Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 84/13

Tenor

Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 29.5.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal (21 O 179/12) wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 791.030,05 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerinnen waren die Kranken- bzw. Pflegekasse der am 3.10.1995 geborenen und am 3.9.2008 verstorbenen S.                   P.                          (i.F. Versicherte). Die Versicherte befand sich ab dem Jahr 2001 in teils stationärer und teils ambulanter Behandlung bei der Beklagten zu 1), deren Chefarzt der Beklagte zu 2) ist, der dort auch die neuropädiatrische Ambulanz leitet. Die Versicherte stellte sich bei der Beklagten zu 1) erstmals im Juni 2001 wegen neurologischer Ausfälle vor. Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass es seitens der Beklagten jedenfalls im Februar 2004 unterlassen worden sei, zur Ursache der sich verstärkenden Ausfälle zeitnah differenzialdiagnostische Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere hätte eine MRT-Untersuchung zeitnah veranlasst werden müssen. Eine solche Untersuchung wurde erst am 18.5.2004 in der Universität ... durchgeführt. Im Bericht der Universität ... vom 15.6.2004 (Bl. 16 I in 21 O 104/06; i.F. BA I) heißt es u.a.:

2

HWS-MRT (18.5.2004): Im Zusammenschau mit dem auswärts angefertigtem CT spricht der Befund in erster Linie für eine Fehlbildung im Bereich der Densspitze im Sinne eines fibrös insuffizient fixierten Os odontoideum mit ventraler Luxation und konsekutiver Myelokompression. …

3

Bei der Versicherten lag in der Folgezeit eine hohe Querschnittslähmung vor, sie war ein Vollpflegefall.

4

Im Jahre 2006 hat die Versicherte, vertreten durch ihre Eltern, u.a. auch die Beklagten im vorliegenden Verfahren auf Schadensersatz in Anspruch genommen (LG Stendal 21 O 104/06). Die Klageschrift aus diesem Verfahren ist den Klägerinnen unstreitig seit Mai 2008 bekannt. In dem vorgenannten Verfahren hat das Landgericht ein Gutachten von Prof. Dr. J.         eingeholt, auf dessen Inhalt (Bl. 151ff. I/Bl. 4ff. II/Anhörung Bl. 44f. II BA I) Bezug genommen wird. Zwar hielt auch Prof. Dr. J.         die Erstellung eines MRT im Februar 2004 für erforderlich. Die Empfehlung zu dieser Untersuchung an die behandelnde Kinderärztin im Entlassungsbericht sei aber ausreichend gewesen, weil kein Notfall vorgelegen habe. Mit rechtskräftigem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und sich insoweit auf das Gutachten von Prof. Dr. J.         gestützt. Die zunächst eingelegte Berufung (Senat 1 U 92/08) haben die Eltern der Versicherten als deren Erben zurückgenommen.

5

Im Jahre 2008 hat die AOK Sachsen-Anhalt, bei der die Versicherte bis Ende 2004 krankenversichert war, wegen desselben Sachverhalts Klage erhoben (LG Stendal 21 O 157/08; i.F. BA II). Im Rahmen dieses Verfahrens wurde ein neues Gutachten von Prof. Dr. H.          eingeholt (Tasche Bd. IV/Anhörung Bl. 120ff. IV BA II), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Anders als Prof. Dr. J.         geht Prof. Dr. H.          davon aus, dass im Zeitpunkt Februar 2004 die MRT-Untersuchung durch die Beklagten hätte veranlasst werden müssen, die Empfehlung an die behandelnde Kinderärztin sei unzureichend gewesen. Der Sachverständige geht davon aus, dass bei rechtzeitiger Befunderhebung der weitere Verlauf der Krankheit hätte vermieden werden können. Das Verfahren wurde durch einen Vergleich (§ 278 Abs. 6 ZPO) beendet, in dem sich die Beklagten zur Abgeltung eventueller Ansprüche zur Zahlung von 170.000,-- Euro verpflichteten (Bl. 177 II BA II).

6

Die Klägerinnen (Regressabteilung) und die hinter den Beklagten stehende Haftpflichtversicherung haben in den Jahren 2007 und 2008 in dieser Sache korrespondiert:

7

- Schreiben vom 26.11.2007   

Bl. 102 I

- Schreiben vom 3.12.2007

Bl. 103 I

- Schreiben vom 29.5.2008

Bl. 179 I

- Schreiben vom 2.6.2008

Bl. 180 I

- Schreiben vom 10.7.2008

Bl. 181 I

- Schreiben vom 23.7.2008

Bl. 182 I

- Schreiben vom 25.7.2008

Bl. 104 I

8

Die Haftpflichtversicherung hatte mit dem Schreiben vom 3.12.2007 zunächst bis zum 31.7.2008 auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Im Schreiben der Klägerinnen vom 29.5.2008 (in dem es u.a. heißt, dass man Kenntnis von einem Termin vor dem Landgericht Stendal habe [gemeint in 21 O 104/08]) wird die Möglichkeit der Verjährung von Ansprüchen hingewiesen und der Vorschlag unterbreitet, die Haftpflichtversicherung möge für einen längeren Zeitraum auf die Einrede der Verjährung verzichten, damit keine die Verjährung hemmenden Maßnahmen ergriffen werden müssten. Diesen Vorschlag hat die Haftpflichtversicherung mit Schreiben vom 2.6.2008 abgelehnt. Der zuständige Sachbearbeiter der Regressabteilung der Klägerinnen hat Anfang Juli 2008 mit dem Prozessbevollmächtigten der Versicherten telefoniert und von diesem erfahren, dass das Landgericht im Hinblick auf das Gutachten von Prof. Dr. J.         die Klage voraussichtlich abweisen werde, allenfalls ein Organisationsverschulden der Beklagten zu 1) in Betracht gezogen werde. Letztgenannten Gesichtspunkt haben die Klägerinnen im Schreiben vom 10.7.2008 gegenüber der Haftpflichtversicherung erwähnt.

9

Mit der vorliegenden Klage machen die Klägerinnen von ihnen erbrachte Leistungen für die Krankenhausbehandlung und der häuslichen Pflege der Versicherten aus übergegangenem Recht in Höhe von 749.917,48 Euro sowie für Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von 41.112,57 Euro geltend (Zusammenstellung wie Bl. 11 I).

10

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und erheben die Einrede der Verjährung. Die Klägerinnen seien bereits im Jahre 2008 in Kenntnis aller zur Anspruchsgeltendmachung relevanten Informationen gewesen, insbesondere sei ihnen der Inhalt der Klageschrift im Verfahren 21 O 104/06 bekannt gewesen. Verjährung sei somit zum 31.12.2011 eingetreten und diese habe nicht mehr mit der erst im Jahre 2012 erhobenen Klage gehemmt werden können.

11

Die Klägerinnen sind dem gegenüber der Ansicht, dass eine Klageerhebung erst in Kenntnis des Gutachtens von Prof. Dr. H.          mit Aussicht auf Erfolg habe erhoben werden können. Dieses Gutachten datiere indes erst aus dem Jahre 2011. Im Übrigen habe sie auch bei Kenntnis der laufenden Vorprozesse keine Erkundigungspflicht gehabt.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

13

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und im Kern ausgeführt, dass mögliche Ansprüche der Klägerinnen verjährt seien. Die Klägerinnen hätten spätestens ab dem Zeitpunkt der Verkündung des Urteils im Verfahren 21 O 104/06 (am 22.8.2008) Kenntnis von den den Anspruch begründenden Tatsachen ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen können. Die Klägerinnen hätten unstreitig Kenntnis vom Inhalt der Klageschrift in diesem Verfahren noch im Jahr 2008 erlangt. Sie hätten im Hinblick auf das im Juli 2008 zwischen dem Referatsleiter der Regressabteilung und dem Prozessbevollmächtigten der Versicherten geführte Telefonat weiter Kenntnis davon gehabt, dass in dem Verfahren 21 O 104/06 ein Sachverständigengutachten eingeholt worden sei. Sie hätten weiter Kenntnis vom Verkündungstermin in dieser Sache gehabt und weiter wegen des Sachverhalts bereits seit dem

14

Jahr 2007 mit der hinter den Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung korrespondiert. Es sei vor diesem Hintergrund unverständlich, dass sich die Klägerinnen keine weiteren Kenntnisse - z.B. durch die Einsichtnahme in die Verfahrensakten - verschafft hätten. Zudem seien durch das Gutachten von Prof. Dr. H.          keine neuen Tatsachen oder Umstände bekannt geworden, die nicht bereits im Jahre 2008 bekannt gewesen seien. Die Klägerinnen könnten sich auch nicht darauf zurückziehen, dass die Klage im Verfahren 21 O 104/06 abgewiesen worden sei.

15

Gegen dieses Urteil wenden sich die Klägerinnen mit der Berufung, mit der sie sich gegen die Rechtsansicht des Landgerichts wenden, dass mögliche Ansprüche verjährt seien. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 3.9.2013 (Bl. 91 II).

16

Wegen der in der Berufungsinstanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die Seiten 1 und 2 der Berufungsbegründung vom 3.9.2014 (Bl. 91/92 II).

17

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihren Vortrag aus erster Instanz. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 9.12.2013 (Bl. 144 II).

19

Der Senat hat den Parteien mit der Ladungsverfügung einen schriftlichen rechtlichen Hinweis erteilt (Bl. 108 II).

II.

20

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

21

Mögliche Ansprüche der Klägerinnen sind verjährt. Dabei ist von Kenntnis jedenfalls aber von grob fahrlässiger Unkenntnis im Jahre 2008 auszugehen, sodass Ansprüche zum 31.12.2011 verjährten und mit der erst im Jahre 2012 erhobenen Klage eine Hemmung des Verjährungsablaufs nicht mehr erreicht werden konnte. Die Beklagten haben ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben.

22

Für den Beginn der Verjährung reicht es nicht aus, dass der Patient (hier die Klägerinnen) Kenntnis vom negativen Ergebnis der Behandlung hat. Der Patient muss vielmehr auf einen ärztlichen Fehler als Ursache des Misserfolgs schließen können. Dazu muss der Patient nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern er muss auch Kenntnis von solchen Umständen erlangen, aus denen sich für einen medizinischen Laien ergibt, dass der Arzt vom üblichen Standard abgewichen ist, Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren. Entscheidend ist, ob dem Geschädigten bei seinem Kenntnisstand die Erhebung einer Klage (auch in Form einer Feststellungsklage) gegen eine bestimmte Person zumutbar war (BGH Urteil vom 31.10.2000 - VI ZR 198/99 - [z.B. BGHZ 145, 358]; ebenso: OLG Koblenz Urteil vom 25.3.2010 - 5 U 1514/07 - [VersR 2011, 403]; jeweils zitiert nach juris; Senat Urteil vom 17.5.2013 - 1 U 118/11 -).

23

Sowohl Prof. Dr. J.         als auch Prof. Dr. H.          gehen davon aus, dass im Februar 2004 eine MRT Untersuchung hätte veranlasst werden müssen. Die Bewertungen gehen nur insoweit auseinander, als Prof. Dr. J.         die Empfehlung zu dieser Untersuchung im Entlassungsbericht an die behandelnde Kinderärztin für ausreichend erachtet hat, während Prof. Dr. H.          auf dem Standpunkt steht, dass diese Untersuchung von den Beklagten hätte veranlasst werden müssen, jedenfalls aber durch eine kurzfristige Wiedereinbestellung der Versicherten hätten kontrollieren müssen, dass die Untersuchung auch tatsächlich erfolgt war (Im Februar 2004 konnte eine MRT Untersuchung bei der Beklagten zu 1) selbst nicht durchgeführt werden). Entscheidungserheblich für den Fall war somit der Komplex differentialdiagnostischer Maßnahmen im Februar 2004 (im Gutachten von Prof. Dr. H.         ist immer von Diagnosefehler die Rede, es handelt sich aber tatsächlich um einen Befunderhebungsfehler). Auf den Gesichtspunkt fehlender differentialdiagnostischer Maßnahmen im Jahre 2004 wird in der den Klägerinnen unstreitig bekannten Klageschrift im Verfahren 21 O 104/ 06 (insbesondere S. 8/9) ausdrücklich hingewiesen. Soweit die Klägerinnen der Ansicht sind, dass eine Klageerhebung frühestens in Kenntnis des Gutachtens von Prof. Dr. H.          möglich gewesen sei, weil erst dieser ein Fehlverhalten der Beklagten bestätigt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Wenn die Klägerinnen davon ausgehen mussten (und ihnen bekannt war), dass erforderliche Untersuchungen unterblieben sind, dann musste diese Ansicht nicht erst durch ein Sachverständigengutachten bestätigt werden, um Klage erheben zu können. In so gut wie allen Arzthaftungsfällen steht die Bestätigung/Widerlegung der behaupteten Fehler am Ende des Gerichtsverfahrens und nicht etwa am Anfang. Insoweit ist noch einmal festzuhalten, dass das Gutachten von Prof. Dr. H.         keinen neuen Sachverhalt festgestellt hat, sondern er nur die Verantwortlichkeit für die unterbliebene MRT-Untersuchung anders beurteilt als Prof. Dr. J.        . Für den Beginn der Verjährungsfrist ist nicht erforderlich, dass die Klägerinnen bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hatten (Sachverständigengutachten, das ihren Standpunkt stützt, wie Prof. Dr. H.         ), um einen Prozess im Wesentlichen risikolos führen zu können. Die erforderliche Kenntnis ist vielmehr bereits dann vorhanden, wenn die dem Geschädigten bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Gegners als naheliegend erscheinen zu lassen (BGH Urteil vom 3.6.2008 - XI ZR 319/06 - [z.B. VersR 2009, 1630]; hier: zitiert nach juris)

24

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Klägerinnen in Kenntnis des Inhalts der Klageschrift im Verfahren 21 O 104/06 über exakt den selben Kenntnistand verfügten wie die Versicherte selbst (bzw. deren Eltern) bei Beginn dieses Klageverfahrens. Zwar hat dort das Landgericht (Verfügung vom 24.7.2006 [Bl. 40 I]) zunächst eine Konkretisierung des Sachvortrages verlangt. Im Schriftsatz vom 8.8.2006 (Bl. 47 I) hat die Klägerin dann aber lediglich erneut - wie bereits in der Klageschrift erfolgt - auf die fehlenden differenzialdiagnostischen Untersuchungen hingewiesen (was gegenüber dem Inhalt der Klageschrift keinen neuen Sachvortrag darstellt). Nach Vorlage dieses Schriftsatzes hat das Landgericht der Klägerin mit Beschluss vom 4.9.2006 (Bl. 54 I) in vollem Umfang Prozesskostenhilfe bewilligt und damit (§ 114 ZPO) gleichzeitig die Erfolgsaussicht der Klage in diesem Verfahrensstadium bejaht. Im Weiteren lief das Verfahren ab, wie so gut alle Arzthaftungsprozesse. Das Landgericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet (Beschluss vom 24.1.2007 [Bl. 99]). Berücksichtigt man, dass in Arzthaftungsverfahren nur geringe Anforderungen an die Darlegungslast des Patienten gestellt werden können und die Versicherte selbst mit dem in der Klageschrift vorgetragenen Sachverhalt ein „normal“ laufendes Verfahren in Gang setzen konnte, ist nicht ersichtlich, warum dies den Klägerinnen in Kenntnis des selben Sachverhalts im Jahre 2008 nicht auch möglich gewesen sein soll. Es ist daher bereits von positiver Kenntnis auszugehen.

25

Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgen wollte, läge immer noch die vom Landgericht angenommene grob fahrlässige Unkenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 HS 2 BGB vor. Zwar trifft den Geschädigten grundsätzlich keine Obliegenheit zu Nachforschungen. Grob fahrlässig ist das Unterlassen einer Nachfrage nur dann, wenn weitere Umstände - Aufdrängen einer Schädigung aufgrund konkreter Anhaltspunkte - hinzutreten, die das Unterlassen schlicht als unverständlich erscheinen lassen, er z.B. die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe hätte erlangen können, eine auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit aber nicht nutzt (Palandt/Ellenberger BGB, 72. Aufl., § 199, Rn. 39/40 m.w.N.):

26

-

Kenntnis davon, dass das Verfahren 21 O 104/06 überhaupt läuft,

27

-

Kenntnis vom Inhalt der Klageschrift,

28

-

Korrespondenz mit der hinter den Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung in dieser Sache (gerade über den Punkt Verjährung),

29

-

Kenntnis von der fehlenden Bereitschaft dieser Haftpflichtversicherung über den 31.7.2008 hinaus auf die Einrede der Verjährung zu verzichten,

30

-

durch das Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Versicherten im Verfahren 21 O 104/06) Kenntnis davon, dass ein Gutachten eingeholt wurde und weiter Kenntnis davon, dass das Landgericht Stendal noch im Jahr 2008 eine Entscheidung verkünden würde (wobei anzumerken ist, dass dieses Telefonat von dem Referatsleiter der Regressabteilung der Klägerinnen geführt wurde, einem Rechtsanwalt, dem die Brisanz der Verjährungsproblematik bewusst gewesen sein muss).

31

Bei Kenntnis dieser Umstände hätte es nahegelegen, sich durch einen schlichten Akteneinsichtsantrag die (aus der Klägerinnen Sicht) noch fehlenden Informationen zu beschaffen. Warum man weitere 4 Jahre bis zur Klageerhebung gewartet hat, ist nicht nachvollziehbar. Die Erkenntnismöglichkeiten mussten sich den Klägerinnen geradezu aufdrängen, sodass man den Eindruck gewinnen muss, dass sie sich bewusst unwissend halten wollten.

32

Ob die Korrespondenz zwischen den Klägerinnen und der Haftpflichtversicherung (bis Juli 2008) als Verhandlungen i.S.v § 203 BGB gewertet werden könnte, kann dahinstehen. Für die Verjährung spielt dies keine Rolle, weil die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2008 überhaupt zu laufen begann.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

34

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

35

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.


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