Urteil vom Oberlandesgericht Koblenz (5. Zivilsenat) - 5wg U 404/17 E

Tenor

1. Auf den Hilfsantrag der Klägerin wird das Urteil des Landgerichtes Trier vom 03.02.2017 (5 wgO 18/15 E) und der Bescheid des beklagten Landes vom 30.01.2015 aufgehoben und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verpflichtet, der Klägerin eine Witwenbeihilfe nach ihrem verstorbenen Ehemann gemäß §§ 150, 159, 41a BEG ab dem Todestag (24.05.2014) zu gewähren.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Von den übrigen Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 1/3 und das beklagte Land 2/3.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bewilligung einer Hinterbliebenenrente (§ 41 BEG), hilfsweise einer Witwenbeihilfe (§ 41a BEG) nach ihrem am 24.05.2014 verstorbenen Ehemann.

2

Der am 16.03.1926 geborene Ehemann der Klägerin war ab dem Jahre 1940 im Warschauer Ghetto interniert und wurde hier misshandelt. Aufgrund einer dabei erlittenen verfolgungsbedingten Hirnverletzung mit einer MdE von 90% wurden ihm am 22.05.1967 (Bl. 38 - 40 RA) Entschädigungsansprüche nach dem BEG zuerkannt. Es wurde eine Gesundheitsschadensrente auf der Basis der Mindestrente gewährt.

3

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr Ehemann sei an den verfolgungsbedingten Leiden verstorben. Todesursache sei ein Hirntumor, der sich aufgrund der verfolgungsbedingten Hirnverletzung früher als sonst zu erwarten entwickelt habe. Hierzu hat sie ein ärztliches Attest vorlegt (Bl. 230 RA). Sie habe deshalb Anspruch auf eine Witwenrente, aufgrund der MdE von 90% aber zumindest einer Witwenbeihilfe.

4

Die ärztlich beratene Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, Todesursache sei eine Herzinsuffizienz im Rahmen einer koronaren Herzkrankheit im Kontext einer Demenz mit Pflegebedürftigkeit sowie einer mutmaßlich kranialen Metastase bei Harnblasenkarzinom. Sie sieht keinen Zusammenhang zwischen der Todesursache und den Verfolgungsleiden. Für eine Witwenbeihilfe fehle es an den persönlichen Voraussetzungen.

5

Das sachverständig beratene Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es spreche keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Tod des Ehemannes der Klägerin Folge eines verfolgungsbedingten Schadens an Körper oder Gesundheit war. Weder aus psychiatrischer (Bl. 37 ff. GA) noch aus neurologischer Sicht (Bl. 102 ff. GA) sei ein Zusammenhang der verfolgungsbedingten Leiden mit dem Tod des Ehemannes zu sehen. Die hilfsweise begehrte Witwenrente scheitere an der notwendigen Beziehung zum räumlichen Geltungsbereich des BEG.

6

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie verweist erneut darauf, dass nach der israelischen Todesbescheinigung (Bl. 228 VA) der Gehirntumor zum Tode geführt habe („Brain transitional cell carcinoma“). Auch das vorgelegte ärztliche Attest (Bl. 230 VA) und die eingeholten medizinischen Unterlagen (Bl. 252, 259, 263 VA) belegten dies. Das Landgericht habe die sich aus der gesetzlichen Regelung wie der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebenden Beweiserleichterungen verkannt. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass eine Mitverursachung ausreiche. Insoweit sehe der psychiatrische Gutachter zwar multikausale Faktoren bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin, ohne aber die Möglichkeit der Mitverursachung auszuschließen (S. 14 des Gutachtens). Auch der Neurologe könne letztlich nicht ausschließen, dass die Hirnverletzung in Zusammenhang mit dem Hirntumor stehe. Es sei fehlerhaft unterlassen worden zu ermitteln, ob die Herzkreislauferkrankung - bei einem aktenkundigen Herzinfarkt in der Vergangenheit - wie das Nierenversagen - letzteres vor dem Hintergrund verfolgungsbedingter lebenslanger Einnahme von Schmerz- und Schlafmitteln - verfolgungsbedingt sei. Das Nierenversagen könne auch in Zusammenhang mit den anerkannten Schussverletzungen stehen. Unzutreffend gehe das Landgericht davon aus, dass für die Gewährung einer Witwenbeihilfe nach § 41a BEG auch die Voraussetzungen des § 4 BEG vorliegen müsse. Der Zweck des § 41a BEG, der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Auslegung über den Wortlaut hinaus verlange, begründe die Gewährung einer Witwenbeihilfe.

7

Die Klägerin beantragt,

8

1. das Urteil des Landgerichtes Trier vom 03.02.2017 (5 wgO 18/15 E) und den Bescheid des beklagten Landes vom 30.01.2015 aufzuheben und der Klägerin eine Hinterbliebenenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann gemäß §§ 150, 159, 41 Abs. 1 und 2 BEG ab dem Todestag zu gewähren.

9

hilfsweise

10

2. das Urteil des Landgerichtes Trier vom 03.02.2017 (5 wgO 18/15 E) und den Bescheid des beklagten Landes vom 30.01.2015 aufzuheben und der Klägerin eine Witwenbeihilfe nach ihrem verstorbenen Ehemann gemäß §§ 150, 159, 41a BEG ab dem Todestag zu gewähren.

11

Das beklagte Land beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Das beklagte Land wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht sich die Entscheidung des Landgerichtes zu Eigen. Anders als die Klägerin meine, schlössen die Gutachter einen Zusammenhang zwischen der verfolgungsbedingten Hirnverletzung und dem Hirntumor definitiv aus. Es fehle schon an der Nachweisbarkeit einer lokalen Übereinstimmung zwischen dem Trauma und dem todesursächlichen Tumor. Auch in zeitlicher Hinsicht sei das Spektrum eines denkbaren Zusammenhangs von 5 - 20 Jahren deutlich überschritten. Da Schlaganfälle ihre Ursache in einer Schädigung des zerebralen Gefäßsystems finden, sei auch hier die traumatische Hirnverletzung sicher nicht als kausal zu betrachten. Letztlich sei kein Zusammenhang zwischen dem Blasenkarzinom und der verfolgungsbedingten Hirnverletzung wissenschaftlich nachweisbar oder denkbar. Es fehle deshalb an einer Ursächlichkeit oder auch nur Mitursächlichkeit der verfolgungsbedingten Leiden für den Tod. Nachdem § 41a BEG in § 159 BEG nicht genannt werde, müsse die Klägerin in räumlicher Beziehung zum Geltungsbereich des BEG im Sinne des § 4 BEG stehen, um eine Witwenbeihilfe erlangen zu können. Daran fehle es.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung, die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsakten VA … sowie die Rentenakten RA … Bezug genommen.

II.

15

Die Berufung ist zulässig und im Umfange des Hilfsantrages begründet. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

1.

16

Ein Anspruch auf eine Witwenrente besteht unter Zugrundelegung der maßgeblichen medizinischen Feststellungen nicht.

17

Ist der Verfolgte später als acht Monate nach Abschluss der Verfolgung, die seinen Tod verursacht hat, an den Folgen der Schädigung seines Körpers oder seiner Gesundheit verstorben, so stehen seinen Hinterbliebenen nach § 41 Abs. 1 S. 1 BEG Leistungen nach Maßgabe der §§ 16 bis 26 BEG zu.Es genügt dabei nach § 41 Abs. 2 S. 1 BEG, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen dem auf der Verfolgung beruhenden Schaden an Körper oder Gesundheit und dem Tod wahrscheinlich ist. Ausschlaggebend ist, inwieweit die verfolgungseigentümliche Opfer- und Gefahrenlage in der Person des Verfolgten noch fortgewirkt hat. Voraussetzung ist weiterhin, dass die persönlichen Voraussetzungen der §§ 150, 159 BEG vorliegen.

18

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedarf es nur der Wahrscheinlichkeit einer Mitverursachung, was nicht mit dem Umfang der Mitverursachung gleichgesetzt werden darf. Die Beweiserleichterung für den Ursachenzusammenhang zwischen Verfolgung und Tod in Form eines Wahrscheinlichkeitsnachweises gilt für den gesamten zwischen diesen Ereignissen liegenden Krankheitsverlauf bei dem Verfolgten einschließlich der Todesfolge (BGH v. 06.06.2002, IX ZR 35/02 = MDR 2002, 1248, Rn. - zitiert nach juris). Diese Wahrscheinlichkeit schwächt sich allerdings mathematisch ab, je weiter der Tod des Verfolgten in der kausalen Stufenfolge von seiner möglichen Verfolgungsursache entfernt ist (BGH v. 23.04.2009, IX ZB 25/08, Rz. 7 - zitiert nach juris). Der Wahrscheinlichkeitsnachweis ist mit zunehmendem Zeitablauf also immer schwerer zu führen (BGH v. 06.06.2002, IX ZR 35/02, Rz. 13 - zitiert nach juris).

19

Ausgehend von diesen höchstrichterlichen geklärten Grundsätzen, die der Senat sich zu Eigen macht, kommen Leistungen nach § 41 Abs. 1 S. 1 BEG nicht in Betracht.

20

Der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. … geht in seinen Gutachten vom 16.11.2015 (Bl. 37 ff. GA und Bl. 135 ff. GA) zunächst von dem zutreffenden Ansatz aus, dass mehr dafür als dagegen sprechen muss, dass der Tod des Ehemannes der Klägerin durch die verfolgungsbedingte Hirnverletzung verursacht oder wesentlich mitverursacht wurde. Unter verschiedenen Gesichtspunkten wird dies diskutiert, im Ergebnis aber verneint. Es gibt kein auf die Verfolgung zurückzuführendes objektivierbares Befundbild, das eine solche Mitverursachung auch nur wahrscheinlich erscheinen lässt. Die von der Klägerin reklamierten Beweiserleichterungen führen zu keiner anderen Sicht. Auch sie setzen zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Kausalität voraus. Auch der Verweis des Gutachters auf multikausale Faktoren begründet den Anspruch nicht, wenn sie nicht zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als Mitursache für die tödliche Erkrankung in Betracht kommen. Todesursache war aber ein Gehirntumor, dessen Entstehen und dessen Ausbreitung nicht im Zusammenhang mit dem verfolgungsbedingten traumatischen Ereignis steht. Der psychiatrische Sachverständige zeigt mit dem Hinweis auf die mangelnde Objektivierbarkeit mitverursachender Umstände auf, dass es gerade an den notwendigen Anknüpfungstatsachen fehlt. Eine auch mehrgliedrige Ursachenkette muss zumindest wahrscheinlich sein. Genau dies postuliert der Bundesgerichtshof in den zitierten Entscheidungen (6.6.2001, IX ZR 35/02 - Rn. 7 - zitiert nach juris; v. 23.04.2009, IX ZB 25/08, Rn. 7 - zitiert nach juris). Diese Wahrscheinlichkeit der Mitverursachung ist aber nicht zu sehen.

21

Aus dem neurologischen Zusatzgutachten (Bl. 102 ff. GA) ergibt sich, dass unabhängig vom verfolgungsbedingten Trauma ein Schlaganfall im Jahre 1989 stattgefunden hat, der als Anknüpfungstatsache für eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung nicht in Betracht kommt. Der Sachverständige begründet im Einzelnen aus medizinischer Sicht, weshalb der Schlaganfall als nicht verfolgungsbedingt angesehen werden kann und letztlich in keinem kausalen Zusammenhang zum Tod des Ehemannes der Klägerin steht. Dem steht das ärztliche Schreiben des … vom 06.06.2009 (Bl. 230 der Rentenakte) nicht entgegen, da es lediglich eine anderweitige Behauptung ohne Bezugnahme auf medizinische Befunde aufstellt. Belastbare medizinische Angaben, die eine andere Sichtweise erlauben würden, sind nicht vorhanden. Weiterhin ist eine maligne Erkrankung der Harnblase im Jahre 2013 ohne Verfolgungsbezug zu sehen. Letzteres habe zu Folgeverletzungen und auch einer Metastasierung, dem Gehirntumor und letztlich zum Tod geführt. Seit April 2014 sei ein raumfordernder Prozess im Schädelknochen beschrieben, der auf den Blasentumor zurückzuführen sei. Die weitere Krankheitsentwicklung könne nicht mit dem verfolgungsbedingten Trauma in Verbindung gebracht werden. Die anderweitige Beschreibung der Klägerin in der Berufungsbegründung (S. 8) kann der Senat mit den gutachterlichen Ausführungen nicht in Einklang bringen. Der neurologische Gutachter sieht keinen Ansatz für die Annahme, der Gehirntumor sei bedingt durch ein Trauma entstanden.

22

Die Sachverständigen unterscheiden nachvollziehbar und aus Sicht des Senates widerspruchsfrei zwischen der letztlich als Ausgangspunkt der Todesursache anzunehmenden Schädigung des zerebralen Gefäßsystems und grenzen es von der traumatischen Hirnschädigung ab. Die ärztlich attestierte Todesursache wird dabei in den Blick genommen und eingeordnet, ohne dass die Sachverständigen der von der Klägerin daraus abgeleiteten Auffassung folgen können. Die Sachverständigen haben auch eher fernliegende Optionen, die für einen mehrgliedrigen Ursachenzusammenhang sprechend könnten, erörtert. Sie konnten jedoch jeweils tragende Erwägungen vorbringen, die auch diese Optionen als ausgeschlossen oder äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen, so dass eine wahrscheinliche Mitverursachung nicht zu begründen ist. Die Annahme der Klägerin (S. 8 der Berufungsbegründung) allein aus der Diskussion dieser Varianten ergebe sich eine gleichwertige Möglichkeit eines solchen Kausalverlaufes, teilt der Senat nicht. Der Senat kann dem Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung (S. 5), dass der Gehirntumor todesursächlich war, folgen, ohne dass dies die Anspruchsvoraussetzungen des § 41 BEG erfüllt.

23

Auf der Grundlage der sachverständigen Feststellungen ist für die Annahme, dass der Tod des Ehemannes der Klägerin durch die verfolgungsbedingte Hirnverletzung auch nur mitverursacht wurde, kein Raum. Das multiple Organversagen geht auf die Folgen des Gehirntumors zurück, der wiederum Folge eines nicht verfolgungsbedingten, aber metastasierenden Blasentumors war. Der Senat, der nicht nur Entschädigungs- sondern auch Arzthaftungssenat ist, sieht auch keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, um in einer weitergehenden Beweisaufnahme der Frage von Amts wegen nachzugehen, ob der Blasentumor irgendeinen Bezug zum verfolgungsbedingten Trauma haben könnte. Dass der verstorbene Ehemann der Klägerin krebserregende Medikamente eingenommen hat, kann den Unterlagen an keiner Stelle entnommen werden. Dass Schussverletzungen den Blasen- oder Gehirntumor befördert haben, ist nicht zu sehen. Das multiple Organversagen ist als Folge des Gehirntumors absolut erklärt. Die Berufungsbegründung bleibt hier gleichsam ohne Substanz. Es werden reine Spekulationen geäußert, denen auch im Rahmen der Amtsermittlung nicht weiter nachgegangen werden muss.

24

Was die Berufung dagegen vorbringt, begründet keine abweichende Sicht. Die Auffassung, dass das Blasenkarzinom sich aufgrund des verfolgungsbedingten Hirntraumas früher entwickelt habe, ist ohne tatsächlichen, wissenschaftlichen oder rechtlichen Ansatzpunkt. Die sachverständigen Feststellungen widerlegen die Ansicht. Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass ihr Ehemann an dem Gehirntumor verstorben ist (Bl. 5 der Berufungsbegründung), verkennt aber, dass dieser nicht auf die verfolgungsbedingte traumatische Hirnverletzung zurückzuführen ist, sondern auf einen metastasierenden Blasentumor.

25

Auf das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen der §§ 4, 150, 159 BEG kommt es damit nicht an.

2.

26

Die Klägerin kann einen Anspruch auf Witwenrente auch nicht aus behaupteten Versäumnissen der Entschädigungsbehörde herleiten. Die aus Sicht der Klägerin unzureichende Entschädigung ihres Ehemannes in der Vergangenheit ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens. Auch kann auf dieser Grundlage durch den Senat keine Billigkeitsentscheidung getroffen werden. Dass der verstorbene Ehemann der Klägerin letztlich nur die Mindestrente bezog, geht auf in der Verwaltungsakte dokumentierten Erklärungen von dessen damaligem Rechtsanwalt zurück. Mit der Bewilligung der Rente aufgrund eines späten Rentenantrages wurden umfangreiche Nachzahlungen bewilligt.

3.

27

Der Klägerin steht allerdings eine Witwenbeihilfe nach §§ 150, 159, 41a BEG zu. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes umfasst § 159 BEG seinem Sinn und Zweck nach auch die Fälle des § 41a BEG. Die Gesetzgebungsgeschichte zeigt, dass es sich bei der unterlassenen Nennung von § 41a BEG in § 159 BEG um ein redaktionelles Versehen handelt.

a.)

28

Ist ein Verfolgter, der bis zum Tode eine Rente wegen einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70 vom Hundert bezogen hat, nicht an den Folgen der Schädigung seines Körpers oder seiner Gesundheit gestorben, so erhält die Witwe nach § 41a Abs. 1 BEG gleichwohl für die Dauer der Bedürftigkeit eine Beihilfe. Die Beihilfe wird in Höhe von zwei Dritteln der Rente gewährt, die der Witwe im Falle des § 41 BEG zustehen würde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen bestehen nach den oben genannten Anforderungen. Das zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel.

b.)

29

Im Berufungsverfahren allein streitig ist die Frage, ob die Klägerin oder ihr verstorbener Ehemann auch die persönlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfüllen. Die persönlichen Voraussetzungen ergeben sich grundsätzlich aus § 4 BEG. Danach muss eine Beziehung zum räumlichen Geltungsbereich des BEG bestehen. Diese Beziehung ist nicht gegeben, was auch die Berufung nicht in Abrede stellt.

30

Anderes gilt nur unter der Voraussetzung des §§ 150, 159 BEG. Der Verfolgte aus den Vertreibungsgebieten, der dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hat, hat nach § 150 Abs. 1 BEG Anspruch auf Entschädigung für Schaden an Körper oder Gesundheit, für Schaden an Freiheit, für Schaden durch Zahlung von Sonderabgaben und für Schaden im beruflichen Fortkommen. Nach dieser Norm wurde der verstorbene Ehemann der Klägerin entschädigt. Die Feststellungen hierzu finden sich auf Bl. 138 der Verwaltungsakte. Sie erfasst grundsätzlich auch die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Klägerin.

31

Nach dem Wortlaut des § 159 BEG wird die Entschädigung für Schäden an Leben aber nur nach Maßgabe der §§ 15 bis 26, 41 BEG geleistet. Die Witwenbeihilfe nach § 41a BEG ist also dem Wortlaut nach nicht umfasst, so dass aus der vergangenen Leistungsgewährung an den Ehemann nicht auf einen Leistungsanspruch der Klägerin nach § 41a BEG geschlossen werden kann.

32

Die Aufzählung der Leistungsfälle in § 159 BEG kann aber vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Entschädigungsgesetzgebung im Allgemeinen wie der Ausgestaltung von § 41a BEG im Besonderen nicht als abschließend angesehen werden.

33

Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass § 41a BEG erst mit dem BEG-Schlussgesetz vom 14.09.1965 (BGBl. I 1965, 1315) eingeführt wurde, nachdem § 159 BEG bereits in Kraft war und ohne diesen zu ändern. Eine Begründung dafür, § 41a BEG nicht in § 159 BEG aufzunehmen, findet sich nicht. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass § 41a BEG im ursprünglichen Gesetzentwurf noch gar nicht enthalten war (BT-Drucks. 4/1550), sondern erst im Gesetzgebungsverfahren eingefügt wurde (vgl. BT-Drucks. 4/3423, S. 7/8), für den Umstand, dass es sich in § 159 BEG um ein redaktionelles Versehen handelt. Im schriftlichen Bericht des federführenden Ausschusses für Wiedergutmachung wird die sonst durch § 159 BEG bewirkte Einschränkung des Kreises der Leistungsberechtigten nicht angesprochen. Es hätte aber nichts näher gelegen als zu begründen, warum zwar die Ausgangsleistung des § 41 BEG von § 159 BEG umfasst wird, nicht aber die den Ausgangsfall der Witwenrente ergänzende Bestimmung über die Witwenbeihilfe. Das Schweigen spricht für ein ungewolltes redaktionelles Versehen. Mit der Klägerin geht der Senat deshalb davon aus, dass § 159 BEG dahin verstanden werden muss, dass neben dem Hauptanspruch aus § 41 BEG auch der als Annex zu verstehende Anspruch des § 41a BEG von der Regelung erfasst wird.

34

Diese Sicht wird auch vom Sinn und Zweck der Regelung des § 41a, 159 BEG getragen. Der BGH hat schon früh entschieden (9.1.21976, IX ZR 204/71), dass § 41a BEG § 48 BVG nachgebildet ist und gleichen Zwecken dient. Das entspricht der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 4/3423 S. 7). Das hat er später bestätigt (BGH v. 18.07.2002, IX ZR 57/02). § 48 BVG gleicht den Umstand aus, dass der Beschädigte durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, und dadurch die aus der Ehe mit dem Beschädigten hergeleitete Witwenversorgung nicht sicherstellen konnte. Wenn genau diesem Zweck auch § 41a BEG dient, kann er nur erreicht werden, wenn § 159 BEG unter Einbeziehung von § 41a BEG verstanden wird. Die Gesetzesbegründung gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Sinn und Zweck in irgendeiner Weise eingeschränkt werden sollte. Auch der spätere Leistungsbericht an den Deutschen Bundestag (BT-Drucks. 10/6387, S. 17) zeigt keinen Hinweis darauf, dass eine Leistungsgruppe territorial beschränkt werden sollte.

4.

35

Die Entscheidung über die gerichtlichen Kosten beruht auf § 225 BEG, diejenige über die außergerichtlichen Kosten auf § 227 BEG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 209 BEG iVm. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5.

36

Gründe die Revision zuzulassen bestehen nicht. Der Senat übersieht nicht, dass er rechtsfortbildend entschieden hat. Festzustellen ist allerdings, dass in keiner juristischen Datenbank eine Entscheidung zu § 41a BEG mit vergleichbarer Problematik zu finden ist. Die Altersstruktur der Leistungsberechtigten bedingt es, dass es sich nur noch um Einzelfälle handeln kann. Zur Sicherung einer einheitlichen auf der Fortbildung des Rechts beruhenden Praxis ist deshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichtes nicht erforderlich. Vor dem Hintergrund der kaum noch zu sehenden Praxisbedeutung fehlt es auch an einer die Zulassung der Revision begründenden grundsätzlichen Bedeutung der Sache.

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