Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg - 9 U 4/18
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.12.2017 verkündete Urteil der Handelskammer des Landgerichts Stendal abgeändert und die Beklagte verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu vollstrecken an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten, zu unterlassen, in Prospekten und/oder auf sonstigen Werbeträgern zu Zwecken des Wettbewerbs Waren von einem Rabattangebot auszuschließen, die für den Endverbraucher nicht eindeutig bestimmbar sind, wenn dies mit dem Hinweis „gilt nicht für… Werbezeilen…“, und wie aus der Anlage K1 ersichtlich geschieht.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 20.000,00 EUR.
Gründe
A.
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Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
B.
- 2
Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
I.
- 3
Die Klägerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
- 4
Dem Kläger gehört - anders als es das Landgericht angenommen hat – eine im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben.
- 5
1. Erheblich i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) ist die Zahl der Mitglieder des Verbands auf dem einschlägigen Markt dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmen - bezogen auf den maßgeblichen Markt - in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann. Wie der Bundesgerichtshof klargestellt hat, kann dies auch schon bei einer geringen Zahl auf dem betreffenden Markt tätiger Mitglieder anzunehmen sein (BGH, Urt. v. 1.3.2007 - I ZR 51/04, GRUR 2007, 809 Tz. 15 = WRP 2007, 1088 - Krankenhauswerbung; Urt. v. 16.11.2006 - I ZR 218/03, GRUR 2007, 610 Tz. 18 = WRP 2007, 778 - Sammelmitgliedschaft V). Darauf, ob diese Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen repräsentativ sind, kommt es nicht entscheidend an (BGH GRUR 2007, 809 Tz. 15 - Krankenhauswerbung). Dies ergibt sich schon daraus, dass andernfalls die Klagebefugnis von Verbänden auf oligopolistischen Märkten unangemessen eingeschränkt würde. Die Gesamtzahl der in der Branche tätigen Unternehmen und deren Marktbedeutung ist daher nicht von entscheidender Bedeutung. Ebenso wenig brauchte der Kläger zu Bedeutung und Umsatz seiner (mittelbaren oder unmittelbaren) Mitglieder vorzutragen. Dem Zweck des Gesetzes, die Klagebefugnis der Verbände auf Fälle zu beschränken, die die Interessen einer erheblichen Zahl von verbandsangehörigen Wettbewerbern berühren, wird schon dann hinreichend Rechnung getragen, wenn im Wege des Freibeweises festgestellt werden kann, dass es dem Verband bei der betreffenden Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2008 – I ZR 197/06 –, Rn. 12, juris m.w.N.).
- 6
2. Der Begriff der Waren gleicher oder verwandter Art ist weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren oder gewerblichen Leistungen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) bzw. Dienstleistungen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Erforderlich ist das Vorliegen eines abstrakten Wettbewerbsverhältnisses. Dafür reicht es aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende (potentielle) Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (BGH, Urt. v. 25.4.1996 - I ZR 82/94, WRP 1996, 1102, 1103 - Großimporteur; Urt. v. 24.11.1999 - I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 = WRP 2000, 389 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; Großkomm/UWG/Erdmann, § 13 Rdn. 42; Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rdn. 203; Harte/Henning/Bergmann, UWG, § 8 Rdn. 288; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 8 UWG Rdn. 3.35). Ob die dem Kläger unmittelbar oder mittelbar angehörenden Unternehmer Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art wie die Beklagte vertreiben, wird wesentlich durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur selben Branche oder zumindest angrenzender Branchen bestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1997 - I ZR 29/94, GRUR 1997, 681, 682 = WRP 1997, 715 - Produktwerbung; Urt. v. 2.10.1997 - I ZR 94/95, GRUR 1998, 961, 962 = WRP 1998, 312 - Lebertran I). Dabei ist auf Seiten des in Anspruch Genommenen nicht auf dessen Gesamtsortiment, sondern grundsätzlich auf den Branchenbereich abzustellen, dem die beanstandete Wettbewerbsmaßnahme zuzurechnen ist (BGH, Versäumnisurteil vom 16. März 2006 – I ZR 103/03 –, Rn. 19, juris).
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3. Gemessen an diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall eine erhebliche Zahl von Unternehmen im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu bejahen.
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a) Zu den beworbenen Waren gehören auch Elektroküchengeräte.
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Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichtes nicht, dass mit der inkriminierten Anzeige lediglich Küchen, nicht aber auch Elektrogeräte für die Küche Gegenstand der Werbung gewesen sind.
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Auf der in die Anzeige integrierten Abbildung sind ein Herd, ein Ofen und eine Dunstabzugshaube zu sehen.
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Für einen Durchschnittsverbraucher bedeutet dies, dass er erwarten darf, bei der Beklagten nicht nur die Küchenmöbel, sondern auch die zugehörigen Elektrogeräte erwerben zu können. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte auch nicht bestritten hat, dass sie selbst Elektrogeräte führt.
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Die Annahme, dass ein Kunde, der die Werbeanzeige sieht, denkt, dass die Beklagte lediglich die Einbauküche plant und die Küchenmöbel liefert, er sich aber die zugehörigen Elektrogeräte aber anderswo beschaffen muss, erscheint dem Senat eher fernliegend. Jedenfalls gibt es in der Anzeige keine Anhaltspunkte dafür, dass die abgebildeten Elektrogeräte bei der Beklagten nicht erworben werden können. Nach der Anzeige drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass sich der Rabatt auch auf die Elektrogeräte bezieht.
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b) Bei den Küchenelektrogeräten handelt es sich um Waren gleicher oder verwandter Art im Sinne der zitierten Rechtsprechung.
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Das Konkurrenzverhältnis zwischen insbesondere den Mitgliedern des Vereins Mittelstandes für den Elektrofacheinzelhandel und der Beklagten mag schwach ausgeprägt sein. Denn in der Regel wird ein Kunde entweder eine Küche mit Elektrogeräten in einem Küchenstudio erwerben oder ein einzelnes Küchenelektrogerät im Elektrofacheinzelhandel. Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass jemand, der sich ursprünglich beispielsweise nur einen neuen Herd kaufen wollte, aufgrund des Rabattes gleich eine neue Küchenzeile mit Herd erwirbt.
- 15
Dies reicht, da das Wettbewerbsverhältnis in diesem Zusammenhang grundsätzlich weit auszulegen ist, aus. Denn Anzeichen für ein missbräuchliches Vorgehen des Klägers sind hier nicht ersichtlich.
II.
- 16
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der inkriminierten Werbung gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG i.V.m. § 5a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 und Abs. 4 UWG zu.
- 17
Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass für den Verbraucher klar und eindeutig erkennbar sein muss, welche Waren oder Warengruppen mit welchen Preisnachlässen erworben werden können und welche Waren oder Warengruppen hiervon ausgenommen sind. Diese Voraussetzung erfüllt die hier inkriminierte Werbung nicht. Der Begriff „Werbezeilen“ ist unklar.
- 18
Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug.
C.
- 19
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO war gemäß § 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO nicht auszusprechen, da die Beschwer 20.000,00 EUR nicht übersteigt.
- 20
II. Die Entscheidung über die Höhe des Gebührenstreitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47, 63 GKG, 3 ZPO.
- 21
III. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor; denn diese Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Beurteilung des Einzelfalles gebietet auch nicht, die Revision zur Fortbildung des Rechtes zuzulassen, weil die vorliegende Entscheidung nicht von der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.
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