Beschluss vom Oberlandesgericht Nürnberg - 7 WF 1114/21

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwandorf vom 27.09.2021 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller beantragt Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz gegen vier Polizisten.

Am 24.08.2021 erschienen beim Antragsteller vier Polizisten, um ihn zur Untersuchung durch den diensthabenden Arzt im Gesundheitsamt vorzuführen. Diese Untersuchung und die Vorführung des Antragstellers zur Untersuchung war zuvor vom Amtsgericht Schwandorf - Abteilung für Betreuungssachen - angeordnet worden. Der Antragsteller wurde sodann zum Landratsamt Schwandorf gebracht und dort untersucht.

Im Termin vor dem Amtsgericht - Familiengericht - am 27.09.2021 hat er erklärt, dass er grundsätzlich zustimme, dass für die Überprüfung von Verwaltungshandeln das Verwaltungsgericht zuständig sei. Er habe aber einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz gestellt, für den ausschließlich das Familiengericht zuständig sei. Vor Antragstellung habe er sich auch beim Verwaltungsgericht Regensburg erkundigt. Dort sei ihm erklärt worden, dass für seinen Antrag die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig sei. Bei der Vorführung am 24.08.2021 sei „alles aus dem Ruder gelaufen“. Ihm sei bewusst, dass er dem Freistaat Bayern nicht die Anwesenheit an irgendeinem Ort verbieten könne. Sein Antrag gehe dahin, dass der Freistaat Bayern dafür Sorge zu tragen habe, dass diese vier Polizisten, welche am 24.08.2021 bei ihm erschienen seien, sich ihm in dienstlicher Funktion künftig nicht mehr nähern dürfen bzw. ihnen entsprechende Weisungen erteilt werden.

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 27.09.2021 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Regensburg verwiesen. Die Entscheidung beruhe auf §§ 13, 17a Abs. 2 GVG. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei nicht eröffnet. Der Antragsteller wende sich gegen das Handeln von vier Polizeibeamten, die ihm ausschließlich in hoheitlicher Funktion und in Ausübung eines öffentlichen Amts beim Vollzug einer betreuungsgerichtlichen Entscheidung am 24.08.2021 gegenüber getreten seien. Er begehre also eine Verpflichtung des Freistaats Bayern. Hierfür sei der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Gegen diesen, am 27.09.2021 in seiner Anwesenheit verkündeten und ihm schriftlich am 30.09.2021 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 13.10.2021 zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärten sofortigen Beschwerde. Begründet hat er die Beschwerde nicht, vielmehr hat er eine Fristsetzung zur Begründung beantragt. Das Amtsgericht hat ihm mitgeteilt, dass einer Begründung bis 29.10.2021 entgegen gesehen wird. Sodann hat der Beschwerdeführer das Amtsgericht viermal um Fristverlängerung gebeten, die ihm jeweils antragsgemäß bewilligt wurde, seine Beschwerde jedoch weiterhin nicht begründet. Mit Beschluss vom 22.11.2021 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Der Senat hat dem Beschwerdeführer erneut die Gelegenheit eingeräumt, seine sofortige Beschwerde zu begründen. Der Beschwerdeführer hat das Oberlandesgericht zweimal um Fristverlängerung gebeten, die ihm jeweils antragsgemäß bewilligt wurde, seine Beschwerde jedoch nicht weiter begründet.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schwandorf ist statthaft gemäß § 17a Abs. 4 und Abs. 6 GVG, §§ 567 ff. ZPO (vgl. Zöller/Lückemann, ZPO, 34. Aufl. § 17a GVG, Rn. 15) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO und formgerecht (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) eingelegt worden, verbleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

Eine Übertragung des Verfahrens an den Senat war nicht geboten, da die Voraussetzungen des § 568 S. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Frage der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bei Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ist abschließend durch den Bundesgerichtshof geklärt (vgl. BGH NJW 2021, 3470; NJW-RR 2022, 73; FamRZ 2022, 103; FamRZ 2022, 189 hinsichtlich Infektionsschutzmaßnahmen im schulischen Sonderrechtsverhältnis). Unterschiede in der Rechtsprechung sind insoweit nicht erkenn- oder absehbar (vgl. BVerfG Beschluss vom 18.1.2022 - 1 BvR 2318/21 zur verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Bezugnahme auf BGH NJW 2021, 3470 und FamRZ 2022, 189; vgl. bereits BayVGH Beschluss vom 24.7.2012 - 10 CE 12.1171, beck-online, bzgl. Maßnahmen nach dem GewSchG gegen Polizeibeamte).

Zu Recht hat das Familiengericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und damit die sachliche Entscheidungsbefugnis des Familiengerichts verneint.

Eröffnet ist allein der Verwaltungsrechtsweg, daher sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auf §§ 13, 17a Abs. 2 GVG gestützt. Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte u.a. Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. § 17a Abs. 2 S. 1 GVG bestimmt, dass wenn der beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen per Beschluss ausspricht und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges verweist.

Gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2021, 935).

1. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor.

In vier Entscheidungen hat der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes folgende Abgrenzungskriterien entwickelt: Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger der hoheitlichen Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient, oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt (vgl. Wittschier, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. § 13 GVG Rn. 5 m.w. Nw.).

Nach dieser Maßgabe handelten die Polizisten nicht als Privatpersonen, sondern waren hoheitlich tätig. Ein Betreuungsgericht kann nach § 283 FamFG eine Untersuchung des Betroffenen gegen dessen Willen sowie die Vorführung des Betroffenen zum Zwecke dieser Untersuchung anordnen (vgl. BGH FamRZ 2008, 774; FamRZ 2018, 628). Gemäß § 283 Abs. 2 S. 1 FamFG ist die zuständige Behörde befugt, erforderlichenfalls die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachzusuchen. Insoweit handelt es sich um eine weitere Aufgabe der Polizei i.S.v. Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG). Dass die Polizisten hoheitlich tätig waren, zweifelt auch der Antragsteller nicht an.

2. Es gibt keine ausdrückliche Zuweisung dieser öffentlich-rechtlichen Streitigkeit an ein anderes Gericht i.S.v. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO („abdrängende Spezialzuweisung“ bzw. „Sonderzuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit“, vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 5.Aufl. § 40 VwGO Rn. 476 ff., 502-680).

Insbesondere handelt es sich bei §§ 111 Nr. 5, 210 ff. FamFG i.V.m §§ 1 - 4 GewSchG um keine Sonderzuweisung einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit an die ordentliche Gerichtsbarkeit. Das FamFG enthält eine solche Zuständigkeitsregelung nicht (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2021, 935; s. a. BGH NJW-RR 2022, 73 und FamRZ 2022, 103, der den § 23 b GVG, § 111 Nr. 2 FamFG, § 151 Nr. 1 FamFG die Bedeutung einer abdrängenden Sonderzuweisung abspricht). Die sachliche Zuständigkeit des Familiengerichts ergibt sich aus § 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG, die funktionale aus § 23b Abs. 1 GVG. Beide Vorschriften setzen vielmehr voraus, dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist. Denn gemäß § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte [nur] die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.

§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO hingegen verlangt, dass die Streitigkeit einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen worden ist. Sinn und Zweck des Ausdrücklichkeitsgebots ist es, im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes besondere Klarheit hinsichtlich des zuständigen Gerichts zu schaffen. Die Rechtsprechung betont, dass gerade bei Rechtswegzuweisungen der Rechtsschutzsuchende auf den Wortlaut einer Zuständigkeitsregelung muss vertrauen können; deshalb ist es ausgeschlossen, dieser Regelung aus Zweckmäßigkeitserwägungen einen vom Wortlaut abweichenden Sinn zu unterlegen. Nur eine als solche bezeichnete und erkennbare Sonderregelung kann die Zuständigkeit der Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit ausschließen (vgl. Sodan/Ziekow, a.a. O. Rn. 486). Ein Beispiel hierfür ist die Regelung des Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG [Enteignung]: „Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.“ Eine vergleichbare Regelung ist weder im FamFG noch im GewSchG zu finden.

Dies bedeutet zwar, dass der Antragsteller anders als von ihm gewünscht nicht bewirken kann, dass ein Familiengericht die hoheitliche Tätigkeit der handelnden Polizisten beurteilt, namentlich ggf. Anordnungen nach dem GewSchG gegen die handelnden Polizisten erlässt. Diese Konsequenz ist jedoch vom Gesetzgeber so gewollt und vorgesehen.

3. Eine abdrängende Sonderzuweisung nach § 40 Abs. 1 S. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor (vgl. hierzu etwa BGH NStZ-RR 2020, 230).

4. Weitere Gründe, welche gegen die Rechtmäßigkeit des Beschlusses sprechen, sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswerts auf §§ 40, 49 FamGKG. Im Gegensatz zum Verweisungsbeschluss (§ 17b Abs. 2 S. 1 GVG) ist über die Kosten eines Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss nach den allgemeinen für die Beschwerde geltenden Grundsätzen zu entscheiden (vgl. Zöller/Lückemann, ZPO, 34. Aufl. § 17b GVG, Rn. 4). Der Streitwert für das Rechtswegbeschwerdeverfahren nach § 17a GVG ist auf einen Bruchteil des Hauptsachewertes festzusetzen, weil es sachlich nicht gerechtfertigt ist, das Interesse des Rechtsmittelführers im Beschwerdeverfahren, den Rechtsstreit in dem seiner Meinung nach eröffneten Gerichtszweig zu entscheiden, mit dem Interesse an einer Hauptsacheentscheidung gleichzubewerten (vgl. BGH NJW 1998, 909, 910 f.).

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Wie bereits dargelegt, ist die Frage der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bei Maßnahmen der öffentlichen Gewalt vom Bundesgerichtshof bereits geklärt worden und sind Unterschiede in der Rechtsprechung weder zu erkennen noch zu erwarten. Der Beschluss ist deshalb mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.

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