Beschluss vom Oberlandesgericht München - 21 U 6790/19

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 28.10.2019, Aktenzeichen 43 O 2705/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.850,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselabgasskandal. Die Klägerin hat bei einem Autohändler (Autohaus W. in B.) am 18.04.2016 einen gebrauchten Audi A 4 2.0 TDI erworben und im Nachgang eine vom Händler vorbereitete Vereinbarung unterschrieben, in der explizit aufgeführt ist, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom Abgasskandal des VW Konzerns betroffen ist. Weiter heißt es in der Vereinbarung vom 29.04.16: „Die sich daraus ergebenden Folgen (Nachrüstung, KFZ-Steuerbelastung, Leistungsverlust) sind noch nicht absehbar, aber zu erwarten und werden somit als vertragsgemäß vereinbart“.

Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts sowie im Hinweisbeschluss des Senats vom 18.02.2020 verwiesen.

Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ingolstadt, Az.: 43 O 2705/18, verkündet am 28.10.2019 und zugestellt am 20.10.2019, zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 22.850,00 nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 03.05.2016 bis 14.12.2018 (gem. außergerichtlichem Schreiben) und seither fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A4 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer …12 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 14.12.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.899,24 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2018 zu zahlen.

Hilfsweise:

4. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt, Az. 43 O 2705/18, verkündet am 28.10.2019 und zugestellt am 30.10.2019 wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.

Hilfsweise:

5. Die Revision wird zugelassen.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren noch nicht geäußert.

Der Senat hat mit Beschluss vom 18.02.2020, Bl. 355 ff. d.A., darauf hingewiesen, dass er der Berufung keine Aussicht auf Erfolg beimisst. Die Klägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 24.03.2020 Stellung genommen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 28.10.2019, Aktenzeichen 43 O 2705/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 24.03.2020 führen zu keiner anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage.

Im Hinblick auf diesen Schriftsatz sind noch folgende Ergänzungen veranlasst:

1. Der Senat bleibt dabei, dass es im vorliegenden Fall an einem Zurechnungszusammenhang, am Vorsatz, aber auch an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen dem Verhalten der Beklagten und dem Eintritt eines etwaigen Schadens bei der Klägerin fehlt.

Es ist zutreffend, dass im Rahmen des § 826 BGB der Schaden in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit bestehen kann. Es mag auch sein, dass die Klägerin den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs rückblickend als nachteilig beurteilt, weil sie z.B. im Falle eines Weiterverkaufs des Fahrzeugs möglicherweise nicht den erhofften Preis erzielen kann, weil das Fahrzeug von der Abgasmanipulation betroffen war. Die Frage nach einem Schaden kann hier aber dahinstehen, weil die Klägerin unstreitig den zunächst abgeschlossenen Vertrag mit ihrem Verkäufer modifiziert hat und in Kenntnis der Betroffenheit des Fahrzeugs von der Dieselproblematik an dem Vertrag festgehalten hat und mit der Modifikation einverstanden war. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin den Wagen nicht erworben hätte, wenn sie von Anfang an gewusst hätte, dass dieser vom Abgasskandal betroffen ist. Sie hat mit der Vereinbarung vom 29.04.16 ihren Kaufentschluss in Kenntnis dieses Umstandes und unter Inkaufnahme etwaiger damit verbundener Risiken und Nachteile bestätigt.

2. Der Klägerin war auch - anders als sie nunmehr vorträgt - bekannt, dass im äußersten Fall eine Betriebsuntersagung für derartige Fahrzeuge drohte. Dies ergibt sich aus ihrer eigenen Aussage vor dem Landgericht (Bl. 236 d.A.), bei der sie angab, dass der Verkäufer der Meinung gewesen sei, es könnten „ja nicht hunderttausende Dieselfahrzeuge stillgelegt werden“. Die u.U. problematische Nutzbarkeit des Fahrzeugs im Straßenverkehr einschließlich der Gefahr einer Stilllegung war damit ausdrücklich Thema bei Unterzeichnung des Nachtrags, der Klägerin mithin auch bewusst.

3. Es kann dahinstehen, ob man in anderen Fallkonstellationen, in denen Käufer tatsächlich keine Ahnung vom Abgasskandal und der Betroffenheit ihres Fahrzeugs haben, davon ausgehen kann, dass eine tatsächliche Vermutung für die Kausalität der Täuschungshandlung der Beklagten für die Kaufentscheidung besteht, weil hier das Gegenteil feststeht. Die Klägerin ist von ihrem Vertragspartner ausreichend aufgeklärt worden und hat gleichwohl am Vertrag festgehalten. Damit hat sie gezeigt, dass es für ihren damaligen Kaufentschluss keine Rolle gespielt hat, ob das Fahrzeug mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet war oder nicht. Auch ihre weiteren Angaben vor dem Landgericht untermauern, dass die Klägerin erst viel später Kaufreue hatte und zwar wegen drohender Fahrverbote und der Tatsache, dass der Wagen schwer verkäuflich ist. Fahrverbote und eine mittlerweile rückläufige Käufernachfrage betreffen jedoch nicht speziell Dieselfahrzeuge, die (vormals) eine unzulässige Abschalteinrichtung hatten.

4. Im Hinblick auf die mit dem Verkäufer des Fahrzeugs getroffene Vereinbarung, Anlage 3 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung, hinter Bl. 239 d.A., waren der Klägerin sowohl die möglicherweise drohenden Konsequenzen klar, sie akzeptierte aber auch ungewisse Nachteile. Denn in der Vereinbarung heißt es explizit, dass die sich aus der Betroffenheit des Fahrzeugs vom Abgasskandal ergebenden Folgen nicht absehbar sind und zu erwarten sind. Soweit sich gerade die Betroffenheit vom Abgasskandal und die damit notwendige Vornahme eines Software-Updates auf den Wiederverkaufspreis des Fahrzeugs nachteilig ausgewirkt haben sollte, war auch dies ein mögliches Risiko, das von der Klägerin bei Unterzeichnung der Vereinbarung in Kauf genommen wurde.

Damit kann gerade nicht angenommen werden, dass die Klägerin täuschungsbedingt eine ungewollte Verbindlichkeit eingegangen ist. Auf die Frage, ob die Klägerin einem Motivirrtum unterlegen ist, kommt es hier nicht an. Der von der Klägerin im Schriftsatz vom 24.03.2020, Seite 9 ff., zitierte Hinweis ist hier nicht einschlägig, der Wortlaut der Nachtragsvereinbarung ist hier ein gänzlich anderer, vgl. Fundstelle wie oben. Insoweit erübrigen sich weitere Ausführungen.

5. Nicht einschlägig ist auch das von der Klägerin auf Seite 12 zitierte Urteil des OLG Köln vom 17.03.2020, Az. 9 U 95/19, wonach ein Anspruch von Käufern nach §§ 826, 31 BGB auch ein Jahr nach Veröffentlichung der Adhoc Mitteilung der V. AG noch möglich sein soll, da sich die Sachverhalte unterscheiden. Eine nachträgliche Vereinbarung mit Hinweis auf die individuelle Betroffenheit des Wagens und/oder ein Gespräch mit dem Verkäufer über eine mögliche drohende Stilllegung sind im Fall des OLG Köln nicht festgestellt worden. Wie dargelegt, hat die Klägerin hier - anders als der Käufer im zitierten Fall - in Kauf genommen, dass mit dem Erwerb möglicherweise Nachteile verbunden sind. Sie hat die Nachtragsvereinbarung akzeptiert und am Kauf des Fahrzeugs in Kenntnis der relevanten Umstände und damit verbundener Risiken festgehalten.

6. Zu der von der Klägerin geltend gemachten Anspruchsgrundlage §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV hat der Senat seinen Standpunkt bereits umfassend unter Ziffer 3. im Hinweisbeschluss dargelegt. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 24.03.2020 bringen insoweit keine neuen Argumente, so dass auf die bereits erfolgten Hinweise Bezug genommen werden kann. Es bleibt dabei, dass die genannten Vorschriften der EG-FVG keine Schutzgesetze darstellen und eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht veranlasst ist. Darüber hinaus schlägt auch bei dieser Anspruchsgrundlage durch, dass die Klägerin mit der Nachtragsvereinbarung über die Betroffenheit des Fahrzeugs vom Abgasskandal informiert wurde und an dem Vertrag festgehalten hat.

7. In dem hier zu entscheidenden Einzelfall sind keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, so dass eine Entscheidung im Beschlusswege nach § 522 Abs. 2 ZPO möglich ist. Auch der Hinweis darauf, dass „europaweit über 11 Millionen Fahrzeuge der Beklagten von einer etwaigen höchstrichterlichen Rechtsprechung“ betroffen seien, ändert hieran nichts. Maßgeblich ist stets die konkrete Fallgestaltung, die vorliegend individuelle Besonderheiten aufweist. Allein der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhalt betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache noch keine allgemeine, grundsätzliche Bedeutung (vgl. BGH vom 22.09.2015, II ZR 310, 14, ZIP 2016, 266, Rn. 5). Vorliegend kann schon nicht erkannt werden, dass es eine relevante Zahl von Parallelverfahren gibt, mithin Fallgestaltungen mit vergleichbaren Absprachen kurz nach dem Kauf eines betroffenen Wagens. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass sich konkret klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen stellen würden, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Welche derartige Rechtsfrage sich vorliegend stellen soll, erschließt sich nicht. Ebenso wenig kann eine Divergenz zu abstrakten Rechtssätzen, die andere Senate der Oberlandesgerichte (oder der Bundesgerichtshof) aufgestellt haben, festgestellt werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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