 23, 28,

c)

12

der Beschuldigte St. durch 7 rechtlich selbständige Handlungen in den Fällen II.3, 10, 11, 17, 21, 24, 29,

d)

13

der Beschuldigte L. durch 4 rechtlich selbständige Handlungen in den Fällen II.13, 15, 18, 25,

e)

14

der Beschuldigte Sch. durch 9 rechtlich selbständige Handlungen in den Fällen II.1, 10, 20, 22, 25-29,

f)

15

der Beschuldigte G. durch 2 rechtlich selbständige Handlungen in den Fällen II.1, 25,

g)

16

die Beschuldigten R. W. und Kn. jeweils durch 7 rechtlich selbständige Handlungen in den Fällen II.4, 5, 8, 10, 17, 21, 24,

h)

17

die Beschuldigten S. und B. jeweils im Fall II.28,

2.

18

der Beschuldigte A. durch 6 rechtlich selbständige Handlungen

19

in den Fällen II.3, 9, 16, 20, 27, 28 jeweils mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben.

I.

20

Spätestens im September 2003 hatte sich um den Beschuldigten V. W. eine Personengruppe gebildet, zu deren Mitgliedern unter anderem die Mitbeschuldigten S. We., A. St., A. L., B. Sch. und V. G., ferner die weiteren Mitbeschuldigten W. Kr., A. Ka. und A. Sc., darüber hinaus zu einem späteren Zeitpunkt auch der Beschuldigte R. W. zählten. Die genannten Personen waren übereingekommen bzw. hatten sich im Falle späteren Beitrittes der bereits bestehenden Übereinkunft angeschlossen, sich zukünftig in einer unbestimmten Anzahl von Fällen jeweils größere Betäubungsmittelbestände zu beschaffen und diese auf arbeitsteiliger Grundlage zu veräußern. Hierbei führten die genannten Beschuldigten die ihnen im Rahmen der abgesprochenen Funktionsteilung zufallenden und von ihnen übernommenen Tätigkeiten jeweils in der Absicht aus, hierfür einen angemessenen Vermögensvorteil zu erlangen.

21

Nach der abgesprochenen bzw. ausgeübten Funktionsteilung kam dem Beschuldigten V. W., der im Übrigen als bestimmendes Führungsmitglied der Bande anzusehen ist, die Organisation der einzelnen Betäubungsmittel-Lieferungen aus zumeist den Niederlanden zu. Zu diesem Zweck gab er die entsprechenden Bestellungen bei seinen regelmäßigen Lieferanten auf, führte mit diesen Verhandlungen und überwachte zudem häufig die Übergabe der Betäubungsmittel an die eigenen Kuriere, insbesondere den Mitbeschuldigten We.

22

Darüber hinaus bestimmte V. W. auch Einzelheiten des Vertriebs, wobei er den Beschuldigten Sch. mit dieser Funktion während eigener längerfristiger Abwesenheitszeiten betraute. In derartigen Fällen verwaltete der Mitbeschuldigte V. G. das seit Anfang September 2003 in einem Kellerraum des Anwesens H.-B.-Straße in K. bestehende und von G. angemietete zentrale Bandendepot.

23

Im Übrigen waren im Rahmen der Bandenstruktur weitere Unterdepots eingerichtet, und zwar zumindest die von den Mitbeschuldigten K. und Sc. Anfang Dezember 2004 in U. (K.) bzw. Anfang Februar 2005 in K. (Sc.) angemieteten Garagen.

24

Als Lieferanten in den Niederlanden standen der Gruppierung unter anderem die gesondert verfolgten E. S...f/S. Sta. und G. S...o sowie der Mitbeschuldigte J. A., zur Verfügung.

25

J. A. belieferte die Bande um V. W. allerdings nicht nur gewinnbringend mit Ware, in erster Linie Heroin, zum Bandenvertrieb. Darüber hinaus nutzte er die Logistik der Gruppierung auch dazu, seine (A...s) Abnehmer, insbesondere noch nicht ermittelte Dealer im Bereich N./Italien, gewinnbringend mit Heroin zu versorgen. Für die in diesem Zusammenhang von der Bande um W. erbrachten Leistungen, so Depot- und Transportdienste, erwartete bzw. erzielte die Gruppierung ihrerseits jeweils einen Vermögensvorteil.

26

Der Beschuldigte We. war maßgeblich mit der Einfuhr der in den Niederlanden beschafften Betäubungsmitteln und deren Verbringung in das Objekt S...3 in W. betraut. Dieses Objekt war von Mitte 2003 bis zum 15.04.04 formal durch den Beschuldigten L. von dem Beschuldigten Ka. angemietet. Formaler Nachmieter des L. wurde der Beschuldigte A. St., wobei L. allerdings nach wie vor die Telekommunikationseinrichtungen unterhielt. Die Objektmiete wurde tatsächlich unter anderem von V. W., We., L., Sch. und Sc. aufgebracht. Das Anwesen diente der Präparierung der Schmuggelfahrzeuge, dem anschließenden Ausbau der beschafften Betäubungsmittel, darüber hinaus aber auch dem - überwiegend zur Verschleierung des Drogenhandels und der Drogenerlöse genutzten - Vertrieb von Kraftfahrzeugen.

27

Der Beschuldigte A. St. war unter anderem damit betraut, die von A. zur Verfügung gestellten Heroinbestände nach Italien zu verbringen, darüber hinaus im Auftrag der Beschuldigten V. und R. W. Betäubungsmittel an die - gesonderte - Gruppierung um den Mitbeschuldigten Kn. zu transportieren.

28

Der Beschuldigte R. W. war innerhalb der Bande die Verbindungsperson zu der Gruppierung um den Mitbeschuldigten Kn. Diese Gruppe, der neben Kn. zumindest weiterhin die gesondert verfolgten Brüder E. und T. H. angehörten, hatte sich ebenfalls in der Vergangenheit mit dem Ziel zusammengeschlossen, zukünftig größere Betäubungsmittelbestände zu beschaffen und arbeitsteilig gewinnbringend im Großraum V.-S. zu vertreiben.

29

In Verfolgung der auf arbeitsteilige Erledigung der Bandentätigkeit ausgerichteten Absprache waren - neben V. W. und We. - maßgeblich auch die Bandenmitglieder St., L., Sch., G., Kr., Ka., Z. und Sc. in allen Fällen in den Vertrieb der jeweils beschafften BtM-Handelsware bzw. in die Verwertung der Erlöse eingebunden. Ihnen standen überwiegend eigene Abnehmer zur Verfügung. Diese rekrutierten sich zum Teil aus der örtlichen Szene im Großraum K.-M.-N. Darüber hinaus wurden Teilmengen aber auch in anderen Regionen abgesetzt. Dies wird durch die bisherigen Erkenntnisse zwar im Sinne eines dringenden Tatverdachts belegt. Allerdings ist es bislang nur in Einzelfällen gelungen, die jeweiligen - durchaus zum Teil zeitlich und personenmäßig individualisierbaren - Vertriebsgeschäfte in dem mittlerweile erforderlichen Umfang nach Betäubungsmittelmenge und -art ausreichend zu konkretisieren. Gleichwohl belegen die gewonnenen Erkenntnisse den in Bezug auf Betäubungsmittelgeschäfte engen und arbeitsteiligen Zusammenhalt der Gruppierung, ferner den Umstand, dass die einzelnen Tatbeiträge - welches Gewicht sie auch bei lediglich isolierter Betrachtung haben mögen - für das von allen gewollte und im Interesse eines jeden Beschuldigten liegende reibungslose Funktionieren wesentliche Bedeutung hatten.

30

Die Beschuldigten S. und B. stehen entsprechend den von dem Bundeskriminalamt gewonnenen Erkenntnissen (Bl. 4337 ff d.A.) im dringenden Verdacht, Mitglieder einer kasachisch-tadschikischen Organisation zu sein, die in der Vergangenheit für größere Opium- und Herointransporte verantwortlich war und über ein Drogen-Übergangslager in S./Kasachstan (dem Wohnort der Beschuldigten) sowie ein Drogen-Aufbewahrungslager in T./Bezirk S. (Russland) verfügte. Der Kontakt des Beschuldigten A. und möglicherweise auch des V. W. zu dieser Gruppierung kam spätestens in der zweiten Januarwoche 2005 zu Stande und hatte die Belieferung mit besonders hochwertigem - weil produktionsnahem - Heroin zum Gegenstand. Hierüber unterhielten sich W. und A. unter anderem in einem Telefonat am 20.01.05, 15.16 Uhr (TKÜ ZFA 04/0088). Für die erwartete neue Lieferschiene fand hierbei als Codierung die PKW-Marke „Shiguli“ Verwendung. Das Herstellungswerk dieser Marke befindet sich in T.

II.

31

In dem derzeitigen Verfahrensstand sind folgende Taten im Sinne eines dringenden Tatverdachtes in dem nunmehr gebotenen Umfang konkretisierbar, wobei - soweit bislang möglich - dem Gesichtspunkt der Bewertungseinheit Rechnung getragen wird:

1.

32

Der Beschuldigte G. übte in Gewinnerzielungsabsicht während eines zweiwöchigen Auslandsaufenthaltes des Beschuldigten V. W. im Jahre 2004, wahrscheinlich in der Zeit vom 29.08. bis 12.09.04, in dessen Auftrag verantwortlich die tatsächliche Gewalt über ein größeres Drogendepot der Bande in dem oben I. bereits erwähnten Kellerraum in der H.-B.-Straße ., K., aus, zu dem ansonsten nur W. Zutritt hatte. Während der genannten Abwesenheit war der Mitbeschuldigte Sch. von W. beauftragt, den Vertrieb des Bestandes zu organisieren und sich bei Bedarf die hierzu benötigten Mengen von G. aushändigen zu lassen, um sie entweder selbst gewinnbringend zu veräußern oder durch andere Bandenmitglieder veräußern zu lassen. Demzufolge händigte G. an Sch. in dieser Zeit bei mehreren Gelegenheiten insgesamt mindestens unter anderem ca. 10 kg Marihuana, 16-20 kg Amphetamin („Eis“) sowie Kokain und Heroin im Bereich von jeweils mehreren Hundert Gramm aus.

2.

33

Am 16.09.04 führten die gesondert verfolgten niederländischen Lieferanten S...f und Sta. durch den von ihnen gestellten Kurier C. nach vorheriger Organisation durch zumindest V. W. 9,8 kg Amphetamingemisch (23 % Wirkstoffgehalt) und ca. 2000 Ecstasies (insg. 609 gr mit 65,7 gr MDA-Base) nebst gesonderten Streckmitteln (24,2 kg Coffein/Creatin, 10 l Methylalkohol) nach Deutschland ein. Der Kurier C. konnte allerdings unter Sicherstellung der mitgeführten Drogen und Streckmittel auf dem BAB-Rastplatz B.-West festgenommen werden. Der Bestand war zum gewinnbringenden Vertrieb durch W. und dessen Bandenmitglieder bestimmt.

3.

34

Am 07.01.05 wurden auf Veranlassung und nach vorheriger Organisation des V. W. mindestens 30 kg Marihuana, 1 kg Kokain sowie 3,6 kg Heroin aus den Niederlanden in das Objekt S... verbracht. Hierbei war der Beschuldigte A. Lieferant von zumindest 2,6 kg Heroin. Ob We. die Betäubungsmittel einführte, bedarf noch der weiteren Aufklärung.

35

Der Beschuldigte A. St. transportierte anschließend mit dem von ihm am selben Tag bei der Firma E. in K. angemieteten PKW Opel Astra, amtliches Kennzeichen ..., zumindest die von A. gelieferten 2,6 kg Heroin zu Abnehmern des A. in den Bereich N./Italien, wofür er mit einem angemessenen Kurierlohn bezahlt wurde. Ob er darüber hinaus bei dieser Gelegenheit auch noch mindestens u.a. 5 kg Marihuana an die Mitbeschuldigten R... W. und Kn. in den Bereich V.-S. lieferte, bedarf noch weiterer Aufklärung. Jedenfalls hatte er zum Zeitpunkt der PKW-Rückgabe am 10.01.05 hiermit eine Gesamtstrecke von 3.246 km zurückgelegt.

4. - 5.

36

Am oder kurz vor dem 20.01.05 sowie bei einer weiteren Gelegenheit einige Tage zuvor (möglicherweise - wie vorerwähnt - am 07.01.05) wurden der Beschuldigte Kn. und dessen Tatbeteiligte H. auf Veranlassung des V. W. und des R. W. mit jeweils mindestens 250 gr hochwertigen Amphetamins beliefert. Während die erste Lieferung ohne Beanstandung des Kn. vertrieben werden konnte, reklamierten die Abnehmer die zweite Lieferung als (noch) zu feucht. In einem Telefonat am 20.01.05, 15.47 Uhr, erfuhr der Beschuldigte R. W. jedoch von V. W., dass die - jeweils als Einheit zu je 250 gr verpackten - Amphetaminbestände aus einer Lieferquelle stammten und nach Trocknung gebrauchsfertig seien.

37

Bei einer der beiden Lieferungen befanden sich darüber hinaus auch 5 kg Marihuana. Hierauf bezog sich V. W. anlässlich einer am 31.01.05 mit R. W. um 9.06 Uhr fernmündlich erörterten neuen Bestellung („wie immer“).

6.

38

Am 24.01.05 verbrachte nach vorheriger Organisation durch V. W. der Mitbeschuldigte We. u.a. 15 kg Marihuana, 1 kg Kokain, ferner möglicherweise auch Amphetamin, zumindest aber 500 gr „Kristall“ (Methamphetamin) nach W. Von dem Kokain konnten am 17.06.05 noch 681 gr sichergestellt werden.

7.

39

Am 09.02.05 verbrachte der Beschuldigte We. nach vorheriger Organisation durch V. W. einen weiteren Handelsbestand, und zwar unter anderem 5,6 kg Haschisch, 14 kg Marihuana, 14 kg hochwertiges Amphetamin, 500 gr Kokain und 6000 Ecstasies (u.a. der Marke „Versace“), darüber hinaus aber auch Streckmittel (20 kg Coffein/Creatin, 3 l Methylalkohol) nach W.

8.

40

Am 12.02.05 belieferte ein noch nicht eindeutig ermittelter Bandenkurier im Auftrag des V. W. und des Beschuldigten R. W. den Mitbeschuldigten Kn. und dessen Gruppierung mit 5 kg Marihuana und 1 kg Amphetamin. Es liegt nahe, dass diese Handelsware dem am 09.02.05 beschafften Bestand entstammte.

9.

41

Am 19./20.02.05 verbrachte der Beschuldigte A. mindestens 4 kg Heroin zu dem Mitbeschuldigten V. W., der die Betäubungsmittel sodann in W. bzw. in dem Bunker H.-B.-Straße zwischenlagerte, um sie später auf Anweisung des A. gegen Zahlung entsprechender Provisionen durch eigene Bandenkuriere ausliefern zu lassen.

10.

42

Der Beschuldigte A. St. mietete am 25.02.05, ca. 12.00 Uhr, mit Unterstützung des über die Tathintergründe informierten und diese billigenden Mitbeschuldigten Sch. (TKÜ NR 30 - 10.14 Uhr, 10.16 Uhr, 11.45 Uhr) zur Durchführung einer Auslieferungsfahrt bei der Firma E. den PKW Smart, amtliches Kennzeichen ... an. Hiermit transportierte er sodann im Auftrag des V. W. nach vorheriger Bestellung durch den Beschuldigten R. W. an die Gruppierung des Mitbeschuldigten Kn. nach V.-S. 5 kg Marihuana, 1 kg Amphetamin (500 gr „blau“, 500 gr „grün“) und eine Kokainprobe im Wert von 40-45 Euro. Anschließend fuhr er weiter nach Italien (Bereich N.) und lieferte dort im Auftrag von V. W. und A. 1 kg Heroin an die Abnehmer des A. aus. Das Heroin entstammte dem am 19./20.02.05 durch A. beigebrachten Bestand, die übrigen Betäubungsmittel möglicherweise der Beschaffung am 09.02.05. Insgesamt legte St. mit dem Mietfahrzeug 3417 km zurück.

11.

43

Die weiteren am 19./20.02.05 durch A. zu V. W. verbrachten 3 kg Heroin lieferte der Beschuldigte A. St. (genannt „Minister“) im Auftrag der genannten Mitbeschuldigten wahrscheinlich zeitnah nach dem 24.02.05 an noch nicht ermittelte Abnehmer aus, nachdem er am Abend des 24.02.05 mündlich bzw. fernmündlich die Frage seiner Entlohnung mit W. und A. befriedigend geklärt hatte (TKÜ ZFA 05/0065, 19.05 Uhr, 19.07 Uhr).

12.

44

Am 06.03.05 transportierte We. nach vorheriger Organisation des V. W. mindestens 7 kg Haschisch, 500 gr Kokain sowie Ecstasies in noch nicht bekannter Größenordnung nach W.

13.

45

Der Beschuldigte L. veräußerte gewinnbringend am Abend des 09.03.05 in bewussten und gewollten Zusammenwirken mit V. W. an den gesondert verfolgten M. 50 gr Heroin, die M. am Folgetag einem Verdeckten Ermittler des LKA verkaufte. Zur näheren Absprache des Geschäftes hatten sich W. und L. zunächst mit M. am McDonalds in A. getroffen. Danach hatte W. das Heroin dem Depot in der H.-B.-Straße entnommen und anschließend in der I.straße K. entweder zur Weiterleitung an M. dem Beschuldigten L. übergeben oder unmittelbar selbst an M. ausgehändigt.

14.

46

Am 14.03.05 verbrachte We. nach vorheriger Organisation durch V. W. mindestens 15 kg Marihuana aus den Niederlanden nach W.

15.

47

Der Beschuldigte L. veräußerte im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit V. W. am 16.03.05 mindestens 150 gr Heroin an den gesondert verfolgten M. Die Geschäftsabwicklung war vergleichbar jener am 09.03.05. L. traf sich zunächst in A. (Bereich K. Straße/B.) mit M., informierte dann W., der das Heroin aus dem Depot beschaffte und an L. übergab, der es seinerseits bei einem weiteren Treffen mit M. in A. an diesen aushändigte. M. wiederum bot am Folgetag einem Verdeckten Ermittler die 150 gr Heroin an, die dieser jedoch ablehnte.

16.

48

Am 18.03.05 verbrachte der Beschuldigte A. einen Bestand von 3 kg Heroin zu V. W. nach W. Das Heroin war dazu bestimmt, auf Anweisung des A. durch die Gruppierung des W. jeweils gewinnbringend an Abnehmer des A. ausgeliefert zu werden. Hiervon gelangten 2 kg nach Italien (vgl. Tat II.17). Das dritte Kilogramm dürfte W., in Begleitung wahrscheinlich des gesondert verfolgten Z., am 26.03.05 nach H. zu dortigen Abnehmern des A. gebracht haben.

17.

49

Der Beschuldigte A. St. mietete am 18.03.05 zur Durchführung einer Auslieferungsfahrt bei der Firma E. den PKW VW Golf, amtliches Kennzeichen ... an. Hiermit transportierte er sodann im Auftrag des V. W. nach vorheriger Bestellung des Beschuldigten R. W. an Kn. und die Brüder H. nach V.-S. zumindest 5 kg Marihuana, die wahrscheinlich der Beschaffung vom 14.03.05 entstammten. Anschließend fuhr er weiter nach Italien (Bereich N.) und lieferte dort im Auftrag von V. W. und A. 2 kg Heroin an die Abnehmer des A. aus. Das Heroin entstammte dem am 18.03.05 durch A. beigebrachten Bestand. Insgesamt legte St. mit dem Mietfahrzeug 3.366 km zurück. In Kenntnis und Billigung der Hintergründe stellte der Mitbeschuldigte Sc. seine Kreditkarte zur Begleichung der bei Fahrzeugrückgabe am 21.03.05 noch offenen Restforderung der Mietwagenfirma zur Verfügung.

18.

50

Der Beschuldigte L. entfaltete im Zusammenwirken mit V. W. in Gewinnerzielungsabsicht ab dem 21.03.05 ernsthafte Bemühungen, an den gesondert verfolgten M. 1 kg Heroin und 3 kg Amphetamin zu veräußern, die dieser seinerseits einem Verdeckten Ermittler verschaffen wollte. In Verfolgung dieses Vorhabens fuhr L. - wegen Verhinderung des W. in Begleitung des gesondert verfolgten Z. - am 25.03.05 zu M. nach Ka., um weitere Absprachen zu treffen. Ob es zur Durchführung des Geschäftes kam, bedarf noch weiterer Ermittlungen.

19.

51

Nach vorheriger Organisation durch V. W. führten We. sowie die Mitbeschuldigten B. und I. St. in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken in der Nacht zum 05.04.05 insgesamt 23 kg Amphetamin (Paste und Pulver) und Streckmittel (70 kg Coffein/Creatin sowie 4 l Methylalkohol) aus den Niederlanden ein, wobei We. das Transportfahrzeug kurz vor Erreichen des Objektes S. von B./St. übernahm, um gegenüber diesen die Existenz und Lage des Objektes zu verbergen.

20.

52

Am 07.04.05 führte We. nach vorheriger Organisation des V. W. aus den Niederlanden 43,75 kg Marihuana, ferner 4,5 kg Heroin und 100 gr Kokain aus den Niederlanden ein und verbrachte die Betäubungsmittel nach W. in das Objekt S., wo sie sodann von We., V. W. und Sch. aus dem Transportfahrzeug ausgebaut wurden. Der Beschuldigte A. war hinsichtlich des Heroinbestandes Lieferant von 2 kg Heroin.

21.

53

Am 10.04.05 lieferte A. St. im Auftrag des V. W. und nach Bestellung durch R. W. 7 kg Amphetamin nach V.-S. an den Mitbeschuldigten Kn. und die Gebrüder H.

22.

54

Zu einer weiteren Beschaffung aufgrund vorausgegangener Organisation durch V. W. kam es am 20.04.05. We. übernahm am Vormittag einen zum gewinnbringenden Vertrieb bestimmten Bestand von zumindest 1 kg hochwertigen Amphetamins sowie Haschisch in noch nicht bekannter Größenordnung in den Niederlanden und verbrachte ihn anschließend nach W., wobei der Ausbau der BtM zusammen mit dem Beschuldigten Sch. erfolgte.

23.

55

Am 26.04.05 übernahm We. in den Niederlanden nach vorheriger Organisation durch V. W. u.a. mindestens 15 kg Amphetamin, darüber hinaus möglicherweise - worauf sichergestellte Aufzeichnungen deuten - 10 kg Heroin und verbrachte diese in das Objekt S. nach W., wo sie aus dem Transportfahrzeug ausgebaut und durch W. zumindest überwiegend unverzüglich dem Bunker H.-B.-Straße zugeführt wurden.

24.

56

Im Auftrag des V. W. belieferte A. St. nach vorheriger Bestellung des R. W. die Gruppe des Kn. am 27.04.05 mit 5 kg Marihuana. Bei dieser Gelegenheit wurden die Brüder H. (Bandenmitglieder des Kn.) festgenommen und das Marihuana sichergestellt. Das Marihuana stammte wahrscheinlich aus der Beschaffungsmenge vom 07.04.05.

25.

57

Der Beschuldigte G. übte in Gewinnerzielungsabsicht vom 29.04. bis 01.06.05 während eines weiteren Auslandsaufenthaltes des Beschuldigten V. W. in dessen Auftrag verantwortlich die tatsächliche Gewalt über das Drogendepot der Bande in der H.-B.-Straße , K., aus, zu dem ansonsten nur W. Zutritt hatte. Auch während dieser Abwesenheitszeit war der Mitbeschuldigte Sch. von W. beauftragt, den Vertrieb des Bestandes zu organisieren und sich bei Bedarf die hierzu benötigten Mengen von G. aushändigen zu lassen, um sie entweder selbst gewinnbringend zu veräußern oder durch andere Bandenmitglieder veräußern zu lassen. Demzufolge händigte G. an Sch. in dieser Zeit bei mehreren Gelegenheiten insgesamt mindestens u.a. ca. 10 kg Marihuana, 16 kg Amphetamin („Eis“), 250 gr Amphetaminpaste („Butter“) sowie Kokain und Heroin im Bereich von jeweils ca. 20 gr aus. Darüber hinaus bezog Sch. zum Strecken des hochwertigen Amphetamins zusätzlich ca. 20 kg Coffein/Kreatin und 3 l Methylalkohol.

58

Sch. übergab aus diesen von G. erhaltenen Beständen unter anderem am 04.05.05 insg. 1,5 kg Marihuana an den Mitbeschuldigten L., der die Betäubungsmittel sodann im Bandeninteresse gewinnbringend an die gesondert verfolgten Abnehmer M., L. und E. aus dem Raum Ka. veräußerte, bei denen sie sichergestellt werden konnten.

59

Darüber hinaus verkaufte Sch. in K. am 19.05.05 an den gesondert verfolgten A. Schn. zuvor von G. erhaltene 2 kg Amphetamin, die später ebenfalls sichergestellt werden konnten. In der Zeit davor war es zu mindestens einer vergleichbaren weiteren Lieferung durch Sch. an Schn. gekommen, und zwar am oder kurz nach dem 29.04.05.

26.

60

Am 02.06.05 veräußerten V. W. und Sch. über den Zeugen Sa. mindestens 3 kg Amphetamin gewinnbringend in K. an angereiste Abnehmer aus der Schweiz. Ob das Amphetamin dem am Vortag von G. wieder in die alleinige Zugriffsmöglichkeit des W. übergegangenen Depotbestandes in der H.-B.-Straße entstammte oder (im Hinblick auf die enge Beziehung des Mitbeschuldigten Sc. zu Sa.) auf Anweisung des W. aus dem von Sc. in der R.-straße, K. unterhaltenen Unterdepot entnommen wurde, bedarf noch weiterer Klärung.

27.

61

Am 03.06.05 übernahmen die Beschuldigten V. W. und Sch. in H. von im Auftrag und in Anwesenheit des Mitbeschuldigten A. handelnden Personen 2.293,5 gr einer angeblichen Heroinmischung. Hierbei gingen die Beschuldigten W., Sch. und A. davon aus, dass es sich um zumindest Heroin mittlerer Art und Güte handelte, das - wie beabsichtigt - gewinnbringend veräußert werden konnte. Demzufolge sollte der Bestand zusammen mit anderen Heroinmengen auch am 17.06.05 nach Italien ausgeliefert werden. Erst die nach Sicherstellung des Stoffes in Auftrag gegebene Untersuchung ergab, dass die eingefärbte Substanz sich lediglich aus den Streckmitteln Coffein sowie Paracetamol mit Spuren von Heroin und Monoacetylmorphin zusammensetzte, so dass alle Beschuldigten offensichtlich getäuscht worden waren.

28.

62

Auf Bestellung des Beschuldigten A. sowie nach vorheriger Organisation und Transportüberwachung durch die Beschuldigten S. und B. lieferte der Zeuge Lo. und ein Anatol Za. am 14.06.05 mit dem LKW nebst leerem PKW-Transportauflieger, amtliches kasachisches Kennzeichen ..., einen mengenmäßig noch nicht eindeutig feststehenden Heroinbestand, mindestens aber ca. 18 kg mit außergewöhnlich hohen Wirkstoffkonzentrationen zwischen 66,9 und 71,2 % Heroinhydrochlorid (Proben B2 - B7, B14 des OFD-Gutachtens vom 07.12.05), nach W. in das Objekt S. Erde. Das Heroin war in Hohlräumen der hinteren 4 - zum Anheben und Absenken der oberen Fahrspur dienenden - Streben versteckt und stammte aus Beständen einer kasachisch-russischen Vertriebsorganisation, der die Beschuldigten S. und B. an maßgeblicher Stelle angehörten. Der Beschuldigte V. W. hatte - sofern er nicht gleichberechtigter Miterwerber war, was noch weiterer Ermittlungen bedarf - sich zumindest gegenüber A. bereiterklärt, das Heroin gegen Gewinnbeteiligung zu verwahren und im Rahmen seiner Organisation nach Weisung des A. oder in dessen Einvernehmen zu vertreiben bzw. weiterzutransportieren. Zusammen mit dem über die Tathintergründe informierten Sch. lotste W. den LKW auf dem letzten Teil der Fahrtstrecke von einem Parkplatz an der BAB ... nahe K. nach W. Am Abend des 14.06.05 wurde das Heroin sodann unter Beteiligung der Beschuldigten A., W., S., B., Sch. und zumindest auch We. ausgebaut und später durch W. dem Depot H.-B.-Straße zugeführt. Die am LKW-Auflieger angebrachten Hohlverstecke wurden wieder verschraubt, verspachtelt und lackiert. Restbestände der hierzu verwendeten Spachtelmasse und Lackfarbe wurden am 17.06.05 im Objekt W. aufgefunden.

29.

63

Der Beschuldigte A. St. mietete am 17.06.05 im Auftrag des W. bei der Firma E. in K. den PKW amtliches Kennzeichen ... an, mit dem er gegen Entlohnung am selben Tag wieder einen größeren Heroinbestand in den Bereich N./Italien zu den dortigen Abnehmern des A. transportieren wollte. W. brachte sodann den entsprechenden Bestand aus dem Depot H.-B.-Straße nach W., wo kurzfristig danach die Sicherstellung erfolgte. Bei dem für Italien bestimmten Bestand handelte es sich zumindest um insgesamt 4.539,9 g Heroingemisch mit dem Wirkstoffanteil von 1.947,5 gr Heroinhydrochlorid sowie die am 03.06.05 aus H. bezogene und von den Beteiligten als marktfähiges Heroin angesehene Substanz (Asservate 1.1 bis 1.6 W.). Zum Zeitpunkt des polizeilichen Zugriffs waren die Beschuldigten W., We., St. und Sch. gerade dabei, das Mietfahrzeug für den Transport zu präparieren. In diesem Zusammenhang ist derzeit davon auszugehen, dass zumindest ein Teilbestand von 583,5 gr (31,7 gr Wirkstoff - Ass. 1.1) dem Beschuldigten Sch. nicht bereits in einer anderen Haftbefehlstat zugerechnet wurde.

30.

64

Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen am 17.06.05 wurden über die bereits II.28/29 erwähnten Betäubungsmittel hinaus im Depot H.-B.-Straße unter anderem folgende zum gewinnbringenden Vertrieb bestimmte und im Gewahrsam des V. W. stehende Betäubungsmittel sichergestellt: 6.906,3 gr Amphetaminzubereitung mit 917,6 gr Amphetaminbase, 629 Hartgelatinekapseln mit insgesamt 24,9 gr Amphetaminbase, Ecstasies im Gesamtgewicht von 547,4 gr mit einem Anteil von 86,0 gr MDMA-Base, 2.760,3 gr Heroinzubereitung (Proben B9 - B13 des OFD-Gutachtens vom 07.12.05) mit einem Anteil von 604,4 gr Heroinhydrochlorid sowie 543,6 gr Cannabisprodukte mit einem Anteil von 24,6 gr THC. Diese Bestände können bislang keiner der vorerwähnten Beschaffungsfahrten zugeordnet werden.

31.

65

Darüber hinaus wurden am 17.06.05 in dem Unterdepot des K. insgesamt 4.408,9 Gramm Marihuana (mindestens 446,7 Gramm THC) sowie 924,5 Gramm Amphetamin (mindestens 66,8 Gramm Amphetamin-Base) sichergestellt, die zuvor zumindest von V. W. zum gewinnbringenden Vertrieb durch K. zur Verfügung gestellt worden waren. Die Betäubungsmittel befanden sich in einer Plastikkiste ersichtlich gleicher Herkunft wie die im zentralen Bandenbunker H.-B.-Straße aufgefundenen Behältnisse.

32.

66

Aufgrund der Bekundungen des Zeugen Sa. vom 19.07.05 konnte am selben Tag das von dem Mitbeschuldigten Sc. betriebene Unterdepot der Bande in der S.-straße, K. entdeckt werden. Hierin befanden sich ausweislich des Gutachtens der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt der OFD K. in F. vom 05.12.05 insgesamt 1.360,6 gr Amphetaminzubereitung mit mindestens 73,4 gr Amphetaminbase, ferner Ecstasies im Gesamtgewicht von 1.097,7 gr (4.096 Tabletten) mit den Wirkstoffgehalten von jeweils mindestens 142,8 gr MDMA sowie 28,0 gr MDE. Die Betäubungsmittel waren zum - auch für den Beschuldigten Sc. - gewinnbringenden Vertrieb im Rahmen der Bandenabläufe bestimmt und dem Depot auf Veranlassung zumindest des V. W. zu einem derzeit noch nicht feststehenden Zeitpunkt zwischen der Garagenanmietung und dem 17.06.05 zugeführt worden.

...

67

Die Beschuldigten sind dieser Taten dringend verdächtig aufgrund der bisherigen Angaben der Beschuldigten G. und P. A. sowie der Zeugen Sa. und Lo., ferner der Sicherstellungen am 17.06. und 19.07.05 in Verbindung mit den hierzu bereits vorliegenden Behördengutachten, darüber hinaus einer Gesamtschau der umfänglichen TKÜ-Erkenntnisse, (Video-) Observationen und bisherigen Auswertungen der am 17.06.05 aufgefundenen schriftlichen Aufzeichnungen und Datenbeständen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Sonderbände „Auswertungsbericht“ (Stand Mitte Juni 2005) und „Videoobservation“ sowie die polizeilichen und zollamtlichen Berichte vom 06.06.05 (Bl. 2640 ff d.A.), 14.06.05 (Bl. 1681 ff d.A.), 15.06.05 (Bl. 1685 ff d.A.), 17.06.05 (2136 ff d.A.), 29.06.05 (Bl. 2857 ff d.A.), 13.10.05 (Bl. 4097 ff d.A.), 17.11.05 (Bl. 4254 ff d.A.), 23.11.05 (Bl. 4266 ff d.A.), 02.12.05 (Bl. 4482 f d.A.), 08.12.05 (Bl. 4404 ff, 4441 ff i.V.m. 4499 ff d.A.) und vom 29.12.05 (Bl. 4775 ff d.A.) Bezug genommen.“

2.

68

Der Beschuldigte K. befindet sich nunmehr aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Koblenz vom 2. November 2005 in Untersuchungshaft. Ihm wird zur Last gelegt,

69

„als Heranwachsender von mindestens Anfang Dezember 2004 bis zum 17.06.05 in W. und an anderen Orten in einer derzeit noch nicht feststehenden Anzahl rechtlich selbständiger Handlungen, zumindest aber in 12 Fällen,

70

jeweils gemeinschaftlich unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben und dabei als Mitglied einer Bande gehandelt zu haben, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

...

71

Der Beschuldigte V. K. schloss sich spätestens Anfang Dezember 2004 der Bande um V. W. an. Innerhalb des Bandengefüges war er ebenfalls in den mit eigener Gewinnerzielungsabsicht und tatsächlicher Gewinnerzielung erfolgten Vertrieb der jeweils mit seinem Wissen und Wollen beschafften BtM-Bestände eingebunden. Zu diesem Zweck mietete er am 04. oder 05.12.04 von der Zeugin Li. in U. eine zu dem Anwesen Am R. gehörende Garage an, die er in der Folgezeit bis zum 17.06.05 als Unterdepot für die zur Verteilung bestimmten Banden-Bestände nutzte.

72

Die entsprechenden Unterdepots gehörten insoweit offensichtlich zur gängigen Verfahrensweise. Vergleichbare Garagendepots konnten bislang auch bereits den Mitbeschuldigten Sch. und Sc. zugeordnet werden.

73

Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand war der Beschuldigte K. zumindest in den Vertrieb größerer BtM-Bestände aus folgenden Bandenbeschaffungen mittäterschaftlich eingebunden:

1.

74

Ab dem 05.12.04 organisierte V. W. die Beschaffung von 10 kg Amphetamin zum Preis von 30.000 Euro, ferner eines größeren Bestandes an Marihuana und Kokain. Die Betäubungsmittel wurden am 09. oder 10.12.04 geliefert und anschließend zum Teil durch K. vertrieben.

2.

75

Am 07.01.05 beschaffte sich die Bande um V. W. einen Bestand von mehreren Kilogramm Heroin und Marihuana, ferner unter anderem einen größeren Bestand an Kokain. Teilmengen hiervon lieferte das Bandenmitglied A. St. später nach V.-S. sowie nach Italien (Bereich N.). Der Beschuldigte K. war bereits zeitnah nach Eintreffen der Ware in W. am 7.01.05 in den Vertrieb des Restbestandes eingebunden. Zu diesem Zweck kam es am genannten Tag zu telefonischen Kontakten mit V. W. um 16.08 Uhr und 20.52 Uhr, ferner am Folgetag mit dem Bandenmitglied Sch.

3.

76

Am 17.01.05 verbrachte der Mitbeschuldigte We. nach vorheriger Organisation durch W. gegen 16.00 Uhr einen größeren Amphetaminbestand im mehrfachen Kilogrammbereich, darüber hinaus zumindest auch Kokain, in das Depot nach W., wo es bis ca. 16.55 Uhr aus dem Schmuggelfahrzeug ausgebaut wurde. Der Beschuldigte K., der unmittelbar danach um 16.58 Uhr, später auch noch um 22.11 Uhr und 22.37 Uhr telefonischen Kontakt zu V. W. hatte, war wiederum in den Vertrieb eingebunden.

4.

77

Am 24.01.05 verbrachte We. nach vorheriger Organisation durch V. W. unter anderem 15 kg Marihuana, möglicherweise auch Amphetamin, sowie 500 gr. „Kristall“ (möglicherweise Methamphetamin) nach W., wo die BtM sodann In Gegenwart unter anderem des W. ab ca. 16.55 Uhr aus dem Schmuggelfahrzeug ausgebaut wurden. We. verbrachte hiervon einen Teil in den Keller des Anwesens. In den anschließenden Vertrieb war auch der Beschuldigte K. eingebunden, der zu diesem Zweck nach telefonischem Kontakt mit W. am Folgetag um 15.08 Uhr zur BtM-Übernahme im Objekt erschien und dieses bis zum 05.02.05 in weiteren sieben Fällen aufsuchte.

5.

78

Den nächsten Handelsbestand, und zwar mindestens 4 kg Haschisch, 14 kg Marihuana, 500 gr. Kokain und 6000 Ecstasies (u.a. der Marke „Versace«), ferner Heroin im mehrfachen Kilogrammbereich verbrachte We. nach vorheriger Organisation durch V. W. am 09.02.05 nach W. Die BtM wurden ab 17:10 Uhr aus dem Schmuggelfahrzeug ausgebaut Der Beschuldigte K., den W. zuvor telefonisch aufgefordert hatte „zur Arbeit“ zu erscheinen, traf um 17.55 Uhr ein und stellte seinen PKW zunächst auf dem Gelände ab. Um 18.03 Uhr versetzte er den PKW sodann hinter einen Sichtschutz und übernahm einen größeren BtM-Bestand, den er in der Folgezeit vertrieb. Bis zum 02.03.05 suchte K. das Objekt in W. im Rahmen seiner Bandentätigkeit in weiteren neun Fällen auf.

6.

79

Am 06.03.05 transportierte We. nach vorheriger Organisation des V. W. mindestens 7 kg Cannabisprodukte, 500 gr Kokain sowie Heroin, Ecstasies und Amphetamin in noch nicht bekannter Größenordnung nach W. Auch der Beschuldigte K. war erneut in den Vertrieb eingebunden. Zu diesem Zweck traf er sich auf entsprechende Aufforderung am 07.03.05 mit W. im Objekt W. Bei einem weiteren Treffen mit W. am frühen Abend des 12.03.05 bezog K. aus dem Ursprungsbestand Betäubungsmittel, die W. unmittelbar zuvor aus dem Bunker H.-B.-Straße abgeholt hatte.

7.

80

Am 14.03.05 verbrachte We. nach vorheriger Organisation durch W. einen größeren BtM-Bestand, darunter jeweils Marihuana und Heroin im mehrfachen Kilogrammbestand nach W., wo die Lieferung in der Zeit von ca. 15.00 Uhr bis 15.40 Uhr aus dem Schmuggelfahrzeug ausgebaut wurde. Der Beschuldigte K. war wiederum in den gewinnbringenden Vertrieb der BtM eingebunden und wurde zu diesem Zweck bereits um ca. 15.50 Uhr von W. in das Objekt einbestellt, wo er allerdings erst um 18.20 Uhr eintraf. In der Folgezeit suchte er bis zum 28.03.05 in weiteren 11 Fällen das besagte Objekt auf. Bei einem weiteren Treffen mit W. am frühen Abend des 25.03.05 bezog K. aus dem Ursprungsbestand Betäubungsmittel, die W. unmittelbar zuvor aus dem Bunker H.-B.-Straße beschafft hatte. Gleiches wiederholte sich am Mittag des 29.03.05 und dem Vormittag des 01.04.05.

8.

81

Für den 29.03.05 hatte W. eine neue Lieferung in den Niederlanden bestellt und reiste zur näheren Organisation des Schmuggels mit zwei Kurierinnen, den Mitbeschuldigten I. St. und B., in die Niederlande. Auch We. begab sich mit dem üblichen Schmuggelfahrzeug in die Niederlande, um dort die BtM einbauen und den PKW anschließend von den Kurierinnen nach Deutschland bringen zu lassen, wobei er selbst die Rückfahrt im PKW des W. antreten wollte. Der Beschuldigte K. hatte sich - wie oben Ziff. 7 erwähnt - am selben Tag bereits wegen einer BtM-Übergabe mit W. getroffen und hatte bei dieser Gelegenheit auch Anweisungen für den späteren Vertrieb der erwarteten neuen Ware entgegen genommen, die er sodann an den Mitbeschuldigten Z. weitergab. Am 03.04.05 brachte K. auf entsprechende Anforderung dem W. eine zu BtM-Transporten genutzte Tasche zurück, die K. zwischenzeitlich bei Z. deponiert hatte.

82

Aufgrund bestehender Lieferschwierigkeiten in den Niederlanden kam es an diesem Tag allerdings nicht zu einer BtM-Beschaffung. Diese erfolgte erst in der Nacht zum 04.05.05, und zwar mit dem ursprünglich geplanten Ablauf, nämlich dem Transport durch die vorerwähnten Kurierinnen. Bei einem Halt in der C.-S.-Straße übernahm We. das Schmuggelfahrzeug mit dem BtM-Bestand im mehrfachen Kilogrammbereich und verbrachte es zu dem (gegen über den Kurierinnen verborgen zu haltenden) Objekt S. in W. Dort wurden die BtM in der Zeit ab ca. 8.10 Uhr ausgebaut. Zeitnah später, um 9.43 Uhr forderte W. den Beschuldigten K. auf, nach Schulschluss (mittags) zu erscheinen. K. traf daraufhin zur Aufnahme seiner Vertriebstätigkeit um 13.19 Uhr im Objekt ein und verblieb dort bis 14.00 Uhr. Um 15.19 Uhr erschien er erneut und fuhr kurzfristig später mit W. wieder weg. In der Folgezeit suchte er bis zum 17.04.05 in weiteren sieben Fällen im Rahmen seiner Vertriebstätigkeit das Objekt auf. Am 07.04.05 sowie - anlässlich einer der vorerwähnten Aufenthalte im Objekt S. Erde - am 09.04.05, darüber hinaus am 16.04.05 bezog K. von W., der zuvor jeweils den Kellerbunker in der H...-B...-Straße aufgesucht hatte, Teilmengen aus dem BtM-Ursprungsbestand.

9.

83

Am 18./19.04.05 organisierte V. W. eine neue BtM-Lieferung im mehrfachen Kilogrammbereich Die Beschuldigte B. transportierte am späten Nachmittag - wahrscheinlich in Begleitung einer noch nicht ermittelten weiteren Kurierin - die BtM aus den Niederlanden in den Ortsbereich W., wo We. das Schmuggelfahrzeug übernahm und um ca. 19 13 Uhr zum sofortigen Ausbau der Ware in das Anwesen S. verbrachte. In den anschließenden Vertrieb war wiederum auch der Beschuldigte K. eingebunden. K., der bereits mit einem Eintreffen der BtM am Vormittag gerechnet hatte, hatte sein Erscheinen gegenüber W. zunächst für mittags angekündigt, war jedoch für den Folgetag einbestellt worden. Am 20.04.05 hielt er sich tatsächlich im Rahmen seiner Vertriebstätigkeit von 13.28 Uhr bis 13.34 Uhr sowie von 14.37 Uhr bis 14.58 Uhr im Objekt S. auf.

10.

84

Zu einer weiteren Beschaffung aufgrund vorausgegangener Organisation durch V. W. kam es bereits am 20.04.05. We. übernahm am Vormittag einen bislang noch nicht näher zu bezeichnenden BtM-Bestand im mehrfachen Kilogrammbereich, der um 15:08 Uhr im Objekt S. eintraf und an schließend entladen wurde Der Beschuldigte K. war - wie üblich - in den Vertrieb eingebunden und suchte zu diesem Zweck das Objekt am 21. 04 (15.18 -15.34 Uhr), am 22.04. (13.53 -14.10 Uhr) und am 25.04.05 (13.17 - 14.09 Uhr) auf.

11.

85

Am 26.04.05 übernahm We. in den Niederlanden nach vorheriger Organisation durch V. W. u.a. 15 kg Marihuana, Amphetamin im mehrfachen Kilogrammbereich sowie 500 gr Heroin oder Kokain und verbrachte die BtM in das Objekt S. nach W., wo der Bestand ab 18.00 Uhr ausgebaut wurde. Im Rahmen der auch insoweit von dem Beschuldigten K. durchgeführten Vertriebshandlungen suchte dieser das Objekt am 27.04.05 von 13.17 Uhr bis 15.58 Uhr auf, darüber hinaus bis zum 13.06.05 in weiteren 21 Fällen. Am 05.05.05 unterhielten sich K. und der Abwesenheitsvertreter des W., Sch., über die BtM-Geschäfte der Bande. Hierbei wurde geäußert, da „Gras“ (Marihuana) aktuell „nicht mehr so“ gehe, dass aber „normal“ pro Woche drei Kilogramm „Speed“ (Amphetamin), möglicherweise auch mehr, vertrieben würden.

12.

86

Am 14.06.05 traf um 13.56 Uhr in dem Objekt S. Erde ein von dem Zeugen Lo. geführter LKW nebst leerem Auflieger aus Kasachstan ein, wobei W. und Sch. den Zeugen die letzten Fahrtkilometer gelotst hatten. In Hohlverstecken des Fahrzeuges befanden sich ca. 25 kg Heroin, die am Abend ausgebaut und sodann im Bunker H.-B.-Str. eingelagert wurden. Auch der Beschuldigte K. war in die Vorbereitung des Vertriebes eingebunden, zu dem es allerdings wegen der Sicherstellung des Heroins am Nachmittag des 17.06.05. nicht mehr kommen konnte. So war K. zum Zeitpunkt der LKW-Ankunft im Objekt, das er auch in der Folgezeit - zu letzt wenige Stunden vor der Sicherstellung - in weiteren drei Fallen aufsuchte.

III.

87

Am 17.06.05 wurden in dem Garagendepot des Beschuldigten K... insgesamt 4.408,9 Gramm Marihuana (mindestens 446,7 Gramm THC) sowie 924,5 Gramm Amphetamin (mindestens 66,8 Gramm Amphetamin-Base) sichergestellt Die BtM befanden sich in einer Plastikkiste ersichtlich gleicher Herkunft wie die im zentralen Bandenbunker H.-B.-Straße aufgefundenen Behältnisse. Der BtM-Bestand des K. durfte nach derzeitiger Beurteilung der oben II.11 dargestellten Beschaffung entstammen.

...

88

Der Beschuldigte ist dieser Taten dringend verdächtig aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Erkenntnisse aus u.a. zahlreichen TKÜ- und Observationsmaßnahmen, wie sie in dem vorläufigen Auswertungsbericht des Zollfahndungsamtes F. und der Kriminalinspektion N. vom 14.06.05 sowie dem ergänzenden personenbezogenen Auswertungsbericht vom 13.10.05 dargestellt und gewürdigt worden sind.“

II.

89

Bezüglich aller Beschuldigten ist eine Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO durchzuführen.

90

Zwar vertritt der Senat in Anwendung des „erweiterten Tatbegriffs“ die Auffassung, dass dann, wenn nach Beginn des Vollzugs der Untersuchungshaft eine neue Tat des Beschuldigten bekannt und deshalb ein neuer Haftbefehl erlassen oder der ursprüngliche ergänzt wird, eine neue 6-Monatsfrist von dem Zeitpunkt an zu laufen beginnt, in dem der Tatverdacht hinsichtlich des neuen Tatvorwurfs dringend i.S.d. § 112 StPO geworden ist (siehe dazu Senatsbeschluss v. 03.02.2001 <(1) 4420 BL III - 71/00> NStZ-RR 01, 152; OLG Düsseldorf StV 04, 496; Meyer-Goßner; StPO, 48. Aufl., § 121 Rn. 11 f. m.w.N.; L. in Heidelberger Komm. § 121 Rn. 10). Eine derartige Fallgestaltung hier liegt aber nicht vor.

91

Es kann dahinstehen, ob die Praxis mancher Staatsanwaltschaften (siehe auch OLG Oldenburg NStZ 05, 342; OLG Celle StV 05, 513), den gesetzlichen Anforderungen nicht genügende Haftbefehle mit zahlreichen Taten, aber allenfalls vage umschriebenen Tathandlungen zu erwirken, der Anwendung des erweiterten Tatbegriffs von vornherein entgegensteht. Sie macht es in der Praxis aber nahezu unmöglich festzustellen, eine später erstmals konkret dargestellte Tat sei „neu“. Keinesfalls wird eine neue 6-Monatsfrist in Gang gesetzt, wenn es lediglich neue, nunmehr die Annahme eines dringenden Tatverdachts rechtfertigende Erkenntnisse für eine Tat gibt, die bereits Gegenstand des „alten“ Haftbefehls war.

92

Auch die bloße Neudatierung einer Tat oder deren Präzisierung im Hinblick auf die Tatbeiträge mehrerer Beteiligter als Folge einer Neubewertung zahlreicher Ermittlungsdetails - wie beispielsweise in den Fällen 6 - 11 des Beschlusses vom 5. Januar im Vergleich zu den Fällen 16 und 17 des Ursprungshaftbefehls - lässt die ab Beginn des Vollzugs der Untersuchungshaft laufende Frist unberührt.

III.

93

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist für alle im Rubrum benannten Beschuldigten Haftfortdauer anzuordnen.

1.

94

Das Oberlandesgericht ist bei der Entscheidung nach §§ 121, 122 zwar nicht auf die Überprüfung beschränkt, ob ein wichtiger Grund die Haftfortdauer über sechs Monate hinaus rechtfertigt; es hat vielmehr auch alle anderen Voraussetzungen für Erlass und Bestand eines Haftbefehls zu überprüfen („Sockelprüfung“, vgl. Schnarr MDR 90, 89 f.). Den Schwerpunkt hat es aber auf die Prüfung des wichtigen Grundes zur Überschreitung der 6-Monatsfrist zu legen. Insbesondere bei umfangreichen Sachen kann nur eine grobe Überprüfung des dringenden Tatverdachts erfolgen. Eine umfassende Beweiswürdigung unter Einbeziehung aller Beweismittel, die gegebenenfalls auch zahlreichen Bedenken und Hinweisen der Verteidigung nachgehen müsste, ist im Verfahren nach §§ 121, 122 nicht vorzunehmen (vgl. KG v. 28.02.2005 - [5] 1 HEs 11/05 m.w.N. in Juris).

95

Die Verantwortung für die (fortlaufende) Prüfung, ob die allgemeinen Haftvoraussetzungen (noch) gegeben sind, liegt in erster Linie bei dem nach §§ 125, 126 StPO zuständigen Gericht. Dieses hat - im Ermittlungsverfahren im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft (siehe Nr. 46 RiStBV) - auch dafür Sorge zu tragen, dass der Haftbefehl den Anforderungen des § 114 StPO genügt. Das erfordert nicht nur eine möglichst präzise Darstellung eines unter einen Straftatbestand zu subsumierenden Lebenssachverhalts (§ 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO), sondern auch die Mitteilung der „Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht und der Haftgrund ergibt“ (§ 114 Abs. 2 Nr. 4 StPO). In der Regel besteht die notwendige Begründung des dringenden Tatverdachts „in einer gestrafften Darstellung der wesentlichen, die Verdachtsmomente enthaltenden Ermittlungsergebnisse, die im Zeitpunkt der Haftentscheidung vorliegen“ (KK-Boujong, StPO, 5. Aufl., § 114 Rn. 12 <zum Haftgrund siehe dort Rn. 13>; OLG Hamm NStZ-RR 02, 335; zu Sinn und Zweck der Begründung siehe KK-Boujong a.a.O Rn. 4; Meyer-Goßner, StPO, 48 Aufl., § 114 Rn. 4).

96

Zwar mag es hinnehmbar sein, wenn in einem Verfahren gegen mehrere Beschuldigte und/oder mit zahlreichen Tatvorwürfen ein in einem frühen Verfahrensstadium unter Zeitdruck (§ 128 StPO) erlassener Haftbefehl noch nicht exakt der Idealvorstellung des Gesetzgebers entspricht. 6 Monate später ist aber zu erwarten, dass eine Haftentscheidung als Grundlage für die Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO vorgelegt wird, die diesem Idealbild zumindest nahe kommt. Da dem Oberlandesgericht eine „Nachbesserung“ des Haftbefehls verwehrt ist, können einzelfallabhängig schwerwiegende Begründungsmängel dazu führen, dass ohne Sachprüfung die Freilassung des Beschuldigten angeordnet werden muss (Senatsbeschl. in dieser Sache vom 21.12.2005 m.w.N.).

2.

97

In Umfangsverfahren muss das Oberlandesgericht nicht in jedem Falle prüfen, ob für alle im Haftbefehl aufgeführten Taten die allgemeinen Haftvoraussetzungen vorliegen. Kann die im Mittelpunkt der Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO stehende Frage, ob 6 Monate übersteigende Untersuchungshaft ausnahmsweise gerechtfertigt ist, bereits unter Berücksichtigung einzelner Taten oder Tatkomplexe positiv beantwortet werden, bedarf es keiner weiteren Erörterung anderer Taten.

3.

98

Trotz der Mängel beider Haftgrundlagen insbesondere bei der Darstellung des dringenden Tatverdachts kann bezüglich der einzelnen Beschuldigten folgendes festgestellt werden:

99

a) V. W., Sch. und G.

100

aa) Diese 3 Beschuldigten sind auf jeden Fall der Taten II.1 und 25 des Beschlusses vom 5. Januar 2006 dringend verdächtig, deren Darstellung auf der insoweit geständigen Einlassung des Beschuldigten G. beruht. Aufgrund neuer Ermittlungsergebnisse (siehe dazu nachfolgend unter cc) müssen auch die von G. geschätzten Mengen als realistisch angesehen werden.

101

bb) Es liegt der Haftgrund der Fluchtgefahr vor (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), dem nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO wirksam begegnet werden kann.

102

Der Drogenkurier C. wurde allein wegen der Tat vom 16. September 2004 (siehe Fall II.2 des Beschlusses vom 5. Januar 2006) Anfang Dezember desselben Jahres durch das Landgericht Koblenz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten verurteilt, obwohl er sofort geständig war und alle eingeführten Betäubungsmittel sichergestellt werden konnten. Von diesem Urteil haben die Beschuldigen wahrscheinlich schon zeitnah, spätestens aber nach der Inhaftierung Kenntnis erlangt. Da die ihnen angelasteten, ungewöhnlich großen Drogenmengen in den Verkehr gelangt sind, können sie sich selbst ausrechnen, dass allein für die Fälle II.1. und II. 25 des Beschlusses vom 5. Januar 2006 nur eine 5 Jahre weit übersteigende Gesamtstrafe in Betracht kommen kann. Bei realistischer Betrachtung müssen sich V. W. und Sch. darauf einstellen, noch sehr viele Jahre in einer Justizvollzugsanstalt zu verbringen. Nur für G. könnte das Verfahren über die Anwendung des § 31 BtMG einen etwas glimpflicheren Ausgang nehmen.

103

Es bedarf keiner weiteren Darlegung, dass diese selbstverschuldete Zukunftsperspektive einen nahezu unwiderstehlichen Fluchtanreiz ausübt. Hinzu kommt, dass die Beschuldigten aus Nachfolgestaaten der UdSSR stammen. Wegen der im Land ihrer Geburt erworbenen Sprachkenntnisse hätten sie es relativ leicht, überall dort Fuß zu fassen, wo russisch gesprochen wird. Dazu gehören auch mehrere Staaten in Zentralasien (wo einige Mitbeschuldigte herkommen), in denen der lukrative Drogenhandel noch weiter verbreitet ist als in Deutschland (siehe z.B. http://www.uzbekistan.de/de/2005/d_n0929.htm ). Nicht nur ihr strafbares Verhalten zeigt, dass ihre Integration in die Gesellschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland gescheitert ist. Nach Aktenlage beschränkten sich auch ihre sozialen Kontakte nahezu ausschließlich auf Personen gleicher Herkunft - auch solche, die nach derzeitigem Kenntnisstand nicht in die Straftaten verwickelt sind. Es ist nicht erkennbar - und wird im jetzigen Haftprüfungsverfahren trotz relativ langer Frist zur Stellungnahme auch nicht vorgetragen -, dass sie in Deutschland über Bindungen verfügen, die sie davon abhalten könnten, sich dem Verfahren und insbesondere den schwerwiegenden Konsequenzen zu entziehen.

104

cc) Der besondere Umfang und die besonderen Schwierigkeiten der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen - auch unter Berücksichtigung des sich aus Art 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Freiheitsanspruch eines noch nicht rechtskräftig Verurteilten und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - die Fortdauer der Untersuchungshaft.

105

Welch zeitaufwendige Ermittlungen notwendig sind, um auch nur eine Tat bis zur Anklagereife aufzuklären, erschließt sich aus folgendem Beispiel:

106

Die Mengenangaben des Beschuldigten G. sind Schätzungen und somit nicht unangreifbar. Es war daher geboten zu versuchen, durch weitere Ermittlungen Informationen zu erhalten, die Auskunft über die Zuverlässigkeit der Schätzungen geben können. Nach Aussage G...s waren über die Geschäfte mit Sch. schriftliche Aufzeichnungen gefertigt worden; diese konnten bei den Durchsuchungen am 17. Juni 2005 allerdings nicht aufgefunden werden. In W. wurde jedoch ein Papierkorb voller Schredderpapier sichergestellt, das den Spezialisten der BStU („Gauck-Behörde“) zum Zwecke der - zeit- und personalintensiven - Rekonstruktion übergeben wurde. Bis Anfang Januar 2006 war es gelungen, einen Teil der Schriftstücke wiederherzustellen, darunter 3 DIN A4-Seiten mit handschriftlichen Notizen aus der Zeit vom 30. April bis 28. Mai 2005. Sie betreffen offensichtlich Drogengeschäfte, an denen wahrscheinlich (auch) Sch. und G. beteiligt waren (wobei einiges dafür spricht, dass G. bisher noch sein ganzes Wissen offen gelegt hat). Nach diesen Aufzeichnungen hatten in kurzer Zeit nicht nur große Mengen Betäubungsmittel aller Art (darunter fast 20 kg „spit“ = Amphetamin) und Streckmittel (wie 32 kg „Koffe“ = Coffein), sondern auch Bargeld in einer Größenordnung von 70.000 € den Besitzer gewechselt. Die teilweise sehr schlecht lesbaren Notizen bedürfen allerdings noch einer Auswertung unter Mitwirkung eines Übersetzers, der mit den gruppenspezifischen, zumindest teilweise aus der russischen Sprache stammenden Tarnbezeichnungen (wie „ser“ = Heroin?) vertraut ist. Außerdem könnte G., wenn er weiterhin aussagebereit sein sollte, zur „Entschlüsselung“ beitragen. Davon unabhängig ist ein Abgleich mit den Erkenntnissen aus Observationen und TKÜ-Maßnahmen notwendig.

107

b) A., S., B., We. und St.

108

aa) Diese Beschuldigten sind - wie auch V. W. und Sch. - dringend verdächtig, in der dargestellten Weise an den zusammengehörenden Taten II.28 und 29 des Beschlusses vom 5. Januar 2006 mitgewirkt zu haben.

109

Die Beschuldigten S. und B. sind nach dem derzeitigen, noch durch ein Rechtshilfeersuchen nach Russland zu verifizierenden Kenntnisstand Mitglieder einer Tätergruppe, die den Transport von Opiaten aus Zentralasien nach Europa organisiert. In dem PKW-Transporter, den der Zeuge Lo. in ihrem Auftrag nach W. steuerte, wo er am 14. Juni 2005 eintraf, befanden sich getarnte Hohlräume. Als das Fahrzeug 3 Tage später auf dem Rückweg bei F. festgehalten wurde, waren die Hohlräume leer; die Verschlüsse wiesen eine frische Tarnung auf. Die dafür verwendeten Materialien (Spachtelmasse und Sprühlack) sind chemisch identisch mit Resten, die im Anwesen S. in W. sichergestellt wurden. Das rechtfertigt den Schluss, dass die Hohlräume dort auch geöffnet worden waren, um den Inhalt zu entnehmen. Die Sicherstellung vom 18 kg Heroin mit einem Reinheitsgrad von ca. 70 % und ohne Zusatz von Streckmitteln am 17. Juni 2005 lässt sich nur damit erklären, dass es sich um frische Importware handelte, die erst kurz zuvor auf direktem Wege aus Zentralasien nach Deutschland gelangt war. Der Beschuldigte A., der sich kurz vorher in Kasachstan und Afghanistan aufgehalten hatte, telefonischen Kontakt mit einem der Fahrer des PKW-Transporters hielt und fast zeitgleich mit diesem in W. eintraf, teilte am nächsten Tag einem noch zu identifizierenden Gesprächspartner in Italien mit, er habe jetzt „12“ und er werde am Freitag „3 100 %“ und „3 or 4 50 %“ liefern. Nach derzeitigem Kenntnisstand stehen „100 %“ für ein Kilogramm und „50 %“ für 500 g Heroin. Tatsächlich waren am 17. Juni 2005, einem Freitag, die Beschuldigten W., We., St. und Sch. beim Zugriff der Polizei gerade dabei, einen von dem als Drogenkurier tätigen St. gemieteten PKW für einen Drogentransport mit u.a. ca. 4 ½ kg hochwertigen Heroins zu präparieren.

110

bb) Es liegt der Haftgrund der Fluchtgefahr vor (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), dem nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO wirksam begegnet werden kann.

111

Bei den Beschuldigten A., S. und B., deren vorübergehende Anwesenheit in Deutschland nur der Begehung einer ungewöhnlich schweren Straftat diente, bedarf die Annahme dieses Haftgrundes angesichts der Erwartung einer vermutlich zweistelligen Freiheitsstrafe keiner näheren Darlegung.

112

Die Beschuldigten We. und St. gehören zu einer Gruppe von Personen, die wie sie selbst aus Nachfolgestaaten der UdSSR stammen und mit Drogenhandel großen Stils einen überdurchschnittlichen Lebensstandard finanzierten. Eine wirkliche Integration in die Gesellschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist nicht feststellbar. Anderseits hätten sie es wegen der im Land ihrer Geburt erworbenen Sprachkenntnisse relativ leicht, überall dort Fuß zu fassen, wo russisch gesprochen (und, wie in Usbekistan, dem Herkunftsland des Beschuldigten St., mit Drogenhandel sehr viel Geld verdient) wird. Familiäre oder sonstige soziale Bindungen, die die Beschuldigten davon abhalten könnten, sich dem Verfahren zu entziehen und durch Flucht oder Untertauchen in der grenzüberschreitenden Drogenszene die drohenden Konsequenzen in Form eines mehrjährigen Freiheitsentzugs zu vermeiden, sind nicht feststellbar; sie werden auch von dem Beschuldigten nicht vorgetragen. Nach Aktenlage waren beide noch nicht einmal dort wohnhaft, wo sie gemeldet waren. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass We. die von ihm angemietete „Meldewohnung“, für die er Wohngeld bezog, weitervermietet hatte.

113

cc) Der besondere Umfang und die besonderen Schwierigkeiten der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen - auch unter Berücksichtigung des sich aus Art 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Freiheitsanspruch eines noch nicht rechtskräftig Verurteilten und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - die Fortdauer der Untersuchungshaft.

114

Der Fälle II. 28 und 29 sind nur ein Ausschnitt eines ungewöhnlich umfangreichen Verfahrens, in dem (nicht nur) durch verdeckte Maßnahmen gewonnene Erkenntnisse auch nach der Inhaftierung der Beschuldigten im Lichte neuer Erkenntnisse ständig überprüft und zum Teil auch neu bewertet werden müssen. Hiermit können sinnvoller Weise nur jene Beamte betraut werden, die sich im Lauf der (verdeckten) Ermittlungen bereits ein kontinuierlich gewachsenes Hintergrundwissen angeeignet haben, das ihnen die gebotene Überprüfung und Bewertung überhaupt erst ermöglicht. Es ist also, wenn überhaupt, nur in sehr geringem Umfang möglich, die Ermittlungen durch verstärkten Personaleinsatz zu beschleunigen. Ähnlich ist es bei dem Einsatz von Übersetzern, die im Laufe des Verfahrens in die bandenspezifische Terminologie hineingewachsen sein müssen, um nützliche Arbeit leisten zu können.

115

Dabei versteht es sich von selbst, dass die Zuordnung von in mühevoller Kleinarbeit gewonnenen Details zu einzelnen Tatvorwürfen regelmäßig nicht am Anfang, sondern erst am Ende des Erkenntnisprozesses stehen wird. Ob beispielsweise ein in der 2. Aprilhälfte 2005 „verschlüsselt“ geführtes Telefonat für Fall 22, 23, 24 oder 25 Bedeutung hat (oder in einem völlig anderen Zusammenhang steht), ergibt sich u.U. erst aus einer Gesamtschau aller Beweisergebnisse. Deshalb ist es auch kaum möglich, die Ermittlungen schrittweise auf einzelne Taten zu konzentrieren und sukzessive Anklage zu erheben.

116

So heißt es beispielsweise in einem Vermerk des Zollfahndungsamtes F. vom 8. Dezember 2005 allein in Bezug auf den Sony-Taschencomputer (PDA) des Beschuldigten V. W.:

117

„Aufgrund der Vielzahl der beweiserheblichen Daten in Einträgen und Schriftstücken ... Da der Inhalt vorwiegend in russischer Sprache verfasst ist, wurde eine Übersetzung durch Dolmetscherin Frau B. vorgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass der mutmaßliche Verfasser der Eintragungen, V. W. überwiegend Abkürzungen und Chiffrierungen genutzt hat. Die Bedeutung der Eintragungen ist zum jetzigen Zeitpunkt der Ermittlungen nur teilweise nachvollziehbar. Unter anderem wurden diverse Kodierungstabellen festgestellt, deren Deutung weiterer Ermittlungen bedarf. Im Zuge der Auswertung wurden Abkürzungen und Begriffe mit den Inhalten von TKÜ-Gesprächen, Eintragungen im Namenregister sichergestellter Mobiltelefone und den Daten der verschiedenen Aufzeichnungen, u.a. auch der im Objekt S., W., sichergestellten Unterlagen abgeglichen. Die diesbezüglichen Ermittlungen dauern auf Grund des erheblichen Umfanges und der hoch konspirativen Vorgehensweise der Tatverdächtigen an.“

118

Auch die kriminaltechnisch-wissenschaftliche Untersuchung zahlreicher Spuren und Gegenstände ist noch lange nicht abgeschlossen. Am und nach dem 17. Juni 2005 wurden ungewöhnlich viele Einzelportionen von Drogen aller Art sichergestellt (siehe z.B. Bl. 4462 f. d.A.), deren Untersuchung, da es hier immer um eine Haftsache geht, gleichermaßen dringlich war und ist, aber auch an Kapazitätsgrenzen stößt. Seit Anfang Dezember 2005 liegen erste, vorläufige und noch unvollständige Gutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt der OFD K. vor. Das Ergebnis der sehr zeitaufwendigen Auswertung von 120 sichergestellten Mobiltelefonen und SIM-Karten (siehe dazu Bl. 4495 d.A.) steht noch aus, ebenso der Abgleich der DNA-Profile der Beschuldigten mit dem an zahlreichen Gegenständen gesicherten Zellmaterial durch das LKA Rheinland-Pfalz.

119

c) L.

120

aa) Dieser Beschuldigte ist der in den Fällen II. 13, 15, 18 und 25 des Beschlusses vom 5. Januar 2006 geschilderten Taten dringend verdächtig

121

Ab Ende Februar 2005 hatte L. nach Vermittlung durch einen „A.“ (wahrscheinlich A. M., den L. schon aus gemeinsamen Schulzeiten in Kasachstan kennt) zunächst telefonischen, dann auch persönlichen Kontakt zu einem ebenfalls aus der ehemaligen UdSSR stammenden W. M., der nach Aktenlage mit dem bei St. P. geborenen E. Sch. in Ka. dem Drogenhandel nachging. Ab Anfang März 2005 bot M. einem verdeckten Ermittler des LKA Rheinland-Pfalz mehrmals große Mengen Betäubungsmittel an; am 10. März 2005 kam es sogar zu einem sog. Vertrauensgeschäft mit 50 g Heroin. Es kann kein Zufall sein, dass es zeitgleich mit den Verhandlungen zwischen M. und dem verdeckten Ermittler zu häufigen Telefonaten mit L. sowie am 9. und 16. März 2005 zu persönlichen Treffen in A. kam und dass V. W. nach vorherigen Telefonaten mit L. nahezu zeitgleich mit den Treffen in A. das Drogendepot in der H.-B.-Straße in K. aufsuchte. Vielmehr muss derzeit davon ausgegangen werden, dass L. zumindest die 50 g bzw. 150 g Heroin, die M. dem verdeckten Ermittler übergab bzw. anbot, auch kurz zuvor geliefert hatte.

122

Hinsichtlich Fall 25 ergibt sich aus den rekonstruierten Notizzetteln (siehe oben bei V. W., Sch. und G.), dass am Abend des 4. Mai 2005 um 20:00 Uhr 1,5 kg einer Substanz mit der schlecht lesbaren Bezeichnung „Trowa“ o.ä. (das Kürzel „trw“ wurde von Bandenmitgliedern für Marihuana benutzt) den Besitzer gewechselt hatten. Um diese Zeit wurde G. dabei beobachtet, wie er Sch. einen Aktenkoffer übergab. Etwa 20 Minuten später gab Sch. den Aktenkoffer an L. weiter, der Besuch von Personen aus dem Raum Ka. hatte. Im Laufe des Abends kam es zu (abgehörten) Telefonaten zwischen Sch. und L., aus denen sich ergibt, dass die Personen aus Ka. nur ein Kilogramm bestellt und bezahlt, aber versehentlich 500 g mehr erhalten hatten. Bei der Festnahme der Abnehmer, darunter E. Sch., nahe Ka. am späten Abend des 4. Mai 2005 wurden tatsächlich 1,5 kg Marihuana sichergestellt.

123

bb) Obwohl L. nach derzeitiger Sachlage der Beschuldigte ist, der die - nur relativ - niedrigste Strafe zu erwarten hat, liegt auch bei ihm der Haftgrund der Fluchtgefahr vor (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), dem nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO wirksam begegnet werden kann.

124

L. lebt zwar zusammen mit seiner wie er aus Kasachstan stammenden Ehefrau in Deutschland und hat zwei Töchter im Alter vom 17 und 13 Jahren. Seine Mutter und seine einzige Schwester leben aber noch in Kasachstan, wo auch seine ältere Tochter geboren wurde. Seinen Angaben zufolge ist sein Schwager „ein guter Kumpel vom kasachischen Präsidenten“ (Bl. 1959 d.A.). Zeitweise betrieb er einen Fahrzeughandel mit Geschäftsbeziehungen nach Zentralasien. Aufgrund seiner Herkunft beherrscht er die dort gebräuchliche russische Sprache. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist er drogenabhängig.

125

Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass er sich dem Verfahren und den drohenden Konsequenzen in Form einer die Obergrenze des § 56 Abs. 2 StGB weit übersteigenden Freiheitsstrafe durch Flucht nach Zentralasien entziehen würde.

126

cc) Auch die besonderen Haftvoraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO sind zu bejahen.

127

Zunächst wird auf die obigen Ausführungen zu A. usw. unter b) cc) Bezug genommen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Ermittlungen gegen die Abnehmer M. und Sch., deren Ergebnisse auch für das Verfahren gegen L. von Bedeutung sind, von der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern (6114 Js 4462/05 und 6114 Js 5423/05) geführt werden.

128

Entgegen der Auffassung des Verteidigers (Schriftsatz vom 18. Januar 2006) ist die Sache auch in Bezug auf L. noch nicht anklagereif. Haben sich mehrere Personen zu dem Zweck der Begehung von Straftaten zusammengeschlossen, besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse daran, das Gesamtgeschehen, die gegenseitigen Auswirkungen der einzelnen Tathandlungen und -beiträge sowie die Beziehungen der Beteiligten untereinander möglichst geschlossen aufzuklären. Angesichts der außergewöhnlichen Komplexität des Verfahrens, in dem L. keinesfalls nur eine Randfigur ist, stellt es jedenfalls jetzt noch keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen dar, wenn die Staatsanwaltschaft derzeit noch keine Abtrennung mit gesonderter Anklageerhebung erwägt.

129

d) Kn. und R. W.

130

aa) Diese Beschuldigten sind der in den Fällen II. 4, 5, 8, 10, 17, 21 und 24 des Beschlusses vom 5. Januar 2006 geschilderten Handlungen dringend verdächtig mit der Einschränkung, dass die Fälle 4 und 5 wahrscheinlich nur eine Lieferung betreffen und dann auch nur eine Tat bilden.

131

Kn. war nicht Mitglied der Bande um V. W. Möglicherweise - das bedarf noch weiterer Aufklärung - gehörte er einer Bande an, die im Raum V.-S. dem Drogenhandel nachging. Derzeit kann allerdings schon festgestellt werden, dass er und seine Mittäter, die Brüder H., von V. W. beliefert wurden. Bindeglied war R. W., der bis zum 30. April 2005 als Zeitsoldat in Süddeutschland stationiert war und nach eigenen Angaben „einige Male zwischen V. und Juri Kn. als Vermittler fungiert hatte“ (Bl. 3187 d.A.), angeblich ohne irgendeine Entlohnung dafür zu enthalten (was bereits angesichts des von ihm gezeigten Engagements nicht glaubhaft ist).

132

Die Drogenmengen ergeben sich insbesondere aus abgehörten Telefonaten, die R. W. ab dem 21. Januar 2005 mit seinem Cousin V. geführt hatte und in denen es um ganz konkrete Bestellungen, aber auch um Reklamationen der Abnehmer ging. In der Regel wurden (mindestens) 5 kg Marihuana und (mindestens) 1 kg Amphetamin bestellt und - meist von St. - geliefert. Aus einem Telefonat vom 20. April 2005 ergibt sich unmissverständlich, dass V. W. keinesfalls bereit war, weniger als 5 kg Marihuana zu liefern, weil er dies wegen des Kurierlohns als unwirtschaftlich ansah.

133

Ergänzend wird auf die schlüssige Beweiswürdigung in dem die Haftbeschwerde des R. W. verwerfenden Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 27. September 2005 (Bl. 3567 f. d.A.) Bezug genommen.

134

bb) Es liegt der Haftgrund der Fluchtgefahr vor (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), dem nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO wirksam begegnet werden kann.

135

Auch die Beschuldigten R. W. und Kn. stammen aus Nachfolgestaaten der UdSSR. Wegen der im Land ihrer Geburt erworbenen Sprachkenntnisse hätten sie es relativ leicht, überall dort Fuß zu fassen, wo russisch gesprochen (und, wie in Usbekistan, dem Herkunftsland des Beschuldigten St., mit Drogenhandel sehr viel Geld verdient) wird. Familiäre oder sonstige soziale Bindungen, die die Beschuldigten davon abhalten könnten, sich dem Verfahren zu entziehen und durch Flucht oder Untertauchen in der grenzüberschreitenden Drogenszene die drohenden Konsequenzen in Form eines mehrjährigen Freiheitsentzugs zu vermeiden, sind nicht feststellbar; sie werden auch von dem Beschuldigten nicht vorgetragen.

136

Bei dem Beschuldigten R. W., der es immerhin bis zum Stabsunteroffizier der Bundeswehr gebracht hatte, scheint zwar, anders als bei Kn. und anderen Beschuldigten, die Integration nicht völlig gescheitert zu sein. Anderseits ist es aber bemerkenswert, dass er trotzdem keine Skrupel hatte, an einem schwunghaften Handel mit großen Drogenmengen mitzuwirken. Es ist seine eigene Schuld, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie mehr die Chance haben wird, die von der Bundeswehr finanzierte Umschulung zu einer „Fachkraft für Schutz und Sicherheit“ zu beenden. Auch die schlechte berufliche Perspektive spricht eher für Fluchtgefahr.

137

cc) Hinsichtlich der besonderen Haftvoraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO wird auf die obigen Ausführungen zu den zu A. usw. unter cc) Bezug genommen. Eine Abtrennung und gesonderte Anklageerhebung wäre jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht sachgerecht.

138

e) K.

139

aa) Bezüglich dieses Beschuldigten kann derzeit dringender Tatverdacht allerdings nur bejaht werden, soweit ihm bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch das Vorrätighalten zum Verkauf der sichergestellten Betäubungsmittel zur Last gelegt wird. Nach derzeitigem Kenntnisstand war er nicht nur der Mieter, sondern auch der einzige Nutzer der Garage, die als Drogendepot diente. Hinsichtlich der anderen Vorwürfe fehlt es bereits an der jedenfalls nach 6-monatiger Untersuchungshaft notwendigen Konkretisierung (siehe dazu Senatsbeschl. in dieser Sache vom 21.12.2005).

140

bb) Es liegt der Haftgrund der Fluchtgefahr vor (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), dem nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO wirksam begegnet werden kann.

141

Der Beschuldigte, der zur Tatzeit Heranwachsender war, muss sich auf einen mehrjährigen, die Obergrenze des § 56 Abs. 2 StGB deutlich übersteigenden Freiheitsentzug einstellen, möglicherweise in Form einer Jugendstrafe. Zwar ist das Vorrätighalten großer Mengen Betäubungsmittel zu dem offenkundigen Zweck des Weiterverkaufs keine „Jugendsünde“ im Sinne des § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG. Die Tat ist vielmehr Ausdruck einer mit Skrupellosigkeit gepaarten Geldgier. Trotzdem ist die Anwendung des § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG nicht ausgeschlossen, denn der Beschuldigte war im Juni 2005 „erst“ 19 Jahre alt.

142

Mit dieser Straferwartung allein kann der Haftgrund der Fluchtgefahr jedoch nicht begründet werden. Sie ist vielmehr hier nur Ausgangspunkt für die Erwägung, ob der in ihr liegende Anreiz zur Flucht auch unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände so erheblich ist, dass die Annahme gerechtfertigt erscheint, der Beschuldigte werde ihm nachgeben und wahrscheinlich flüchten.

143

Dies ist hier allerdings zu bejahen. Auch K. gehörte spätestens seit Anfang 2005 zum engen Umfeld von Personen, die wie er aus Nachfolgestaaten der UdSSR stammen und mit einem regen Drogenhandel einen eher überdurchschnittlichen Lebensstandard finanzierten. Allein die im Haftbefehl aufgeführte Tat zeigt, dass seine Integration in die Gesellschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland misslungen ist. Auch familiäre oder berufliche Bindungen, die ihn davon abhalten könnten, sich dem Verfahren und den drohenden Konsequenzen zu entziehen, sind nicht feststellbar; sie werden auch nicht vorgetragen. Anderseits hätte er es wegen der im Land seiner Geburt erworbenen Sprachkenntnisse relativ leicht, überall dort Fuß zu fassen, wo russisch gesprochen wird.

144

cc) Auch die besonderen Haftvoraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO sind zu bejahen.

145

Die Staatsanwaltschaft in Koblenz hat über die Generalstaatsanwaltschaft am 19. Januar 2006 mitgeteilt:

146

„In der Zwischenzeit ergaben die Ermittlungen allerdings keine weiterführende Konkretisierung der dem Beschuldigten angelasteten Tatbeiträge. Deshalb erscheint es wegen des Beschleunigungsgebots nunmehr unumgänglich, dass Verfahren ... abzutrennen und wegen der entscheidungsreifen Tat im Zusammenhang mit der am 17. Juni 2005 erfolgten Sicherstellung ... unverzüglich Anklage zu erheben.“

147

Einem zügigen Abschluss dieses Verfahrensteils innerhalb einer auch für eine Haftsache angemessenen Zeit steht somit nach heutigem Kenntnisstand nichts mehr im Wege.

148

Nebenentscheidungen: § 122 StPO

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.