Endurteil vom Oberlandesgericht München - 20 U 5294/20

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 14. August 2020, Az. 55 O 403/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 12.203,40 festgesetzt.

Gründe

I.

Der Darstellung eines Tatbestands bedarf es nicht, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Landgerichts war aufzuheben und die Klage abzuweisen. Entgegen der Beurteilung des Landgerichts hat sich der zwischen den Parteien am 16. September 2015 geschlossene Marketingvertrag (K 1) nicht über die ursprünglich vorgesehene Laufzeit von 24 Monaten ab dem 1. Dezember 2015 hinaus verlängert, sondern war mit Ablauf des 30. November 2017 beendet. Der Beklagte schuldet deshalb das mit der hiesigen Klage begehrte Entgelt in Höhe von € 12.203,40 nebst gesetzlicher Zinsen für eine um weitere 24 Monate bis 30. November 2019 verlängerte Laufzeit nicht.

1. Zwar bestehen keine Bedenken gegen die vom Landgericht vorgenommene Bewertung, dass der Beklagte nicht nachweisen kann, dass er vor dem 2. August 2017 die Kündigung des Vertrags erklärt hat, und dass der Beklagte für diese Kündigungserklärung die Voraussetzungen des § 626 Abs. 2 BGB weder dargelegt noch nachgewiesen hat. Auch eine Anwendbarkeit von § 627 BGB hat das Landgericht zutreffend ausgeschlossen.

2. Trotz der damit feststehenden Nichteinhaltung der in dem von der Klägerin gestellten, vorformulierten Marketingvertrag (K 1) enthaltenen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Laufzeitende hat sich der Vertrag entgegen der dort weiter enthaltenen Klausel zur automatischen Vertragsverlängerung nicht über die ursprüngliche Vertragslaufzeit von 24 Monaten hinaus um weitere 24 Monate verlängert. Denn die Verlängerungsklausel und die Klausel zur Bemessung der Kündigungsfrist, die unzweifelhaft von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der § 305 ff. BGB sind, halten jedenfalls in ihrer Gesamtschau einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht stand.

a) Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass die Klauseln im unternehmerischen Verkehr verwendet wurden, schließt dies, wie sich aus § 310 BGB ergibt, eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht aus.

Auch dass die Klägerin, wie sie behauptet, die günstigste Anbieterin am Markt ist, steht der gesetzlich vorgesehenen Inhaltskontrolle ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht entgegen.

b) Die hier vorzunehmende Abwägung der beteiligten Interessen ergibt eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB; die Vertragsgestaltung beschränkt den Beklagten nicht mehr hinnehmbar in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1999, VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110; BGH, Urteil vom 15. März 2018, III ZR 126/17, NJW-RR 2018, 683).

Bei der Abwägung ist zum einen das vorliegend völlig fehlende Interesse der Klägerin, der Verwenderin, an längerfristiger Amortisation umfangreicher Investitionen zu sehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, VIII ZR 262/09, NJW-RR 2012, 249 Rn. 23; MünchKom BGB, § 309 Nr. 9 Rn. 22). Der Vertragsschluss bedingt keine nennenswerten Investitionen seitens der Klägerin. Denn sie erstellt standardisierte Marketingkonzepte, die sich weder an den Individualbedürfnissen eines Kunden orientieren noch daran, an wieviele Kunden das jeweilige Konzept versendet wird. Dass die Klägerin - wie regelmäßig wohl jeder Marktteilnehmer - grundsätzlich an langfristigen Vertragsbeziehungen interessiert ist, um ihre Marketingkonzepte vermarkten zu können, ändert nichts daran, dass sie für die individuellen Geschäftsbeziehungen keine besonderen Investitionen tätigen muss.

Soweit die Klägerin auf ein Interesse an Planungssicherheit hinsichtlich ihres Personalbedarfs hinweist, kommt dem nach der Beurteilung des Senats schon deshalb keine besondere Bedeutung zu, weil nach dem Geschäftskonzept der Klägerin eine individuelle Beratung eines Kunden nur sehr marginal stattfindet bzw. ohnehin gesondert zu vergüten ist. Deshalb dürfte der Personalbestand, der zur Erbringung der mit dem monatlichen Vertragspreis abgegoltenen Leistungen erforderlich ist, nur sehr bedingt von der Zahl der Kunden abhängen.

Der Beklagte hat keinerlei Interesse an längerfristiger Bindung. Der Vertrag hat ihn weder zu Beginn noch im Verlauf zu irgendwelchen Investitionen verpflichtet; die Umsetzung der von der Klägerin vorgeschlagenen, ausweislich des Akteninhalts aktuell angelegten Werbekampagnen stand jeweils in seinem Ermessen. Hierin liegt auch der Unterschied zu den von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen zu Franchise-Verträgen, bei denen der Kunde ein Interesse an einer langfristigen Vertragsbeziehung hat, damit sich Einstiegsentgelt und Investitionen amortisieren (vgl. OLG Frankfurt, 4 U 41/14, BeckRS 2015, 9452).

Bei der Abwägung ist weiter zu bedenken, dass die formularmäßige Verlängerung um zwei Jahre der Laufzeit des ursprünglichen Vertrages entspricht und diese verdoppelt, wodurch die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Beklagten erheblich eingeschränkt wird. Auch unterscheidet die Zeit der Verlängerung nicht zwischen den Varianten der bei Vertragsbeginn wählbaren Vertragslaufzeit (48, 36 oder 24 Monate) und beträgt immer 24 Monate, ohne - wie für die Fälle der längeren ursprünglichen Vertragslaufzeit - einen finanziellen Ausgleich auch für denjenigen Vertragspartner vorzusehen, der zu Beginn nur eine Bindung über 24 Monate eingegangen ist. Dabei beträgt die Bindung das Doppelte des nach § 309 Abs. 1 Nr. 9 lit. b) BGB in Verträgen mit Privatpersonen Erlaubten, gleichzeitig wird die Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, dadurch erschwert, dass auch die Kündigungsfrist auf das Doppelte des nach § 309 Abs. 1 Nr. 9 lit. c) BGB in Verträgen mit Privatpersonen Zulässigen heraufgesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2018, III ZR 126/17, NJW-RR 2018, 683 Rn. 22).

Hinzu kommt, dass angesichts der hohen Kosten des Vertrags die Verdoppelung der Vertragslaufzeit insbesondere im Fall der Betriebsaufgabe mit schwerwiegenden Nachteilen für den Kunden verbunden ist. Soweit die Klägerin behauptet, dass die Vertragskosten typischerweise nur 2% der Gesamtkosten eines Fitnessstudios ausmachten, ändert dies nichts daran, dass der monatliche Preis von hier € 511,70 brutto nicht nur dann, wenn etwa aufgrund einer Betriebsaufgabe überhaupt keine Einnahmen generiert werden, einen spürbaren Ausgabenposten darstellt.

Dass grundsätzlich auch denkbar ist, dass Kunden der Klägerin ein Interesse an einer „automatischen“ Vertragsverlängerung haben können, weil sich in diesem Fall das Vertragsentgelt nicht erhöht, fällt dagegen nicht erheblich ins Gewicht.

c) Die Einschätzung der Klägerin, dass ihre Kunden nicht schutzbedürftig seien, da sie täglich mit Kündigungen zu tun hätten und durch gewissenhafte Einhaltung der vorgegebenen Fristen eine Vertragsverlängerung ja vermeiden könnten, teilt der Senat nicht. Denn die Frage, ob eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, beurteilt sich nicht danach, ob der Vertragspartner die dort gemachten Vorgaben - wie wohl regelmäßig - befolgen und damit Nachteile vermeiden könnte.

Dass sich Verlängerungsklausel und Kündigungsfrist ganz zu Beginn des Vertragswerks finden und unstreitig besprochen worden sind, hat lediglich für die Frage Bedeutung, ob es sich um überraschende - und aus diesem Grund ggf. unwirksame - Klauseln handelt, § 305c BGB, nicht aber für die vorstehend dargestellte Abwägung im Rahmen des § 307 BGB.

3. Mangels Begründetheit der Hauptforderung ist auch die Nebenforderung unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen; es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 47, 48 GKG nach dem Interesse des Berufungsführers festgesetzt.

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