Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg - 2 Rv 157/17

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 11. Oktober 2017 wird als unbegründet verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

1

Den Angeklagten liegt Hausfriedensbruch zu Last. Das Amtsgericht H. hatte sie freigesprochen. Das Landgericht hat die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen.

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Es hat festgestellt:

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Bei den Angeklagten handelt es sich um Mitglieder der Tierschutzorganisation A. (… ). Die Angeklagten engagieren sich seit mehreren Jahren aktiv für den Tierschutz, u. a. indem sie über die Tierschutzorganisation A. mehrfach Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei den zuständigen Behörden zur Anzeige brachten. Sie sammelten hierbei in der Vergangenheit jedoch die Erfahrung, dass Anzeigen im Hinblick auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz von zuständigen Behörden nicht ernst genommen werden, sofern diese nicht mit Bildmaterial oder anderen Beweismitteln untermauert sind.

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Der Angeklagte F erhielt im Jahr 2013 von einer nicht näher feststellbaren Person den Hinweis, dass in den Stallungen der Tierzuchtanlagen diverse Verstöße gegen die nach einer Übergangszeit seit dem 1. Januar 2013 geltende Tierschutznutztierhaltungsverordnung vorliegen sollen, insbesondere, dass die Kastenstände für Schweine deutlich zu klein seien.

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Der Angeklagte F informierte die Angeklagten M und Fr hierüber. Die Angeklagten F und M entschieden sich nunmehr, in dem Wissen aus vorherigen Fällen, dass eine Anzeige der entsprechenden Behörde ohne dokumentierte Beweise zu keinem Erfolg führen würde, am 29. Juni 2013 in die Anlage in S. einzusteigen und die dortigen Verstöße gegen die Tierschutznutztierverordnung bildlich festzuhalten, um dieses Beweismaterial einer zu fertigenden Strafanzeige zu Grunde zu legen. Die Angeklagten zogen sich neue und desinfizierte Einwegkleidung an, legten Mundschutz, Schuhüberzieher und Handschuhe an und desinfizierten sich sowie die mitgeführte Kamera. Sodann überstiegen sie in der Nacht vom 29. Juni 2013 zum 30. Juni 2013 die Umzäunung der Anlage der Geschädigten und betraten über die geöffneten Türen die Stallanlagen um dort Filmaufnahmen zu fertigen. Private Räume oder Büroräume betraten sie nicht. Die Angeklagten stellten hierbei entsprechend des vorherigen Hinweises diverse Verstöße gegen die Tierschutznutztierverordnung vor und dokumentierten diese filmerisch. Da es ihnen aufgrund der Größe der Anlage, in welcher ca. 62.000 Tiere gehalten werden, nicht möglich war, in der zur Verfügung stehenden Zeit sämtliche Missstände filmisch festzuhalten, entschlossen sich die Angeklagten M und Fr, die Anlage am 11. Juli 2013 in den Nachtstunden erneut zu betreten. Sie zogen wiederum desinfizierte Einwegkleidung an und desinfizierten die Kamera. In der Folge fertigten sie weitere Foto- und Filmaufnahmen, welche wiederum diverse Verstöße gegen die Tierschutznutztierverordnung dokumentierten. Sie stellten hierbei fest, dass entgegen den tierschutzrechtlichen Vorschriften die Kastenstände für die Sauenhaltung zu schmal sind, dass Eber in Kastenstellen gehalten werden, dass Beschäftigungsmaterial bei den Tieren fehlte, dass die Betonspalten im Fußboden deutlich zu groß waren und die Eber keinen Blickkontakt zu Schweinen hatten.

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Die Angeklagten handelten hierbei auf Grund ihres stark ausgeprägten Mitgefühls für Tiere mit dem Ziel, die durch die festgestellten Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung begründete gegenwärtige Gefahr durch den Eingriff dauerhaft abzustellen, indem sie die zuständigen staatlichen Stellen veranlassten, in rechtskonformen Verfahren auf die Einhaltung der Regelungen des Tierschutzes hinzuwirken. Sie informierten daher über die A. die Öffentlichkeit, legten das Filmmaterial dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt und dem Landesverwaltungsamt vor und erstatteten am 7. November 2013 bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg Strafanzeige.

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Bei einer auf Grund des von den Angeklagten gefertigten Filmmaterials durchgeführten unangekündigten Teamkontrolle der Verwaltungsbehörde wurden in der Stallanlage am 6. Dezember 2013 folgende Verstöße gegen die Tierschutznutztierverordnung festgestellt:

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- Breite der Kastenstände zu gering (0,51 bzw. 0,6 m), § 24 Abs. 2 TierSchNutztV,

9

- Beschäftigungsmaterial in Kastenständen fehlte, § 26 Abs. 1 Nr. 1 TierSchNutztV,

10

- Beschäftigungsmaterial in Abferkelkörben fehlte, § 26 Abs. 1 Nr. 1 TierSchNutztV,

11

- im Bereich der Mast-, Besamung- und Jungsauenaufzucht war die Breite der Bodenspalten zu groß, § 22 Abs. 3 TierSchNutztV,

12

- 2 Eber hatten keinen Sichtkontakt, § 22 Abs. 2 Nr.1 TierSchNutztV,

13

- Lichtintensität betrug keine 80 Lux, § 26 Abs. 2 TierSchNutztV,

14

- Mastgruppenhaltung zum Teil überbelegt, § 29 Abs. 2 TierSchNutztV,

15

- in Mastgruppenhaltung eine Tränke für mehr als 12 Tiere, § 29 Abs. 3 TierSchNutztV.

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Insbesondere der Mangel der zu geringen Breite der Kastenstände, welcher im Wesentlichen auf bauliche Gegebenheiten der Anlage zurückzuführen ist, war dem zuständigen Veterinäramt des Landkreises B. auf Grund vorheriger Kontrollen bekannt, ist jedoch nicht beanstandet worden. Das Landesverwaltungsamt berichtete dem zuständigen Ministerium am 18. Dezember 2013 auf Grund des Rechercheergebnisses der Angeklagten, "dass die durch den Landkreis in den letzten Jahren durchgeführten Kontrollen nicht unerhebliche tierschutzwidrige Zustände gedeckt haben" und "der Landkreis nicht in der Lage war und ist, die Zustände durch ordnungsrechtliche Maßnahmen zu steuern." Der Fachdienst Veterinärüberwachung des Landkreises B. berichtete in einer fachlichen Stellungnahme zu Verstößen in der Tierhaltung der Tierzuchtanlagen GmbH vom 27. Januar 2014 gegenüber der Staatsanwaltschaft Magdeburg, dass "der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum in zu kleinen Kastenständen als erhebliches Leiden iSd § 17 Nr. 2 b TierSchG für ein Schwein anzusehen" sei und "das Fehlen von Beschäftigungsmaterial … das Wohlbefinden der Tiere erheblich (beeinträchtige) und … als erhebliches Leiden einzustufen" sei.

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Das Landgericht vertritt die Auffassung, die Taten seien sowohl als Nothilfe (§ 32 StGB) als auch als Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt.

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Dagegen richtet sich die von der Generalstaatsanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der unter näheren Ausführungen die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird.

II.

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Die Revision hat keinen Erfolg. Die Taten (Hausfriedensbruch, § 123 Abs. 1 StGB) waren gemäß § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) nicht rechtswidrig. Die Angeklagten haben die Taten in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für ein anderes Rechtsgut begangen, um die Gefahr abzuwenden, eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ergibt, dass das geschützte Interesse das beeinträchtigte Rechtsgut wesentlich überwiegt. Die Taten waren auch ein angemessenes Mittel, um die Gefahr abzuwenden.

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1. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, eine Rechtfertigung wegen Notstandes komme schon deswegen nicht in Betracht, weil hier keine Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut bestanden habe, sondern Schweine gefährdet gewesen seien, deren Halter die Taten der Angeklagten offensichtlich nicht wollte, greift zu kurz. Nach allgemeiner Auffassung ist der Tierschutz ein anderes Rechtsgut im Sinne des § 34 StGB und daher notstandsfähig. Er ist gemäß Artikel 20a GG als Staatsschutzziel verfassungsmäßig verankert und über das Tierschutzgesetz als auch die Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer Tiere rechtlich ausgestaltet. Unerheblich ist insoweit, dass das gefährdete Rechtsgut, der Tierschutz, nicht den Angeklagten selbst zusteht, denn § 34 StGB umfasst auch Rechtsgüter der Allgemeinheit (BGH NStZ 1988, 558; OLG Düsseldorf NStZ 2006, 243; Roxin, Strafrecht, AT, 4. Auflage, § 16 Rn. 10). Artikel 20a GG entfaltet zwar keine unmittelbare Drittwirkung, bindet aber den Staat und seine Organe. Für die Judikative bedeutet dies, unbestimmte Rechtsbegriffe im Sinne dieses Staatsziels: Schutz der Umwelt und der Tiere zu interpretieren (Maunz/Dürig, GG, Art. 20a, Rn. 58). Dies gilt auch für die Auslegung von § 34 StGB. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, ein Vorgehen gegen die Misshandlung von Tieren könne keine Rechtfertigung wegen Notstandes begründen, wenn der Eigentümer der Tiere dies nur billige, würde auch zu Ergebnissen führen, die kaum nachvollziehbar sind: So dürfte etwa niemand die Scheibe eines in praller Hitze stehenden Autos einschlagen, in dem gerade ein Hund zu ersticken droht, wenn der Eigentümer des Tieres und des Autos zugegen ist und das Aufschließen der Tür mit dem Hinweis verweigert, eine "kleine Abhärtung" werde dem Tier nicht schaden.

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Die massiven Verletzungen tierschutzrechtlicher Vorschriften, welche die Angeklagten dokumentierten, begründeten auch eine gegenwärtige Gefahr. Auch eine Dauergefahr ist gegenwärtig im Sinne des § 34 StGB (BGH St 28, 255 ff., Fischer, StGB, 65. Auflage, Rn. 8 zu § 34). Die dokumentierten Zustände gefährdeten das Rechtsgut Tierschutz nicht lediglich im Zeitpunkt der Dokumentation, sondern auch für eine unabsehbare weitere Zeit.

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2. Die Gefahr für das Rechtsgut Tierschutz war auch nicht anders als durch das Handeln der Angeklagten abwendbar. Zwar ist der Staatsanwaltschaft zuzustimmen, dass im Falle der Feststellung von Gesetzesverstößen grundsätzlich zunächst die zuständigen Behörden einzuschalten sind, es ist auch im Grundsatz allein deren Aufgabe, Beweismittel für Rechtsverstöße zu sichern. Das kann aber nicht gelten, wenn die Einschaltung von Behörden von vornherein aussichtslos ist. Hier hatte das zuständige Veterinäramt bereits vor den Taten der Angeklagten Kontrollen durchgeführt und in keinem Fall Anlass zu Beanstandungen gesehen, obgleich ihm ein erheblicher Teil der Mängel, etwa die zu geringe Breite der Kastenstände, positiv bekannt war. Gleiches gilt für die zu große Breite der Bodenspalten, die ebenfalls auf baulichen Gegebenheiten beruhten und sich im Laufe einer überschaubaren Zeit nicht verändert haben. Hätten die Angeklagten sich an Staatsanwaltschaft, vorgesetzte Behörde oder Polizei gewandt, ohne bildliche Beweise für die massiven Verstöße vorzulegen, hätten sowohl vorgesetzte Behörde als auch Staatsanwaltschaft und Polizei ausschließlich einen Bericht des zuständigen Veterinäramts eingeholt, der gelautet hätte, dass man regelmäßig kontrolliere und es nie Beanstandungen gegeben habe. Die Verfahren wären dann ohne weitere Ermittlungen eingestellt worden.

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3. Die Dokumentation der Missstände war auch geeignet, die Gefahr für das Tierwohl in Zukunft zu verringern oder abzustellen. Eine Notstandshandlung ist geeignet, wenn die erfolgreiche Abwendung der Gefahr nicht ganz unwahrscheinlich erscheint (Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage, § 34 Rn. 19). Ausgeschlossen sind demnach Maßnahmen, die von Anfang an entweder völlig nutzlos oder nur mit einer ganz unwesentlichen Erhöhung der Rettungschance verbunden sind (MüKo-StGB, 3. Auflage, § 34 Rn. 90 f).

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Die Angeklagten haben durch die Dokumentation und deren Weiterleitung an die zuständigen Stellen die unangekündigte Kontrolle des Betriebes erreicht. Es war erst die Vorlage der Aufnahmen durch die Angeklagten, welche die Veterinärbehörde zwang, die bewusste Vertuschung tierschutzwidriger Zustände aufzugeben. Die Tatsache, dass die Gefahr für das Tierwohl nach den Aufnahmen nicht sofort beendet wurde, führt hier nicht zum Ausschluss einer Rechtfertigung nach § 34 StGB, weil es sich um eine Dauergefahr handelte, bei der es für die Rechtfertigung ausreicht, wenn die Notstandshandlung zu einer zeitlich versetzten Gefahrenabwehr führt.

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4. Angesichts der Aussichtslosigkeit der Einschaltung staatlicher Stellen waren die Taten auch das mildeste Mittel zur Gefahrabwendung. Dabei haben die Angeklagten auch möglichen Gefahren für die Gesundheit der Tiere durch das Anlegen von desinfizierter Kleidung und die Desinfektion der Kamera vorgebeugt.

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5. Das Eindringen in die Stallanlage und die Dokumentation der Gesetzesverstöße waren auch ein angemessenes Mittel, um die Gefahr abzuwenden, wobei das geschützte Interesse (Tierschutz) das beeinträchtigte wesentlich überwog. Das Landgericht hat überzeugend festgestellt, dass die Zustände, denen die Tiere ausgesetzt waren, als erhebliche Leiden für diese anzusehen waren. Unabhängig davon, ob diese Zustände als ordnungsrechtlich oder strafrechtlich relevant zu werten sind, überwog das Interesse an deren Abstellung das Recht der Betreiber der Mastanlage auf Respektierung ihres Hausrechts. Das gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Inhaber des Hausrechts für die Missachtung des Tierschutzes verantwortlich waren. Nach Auffassung des Senates muss derjenige, der eine Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut verursacht, selber Beeinträchtigungen eigener Rechte eher hinnehmen als ein Dritter, der an der Entstehung der Gefahr unbeteiligt ist.

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6. Auch die Einwände der Revision gegen die Annahme von Rettungsabsicht der Angeklagten gehen fehl. Die Kammer hat festgestellt, dass die Angeklagten sichere Hinweise auf massive Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung erhalten hatten. Wenn die Kammer ihnen dies geglaubt hat, ist das angesichts der Tatsache, dass diese massiven Verstöße tatsächlich – auch behördlicherseits – festgestellt wurden, nicht zu beanstanden. Ebenso konnte das Landgericht den zeitlichen Abstand zwischen Fertigung des Filmmaterials und dessen Vorlage bei den Behörden dahingehend werten, dass die Angeklagten diese Zeit für die Aufarbeitung des Materials sowie die Erarbeitung der Strafanzeige benötigt haben. In dieser Hinsicht unternimmt die Revision mit der Wertung, der zeitliche Abstand zwischen den Filmaufnahmen und der Vorlage des Materials bei den Behörden belege eine fehlende Rettungsabsicht, lediglich den Versuch, ihre eigene Würdigung an die Stelle der gut begründeten des Landgerichts zu setzen.

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Soweit die Revision meint, die Angeklagten seien nicht mit dem Willen, eine Gefahr abzuwenden, in die Ställe eingedrungen, sondern es sei ihnen nur darum gegangen, vorhandene Hinweise zu überprüfen, ist das urteilsfremd. Nach den Feststellungen des Landgerichts drangen die Angeklagten nicht in die Anlage ein, um zu prüfen, ob dort Verstöße gegen Tierschutzgesetze begangen wurden, sondern um diese ihnen bekannten Verstöße bildlich festzuhalten.

III.

29

Im Gegensatz zu rechtfertigendem Notstand belegen die Urteilsgründe keine Rechtfertigung wegen Nothilfe nach § 32 StGB. Nothilfe ist nämlich nur die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von einem anderen abzuwenden (§ 32 Abs. 2 StGB). Die Feststellungen des Landgerichts ergeben nicht, dass die Angeklagten durch die Dokumentierung der Tierschutzverstöße Gefahren von den zum Zeitpunkt des Eindringens dort untergebrachten Tieren abwenden wollten. Mastschweine werden nämlich üblicherweise nach einer Mastzeit von einigen Monaten geschlachtet. Angesichts des Zeitraumes, der von der Dokumentation bis zur Einreichung des Materials bei den zuständigen Behörden verging, und des voraussehbar erheblichen weiteren Zeitraums bis zu einer Abstellung der Verstöße mussten die Angeklagten davon ausgehen, dass ihre Aktion der überwiegenden Anzahl der gefilmten Tiere nicht mehr zugutekommen konnte, sondern nur den nach Abstellen der Missstände untergebrachten Tieren, für die indes beim Eindringen in die Ställe noch keine gegenwärtige Gefahr bestand.

IV.

30

Angesichts der von der Revision vertretenen Auffassung, ein Freispruch der Angeklagten würde insbesondere dem Personenkreis der Tierrechtsaktivisten, dem die Angeklagten zuzurechnen seien, "unter dem Deckmantel von Nothilfe oder Notstand" erhebliche Eingriffsrechte außerhalb rechtsstaatlich geregelter und kontrollierter Verwaltungsverfahren zubilligen, sieht der Senat Anlass zu folgender Klarstellung: Eine Rechtfertigung wegen Notstandes kommt nur in Betracht, wenn den Eingreifenden die Tatsachen bekannt sind, welche diesen rechtfertigen. Dazu reicht die bloße Vermutung, es werde generell oder gerade in diesem Betrieb gegen Vorschriften verstoßen, nicht aus. Es gibt keine Befugnis, in fremde Rechte einzugreifen, um zu überprüfen, ob dort gegen Gesetze verstoßen wird. Ebenso wenig kann das staatliche Gewaltmonopol umgangen werden, wenn nicht feststeht, dass die staatlichen Behörden sich im konkreten Fall weigern, ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Angeklagten wussten, dass hier gegen Gesetze verstoßen wurde, die Richtigkeit dieses Wissens hat sich erwiesen. Ebenso ist erwiesen, dass die Aufsichtsbehörde massive Mängel vertuscht hat. Die Einschaltung weiterer Behörden wäre aus den oben genannten Gründen aussichtslos gewesen.

31

Die Strafjustiz ist durchaus in der Lage, "Deckmäntel" aufzudecken und festzustellen, ob ein Rechtfertigungsgrund – wie hier – tatsächlich vorliegt oder ob der Beschuldigte die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen nur wahrheitswidrig behauptet.


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