Beschluss vom Oberlandesgericht München - 20 W 1121/20

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 06.07.2020, Az. 71 O 2352/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung ihres Befangenheitsgesuchs.

Mit Schriftsatz vom 27.09.2018 lehnte sie den Sachverständigen Prof. Dr. B. wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Das Gesuch stützt sich im Wesentlichen darauf, dass der Sachverständige (zunächst) keine Ermittlungen vor Ort vorgenommen habe. Im sodann am 10.08.2016 durchgeführten Ortstermin habe der Sachverständige keine Feststellungen getroffen, die zu einer objektiven Bewertung erforderlich wären. Aufgrund der Einwände der Klägerin hätte der Sachverständige zwingend einen neuen Ortstermin durchführen müssen. Überdies seien die bisherigen Bewertungen des Sachverständigen widersprüchlich. Außerdem unterstelle er zu Lasten der Klägerin, dass das aufgeschüttete Material eine höhere Durchlässigkeit aufweise. Ebenso sei die Einschätzung des Sachverständigen, dass das klägerische Grundstück Bodenschichten mit geringer Durchlässigkeit aufweise, reine Spekulation zu Lasten der Klägerin. Letztlich seien die bisherigen Ausführungen des Sachverständigen unbrauchbar, weil er keine „vernünftige Ermittlungen“ durchgeführt habe.

Mit Schriftsatz vom 15.03.2019 trug die Klägerin ergänzend vor, dass sie nicht sicher sei, ob der Sachverständige den Ortstermin persönlich wahrgenommen habe oder ob er nicht einen Vertreter entsandt habe.

Der Sachverständige nahm zum Befangenheitsantrag mit Schriftsatz vom 14.10.2018 Stellung. Außerdem teilte er mit Schriftsatz vom 15.04.2020 mit, dass er den Ortstermin persönlich wahrgenommen habe.

Mit Beschluss vom 06.07.2020 wies das Landgericht den Befangenheitsantrag der Klägerin vom 27.09.2018 zurück. Soweit sie das Gutachten des Sachverständigen für falsch halte, begründe das nicht die Besorgnis der Befangenheit. Dass der Sachverständige den Ortstermin nicht persönlich wahrgenommen habe, habe die Klägerin weder bestimmt behauptet noch glaubhaft gemacht.

Gegen den am 10.07.2020 zugestellten Beschluss legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.07.2020, eingegangen am selben Tage, sofortige Beschwerde ein. Dem Sachverständigen seien konkret diverse Punkte vorgeworfen, die mit einer objektiven Bewertung nichts zu tun hätten. Wenn ein Sachverständiger Sachvortrag einer Partei nicht berücksichtige und anderen, objektiv nicht nachvollziehbaren Sachverhalt unterstelle, rechtfertige das die Besorgnis der Befangenheit.

Das Landgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 05.08.2020 nicht ab und verfügte am selben Tag die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft, §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr.1 ZPO, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 569 Abs. 1 S.1 ZPO erhoben worden.

2. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gem. § 568 S.1 ZPO der Einzelrichter berufen, da auch die angefochtene Entscheidung durch den Einzelrichter erlassen wurde.

3. In der Sache erweist sich die Beschwerde jedoch als unbegründet und die angefochtene Entscheidung des Landgerichts als richtig.

a) Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Für die Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend Gründe vorhanden sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 11.6.2008, X ZR 124/06 = DS 2008, 266, beck-online). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Sachverständige in näherer Beziehung zu einer der Parteien steht. Ein Mangel an Sachkunde, Lücken, Unzulänglichkeiten oder Fehler im Gutachten entwerten dieses gegebenenfalls, rechtfertigen jedoch für sich allein regelmäßig nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit (vgl. BGH Beschluss vom 5.11.2002, X ZR 178/01, BeckRS 2003, 94, beck-online). Denn derartige Mängel betreffen grundsätzlich nicht seine Unabhängigkeit (vgl. BGH, Beschluss v. 27. 9. 2011, X ZR 142/08 = NJW-RR 2011, 1555, beck-online).

b) Gemessen an diesen Maßstäben, liegen hier keine Umstände vor, die die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen begründen.

aa) Was die (von der Klägerin angezweifelte) persönliche Teilnahme des Sachverständigen am durchgeführten Ortstermin angeht, hat die Klägerin weder konkret behauptet noch glaubhaft gemacht, dass der abgelehnte Sachverständige in Wahrheit den Ortstermin nicht selber wahrgenommen hat. Sie hat lediglich vorgetragen, sie sei „irritiert“ gewesen, weil sie ihn auf einem Foto der Webseite der Universität der Bundeswehr nicht als die Person wiedererkennen konnte, die den Ortstermin durchgeführt habe. Letztlich stellt die Klägerin nur spekulativ in den Raum, der Sachverständige habe hier elementare Pflichten verletzt. Das begründet aber nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Im Übrigen hat der Sachverständige Prof. Dr. B. mit Schreiben vom 15.04.2020 ausdrücklich erklärt, dass er den Ortstermin persönlich wahrgenommen habe. Es bestehen nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige insoweit das Gericht und die Parteien angelogen haben könnte.

bb) Auch im Übrigen liegen keine Umstände vor, die die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen begründen. Zutreffend hat das Landgericht in seinem Beschluss ausgeführt, dass es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschbegutachtung gibt.

Auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Befangenheit des Sachverständigen sei ausdrücklich klargestellt, dass mit dieser Beschwerdeentscheidung nicht festgestellt wird, ob die Gutachten des Sachverständigen fachlich ohne Fehler sind, ob sie der Ergänzung bedürfen oder ob sie von richtigen Anknüpfungstatsachen ausgehen. Dies zu überprüfen und - wo notwendig - korrigierend einzugreifen, ist grundsätzlich Aufgabe des Erstgerichts. Der Tatrichter hat gem. § 404a Abs. 1 ZPO die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen. Wenn das Gericht das Gutachten für ungenügend erachtet, kann es gem. § 412 Abs. 1 ZPO ein neues Gutachten, gegebenenfalls durch einen anderen Sachverständigen, einholen. Auch ob das Erstgericht von dieser Pflicht zur Anleitung des Sachverständigen gebraucht gemacht hat, ob noch ergänzende Fragen geklärt werden müssen oder Anknüpfungstatsachen vorgegeben werden müssen, ist ausdrücklich nicht Gegenstand des Verfahrens der sofortigen Beschwerde über die Zurückweisung eines Befangenheitsgesuchs.

Selbst wenn die Begutachtung durch den Sachverständigen falsch, lückenhaft oder unbrauchbar wäre, ließe sich eine gleichsam systematische und somit willkürliche Benachteiligung der Klagepartei durch den Sachverständigen, die die Besorgnis der Befangenheit begründet, im vorliegenden Fall nicht feststellen. Nur darauf aber kommt es für die Entscheidung an.

III.

Die Pflicht zur Tragung der Gerichtsgebühren ergibt sich bereits aus dem Gesetz (Nr. 1812 KV-GKG, Festgebühr), im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. ZöllerG. Vollkommer, 32. Aufl., § 46 Rn. 20).

Eine Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren gem. § 33 Abs. 1 RVG hatte mangels entsprechenden Antrags zu unterbleiben.

IV.

Die Rechtsbeschwerde war nicht gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr.2, Abs. 3 ZPO zuzulassen. Die Zulassung durch den Einzelrichter kommt nicht in Betracht. Im Übrigen hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts erforderlich.

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